Montag, 27. März 2017

Angekommen.

Ich dachte, vielleicht kommt sie an, und alles ist genau so schrecklich, wie ich es mir nachts zwischen zwei und fünf ausmale, und dann ist alles vorbei. Ich dachte auch, ich habe jetzt sieben Monate lang irgendwie keinen Bezug zu diesem Kind in meinem Bauch bekommen, die legen sie mir auf den Bauch, und nichts. Wenn ich an sie dachte, dachte ich manchmal erschreckenderweise wohl vor allem ans Hinkriegen (oder nicht). Wie soll das alles werden?

Viel schöner, als ich mir das jemals vorgestellt hätte. (Von der Idee, eine sehr lebhafte Vorstellungskraft zu haben, muss ich mich wohl kleinlaut verabschieden.)

Klara ist da, geboren am 21.3. um 2:14 im UKE, und seitdem bin ich in eine Hippiwolke aus Babyglück eingehüllt. Es geht ihr gut, sie ist ein rundum wunderbares, rosiges und freundliches Baby. Sie trinkt und schläft und trinkt und schläft, und dazwischen macht sie auch mal ihre kleinen Augen auf und guckt sich um, und es scheint ihr zu gefallen, was sie dabei so sieht, denn dann huschelt und nuschelt sie kurz und schläft weiter. Ich kann mich kaum lang genug davon losreißen, sie anzusehen, um euch schnell zu schreiben. Wie das genau war mit der Geburt, erzähle ich in den nächsten Tagen (keine Angst, sie schläft so viel, das kriege ich hin). Und alles andere auch. Und es tut mir leid, dass ich nicht im Krankenhaus schon gepostet habe, aber nachdem mir damals mein Iphone auf den drei Tage alten Michel gefallen war mit Riesenbeule und noch schlimmeren Riesenschuldgefühlen (und sich jedes Gefummel mit technischen Geräten sowieso angefühlt hätte wie ein Sakrileg) habe ich es diesmal lieber gelassen und mich einfach still, offline und für mich an meinem Baby gefreut. Jetzt sind wir zuhause, meine Mutter hilft uns, möglichst leicht und gelassen in unseren Alltag zu fünft mit Hund zu glitschen, und plötzlich ist Frühling und die Sonne scheint. Alles ist gut. Vielen Dank, liebe Abkürzungsdamen, für's Mitfiebern und Daumen drücken: es hat funktioniert.


Sonntag, 19. März 2017

Nur, falls sich eine fragt

Jeden Morgen fragt L. "Immer noch kein Baby?", und jeden Morgen grunze ich irgendwas und verschwinde ins Bad. Dabei ist die Wahrheit, ich bin froh, wenn es nicht nachts losgeht. Denn sollte ich nachts so gegen zwei von Wehen geweckt werden, dann kommt das Kind irgendwann in der Morgendämmerung, und bis ich dann genäht (vermutlich) und mit Kind in Strampler und Schlafsack in einem Zimmer bin, ist der Krankenhaustag in vollem Schwung, und dann darf ich die nächsten zwei-drei Monate eine fehlende Nacht vor mir herschieben wie ein müder kleiner Bulldozer, denn dass man das im Krankenhaus niemals aufholt, weiß jeder, der da schon mal war. In einem Zimmer auf der Wochenstation kommen im Laufe des Tages (teils mehrfach): Frauenarzt, Kinderarzt, Schwester, Hebamme, Stillberaterin, Blumentante, Fototante, Putzfrau, die Frau, die wissen will, was man nachher essen möchte, die Frau, die das Essen bringt und die, die hinterher das Geschirr abholt, und der Besuch. Und das alles mal zwei, denn da ist ja noch eine zweite Dame mit Baby im Zimmer. Dazu kommen die kleinen Würmer, die ich vermutlich zuerst hätte nennen sollen, was bin ich denn bitte für eine Mutter?, aber das haben die meisten sich ja sicher schon immer gedacht, die Würmer jedenfalls, die nach ihrem Ritt aus dem Bauch den einen oder anderen Pups quer sitzen haben und sich auch erst zurecht ruckeln müssen in dieser komischen Welt, die außerdem frische Windeln brauchen und Milch, die aber auch nicht immer so kommen will, wie sie soll - eigentlich ist kaum zu fassen, wie das alles in 24 Stunden passen soll, und dann noch erholsame und kuschelige Nickerchen für Mütter und Babys - nee, die sind nun wirklich nicht drin.

