Freitag, 16. Oktober 2015

Der Lack ist ab.

Da hätten wir erstens das Pipiproblem. Ich will nicht schon wieder ausholen, aber es ist immer noch da. Immer dann, wenn ich nicht dran denke und es eilig habe, immer dann, wenn mich ein Nieser oder Huster ohne Vorwarnung erwischt, immer dann, wenn ich auf einem nassen Blatt ausrutsche oder umknicke, und am liebsten dann, wenn alle Hosen außer dieser gerade in der Waschmaschine kreisen oder wenn ich auf dem Weg irgendwohin bin, wo ich eine nasse Hose nicht gebrauchen kann (und seien wir ehrlich, wo kann man die gebrauchen?)

Dann die Krampfader. Ich hatte die OP, die blauen Flecke sind so gut wie verschwunden, zur großen Enttäuschung von Kalle, der immer noch täglich darum bittet, sie sehen zu dürfen. Die Schnittstellen sind immer noch dunkellila, aber auch das wird verschwinden. Was aber geblieben ist, ist ein dumpfiger Schmerz in der Wade, und genau seinetwegen habe ich die OP überhaupt machen lassen. Kann also gut sein, dass der Arzt da noch mal ran muss. Vielleicht hat das aber auch mit der Krampfader gar nichts zu tun, sondern liegt an... tadaaa...

Der Hüfte. Ich weiß noch nicht mal genau, ob das anatomisch korrekt die Hüfte ist. Aber sie tut weh, so weh, dass ich manchmal laut aufheule, wenn ich morgens aus dem Bett steige oder nachts um fünf, um eine Flasche zu machen für Michel. Nachts und morgens ist es am schlimmsten. Heute nacht dachte ich schon, ich hätte einen Kniff gefunden: mit einem dicken Kissen zwischen den Knien schien es etwas besser zu gehen. Aber am Morgen wurde klar, dass ich dafür dann beim Aufstehen den doppelten und dreifachen Preis bezahlen muss. Der Orthopäde hat gesagt, ich soll ruhig Ibuprofen nehmen (und der Venenarzt hat sowieso gesagt, das soll ich rund um die Uhr nehmen, dann verschwinden die Hämatome schneller), aber davon wird mir langsam gelinde gesagt schlecht. Nächsten Donnerstag habe ich einen Röntgentermin. Mit dem Röntgenbild gehe ich dann wieder zum Orthopäden. Sollte der (was er schon angedeutet hat) daraufhin ein MRT oder sowas wollen, dann werde ich ihn bitten, sofort zum Hörer zu greifen und mir innerhalb der nächsten Stunden eins zu besorgen, denn ich will keine weiteren Wochen darauf warten, das geht hier nicht mehr lange gut. Er vermutet aber "etwas Rheumatisches, vielleicht auch einen Lupus." Womit wir schon wieder beim nächsten Punkt wären:

Der Magen. Ich weiß nicht, was da los ist. Ich bin nur froh, dass ich gerade erst eine Darmspiegelung hatte, wenigstens da bin ich sauber. Denn irgendwas ist faul. Vielleicht ja wirklich nur Ibuprofen. Aber ich habe so gut wie keinen Appetit auf gar nichts mehr. Ich hatte mich schon gefreut, nach der Geburt ziemlich fix wieder dünn zu sein, genauer gesagt, jetzt neuerdings dünn, denn dünn war ich genaugenommen vorher seit zehn Jahren nicht gewesen. Jetzt bin ich zwar dünn, aber auch wieder nicht glücklich (q.e.d.). Ich stehe im Supermarkt und bin völlig ratlos, was ich essen und kaufen will. Der vegetarische September war auch deshalb ein Erfolg, weil ich einfach auf nichts Bock hatte, weder auf Rippchen noch auf Steaks oder Hähnchenflügel. Es ist auch auf keinen Fall ein Überdruss am üblichen fettigen Essen, von dem ja gerade so viele Leute erzählen, die einen in Bahnen lenken wollen, an deren Ende Quinoa und Paleo und was weiß ich stehen. Ich habe genau so wenig Lust auf vietnamesische Brühen mit Zitronengras und Chili wie auf Schweinebraten. Das war noch nie, so weit ich mich erinnere, und es gefällt mir nicht.

Und dann ist da noch der Husten. Den hat mir meine Osteopathin verpasst, die hatte mich vorgewarnt, erkältet zu sein. Erkältet war ich selbst gerade, deshalb habe ich mit der mir eigenen Arroganz in Gesundheitsdingen gesagt, das kann ich ab. Jetzt huste ich, und jeder Huster fährt mir wie ein Messer durch die Hüfte (davon, dass nach manchen die Hose nass ist, wollen wir gar nicht sprechen). Wenn es eins gibt, was noch ätzender ist als Reizhusten, dann ein Reizhusten, dem man nicht nachgeben darf.

