Dienstag, 27. August 2013

Und ausatmen.

Zwar hat Würmchen die Medela-Sauger geknackt, aber die Medela-Sauger offensichtlich nicht Würmchen. Ich erkläre hiermit die große Stillsaga, das vermutlich langweiligste Blogdrama aller Zeiten, für beendet. Ab jetzt pumpe ich ab und gebe Fläschchen. Und wenn das Pumpen irgendwann auch nicht mehr läuft, dann eben nur noch Fläschchen. Erstaunlicherweise läuft es aber wie nie: heute morgen z.B. kamen sagenhafte 140 ml aus mir raus, und das ohne größere Umstände. Nicht mehr zu stillen, tut mir offensichtlich gut. Die Hebamme hat es mit Fassung getragen, sie ist ja auch schon ein großes Mädchen.

Was bedeutet, ihr werdet hier so schnell nicht wieder seitenlange Abhandlungen über Muttermilch lesen müssen, es sei denn, es passiert etwas wirklich Atemberaubendes an dieser Front. (Was das sein könnte? Keine Ahnung. Muttermilch läuft nachts aus, findet ihren Weg zum Schalter meiner Nachttischlampe und löst einen Zimmerbrand aus? Muttermilch leuchtet plötzlich im Dunkeln? Muttermilch kommt aus meinen Ohren? Muttermilch im Gefrierfach findet durch einen grauenvollen Irrtum ihren Weg in einen Nachtisch für einen bunten Abend, und meine Freunde sprechen nie wieder ein Wort mit mir? Ich eröffne nach japanischem Vorbild eine Eisdiele, in der es aus Muttermilch hergestelltes Eis gibt, und werde schamlos reich? Wir werden sehen.)

Würmchen jedenfalls ist ebenfalls so entspannt wie nie nach der Geburt. Im Moment schläft er im Zimmer nebenan in seinem Bettchen, und ich habe ihn sogar wach (wenn auch mit etwas glasigem Blick) dort abgelegt. Lächeln kann er jetzt auch, Teufelskerl! Wie gerne würde ich euch ein Foto davon zeigen! Geht aber nicht, das hatten wir ja besprochen. Es sei denn, ich kaufe demnächst eine kleine Zorro-Maske bei Fahnen Fleck? Die Idee halte ich mal fest. (Die haben da auch niedliche Fliegenpilz-, Äffchen- und Panda-Masken.)

Inzwischen habe ich etwas getan, was ich eigentlich nicht mehr tun wollte: ich habe gegoogelt. Ich wollte rausfinden, wie schnell nach einer Geburt man sich der nächsten IVF zuwenden kann, ob sich das mit Muttermilch (ZACK, da ist sie doch schon wieder! Muss an diesen Bockshornklee-Kapseln liegen, Muttermilch überall) verträgt usw., und statt wie ein vernünftiger Mensch meine Kinderwunschärztin anzurufen, habe ich gegoogelt. Dabei bin ich natürlich nicht auf die Information gestoßen, die ich gesucht habe, sondern auf diesen Artikel aus dem Freitag, in dem eine Hamburger Ärztin interviewt wird zum Thema, was eigentlich aus IVF-Kindern wird, wie sie sich entwickeln, was die Eltern anders machen und erleben usw. Ich habe das mit großen Augen gelesen und war ausnahmsweise mal eher angetan von einem Zeitungsartikel zu dem Thema. Auch wenn ich mich hinterher gefragt habe: was bin ich denn für eine? Denn ein Ergebnis der Studie war, dass wir IVF-Mütter viel ängstlicher sind, unseren Kindern weniger zumuten können und wollen als andere Mütter, Schwierigkeiten haben, loszulassen, und mehr kontrollieren wollen. Und dann sitze ich hier: gestern Abend war ich mit meiner Schwiegermutter im Kino, L. blieb zurück mit Würmchen und zwei Muttermilchfläschchen im Kühlschrank. Während ich auf meinem Bett sitze und diesen Post tippe, liegt Würmchen nebenan in seinem Bettchen und ratzt - mit offener Tür, ok, aber nebenan. Und während dieses Rätzchens war ich schon im Keller, im Garten und kurz vor dem Haus an der Mülltonne. Ohne mir deshalb ein graues Haar wachsen zu lassen! Im Kino gestern habe ich ihn schwer vermisst und mich öfter dabei erwischt, dass ich an ihn und sein rosiges, glänzendes Näschen denke statt vollkommen gebannt von der Handlung zu sein, aber mein Fazit war: da muss ich durch, es geht ihm gut (wie mir L. per SMS versichert hat), und Freiheit ist etwas Tolles, auch wenn sie manchmal ein bisschen weh tut. Und nun habe ich auch noch abgestillt? Wenn auch abgestillt light, mit Muttermilch per Fläschchen? Aus der Art geschlagen, scheinbar.


