Montag, 30. Oktober 2017

Ich kann meine Füße wieder sehen. Und sie sehen nicht gut aus.

Der typische Lebenszyklus einer Diät läuft bei mir ungefähr so:
1. Abwehr.
Diät? Ich doch nicht! Sollen sich andere den Stoffwechsel und die Laune versauen, mir schmeckt es eben, und das soll auch schön so bleiben. Marilyn Monroe hatte Größe 42! Oder jedenfalls irgend etwas mit einer 4 vorne. Ich kann ja bei Gelegenheit, sobald der Beckenboden wieder mitmacht, mal wieder laufen gehen. Nur zum Spaß natürlich! Aus Freude an der Bewegung!

2. Erste Risse in der Verteidigung.
Ob Marilyn Monroe auch drei Kilo Hefeteig oberhalb ihrer Jeans hatte, wenn sie in der Umkleidekabine stand? (Ach was, vermutlich ist einfach die Hose zu eng.) Und die ganz große Liebe ist das mit mir und dem Essen im Moment auch nicht. Immer ist der Kühlschrank voll, und dann hab ich nicht richtig Lust drauf und es muss halt weg. Essen und ich scheinen eine Beziehungskrise zu haben. Meine Jeans und ich auch. Und der Beckenboden lacht mir frech ins pausbäckige Gesicht, wenn ich ihm mit Laufen komme.

3. Traumstart.
Irgendwer (Shaw?) hat mal gesagt, nichts ist so motivierend wie die ersten vier Stunden einer Diät. Egal welcher! Erstmal fühlt sich das neue Regime an wie ein Neustart in ein besseres Leben. Ach was, ein besseres Ich! Denn jetzt gerade, zehn Minuten nach dem Startschuss (bzw. dem Biss in einen stahlharten Apfel) kann ich überhaupt nicht mehr verstehen, was mich jemals an einem Teller Carbonara gereizt hat. Man braucht doch keine Tafel Schokolade und keine Pizza, das ist alles nur im Kopf! Was ich in den nächsten Wochen lernen werde, ist eine ganz neue Achtsamkeit. Darauf hören, was mein Körper wirklich will, statt ihn mit Kartoffelpuffern und Schweinebraten zu bewerfen. Und genau das werde ich als angenehmen Seiteneffekt lernen, wenn ich mich jetzt an die extrem simple und trotzdem in einem 300seitigen Buch erklärte Diät XY halte. Hach! Schon jetzt leuchten die Farben irgendwie mehr, die Luft ist reiner, und ich fühle mich um 30 IQ-Punkte schlauer!

4. Harte Landung.
Ich kann mich auch täuschen, aber mein Körper will Schokolade, Pizza, Kartoffelpuffer und Schweinebraten. Je tiefer und achtsamer ich in mich hineinhorche, desto deutlicher wird das. Und der Kühlschrank ist jetzt sogar noch voller und wird es wohl auch bleiben, denn wer hat bitteschön Lust, all diesen Quatsch zu essen: Babyspinat? Misopaste? Asiatische Glibbernudeln? Putenbrust? Staudensellerie? Harzer Käse? Wie soll ich denn so an den Rohmilchbrie kommen?

5. Geordneter Rückzug.
Ich googele jetzt mal "XY-Diät Kritik". Nur so! Man soll auch immer die andere Seite sehen. Warte mal. Aha... Hmmhmmm... wenig effizient... Jojo-Effekt... Hungerstoffwechsel... nicht nachweisbar... evtl. gesundheitsschädlich... Das ist ja ein schöner Mist! Da hätte ich ja jetzt beinahe meine Gesundheit riskiert! Puh, Puh, Puh. Immer wieder kriegen sie uns ran, diese... diese Industrie! Mit uns können sie's ja machen! Aber nicht mit mir. Ich schmier mir jetzt ein schönes Vollkornbrot mit Pflaumenmus. Vollkorn ist gesund! Und nachher esse ich Schweinebraten. Ich kann ja mal wieder laufen gehen, wenn der Beckenboden wieder mitmacht.

Und dann ein paar Monate später alles wieder von vorne.