Und dann habe ich auch noch gerade meine Tage. Was nicht weiter der Rede wert wäre, wenn nicht... Moment... fing nicht der allererste Post dieses Blogs, damals, 2009, genau so an? Egal. Wenn ich sie nicht vor zwei Wochen schon gehabt hätte. Das kann nicht gut sein. Entweder, die Myome sind wieder da, oder was weiß ich. Nächste Woche habe ich zum Glück auch einen Termin bei meiner Frauenärztin, dann sehen wir weiter, was für neue Gesundheitsabenteuer auf mich warten oder vielleicht auch nicht.

Öchö, Öchö. Hust, Hust. Blut, Blut. Stöhn, Stöhn. Humpel, Humpel. Ächz, Ächz. Das ist doch kein Leben für ein... äh... 42jähriges junges Mädchen!



Samstag, 10. Oktober 2015

Sieh es ein: wir haben eine Neue.

Vor ziemlich vielen Jahren hatte ich mal das deutliche Gefühl, mein damaliger Liebster wollte mit mir Schluss machen. Die Zeichen waren nicht so schwer zu deuten: er meldete sich überhaupt nicht mehr, hatte unter der Woche schrecklich viel im Job und am Wochenende mit unzähligen Umzügen, Familienfeiern usw. zu tun, bei denen ich auch gar nicht gefragt war, leider leider, und wenn er irrtümlich doch mal ans Telefon ging, war er so dermaßen drüber ("HEY!!!!! Wie SCHÖN, dich zu hören! GERADE wollte ich dich anrufen!!!!!!"), dass eigentlich alles klar war. Die Frage war nicht, was mit ihm los war, sondern was ich damit machen sollte. Jeder vernünftige Mensch würde sagen: gerade machen, durchatmen und selbst Schluss machen, wenn diese Wurst dazu nicht imstande ist. Aber ich habe nie behauptet, ein vernünftiger Mensch zu sein, und darum habe ich natürlich einen erbärmlichen Versuch gestartet, ihm zu beweisen, was für ein Fang ich im Grunde genommen bin. Nicht zu offensichtlich (HARR, dachte ich) und auch nicht rangeschmissen (NEIN! Klar. Nein! Auf keinen Fall! Nee Nee!), sondern eher so beiläufig, souverän und lässig. Es hat selbstverständlich nicht funktioniert, aber das tut heute zum Glück nichts mehr zur Sache, denn inzwischen ist nicht nur der Exfreund, sondern auch der Liebeskummer seinetwegen seit vielen, vielen Jahren Geschichte. Trotzdem muss ich in den letzten Tagen öfter mal daran denken, denn mir kommt es so vor, als würde unser Haus gerade das gleiche versuchen. Es merkt was. Es ist sich sogar ziemlich sicher. Aber statt sich damit abzufinden, dass wir demnächst gehen, fährt es noch mal das volle Programm auf. Die goldene Herbstsonne funkelt über dem Garten, die Rosen blühen zum Teil immer noch, das Licht fällt auf genau die richtige Weise so durch die Fenster, dass es wirkt wie schönste Hollywood-Magie, die Leute auf dem Markt und in der Nachbarschaft sind nett wie nie, einen Kitaplatz für Michel haben wir demnächst auch, und vor ein paar Tagen stand unsere nette 93jährige Nachbarin am Gartenzaun und schwärmte davon, was für ein Glück das für sie wäre, unsere zwei Jungs jetzt mit aufwachsen und den Garten erkunden zu sehen, das wäre so ein Geschenk! Ich schluckte. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, es bildet sich weniger Staub in den Ecken, die Räume sind von ganz alleine ideal temperiert, und auch die Fenster wirken plötzlich wie frisch geputzt, wenn sie in Wahrheit genau das Gegenteil sind. Erbärmlich. Es ist einfach nur erbärmlich.

Es ist nämlich so: die Zeit hier geht zu Ende. Wir haben einen Mietvertrag unterschrieben für eine große, schöne Wohnung mitten im städtischen Gewühle, so wie wir es schon so lange wollten. Und während wir bisher immer dachten, wir würden versuchen, eine Wohnung zu kaufen, die dann noch monatelang hergerichtet werden müsste, so dass es auf jeden Fall Frühjahr wird, bevor wir umziehen, geht es jetzt ziemlich schnell. Genauer gesagt, äh, Moment, Mitte November. Also der Monat, der auf diesen hier folgt. Demnächst. Und alle Herbstsonnen, aller Feenstaub in Sonnenstrahlen auf Holzböden und alle Nachbarn der Welt werden daran nichts mehr ändern. Ich weiß, dass das gut für uns ist. L. und ich führen uns jetzt schon auf, als würden wir demnächst unseren zweiten Honeymoon antreten. Und den Kindern habe ich schon davon erzählt, und Kalle freut sich. (Nein, ich bin nicht bescheuert, mir ist schon klar, dass Kalle schon noch das eine oder andere Tränchen deshalb verdrücken wird. Ich übrigens auch.) Zwar werden wir keinen Garten mehr haben, aber in unmittelbarer Nähe mehrere schöne Parks mit Spielplätzen. Die Jungs kriegen endlich zwei Kinderzimmer statt einem Miniraum, der mit Wickelkommode, Kleiderregal und zwei Babybetten knackevoll ist. Dieses Haus hier wird dann wohl noch ein paar Wochen leer, still und einsam hier herumstehen. Aber dann kommt jemand Neues, und der wird hier seine ganz eigenen Abenteuer erleben, wobei seine Abenteuer deutlich weniger mit Handwerkern zu tun haben werden als unsere, und wenn im Mai der Flieder an der Gartenhütte blüht, wird hoffentlich wieder jemand hier sein, der ein paar Zweige abschneidet und auf den Esstisch stellt.