Samstag, 24. August 2013

Lagebericht von der Milchbar.

Von Sonnenaufgang bis abends bekommt Würmchen nur Medela-Fläschchen. Nach dem Stillen, versteht sich. Und er lernt schnell. Am ersten Fläschchen hatte er noch fast eine Stunde zu knacken. Das zweite ging schon schneller, das dritte noch schneller. Inzwischen trinkt er von den 170 ml PRE-Milch ca. 100 und braucht dafür so ungefähr zwanzig Minuten. Danach mag er nicht mehr, und ich stelle es weg. Dass das allerdings irgend etwas in Bezug auf das Stillen verbessert hätte, kann ich bisher nicht sagen. Er dockt tadellos an und trinkt dann auch, aber eben leider nur für ca. drei Minuten, dann gibt es das alte Programm: durchbiegen, kreischen, brüllen, hauen, kratzen, den Kopf mit viel Schwung zurückwerfen. Vielleicht schmecke ich doof? Milch ist dann jedenfalls noch da. Ich bin ratlos. Das letzte Fläschchen abends und das mitten in der Nacht haben allerdings immer noch die guten alten Nuk-Sauger, und ich kann bisher nicht beobachten, dass ihn das irgendwie beim Trinken an den Medela-Saugern irritiert.

Jetzt mache ich weiter mit der tagsüber-Medela-nachts-Nuk-Kombination. Zwischendurch pumpe ich auch mal ab, so oft ich den Nerv habe, die Pumpe zusammenzubauen und anschließend zu spülen und zu sterilisieren. Die Milch wandert dann ins Fläschchen oder in die Tiefkühle für Gelegenheiten wie vorgestern abend. Ich habe nämlich - oh Wunder, erster Erfolg des Still-Ultimatums - ausnahmsweise auch mal wieder etwas anderes zu berichten: Zweimal hatte ich Würmchen schon mit zum Mädchenabend bei einer meiner Freundinnen zuhause. Das ging gut! Zwar war der Abend für mich dann gegen zehn beendet, weil er einfach nicht mehr wollte und zu knötterig war (und weil ich dann so müde war, dass ich langsam Angst vor Sekundenschlaf auf der Heimfahrt bekommen habe). Aber die Tanten haben sich rührend um ihn gekümmert, und ich habe die Chance genutzt, mal wieder beide Hände zum Essen frei zu haben. Und vorgestern hatten wir Hochzeitstag, und zum ersten Mal haben wir ihn bei seiner Oma gelassen, die ihn für zwei Stunden gebabysittet hat. Ich habe ihn ihr gestillt, gefüttert und gewickelt übergeben, im Fläschchenwärmer stand eine Flasche Muttermilch für alle Fälle, für Oma hatte ich Tomate Mozzarella und Obstquark und ihr Lieblingsbierchen vorbereitet, und L. und ich sind in der Nicht-Familienkutsche schick Fisch essen gefahren. Zwei Stunden später waren wir wieder zuhause, und es hatte keine Katastrophe gegeben. Wer hätte das gedacht? Ich jedenfalls nicht.

Sonntag, 18. August 2013

Knöpfchen wechsel Dich.

Ich glaube fest daran, jetzt das Wundermittel für eine harmonische, ausgeschlafene und entspannte Mutter-Baby-Beziehung entdeckt zu haben. Es ist... Trommelwirbel: die Fön-App. Damit lässt sich auch das aufgebrachteste Kind Ruck-zuck beruhi... ach, nee. Wartet mal. Also noch mal Trommelwirbel. Es ist: erst zehn Minuten rumtragen und vorsingen, dann noch zehn Minuten auf dem Sofa sitzen und abwarten, dann vorsichtig auf die Seite in die Wiege legen. Klappt garantiert immer, wieso bin ich da nicht früher drauf geko... Mist. Nee. Jetzt doch nicht. Also noch mal Trommelwirbel für... Pucken! Pucken. Ich hätte das nie für möglich gehalten, aber diese mit niedlichen Tieren bedruckte Baby-Zwangsjacke, die mir eine Freundin mit vielsagendem Zwinkern vermacht hat, schafft es tatsächlich, aus einem zappelnden, brüllenden und krebsroten Baby ein schlafendes, rosiges, wonniges Dickerchen zu machen. Und aus einer triefäugigen, den Tränen nahen Mutter jedenfalls auch etwas Besseres. Bis dann irgendwann...

