Mittwoch, 5. April 2017

Jedenfalls:

Und das kam so. Am 20. März bin ich morgens aufgewacht, ins Bad geschlufft und... nee. Irgendwie wird das hier zu eklig. Lasst mich also einfach nur schreiben, dass etwas passierte, was mir das deutliche Gefühl gab, innerhalb der nächsten 24 Stunden wäre es so weit. Was genau, bleibt mein kleines Geheimnis. Kommt schon, auch Blogger wollen ab und zu noch etwas für sich behalten! Also. Zwar hatte ich seit inzwischen 14 Tagen fast jeden Tag zu L. gesagt, nun würde es aber bald los gehen, aber an diesem Tag habe ich ihm gesagt, jetzt wäre ich wirklich, wirklich sicher. An diesem Tag hatte ich noch einen Kontrolltermin bei meiner Frauenärztin, die aber noch nicht aus dem Häuschen war - vielleicht würde es heute losgehen, vielleicht auch in einer Woche, wer weiß? Aber ich trug an diesem Tag meinen dicken Bauch mit dem Flair einer diesmal wirklich ernst gemeinten Abschiedstournee durch Hamburg und musterte ihn vor dem Schlafen gehen noch mal fast wehmütig und ausführlich im Spiegel - immerhin war ich diesmal wirklich sicher, zum letzten Mal so dick zu sein (es sei denn, meine Fresssucht gewinnt doch noch die Oberhand).

Dann war es Nacht, neben mir schlief Kalle tief und fest, und im Flur stand stumm und trotzdem plötzlich sehr präsent die Kliniktasche.

Gegen elf fing es an zu zwiebeln. Ich holte mein Telefon aus der Küche, aktivierte die Stoppuhr und wartete. Die ersten drei Wehen waren jeweils ungefähr fünfzehn Minuten auseinander. Dann kamen zwei Wehen, die waren zwölf Minuten auseinander. Ich weckte L. und schlich ins Bad, um noch ein letztes Mal zu duschen. Unter der Dusche - nichts. Nach der Dusche - nichts. Als die nächste Wehe kam, war die letzte fast 26 Minuten her. Na toll, dachte ich - Übungswehen. Jetzt ziehe ich meinen Schlafanzug wieder an und gehe schön zurück ins Bett. Die nächste Wehe kam fünf Minuten nach der letzten und heftiger als alle vorhergehenden zusammen. Da habe ich beschlossen, meinen bekloppten Körper der Medizin zu vermachen, mich dann doch schnell wieder angezogen und ein Taxi gerufen. L. hat noch versucht, seine Mutter aus dem Bett zu holen, die aber schon tief und fest schlief. Also habe ich den treuen Dufflecoat mit dem gesprengten untersten Knopf noch einmal angezogen, meine Kliniktasche gepackt und bin in mein Taxi gestiegen. Der Taxifahrer war entgegen der in Filmen verbreiteten Geburt-im-Taxi-Romantik überhaupt nicht angetan davon, eine kurz vor der Niederkunft stehende Frau zu fahren, ihn gruselte es gewaltig (mich auch, da hatte ich also vollstes Verständnis für). Entsprechend ließ er mich irgendwo auf dem Klinikgelände raus. Inzwischen waren die Wehenabstände bei drei Minuten, und bis ich im Kreißsaal ankam, hatte ich noch vier davon gehabt. Trotzdem zeichnete das CTG erst mal gar nichts auf, und ich hatte schon Angst, ich müsste wieder gehen - aber die Hebamme guckte sicherheitshalber nach, und da war ich bei acht Zentimetern. (Damen, die noch in der Abkürzungsphase sind - das ist viel.) Es war zu spät für eine PDA, ich schlüpfte in eins dieser pastellfarbenen Größe-58-Kliniknachthemden, und wir gingen unter Fauchen und Brummen in den Kreißsaal. Wie sich herausstellte, war es nicht nur zu spät für eine PDA, sondern auch für Lachgas, auf das ich mich schon so gefreut hatte - das Gerät muss nämlich eine geraume Zeit vorglühen, und auch dafür war nun leider keine Zeit mehr. Also versuchten wir, es mir auf andere Art nett zu machen - im Stehen am geknoteten Tuch, auf dem Gummiball und im Laufen. Ich will hier niemandem Angst machen, aber so richtig gemütlich wurde es nicht dabei, und am Ende war ich den Zirkus auch leid und wollte zurück auf die Liege. Inzwischen hatte ich zwar Wehen, die das CTG auch aufzeichnete, aber die hatten irgendwie keine Kraft - also presste ich einfach "trocken", wann immer mir danach war. Mir war leider nicht sehr danach, denn Geburtsschmerzen haben diese scheußliche Art, einen aus dem eigenen Körper vertreiben zu wollen - so geht es jedenfalls mir jedes Mal. (Habe ich gerade "Jedes Mal" geschrieben? Habe ich.) Ich weiß genau, ich müsste mich richtig reinhängen - als müsste man sich einen rostigen Nagel erst durch den ganzen Fuß jagen, um ihn wieder loszuwerden. Aber etwas Kräftiges in mir sträubt sich dagegen und wäre am liebsten ganz weit weg. Gegen diesen Fluchttrieb anzugehen, fordert aber schon so ziemlich alles, was ich habe - und mich dann noch dazu zu kriegen, den Mund zuzulassen, alle verbliebenen Kräfte zu sammeln und nach unten zu pressen, ist nicht leicht. Die Hebamme wollte mich irgendwann zusätzlich motivieren, indem sie mich dazu brachte, mit der Hand den Kopf des Kindes zu berühren - und damit bekam die ganze Szene jetzt noch eine Alien-artige, wirklich wirklich WIRKLICH fiese Dimension, in der noch einmal alles kulminierte, was mir die letzten sieben Monate lang fremd, merkwürdig und surreal vorgekommen war.
Und dann war sie da. Und jetzt ist alles gut. Seit diesem Moment - am 21.3. im 2:14 im Kreißsaal 3 des UKE eigentlich fast ununterbrochen. Obwohl inzwischen Schlaflosigkeit, Eifersüchteleien unter den Brüdern und dergleichen mehr Einzug gehalten haben - ist trotzdem alles gut. Ein feines Mädchen haben wir da. Hätte ich das mal gewusst!

Andererseits hätte ich es vermutlich einfach nicht geglaubt.

2 Kommentare:

  1. Herzlichen Glückwunsch Flora, gut gemacht!!!
    Der Name ist wunderschön, unser IVF Kind heisst auch so, bereits im Okt 14 geboren,
    Alles Gute Euch!

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  2. Gratuliere Dir!
    Das morgendliche Ereignis der Unappetitlich - Erstschwangeren-total-verstörenden Art hieß bei meiner Hebamme ganz niedlich "Zeichnen"...
    Ich habe sie dann gebeten, den zukünftigen in ihrem Kurs vielleicht doch die Details zu schildern... dann ruft sie auch keine mehr ziemlich hysterisch quietschend um 04:00 Morgens an!

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