Nu hör aber auf, Flora.

Freitag, 9. Oktober 2015

Schon wieder dieser Pipikram

Vor ein paar Tagen hatte ich einen Arzttermin bei einem Orthopäden. Der Orthopäde ist ein alter Sportkumpel von L., und L. war es gründlich leid, seine Frau ständig krumm wie ein Fragezeichen, ächzend und fauchend durch die Welt humpeln zu sehen. Es war zwar nicht so, dass ich nichts in Sachen Hüfte unternommen hatte: ich war schon bei einem Orthopäden gewesen, der mich mit einer ziemlich flott gestellten Diagnose zur Physio geschickt hatte. Bei der Physio war ich ebenfalls gewesen, fünf mal. Und dann war ich auch noch bei meiner Osteopathin gewesen, der das alles ganz schön komisch vorkam und die sich ziemlich sicher war, dass die erste Diagnose falsch gewesen war. Aber unterdessen war das Problem immer schlimmer geworden. Nachts kann ich inzwischen ohne Schmerztabletten kaum noch schlafen, und zumindest vormittags entfährt mir manchmal ein ausgewachsenes Aufheulen, wenn ich von einem Stuhl aufstehe. Und der nächste freie Termin bei "meinem" Orthopäden oder seinen Praxiskollegen wäre irgendwann in der Adventszeit zu haben gewesen. Jetzt hatte L. beim Training mit seinem Orthopädiefreund um einen Termin am nächsten Tag für mich gespielt und gewonnen. So dass ich um die Mittagszeit frisch geduscht und manierlich angezogen auf dem Weg zur Bushaltestelle war. Der Bus in Richtung Orthopädiepraxis fährt nur alle 20 Minuten, und obwohl die Abfahrtszeit noch über zwei Minuten entfernt war, stand er schon mit laufendem Motor und scharrenden Hufen an der Bushaltestelle. Also bin ich gerannt. Der Busfahrer warf mir einen giftigen Blick zu, machte die Tür vor meiner Nase zu und fuhr einfach los. Zusammen mit drei anderen fluchenden und eigentlich pünktlichen Fahrgästen blieb ich an der Haltestelle zurück. Leider mit einer frischen kleinen Pfütze in der Hose. Obwohl ihr in den letzten Monaten öfter mal von mir gehört habt, wie viel besser das Pipiproblem inzwischen geworden ist, wie toll die Gewichte wirken und dass ich extrem optimistisch bin, demnächst wieder durch den Park traben zu können: sowas passiert immer noch. Ich renne sieben-acht Schritte wie auf rohen Eiern und in gemächlichem Tempo, und die Hose ist nass. Und das auf dem Weg zu einem Arzt. Bei dem ich garantiert die Hose ausziehen muss. Und der seine Aufmerksamkeit genau der Region widmen muss, in der das Malheur passiert ist. So dass ihm das nicht entgehen kann. Der außerdem mit L. befreundet ist.
Zum Glück gab es noch die Möglichkeit, mit der Ubahn und dann der Sbahn zu ihm zu fahren. Das habe ich dann getan und war rechtzeitig da, um noch schnell in eine Drogerie zu huschen, eine Unterhose und ein Päckchen Feuchttücher zu kaufen und mich im Affenzahn auf der Praxistoilette wieder blütenrein herzurichten. Aber trotzdem: so geht's nicht weiter. Die Geburt von Michel ist fast ein Jahr her. Irgendwann demnächst wird Kalle trocken sein. Und Mama sollte das auch schaffen. Ich will und werde mich nicht damit abfinden, den Rest meines Lebens gelegentlich in die Hose zu machen, jedenfalls nicht, bevor ich nicht mindestens 70 bin. Für eine OP, habe ich mir sagen lassen, bin ich noch zu jung. Mit Physio bin ich durch. Die Gewichte haben getan, was sie konnten. Sie haben eine Menge für mich getan, bestimmt 60% der Strecke zur trockenen Hose haben sie für mich bewältigt, aber die letzten 40% würde ich gerne auch noch schaffen.

Und ich habe einen Plan. Mal sehen, was daraus wird. Ich werde berichten.