Es ist zum Durchdrehen. Täglich denke ich, jetzt endlich den Knopf gefunden zu haben. Und es funktioniert! Und ich bin selig und erzähle mit meiner Riesenklappe natürlich allen, wie super das alles klappt und wie glücklich wir sind und dass von jetzt an alles, wirklich alles gut wird. Der Zauber hält dann ungefähr 24 Stunden an, dann verliert der Trick jegliche Wirkung. Es ist wie eine Karte beim Monopoly, die man nur einmal ausspielen kann. Vorletzte Nacht war z.B. die Nacht des Puckwunders. Um sieben habe ich ihn gepuckt, und ich glaube, ich habe ihm dann gegen zwölf und noch mal gegen halb fünf was zu Trinken gegeben, woraufhin er bis halb elf geschlafen hat. Ich hätte ihn zur Feier des Tages gerne auf eine Runde Martinis im ganz großen Stil eingeladen, aber mach was. Schon in der nächsten Nacht war es, als wäre das alles nie passiert, und der Pucksack, den ich voller Vorfreude um ihn gewickelt hatte (nach einem Tag, den er gefühlt ausschließlich auf meinen erlahmenden Armen verbracht hat bzw. zur Abwechslung auch mal im Tuch, jedenfalls aber nicht schlafend im Bettchen) wurde nur mit Protestgebrüll aufgenommen. Gut, dachte ich, das legt sich, er muss sich erst erinnern, wie gut ihm das gestern getan hat, und setzte zu einer weiteren Runde tanzen und singen mit ihm an. Er wollte oder konnte sich aber leider nicht erinnern. Heute Abend kriegt der Pucksack bestimmt noch eine Chance (bevor er dann übermorgen wieder rausgewachsen ist aus dem Ding), aber bis dahin frage ich mich: gibt es den Knopf, oder ist das eine Fata Morgana, um müde Eltern zu quälen und um den Verstand zu bringen? Trage ich mein Kind vielleicht doch mal bei meiner Osteopathin vorbei? So ganz ohne war die Geburt ja nicht, vielleicht hängt ihm die noch nach? Oder muss ich leider damit leben, dass mein Baby und ich die nächsten Monate jeden Abend "Versteck den Knopf" spielen werden? Ich würde ja alles durchprobieren, aber in meinem schlauen Baby-Ratgeber steht, dass man damit das Kind erst Recht um den Schlaf bringt, wenn man zu abendlicher Stunde einen Trick nach dem anderen an ihm versucht wie ein aus dem Konzept geratener Magier, der zu Recht spürt, dass er sein Publikum verliert.

Also gut. Was wir jetzt schon machen:
Wir versuchen, nachts langweiliger zu sein als tagsüber. Nicht großartig auf das Kind einsummen oder einreden, keine lustigen Spielchen.
Wir legen ihn immer über die Seite ab, nie PLOPP! auf den Rücken.
Wir unterhalten ihn tagsüber. Und wie! In ein paar Monaten habe ich Arme wie Madonna, wenn das so weitergeht. So dass er abends eigentlich müde sein müsste.
Wir schieben täglich mit ihm an der frischen Luft spazieren. Zusätzlich gehe ich gerne mal mit ihm ein Ründchen durch den Garten. Denn Tageslicht und Geschuckel im Freien soll ja auch für einen gesunden Schlaf sorgen.
Wir achten darauf, dass er keinen Strampler trägt, der ihm zu klein wird.
Wir wechseln nachts nur noch die Windel, wenn die Windel sich regelrecht aufdrängt.
Nachts gibt es nur Schummerlicht.

Und dann das Schlafen tagsüber. Das ist noch mal ein ganz eigener Post.

Donnerstag, 15. August 2013

Das Beste kommt erst noch.