So lief das bisher jedes Mal bei mir, auch wenn ich nicht behaupten kann, wirklich alles ausprobiert zu haben. (Atkins z.B. hatte ich noch nie. FdH auch nicht.) Aber jetzt mache ich seit inzwischen vier Wochen wieder 5:2, mir geht's sehr gut, vier Kilo sind runter, und ich habe jetzt fast drei Prozent Körperfett ab- und zwei Prozent Muskelmasse aufgebaut, und zwar ohne Sport abgesehen von einigen strammen Spaziergängen. Heute ist einer der 2 Fastentage mit nur 500 Kalorien, und während ich anfangs immer Angst hatte, gerade dieser Tag wäre zu hart und völlig ungeeignet dafür, lege ich inzwischen morgens einfach los, und es geht wirklich gut. Heute z.B. habe ich meinen Jungs schon Pfannkuchen gebacken ohne Durchzudrehen und Halloween-Süßigkeiten im großen Stil gekauft - alles kein Problem. Ich hab schon mal extrem ausführlich davon geschwärmt, und zwar hier, und ich will mich nicht wiederholen. Außerdem will ich in diesem Blog nicht mehr Raum als nötig an Diäten verwenden - aber wenn, also wenn hier eine der Meinung ist, sie würde gerne ein paar Kilo verlieren, dann kann ich das hier nur empfehlen. Es ist nämlich einfach, funktioniert (zumindest bei mir), treibt mir nicht die Lebensfreude aus, steigert im Gegenteil den Spaß am Essen an den fünf normalen Tagen, ist angeblich sogar gesund, kostet nix und lässt sich so ziemlich mit allen Lebensumständen vereinbaren. Es nimmt, mit anderen Worten, so gut wie keinen Raum in meinem Leben ein und läuft ganz selbstverständlich so mit. Neben Schweinebraten, Pizza und all dem anderen.

Freitag, 27. Oktober 2017

Ich persönlich fänd's gut, wenn ein Buch über Kinderwunschbehandlungen mal die Bestsellerlisten anführen würde.

Gerade ist hier wieder mal Effi-Mama am Ruder, das heißt, ich bin in einem wahren Rausch der Effizienz. Umsatzsteuererklärung, Kitagutscheinverlängerung, Kekse backen, Briefe beantworten, Zeitschriftenabos kündigen, Schubladen ausmisten, Bügelkiste leer bügeln, Gesundheitsbaustellen begehen: Zack-Zack-Zack! Entsprechend ist heute mal der Blog dran mit einer Reihe von Themen, die ich längst gebloggt haben wollte. Los geht's mit Thema Nr.1:

Liebe Abkürzungsdamen, wieder mal hat eine von uns ein Buch über diese seltsame, nervenzerfetzende, niemals langweilige und dann doch wieder unfassbar langwierige Kinderwunschzeit geschrieben. Hier findet Ihr ihr Buch. Ich habe es noch nicht geschafft, es ganz durchzulesen, aber was ich gelesen habe, hat mir sehr gefallen und Euch hoffentlich auch! Herzlichen Glückwunsch, liebe Ann A. Niem, zu diesem zweiten Baby (mit dem ersten hat es, wie ich herausgelesen habe, dann noch vorher geklappt). Ich hoffe, es entwickelt sich prächtig und macht Mutti viel Freude!

Und nun schreit das Prachtbaby schon wieder. So viel Energie! Sagenhaft. Daher klappe ich den Rechner erst mal zu und stürze mich später wieder in meinen Erledigungsmarathon.

Dienstag, 17. Oktober 2017

Das alte Lied von den dicken Onkeln und den dünnen Nerven

Ich hatte eine Bekannte mit unfassbarem Selbstvertrauen. Job, Sport, Erziehung, Bildung, Kochen, Aussehen, Stil, egal was: sie hatte es drauf. Anfangs dachte ich, die kann was! Dann dachte ich irgendwann, na ja, die einen sagen so, die anderen sagen so, jedenfalls ist sie sehr nett, das ist ja die Hauptsache. Dann kam die Phase, als mir aufging, dass ich die meiste Zeit in ihrer Gegenwart dachte, was redet die denn da? Ist das ihr Ernst? Das hat sie gerade nicht ernsthaft gesagt, oder? Und auch wenn bei mir manches etwas länger braucht als bei anderen, leuchtete mir irgendwann ein, dass das keine Basis für eine Freundschaft ist: der eine mit riesigen Sprechblasen, die praktisch jedes Kästchen im Comic komplett ausfüllen, und der andere immer mit dieser Denkblase mit der kleinen Spirale und dem Smiley ohne Mund.

