Samstag, 10. Oktober 2015

Sieh es ein: wir haben eine Neue.

Vor ziemlich vielen Jahren hatte ich mal das deutliche Gefühl, mein damaliger Liebster wollte mit mir Schluss machen. Die Zeichen waren nicht so schwer zu deuten: er meldete sich überhaupt nicht mehr, hatte unter der Woche schrecklich viel im Job und am Wochenende mit unzähligen Umzügen, Familienfeiern usw. zu tun, bei denen ich auch gar nicht gefragt war, leider leider, und wenn er irrtümlich doch mal ans Telefon ging, war er so dermaßen drüber ("HEY!!!!! Wie SCHÖN, dich zu hören! GERADE wollte ich dich anrufen!!!!!!"), dass eigentlich alles klar war. Die Frage war nicht, was mit ihm los war, sondern was ich damit machen sollte. Jeder vernünftige Mensch würde sagen: gerade machen, durchatmen und selbst Schluss machen, wenn diese Wurst dazu nicht imstande ist. Aber ich habe nie behauptet, ein vernünftiger Mensch zu sein, und darum habe ich natürlich einen erbärmlichen Versuch gestartet, ihm zu beweisen, was für ein Fang ich im Grunde genommen bin. Nicht zu offensichtlich (HARR, dachte ich) und auch nicht rangeschmissen (NEIN! Klar. Nein! Auf keinen Fall! Nee Nee!), sondern eher so beiläufig, souverän und lässig. Es hat selbstverständlich nicht funktioniert, aber das tut heute zum Glück nichts mehr zur Sache, denn inzwischen ist nicht nur der Exfreund, sondern auch der Liebeskummer seinetwegen seit vielen, vielen Jahren Geschichte. Trotzdem muss ich in den letzten Tagen öfter mal daran denken, denn mir kommt es so vor, als würde unser Haus gerade das gleiche versuchen. Es merkt was. Es ist sich sogar ziemlich sicher. Aber statt sich damit abzufinden, dass wir demnächst gehen, fährt es noch mal das volle Programm auf. Die goldene Herbstsonne funkelt über dem Garten, die Rosen blühen zum Teil immer noch, das Licht fällt auf genau die richtige Weise so durch die Fenster, dass es wirkt wie schönste Hollywood-Magie, die Leute auf dem Markt und in der Nachbarschaft sind nett wie nie, einen Kitaplatz für Michel haben wir demnächst auch, und vor ein paar Tagen stand unsere nette 93jährige Nachbarin am Gartenzaun und schwärmte davon, was für ein Glück das für sie wäre, unsere zwei Jungs jetzt mit aufwachsen und den Garten erkunden zu sehen, das wäre so ein Geschenk! Ich schluckte. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, es bildet sich weniger Staub in den Ecken, die Räume sind von ganz alleine ideal temperiert, und auch die Fenster wirken plötzlich wie frisch geputzt, wenn sie in Wahrheit genau das Gegenteil sind. Erbärmlich. Es ist einfach nur erbärmlich.

Es ist nämlich so: die Zeit hier geht zu Ende. Wir haben einen Mietvertrag unterschrieben für eine große, schöne Wohnung mitten im städtischen Gewühle, so wie wir es schon so lange wollten. Und während wir bisher immer dachten, wir würden versuchen, eine Wohnung zu kaufen, die dann noch monatelang hergerichtet werden müsste, so dass es auf jeden Fall Frühjahr wird, bevor wir umziehen, geht es jetzt ziemlich schnell. Genauer gesagt, äh, Moment, Mitte November. Also der Monat, der auf diesen hier folgt. Demnächst. Und alle Herbstsonnen, aller Feenstaub in Sonnenstrahlen auf Holzböden und alle Nachbarn der Welt werden daran nichts mehr ändern. Ich weiß, dass das gut für uns ist. L. und ich führen uns jetzt schon auf, als würden wir demnächst unseren zweiten Honeymoon antreten. Und den Kindern habe ich schon davon erzählt, und Kalle freut sich. (Nein, ich bin nicht bescheuert, mir ist schon klar, dass Kalle schon noch das eine oder andere Tränchen deshalb verdrücken wird. Ich übrigens auch.) Zwar werden wir keinen Garten mehr haben, aber in unmittelbarer Nähe mehrere schöne Parks mit Spielplätzen. Die Jungs kriegen endlich zwei Kinderzimmer statt einem Miniraum, der mit Wickelkommode, Kleiderregal und zwei Babybetten knackevoll ist. Dieses Haus hier wird dann wohl noch ein paar Wochen leer, still und einsam hier herumstehen. Aber dann kommt jemand Neues, und der wird hier seine ganz eigenen Abenteuer erleben, wobei seine Abenteuer deutlich weniger mit Handwerkern zu tun haben werden als unsere, und wenn im Mai der Flieder an der Gartenhütte blüht, wird hoffentlich wieder jemand hier sein, der ein paar Zweige abschneidet und auf den Esstisch stellt.

Nu hör aber auf, Flora.

1 Kommentar:

  1. Das ist doch super!
    Glückwunsch, ich freu mich mit euch (ich ziehe nämlich gerne um!!!!)
    Habt ihr denn auch schon neue Kindergartenplätze?
    Ach wie aufregend, wieder in die Stadt. Was ist es denn? Altbau? Holzdielen. die knarren? Mit Balkon, ohne? Beschreib doch mal ein bisschen.

    AntwortenLöschen