Seit ein paar Tagen wird er immer mehr... nein. Wollte ich ja eigentlich nicht mehr schreiben, so was. Also gut, wie dann? Ich habe das Gefühl, es tut sich was bei... nee, auch nicht. Vielleicht ja so: dass ich es kaum abwarten kann, bis er endlich lächeln kann, habe ich ja schon geschrieben. Aber es gibt eine Menge anderer Dinge, die ich kaum abwarten kann. Und das Schöne ist, seit ein paar Tagen tut sich etwas. Ich habe jetzt deutlich mehr zu tun, was erst mal nicht nach einer guten Nachricht klingt, denn auch die ersten drei Wochen waren... naja, doch ziemlich betriebsam. Trotzdem ist es die Sorte zu-tun-haben, auf die ich schon sehnsüchtig gewartet habe. Jetzt verbringe ich den Tag nicht mehr mit Füttern, Stillen, Wickeln und ab und an in die Wiege gucken, ob alles noch in Ordnung ist. Jetzt ist da auch eine Menge Geschunkel zu tun. Und Getrage. Und die Tour durch alle Zimmer des Hauses mit ausführlichen Erläuterungen und fünf Kilo Gewicht im Arm könnte ich inzwischen auch nachts um drei geben. Fakt ist, ich habe sie schon mehrfach nachts um drei gegeben. Ich find's toll. Denn auch, wenn ich überglücklich bin, ein Baby zu haben - selbst während der übelsten Kinderwunschzeit galt meine größte Sehnsucht immer schon mehr dem, was danach kommt. Auf zusammen Zelten, auf das Vorlesen, auf Höhlenbau auf dem Dachboden an verregneten Tagen, auf Geschichten erzählen, auf Geburtstage mit Kerzen auf dem Kuchen, die immer mehr werden, auf unseren ersten Urlaub am Meer und unseren ersten Urlaub auf dem Bauernhof. Und mit jedem Schritt, den ich nachts um drei im Schlafanzug mit Milchflecken auf dem Oberteil, die Brille windschief im todmüden Gesicht mit Würmchen auf dem Arm durch das dunkle Haus mache, mit jedem Mal, das ich mit ihm über einen schlafenden Hund steige, weil seine Augen immer noch weit und hellwach aufgerissen sind und er unbedingt noch einmal durchs Wohnzimmer getragen werden will, und mit jedem Millimeter, den meine Arme unter seinem Gewicht länger werden, kommen wir diesem Ziel näher. Ich freue mich über jede klitzekleine Neuigkeit, die ich bei ihm entdecken kann. Es ist nicht nur ein riesengroßes Wunder, dass er überhaupt bei uns ist. Sondern dass er jetzt tatsächlich unter der Obhut seiner erwiesenermaßen fusselhirnigen Mutter und seines manchmal genau so wirren Vaters wächst, sich entwickelt und die Aussichten gar nicht so schlecht zu sein scheinen, dass er groß wird und das alles wirklich und wahrhaftig passieren kann.

Mittwoch, 14. August 2013

Er will eben Gorgonzola UND Appenzeller.

Von vorgestern werde ich so schnell nicht wieder anfangen, da bin ich wie Opa, der nicht vom Krieg spricht. Von großen Teilen von gestern auch nicht. Gestern Abend war die Krise vorbei. Und jetzt ist alles wieder in Butter. Ich habe alle Kommentare gelesen und Bockshornkleekapseln bestellt und vorsorglich gleich mal eine Ladung Muttermilchbeutel dazu, um der sicher zu erwartenden Flut an frisch abgepumpter Milch Herr zu werden. (Die Medela-Sauger habe ich nicht bestellt, weil wir genau solche schon haben, wenn auch nicht von Medela, und er damit nicht gut trinken kann und auch sofort wütend wird, wenn ihm sowas bei Fläschchen unterkommt - aber komischerweise kriegt er es beim Stillen mit dem Vakuum immer noch 1a hin.)