Jedenfalls, immer noch kein Baby.

Freitag, 17. März 2017

Wir binden uns ein Warteschleifchen.

Es gab mal Zeiten, da war ich besser im Training, was Warten angeht. So ungefähr von Februar 2009 bis Juli 2013, würde ich sagen. Inzwischen sind die Wartemuskeln ungefähr so stramm wie der Beckenboden, und ich kann das einfach nicht mehr besonders gut. Vorgestern war der Stichtag, den ich mir ausgerechnet habe, und in drei Tagen ist der, der im Mutterpass steht. Aber die Stichtage sind gar nicht so wichtig, viel irrer macht mich, dass es sich diesmal wirklich seit ungefähr zwei Wochen so anfühlt, als würde es in der nächsten Stunde los gehen. Jedes Mal, wenn ich unter die Dusche steige, denke ich, immerhin komme ich gleich frisch geduscht in den Kreißsaal. Jedes Mal, wenn ich etwas esse, frage ich mich, ob das für peinliche Zwischenfälle bei der Geburt sorgen könnte, und meine letzte Mahlzeit mit Pilzen, Zwiebeln oder Kohl vor der unmittelbar bevorstehenden Stillzeit habe ich inzwischen ungefähr zwanzig Mal zu mir genommen. Das dritte Kind! Ich sollte lässiger sein. Bin ich aber nicht.

Und das hier ist Warten für Fortgeschrittene: Ich warte auf etwas, das aller Erfahrung nach schweineweh tun wird, und hab keine Ahnung, wie es ausgeht. Ist das Kind knallgesund und munter, und ich kann nach der Geburt über all die Sorgen aus den letzten Monaten nur noch lachen? Werden meine schlimmsten und irrationalsten Ängste wahr? Kriegen wir das hin? Wieso dauert das so lange? Kann es noch ein bisschen länger dauern bitte? Oder kann ich es bitte schon hinter mir haben?
Nicht nur Fusselhirn, sondern auch Quengelliese. (Ein klitzekleiner Teil von mir freut sich sogar ein bisschen darauf, für zwei-drei Tage zuhause aus allem raus zu sein. Dieser klitzekleine Teil wird in den nächsten Tagen noch ziemlich blöde aus der Wäsche gucken, denn die anderen Teile von mir erinnern sich noch sehr lebhaft an den nicht vorhandenen Erholungsfaktor von ein paar Tagen auf der Wochenstation.)

Ach Töchterchen, geht's Dir gut da drin?
(Wie es mir hier draußen geht, weiß ich beim besten Willen nicht mehr.)

Sonntag, 12. März 2017

Eine sehr unsortierte Auswahl einiger Dinge, die ich gerade nicht verstehe.

