Dienstag, 22. März 2016

Schizophrenie, fürchte ich.

Jeden Morgen wirft mich eins der Kinder um halb sieben aus dem Bett. Ich schlurfe noch blind ins Bad, klemme mir die Kontaktlinsen in die roten Augen, werfe meine vor-dem-Frühstück-Medikamente ein und bin mittendrin: im Gewühle, im Gebrüll, im Erfüllen von Kinderwünschen, im Broteschmieren, im Windeln wechseln, im auf und ab rennen und tausend klitzekleine Sachen zusammensuchen. Kleine Brotdosen, kleine Joghurts, kleine Rucksäcke, kleine Schuhe, kleine Mützen. Der Lärmpegel steigt, ich schicke einen flehenden Besänftigungsgedanken zu dem netten älteren Herrn, der unter uns wohnt und ohne uns sicher bis zehn Uhr behaglich schlafen könnte und der noch nie den kleinsten Vorwurf geäußert hat. Noch nicht mal mit Blicken! Dann haben alle ihre Jacken an und der Hund seine Leine, L. und ich wackeln mit der kleinen Karawane los, packen Hund und Kinder ins Auto, und dann fährt L. davon Richtung Kita, ich winke, und weg sind sie.

Ich komme zurück in die Wohnung, und da ist er: der Kram. Stofftiere, Spieluhren, kleines Kochgeschirr, das zum Spielen da ist, und großes Kochgeschirr, das eigentlich nicht zum Spielen da ist, Fläschchen, Kapuzenhandtücher, Zahnkügelchen, Schlafanzüge, zu strammen Päckchen zusammengerollte volle Windeln, Dreckwäsche, Bilderbücher, halbleere Müesli-Schüsseln, ausgespuckte Mandarinenstücke, Riesenlego, Schleichtiere, Autos, Puzzleteile, der schöne Affe ohne Arme, alles liegt überall rum, und weil Mama immer noch einen Bandscheibenvorfall hat, bückt sie sich nach jedem Teil ungefähr so, wie man das im Fernsehen bei Geishas sieht. So irgendwie seitlich und als müsste man sich dringend einen Piesch verkneifen. Das dauert ewig, und ein paar Teile bleiben immer liegen. So lange die Kinder um mich sind und brüllen und sich an den Haaren ziehen und ständig irgendwas wollen und so dermaßen DA sind, macht der Kram mich wahnsinnig. Kaum sind sie aus dem Haus, macht er mich melancholisch. Dieser leere Habitat-Bus, die Männchen kreuz und quer verstreut - wo kommt er her? Wo fährt er hin? Ich sehe ihn an und seufze.

Ich habe ehrlich einen Knall.

Sonntag, 20. März 2016

Neues von der großen Eiertanz-Kochbuch-Challenge

Sicher knabbert ihr schon an den Nägeln vor lauter Aufregung, was denn nun aus dem Gekoche geworden ist.

Naja.

Also schön. Es lief ungefähr folgendermaßen: das Kochbuch steht im Regal neben dem Küchentisch. Jedes Mal, wenn ich in den letzten Wochen einen Einkaufszettel geschrieben habe, dann habe ich das Buch dazu geholt und durchgeblättert auf der Suche nach mindestens einem Rezept, für das ich gleich einkaufen kann. Und jedes Mal habe ich das Buch am Ende zugeklappt und dumpf ins Leere gestarrt. Auf einmal hatte mich wie durch Magie jede Lust zu Kochen komplett verlassen. Lag es an den nach wie vor nervigen, gestellten, totdekorierten Fotos? Lag es an den teilweise offensichtlich hirnrissigen Anweisungen in den Rezepten, die überdeutlich machen, dass Katie zwar schön fotografieren kann, aber leider nichts vom Kochen versteht, was für eine Kochbuchautorin ja eher... nicht so gut ist? Eigentlich koche ich gerne, ich esse sogar noch lieber, und meine Kochbücher nehme ich sonst mit ins Bett, in die Badewanne, überall hin, manche sind schon völlig zerfleddert, obwohl ich erst zwei-drei Rezepte daraus probiert habe. Das war noch nie, dass ein Kochbuch mich vom Kochen abbringt, und zwar insgesamt, nicht nur vom Kochen der Rezepte auf seinen Seiten. Schlimmer als das, sogar das Träumen vom Kochen hat es mir verekelt! Und gestern habe ich es mit einem verächtlichen Schnauben zugeklappt und mir gedacht: dieser Vorsatz ist ungefähr so sinnvoll, als hätte ich mir vorgenommen, bis Jahresende mit zwanzig Herren mit Mundgeruch zu knutschen. So viel Sportsgeist habe ich nicht in mir, es unbedingt schaffen zu wollen, nur um es zu schaffen. Weg damit!