Würmchen bekommt wieder regelmäßig und nicht erst im Notfall Fläschchen, und siehe da, er fühlt sich wieder zuhause bei uns. Ich verstehe es ja selbst nicht. Alles, was die Hebamme bisher zum Thema zu sagen hatte, klang einleuchtend und logisch und so, als hätte man da auch selbst drauf kommen können. Aber Tatsache ist auch, dass dieses kleine Wesen jetzt schon feste Vorstellungen davon hat, was es will und was nicht. Und was es will, ist nicht immer logisch. Zum Beispiel geht es einerseits nicht ohne Fläschchen nach dem Stillen, auch wenn die Milch fließt und er tüchtig davon trinkt. Trotzdem: wenn ich Fläschchen anbiete (und zwar, bevor er brüllt), dann trinkt er sie längst nicht aus. Oft genug will er sogar nur ein paar Schlucke und dann weitergestillt werden. Es hat den Anschein, dass er Muttermilch lieber mag. Trotzdem will er von ihr nichts wissen, wenn es nicht auch Fläschchen gibt. Vielleicht hat er das von mir: mir schmeckt es auch besser an einem vollen Tisch als vor einem genau abgezirkelten Portiönchen. Und ich mag es auch, wenn es mehr als eine Käsesorte gibt, auch wenn ich am Ende doch nur eine esse. Und weil im Moment seine Bedürfnisse so dermaßen überschaubar sind und wir die einzigen sind, die sie befriedigen können, sehe ich keinen Grund, es nicht so zu machen, wie er will.

Dienstag, 13. August 2013

Cold Turkey.

Eigentlich war doch alles gut. Bis wir es reparieren wollten.
Seit ich aus dem Krankenhaus zuhause bin, haben Würmchen und ich das mit dem Trinken so gehandhabt: wenn er Hunger hatte, habe ich ihn gestillt. Dann hat er hintendrauf noch eine Flasche PRE-Milch bekommen. Und dann war eigentlich alles gut. Mal hat er geschlafen, mal wollte er unterhalten werden, aber wir hatten es gut zusammen. Jetzt kommt die Hebamme ins Spiel. Sie möchte - eigentlich möchte ich das auch, aber sie möchte es mehr - dass wir es ohne Fläschchen schaffen. Zur Nacht soll er noch mal eins bekommen dürfen. Oder im Notfall auch mal tagsüber. Aber nur im Notfall. Gestern habe ich mir ihren Plan angehört und dazu genickt.
Theoretisch kann er sich bei mir satt trinken.
Nicken.
Es wäre doch schön, wenn wir ohne Fläschchen auskämen.
Nicken.
Und praktisch! So praktisch!
Nicken.
Durch die Fläschchen strengt er sich nicht genug an, beim Stillen satt zu werden.
Nicken.
Dabei gibt es niemanden, der so gut Milch saugen kann wie er! Nicht mal die tollste elektrische Pumpe! Wenn es also einer draufhat, auch noch den letzten Tropfen rauszuholen, dann er.
Nicken.
Nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage müsste sich dann das Angebot ganz schnell einpendeln!
Nicken.
Für eine kurze Zeit müsste ich ihn einfach öfter anlegen. Auch nachts. Und dann, simsalabim, ist plötzlich mehr als genug Milch da, und wir können das mit den Fläschchen ganz lassen!
Nicken.

Und mit dem letzten Nicken hat sich mein Leben in ein Klischee verwandelt, das Klischee der frisch gebackenen, völlig fertigen Zombie-Mama. Meine Ohren scheppern vom Gebrüll Tag und Nacht. Meine Haut ist nur noch den Bruchteil eines Milimeters dick. Von meinen Nerven will ich gar nicht sprechen. Und das Schlimme ist, wenn wir einmal eingestiegen sind in dieses Entzugsprogramm, dann dauert der Ausstieg Stunden. Irgendwann hat Würmchen einen Grad an Hunger, Frust und Zorn erreicht, der sich auch durch ein noch so liebevoll zubereitetes, volles, warmes, leckeres Fläschchen nicht mehr besänftigen lässt. Und auch, wenn es nicht möglich erscheint, sobald ich mein Oberteil ausziehe, wird das Gebrüll sogar noch lauter. "Da kommt die Alte schon wieder mit dem Ding!" Alles ist im Eimer. Ich bin kurz davor, die Stillerei insgesamt zu lassen, und dabei lief es doch eigentlich ganz gut! Davon abgesehen, dass Würmchen wirklich, wirklich schnell wächst und zunimmt, gab es keinen Anlass, irgendwas zu ändern. Bis auf die Vision: die Vision davon, ihn nachts so wie andere Mütter einfach rüberzuziehen und im Liegen zu stillen, ohne noch mal in die Küche und ein Fläschchen basteln zu müssen. Die Vision, ohne Milchpulver und warmes Wasser das Haus zu verlassen und unterwegs völlig frei zu sein von Wasserkochern und Mikrowellen. Diese Visionen sind immer noch verlockend, verblassen aber gerade neben der Vision von einem Leben, in dem wir nachts mehrere Stunden am Stück schlafen können und unser Baby offensichtlich mit der Welt zufrieden ist.