1. Mein erster Freund K. wohnte noch zu Hause, als wir zusammen waren (wie man das mit 17 so macht). Seine Mutter kochte ganz anders als meine. Kam z.B. die Verwandtschaft zu Besuch, dann kochte sie nicht, wie man sich das so vorstellen würde von einem ländlichen Haushalt, einen großen Braten mit ein paar Beilagen und hinterher Torte, sondern sie machte Schnitzel, Bratwürste, eine Sauce mit Fleischklößchen, Braten, einen Fleischkäse vom Metzger, Frikadellen und vielleicht auch noch Koteletts. Dazu gab es dann Reis, Nudeln, Spätzle, selbstgemachte Semmelknödel und noch ganz, ganz viel anderes. Die Verwandten fanden's supi. Bei uns zuhause gab es Mailänder Käserouladen, Wirsingauflauf, Fisch mit Senfsauce und vielen Kräutern und Badische Porreesuppe. Das war auch alles sehr lecker, aber eben anders lecker. In Mutter K.s Küche spielten Brühwürfel und Fondor eine wichtige Rolle, und in vielen Fällen war das überhaupt kein Fehler. Ihr Prunkgericht war eine Kartoffelsuppe, zu der es Apfelpfannekuchen gab. Ich habe bestimmt vier mal zugeguckt, wie sie die Suppe macht, und es mir zwölf mal mehr erklären lassen. Trotzdem kriege ich sie heute nicht hin. In die Suppe kommen Kartoffeln, Suppengrün, Petersilie, Brühwürfel, Zwiebeln und Dosenpilze, so viel ist klar. Vielleicht noch Majoran? Keine Ahnung. Bei den Apfelpfannekuchen bin ich am Ziel, die schmecken genau wie ihre. Aber diese Kartoffelsuppe entzieht sich mir jetzt seit zwanzig Jahren, so lange nämlich, wie ich schon nicht mehr mit K. zusammen bin und nicht mehr an Mutter K.s Tisch gesessen habe. So schwer kann's doch nicht sein! Kann es doch. Warum, verstehe ich nicht. Heute starte ich jedenfalls den nächsten, ca. zweiunddreißigsten Versuch.

2. Viele regen sich auf über das fiese Frauenbild aus Modelshows und Modestrecken. So dünn ist im wirklichen Leben keine Frau, da werden Zwänge und schrecklich komplizierte Krankheiten erzeugt, eine ganze Generation von Mädchen ist unzufrieden mit ihren im Grunde völlig okayen Körpern usw. Ich konnte mich darüber nie so richtig aufregen, muss ich zugeben, vielleicht bin ich erstens zu wenig anfällig für Essstörungen und zusätzlich auch noch so haarsträubend egozentrisch, dass ich mir das noch nicht mal vorstellen kann, was das mit anderen machen kann. Aber worüber ich mich in letzter Zeit sehr oft schrecklich aufrege, ist das Frauenbild in Bilderbüchern. Und wie! Ihr solltet mich sehen. Kein Wunder, dass meine Frauenärztin sich Sorgen um meinen Blutdruck macht und ich inzwischen bei sechs Methyldopa täglich bin. Bobo Siebenschläfers Mutter z.B.: Bobo schmeißt seinen Kakao vom Hochstuhl, und ehe du piep sagen kannst, ist Mutter Siebenschläfer lächelnd auf den Knien und wischt das weg. Zum Geburtstag bekommt sie eine Torte, die Bobo durch Rumhüpfen geplättet hat (wieso, wieso darf die kleine Wurst die Torte tragen? Wieso?) und freut sich natürlich so recht von Herzen. Bobo schließt sie ein und weigert sich, wieder aufzuschließen, und nachdem das Problem mit Lächeln nicht zu lösen ist, klettert sie eben aus dem Fenster, lächelnd natürlich. Dann die Kinder in der Wanne. Kinder in der Badewanne in Bilderbüchern können gar nicht anders, die setzen immer das ganze Bad unter Wasser. Man bekommt das Gefühl, das muss so sein, wenn hinterher noch Wasser in der Wanne ist, dann hat man was falsch gemacht. Die Mütter wischen und lächeln. Diese Bücher sind nicht von 1957, sondern von jetzt. Ich wünsche mir genau so wenig die Lindenstraße in Kinderbuchform, aber ein bisschen mehr Realität? Kann sein, dass die Teen Vogue oft von noch nicht komplett ausgeformten Charakteren gelesen wird, die sich viel zu leicht beeinflussen lassen, aber was ist mit Bilderbüchern? Wieso regt sich da niemand auf? Ich rede nicht nur von den Kindern, sondern auch von den Millionen von Müttern, die überall auf den Sofas sitzen, das Bilderbuch in den Händen und den Kopf voller Schuldgefühle und Unsicherheit, und dann erklärt das Bilderbuch, wie's gemacht werden soll: lächeln. Wischen. Niemals schimpfen. Niemals die Nase voll haben oder wütend werden. (Es gibt eine ganz tolle Ausnahme, nämlich Willi Wiberg. Willi lebt bei seinem allein erziehenden Vater, was aber bisher kein Thema war, und es kommt tatsächlich vor, dass Papa müde ist oder lieber die Zeitung lesen will, als mit Willi zu spielen. Er wird allen Ernstes auch mal sauer, z.B. als seine Lieblingspfeife weg ist. Trotzdem ist das ein toller Papa, der erzählt und erklärt und ganz viel versteht und richtig macht. Hurra für Papa Wiberg!) Es ist, als hätten die Bilderbuchautoren Angst, es sich mit ihrer Leserschaft zu verscheißen, wenn die Mütter und Väter auch nur das geringste Hindernis in einer kunterbunten Welt voller Phantasie und Überschwemmung und Schokoladenschlachten darstellen. Wieso? Keine Ahnung. Ich dachte in letzter Zeit bei der Lektüre von Büchern für Dreijährige öfter an "The Veldt" von Ray Bradbury, eine der gruseligsten Kurzgeschichten aller Zeiten. Z.B. hier kann man sie lesen.

