Donnerstag, 8. Januar 2015

Wir sind auf dem Weg.

Einerseits nett und engagiert, dass die Ärztin hier angerufen hat, um sich nach Michel zu erkundigen. Andererseits - und das wurde mir gestern erst klar, bei mir dauern manche Dinge etwas länger - hatte sie vermutlich auch die Hosen voll. Einigen wir uns darauf, dass sie einerseits engagiert ist, andererseits die Hosen voll hatte. Oberhalb des Verbandes konnte man ein kleines Stück Bein erkennen, das sah gestern morgen schon nicht mehr so fürchterlich aus wie noch vorgestern Abend. Wirklich beunruhigt war ich also schon gar nicht mehr, als wir mittags nach Altona gefahren sind. Unter dem Verband kam dann ein Beinchen zum Vorschein, das merklich abgeschwollen war, aber immer noch blau und schmerzempfindlich. "Ein Glück", sagte sie, "Die Schwellung war es nämlich, die mir ernsthaft Sorgen gemacht hat", und zusammen haben wir aufgeatmet (auch wenn ich mich im Nachhinein schon frage, wieso wir dann nicht zur Sicherheit die Nacht mit ihm im Kinderkrankenhaus verbracht haben, wo wir schon mal da waren.) Jetzt hat er die Schiene. Ich mache noch ein Foto, versprochen, dann könnt ihr sie sehen - er sieht eigentlich ganz lässig damit aus, wie ein sehr kleiner Snowboarder eben. Ein sehr kleiner, exzentrischer Snowboarder, der auch im Winter in orthopädischen Sandalen auf die Piste geht. Zwei Tage lang soll er jetzt knöttern und quengeln, hieß es, dann hat er sich dran gewöhnt. Diesen Teil der Abmachung hat er bisher eingehalten, die Nacht war die grauenvollste bisher. Nachdem ich gestern mit ihm noch bei einer Freundin war und er dort ungefähr so aktiv und laut war wie eine Handtasche, sehr zur Enttäuschung der Mädchen, die ihn gerne ein bisschen geschuckelt hätten, hat er sich auf der Heimfahrt warm gebrüllt und heute Nacht zweieinhalb Stunden geschlafen, davon eine auf meinem Arm. Warum genau jetzt der Alarm, wissen wir nicht: kann sein, dass das Bein einfach noch so druckempfindlich ist. Kann auch sein, dass es diese Eingewöhnungunsschwierigkeiten bei allen Kindern gibt. Kann auch sein, dass er einfach Bauchweh hatte, weil Mutti gestern Abend tonnenweise Chips gegessen hat. Oder kann sein, dass er gestern tagsüber so viel geschlafen hat und heute Nacht topfit war. Noch eine Nacht, dann geht es hoffentlich bergauf. Und heute bekommt er endlich sein erstes warmes Bad. Natürlich geht es uns durch und durch, ihn so kämpfen und brüllen zu sehen, aber es hilft nichts: die Schiene muss sein, wenn er irgendwann normal laufen soll. Nehmen wir sie jetzt ab, dann lernt er nur, dass er mit ausreichend Gebrüll die Schiene schnell los wird. Außerdem geben laut Gipsmann Eltern zu schnell der Schiene die Schuld, wenn der Kleine sich beschwert. "Die Schiene sieht man, Hunger oder Müdigkeit oder Alleinsein sieht man nicht, da ist klar, wer eher Schuld ist, wenn das Baby mal weint". Also: trösten, weitermachen.

Nachher fährt L. los und besorgt die geforderten nahtlosen und musterfreien Söckchen, die man laut Gipsmann am besten bei H&M bekommt. Ich habe noch nie darauf geachtet, aber es stimmt: Socken mit Mustern haben hinten innen merkwürdige Fäden, die sich verknüllen können, und eine Druckstelle in den stramm gezogenen Schuhen ist das letzte, was wir jetzt brauchen können. Gibt es doch eine Druckstelle, müssen die Schuhe für ein paar Tage ab, und jede Stunde wirft uns zurück. Der Gipsmann erzählte von einem Kind, dessen Eltern eine Stelle übersehen hatten. Das eiterte dann, und das Kind musste acht Wochen ohne Schuh bleiben. Danach stand der Fuß wieder genau so schief wie bei der Geburt, und alles ging von vorne los, nur diesmal deutlich langwieriger, weil die Knochen und Gelenke immer weniger formbar sind, je mehr Zeit vergeht.

Ich habe das Gefühl, wir müssen auf einen Berg und haben gerade erst die ersten Schritte vom Parkplatz gemacht. Uff.

2 Kommentare:

  1. Liebe Flora,
    uff - gut dass es gut gegangen ist und jetzt wieder alles wie vorgesehen weitergeht mit Jakobs Füßchen.
    Nur ein Gedanke: Heute das heißersehnte Bad nach so vielen aufregenden Tagen für den Kleinen? Vielleicht ist Jakobs Bein noch empfindlich für gefäßerweiterndes warmes Wasser. Und auch wieder eine neue Erfahrung, die er dann abends verdauen und euch deutlich mitteilen muss? Ich würde die erste, einigermaßen ruhige Nacht abwarten, aber ich kenne den kleinen Kerl ja nicht :-)
    Liebe Grüße von
    Nina aus HH

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  2. Liebe Flora,

    ich schicke dir mal einen ganz dicken Drücker, wenn du magst, und viel Kraft für die letzten noch anstehenden Schritte!

    Ich kenne das Gefühl vor einem Berg zu stehen, aus anderen Situationen in meinem Leben. Aber als Außenstehende kann ich dir sagen: Der Parkplatz liegt schon weit hinter euch und ihr seid kurz vor'm Gipfel. Ihr schafft das!

    Ganz liebe Grüße! S.

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