Zum Kuckuck, ich tue das doch nicht für die Hebamme, sondern für Würmchen und mich!
Fühlt sich aber gerade nicht so an.

Donnerstag kommt sie wieder. Ok, sie wird die Wahrheit verkraften können. Und müssen. Dieses Mutter-Sohn-Gespann wird es leider nicht auf die andere Seite schaffen. Ins Stillparadies, wo alles gut ist und Milch und noch mehr Milch fließen. Aber dafür muckeln wir uns auf unserer Seite auch ganz gemütlich zurecht.

Freitag, 9. August 2013

Einige erste Erkenntnisse seit der Geburt.

1. Egal, wie voll der Wäschekorb ist: niemals vor zwölf Uhr Mittags die große 60-Grad-Waschmaschine mit den Babysachen anwerfen. Wieso? Nicht fragen. Einfach machen.

2. Der bisher beste Einschlaftrick geht so: ich streiche mit dem Finger über Kalles Stirn und Nase, und wir sagen den Tieren gute Nacht. Gute Nacht, Igel. Gute Nacht, Eichhörnchen. Gute Nacht, Schnecke. Gute Nacht, Kamel. Gute Nacht, Seestern. Gute Nacht, Säbelzahntiger. Und mit jedem "Gute Nacht" gehen die Augen ein bisschen fester zu. Den Trick habe ich mir aus dem Bilderbuch "Gute Nacht, Gorilla" abgeguckt, das mir meine große Cousine und doppelte Jungsmama geschickt hat.

3. Es ist tatsächlich möglich (bisher jedenfalls), jeden Tag zu duschen. Ich muss es nur sofort tun, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Nicht erst noch schnell die Fläschchen spülen. Nicht erst noch eine Waschmaschine anwerfen. Nicht erst noch meine Mutter zurückrufen. Jetzt! Gleich! Nein, nicht gleich, sondern jetzt!

4. Lieber zwei Fläschchen mehr kaufen und dafür einmal weniger spülen müssen. Mein Maß dafür ist die Nacht: wenn ich es schaffe, die komplette Schicht von Nachthemd an bis Nachthemd aus zu überstehen, ohne einmal in der dunklen Küche abwaschen und anschließend alles in der Mikrowelle sterilisieren zu müssen, dann ist alles gut und die Nacht fühlt sich gleich viel weniger stressig an.

5. Das mit dem Dammschnitt, den man angeblich überhaupt nicht spürt (wegen Adrenalin/zu starker anderer Schmerzen/vor Glück/was weiß ich) war schon Blödsinn. Ich muss leider berichten, dass man das spürt, wenn einem jemand mit dem Skalpell ohne Vorwarnung ein mehrere Zentimeter langes Loch in den Po schneidet. Noch größerer Blödsinn ist, dass das alles nach einer Woche völlig vergessen und überstanden ist. Ich sitze hier, bis auf einen Tag drei Wochen nach der Geburt, und trage nicht nur eine zentimeterdicke Binde in der Unterhose, sondern dusche mich immer noch nach jedem Klogang mit klarem Wasser ab und sehe mich derzeit noch Wochen entfernt vom nächsten Schwimmbadbesuch oder anderen Aktivitäten, die meinen Unterleib mit einschließen. Wie soll das auch gehen? Mit jedem Schritt, jedem Aufstehen oder Hinsetzen, jedem Husten oder Niesen tut man etwas, was dieses Loch am Zuwachsen hindert. Es dauert, es tut weh, es brennt, es juckt. (Und ja, ich habe jetzt mehrere Experten einen Blick auf die Stelle werfen lassen, es ist nicht infiziert, das ist alles so, wie es soll.)

6. Babys hassen es, wenn man ihnen etwas Enges über den Kopf zieht. Einige extrem niedliche Kleidungsstücke aus dem geerbten Berg werden darum leider nicht so häufig ausgeführt wie andere. Das Beste, das Allerbeste, sind Teile, die man auffalten kann wie ein zum Grillen vorbereitetes Huhn und dann mit Druckknöpfen einmal um das Kind herumknöpft. (Kann man sich jetzt nicht so vorstellen? Ein bisschen wie Wickelkleider.)