Sie hatte unter anderem die Eigenart, imaginäre Interviews zu geben, und das geht so: man bummelt die Straße entlang und redet gerade über etwas ganz anderes, den Hund, Weihnachten, was auch immer, und sie sagt plötzlich "Weißt du, mein Trick ist, alles ganz einfach. Das Leben ist zu kurz für Ewigkeiten im Bad, sag ich immer! Nicht mehr jeden Tag Reinigung, Tonic, Tagespflege, Sonnenschutz, Primer, Concealer - nein, eine Creme für morgens und abends, Sonnencreme praktisch überhaupt nicht mehr, Make-Up habe ich beschlossen, nicht nötig zu haben, und ich kaufe nur noch Naturkosmetik. So einfach, haha! Und das Beste ist, es funktioniert!"

Als hätte ich gefragt. Als hätte ich gesagt "Du musst mir unbedingt mal verraten, wie dieser Bomben-Teint zustande kommt!" Oder "42 Jahre - und einfach nur Wow. Wie machst du das?" Als würden wir zusammen auf einer Couch im Studio einer Promisendung sitzen.

Davon hätte ich gerne etwas ab. Nur ein bisschen! Vielleicht so viel, wie sie im dicken Zeh hat. Und dann würden die Dinge hier mal ins Rollen kommen. Dann würde ich mich angesichts anstehender Entscheidungen nicht bis zum Bandscheibenvorfall winden. Dann würde mir der Wiedereinstieg in den Job nicht in erster Linie Angst machen. Dann wäre ich stolz wie Bolle darauf, so kurz hintereinander drei Kinder bekommen zu haben (und das, obwohl wir alle nur zu gut wissen müssten, dass das absolut nichts mit irgend einer Art von Verdienst meinerseits zu tun hat - egal: ich wäre stolz.) Ich würde mit meinem Doppelkinderwagen wie ein Schneepflug über den Bürgersteig heran donnern, und alle würden gerade noch so zur Seite springen, aber ich würde mich niemals entschuldigen. Dann wäre mir total egal, ob die anderen Damen in der Kita das mit der Erziehung und den Elternpflichten und dem einzig richtigen Weg so ganz anders sehen als ich, ich wäre eben ich und die wären die. Dann würde ich entweder eine Diät machen und mich bei niemandem dafür rechtfertigen oder meinen Bauch und das Hüftgold behalten und jedem die Zunge rausstrecken, der mich abschätzig anguckt. Vielleicht würde ich extra was Bauchfreies anziehen, nur um zu beweisen, wie unfassbar gut ich auch mit verwohntem Drei-Baby-Bauch aussehe! Ein Statement-Bauch. Dann hätte ich auf einen Schlag ungefähr 30 Themen, über die ich aus dem Stand posten könnte, und ich würde darauf pfeifen, was die Leute dazu sagen würden, die in diesen 30 Posts vorkommen würden, ob sie wollten oder nicht. Dann wäre das verdammte Buch vermutlich inzwischen fertig. Dann müsste ich jetzt nicht schon wieder aufhören zu posten, weil nachher die Putzfrau kommt und ich hier aufräumen will (auch aus der - eingebildeten oder echten? - Erfahrung, dass Putzfrauen jeden Respekt verlieren, wenn man nicht auch ohne sie ordentlich ist, und dann putzen sie nicht mehr gründlich, und man wirft ihnen sein bisschen Geld für nix in den Rachen. Alles schon passiert! Ich sag ja nur) denn ich würde denken, pah! So ist das eben, wenn man Kinder hat, da muss sie nun durch. (Und weil es mir bisher noch nicht gelungen ist, das Selbstbewusstsein aus dem dicken Onkel meiner Bekannten auf mich zu übertragen, denke ich jetzt in dieser Sekunde schon wieder darüber nach, dass das aber nicht ok ist, hier über meine Erfahrungen und Ängste bzgl. Putzfrauen zu schreiben, denn viele hätten gerne eine Putzfrau, haben aber keine, und nun bin ich vielleicht endgültig eine Eppendorfer Tussi, und herrje, keiner wird mich mehr mögen, wenn das so weiter geht. Und so vergehen kostbare Minuten, in denen ich am Rechner sitze und das Baby schläft. Wundert sich noch wer, wo eigentlich dieses Buch bleibt? Schriftsteller, die es allen recht machen wollen, die sollten vielleicht doch in der Werbung bleiben, denn so viele Drehbuchautoren braucht die Traumschiff-Redaktion auch wieder nicht.)