Weg überhaupt mit Einigem. Hier herrscht nämlich gerade der große Frühjahrsputz, und zwar die Sorte, zu der man keine Gummihandschuhe tragen muss. Ich habe endlich eine Art von Kosmetik für meine rote Haut gefunden und den Rest weggeschmissen, statt weiter acht Jahre alte Make-Up-Reste, ranzige Augencreme und zerklumpte Puder für schlechte Zeiten aufzuheben, nur weil sie mal teuer waren. Ich habe meine Zeitschriftenabos gekündigt (und eins davon nach ein paar Tagen Entzug online wieder neu bestellt, zu einem Fünftel des Preises und außerdem mit Archiv, so dass ich jetzt zehn Jahrgänge zu L.s großer Freude einfach ins Altpapier werfen kann) und die Sockenschublade sortiert. Das hat eine ganze Folge Barnaby lang gedauert, kann man mal sehen. Die löchrigen oder einzelnen Socken sind in eine Stofftasche gewandert, aus der ich mich jetzt bediene, wenn ich Schuhe putze oder Möbel poliere, was zur Folge hat, dass ich seitdem schon zweimal alle Schuhe geputzt und so oft den Küchentisch poliert habe, dass die Wachsdose jetzt alle ist und wieder neu besorgt werden muss. Ich habe meinen Kleiderschrank ausgeräumt und wieder eingeräumt, und ich habe nach einem langen, ehrlichen Blick in den Spiegel eine Papierschere genommen und die federfeinen Fransen, die gerade das untere Drittel meiner Frisur ausmachen, einfach abgeschnitten. Ich habe mir eine neue elektrische Zahnbürste gekauft und L. hinterlistig in einen Deal verwickelt, der ihm verbietet, mir jemals Vorschriften hinsichtlich der Ladezeiten zu machen, was er sonst immer getan hat und was mir elektrische Zahnbürsten insgesamt vermiest hatte. Ich habe mir als Vollnerd sogar die Zahnputz-App dazu geladen und bin jetzt laut App noch acht Tage von knallweißen Hollywood-Zähnen entfernt. Ich brauche meine fast leeren Shampoos auf und verbiete mir, vorher ein neues zu kaufen. Ich habe beide Wäschetruhen bis ganz unten einmal durchgewaschen, alles vom Festplattenrekorder gelöscht, was ich sowieso auf DVD habe (rümpft hier eine die Nase, wie niedrig hier die Latte inzwischen hängt? Da war Kram dabei, der lag da seit zwei Jahren, und den hatten sowohl L. als auch ich unabhängig voneinander auf DVD und ich außerdem mal aus Ungeduld bei itunes gekauft.), ein neues Fitness-Buch angeschafft, eine Großbestellung bei Pixum aufgegeben und einen Plan gemacht, was auf dem Balkon wachsen soll. Ich mache Montags To-Do-Listen, und Mittwochs habe ich sie meistens schon durch, ich trage Termine in meinen Kalender ein und gehe dann auch tatsächlich hin, und ich püttere und werkele so durch meinen Tag und fühle mich ganz gut dabei. Und die Zähne sind so schön glatt auf einmal! Herrlich. Selbstzufriedenheit, yay!

So, die Damen. Stammtisch? Wie wäre ein Donnerstag? Ich sage gleich, dass ich am 14. 4. nicht kann, und am 24.3. hab ich Geburtstag und kann auch nicht. Sagt ihr doch mal?

P.s. hat eine diesen Artikel im Spiegel Spezial gelesen? Ich hoffe nicht. Nichts gegen den Artikel, aber das Foto hat mich dazu gebracht, zu beschließen, so etwas nie, nie wieder mitzumachen. Obwohl die Fotografin so nett war. So nett, dass ich ganz zutraulich wurde. Und am Ende dachte, die hat das schon verstanden, wenn ich ihr sage, ich möchte bitte kein Foto, auf dem ich schiele oder so aussehe, als hätte ich gerade eine Marienvision.

p.p.s. das Kochthema ist nicht komplett vom Tisch, ich habe nur entschieden, ich mache es doch wieder wie letztes Jahr: ein Jahr, hundert Rezepte. Wobei heute schon der 20.3. ist, das reicht mir als verschärfte Herausforderung. Ergänzt um den Vorsatz, bis Silvester Katie und ihr Kochbuch komplett zu ignorieren.