3. Warum knarren immer die Dielen im Flur vor dem Kinderzimmer am lautesten? Würden wir das Kinderzimmer verlegen, würde das Knarren mit umziehen, da bin ich sicher.

4. Ich bekomme noch ein Kind. Was gibt es da nicht zu verstehen? Auch das verstehe ich nicht, sehe ich doch jedes Mal meinen gigantischen Bauch, wenn ich an mir runtergucke. Tritt mich das Kind doch jeden Tag nach Kräften. Stapeln sich hier doch inzwischen wieder die Pakete mit Sterilisiergerät, Babyaufsatz für den Kinderwagen, Babykindersitz und Pre-Milch. Hocke ich doch ständig auf dem Boden, gucke mit einem Auge Barnaby und sortiere mit dem anderen Babywäsche in passende Haufen und Körbe. Liege ich doch dauernd bei meiner Frauenärztin herum und habe diese ulkigen CTG-Geräusche im Ohr. Habe ich doch einen ET, der ständig näher rückt, und miese Übungswehen, um es zu beweisen. Die Kliniktasche steht im Flur, die Familie sitzt auf glühenden Kohlen, L. und ich führen hitzige Diskussionen über Vornamen und all das. Trotzdem will es nicht so richtig ankommen in meinem Fusselhirn. Vielleicht, weil es mir immer noch Angst macht, was die ersten Discowochen mit dem Würmchen gemacht haben könnten. Vielleicht, weil ich das immer für ein Gerücht gehalten habe, diese Talkshow-artigen Schwangerschaften von Frauen nach IVF und in fortgeschrittenem Alter. Vielleicht, weil ich mir überhaupt noch nicht vorstellen kann, wie das alles werden soll.
Aber keine Angst: erstens baue ich auf die aufrüttelnde Wirkung einer weiteren Geburt. Und zweitens auf Babygeruch und Huscheln an meiner Schulter und Stillen und all das. Das Sein bestimmt das Bewusstsein: da hab ich immer schon dran geglaubt. Und genau so, wie mein innerer Realitätsverlust mich nicht von der äußeren Anschaffung des notwendigen Babykrempels abgehalten hat, wird er mich davon abhalten, auch dieses Würmchen fest im Arm zu halten und mich um es zu kümmern, wenn es da ist. (Oder? Wird er doch nicht?)

5. Kleine Jungs und Dinosaurier.

6. Wo kaufen eigentlich die Kandidatinnen aus dem "Bachelor" ihre Kleider? So ein Geschäft hab ich glaube ich noch nie gesehen.

7. Bei all dem Bluthochdruck, der damit einhergehenden Beklemmung, dem Geächze und Gefauche bei jedem Bücken und Aufstehen und all dem ist mein Fusselkörper in manchen Dingen überraschend freundlich zu mir. Z.B. ist in dem Moment, in dem Rasieren wirklich schwierig werden würde, von Epilieren wollen wir gar nicht reden, kein Härchen mehr an meinen Beinen gewachsen. Das ist doch nett! Verstehen kann ich es trotzdem nicht, ich hab von diesem Phänomen noch nie gehört und kann mich auch nicht erinnern, ob das die letzten beiden Male auch schon so war.