7. Mit der ersten Größe sind wir jetzt durch. Nach drei Wochen! Vielleicht hatte ich mal für fünf Minuten den Kinderwunsch-Blues, weil ich dachte, jetzt habe ich so lange darauf gewartet, meinem Baby was Niedliches zum Anziehen zu kaufen, und jetzt haben wir so viel einfach so bekommen, dass das einfach nur noch bescheuert wäre, und schnief, nun ist es doch wieder anderes als vorgestellt... dieser Blues ist sowas von überwunden angesichts der vermiedenen Krise, neun zauberhafte und stinketeure Petit Bateau-Teilchen aussortieren zu müssen, weil der Kleine in zehn Minuten rein- und rausgewachsen wäre.

8. Egal, wie viel Mühe ich mir gebe: es gibt an jedem Tag (und vor allem in jeder Nacht) eine Phase von ungefähr einer Stunde, in der ich mich wie die planloseste, hektischste, unfähigste, fehlbesetzteste Mutter auf dem Planeten fühle. Habe ich eine Stunde gesagt? Macht drei draus.

9. Kaum einen anderen Moment sehne ich im Moment so herbei wie den, in dem er endlich lächeln kann und es auch so meint. Dann werde ich wissen, dass es ihm gut geht und er sich wohlfühlt.

10. Man kann gleichzeitig restlos überfordert und total unterfordert sein.

11. In jeder Drogerie sind Sauger für Fläschchen zu kaufen, die vollkommen unterschiedlich aussehen und trotzdem angeblich alle an die vom Stillen gewohnte Form angelehnt sind. Ich weiß ja nicht, wie andere Frauen so gebaut sind... die Nuckel, mit denen Kalle am besten klarkommt, sehen nicht so aus, als wären sie an irgend etwas natürlichen Ursprungs angelehnt. Bisher hat er trotzdem nicht verlernt, wie Stillen geht.

12. Überhaupt, das Stillen: "die natürlichste Sache der Welt". Genau. Es klappt ja inzwischen ganz gut (wenn auch mit Fläschchenhilfe), und ich mache auch weiter, und wir haben diese harmonischen, innigen Momente, jajaja, aber ist es nicht merkwürdig, dass man für die natürlichste Sache der Welt nach Meinung mancher Experten ca. 80 Regeln beachten muss? (Keine Kuhmilch trinken. Keine Fläschchen. Kein Schnuller. Kein Zeitplan. Keine Minze. Kein... ach, was weiß ich.)

13. Seit Kalle habe ich gelernt, zu schlafen. Nach vierzig Jahren, von denen ich bestimmt sechs mit dem Starren an diverse Zimmerdecken nachts zwischen zwei und halb sieben verbracht habe, berührt mein Kopf jetzt das Kopfkissen (nach Stillen, Wickeln, Füttern und in den Schlaf Schmeicheln), und ich bin weg. Tief und fest. Schlafen war insbesondere immer dann ein Problem, wenn ich schon beim Einschlafen wusste, dass ich nicht so lange schlafen können würde, wie ich wollte, sondern dass z.B. ein besonders früher Wecker klingelt. Dann ging gleich gar nichts! Jetzt weiß ich genau, in ca. vier Stunden wird mein Baby mich wachknöttern, und es ist egal. Ich schlafe. Es ist herrlich. Ehrlich gesagt schlafe ich jetzt fast mehr als vor dem Kind. Vor allem zwischen zwei und halb sieben.



Donnerstag, 8. August 2013

Ich, ich, ich.

Liebe Abkürzungsdamen, wenn man diesen Blog lang genug liest, könnte man manchmal glatt vergessen, dass dieses Kind nicht nur eine Mutter und eine Abkürzungsärztin mit sehr glücklichem Händchen hat, sondern auch einen Vater. Vor ein paar Tagen hat L. sich mein Handy ausgeliehen, um schnell etwas nachzulesen. Und als er den Browser öffnete, war da zufällig mein letzter Post - der Zwei-Wochen-Post - geöffnet, weil ich mir kurz vorher im Auto die Kommentare durchgelesen hatte. Normalerweise liest L. meinen Blog nicht, trotz mehrfacher Einladung. Bei dieser Gelegenheit hat er den Post gelesen, und was er gesehen hat, hat ihm nicht gefallen. Er findet, ich habe kein Recht, einfach so intime Details über unser Kind, das sich noch nicht wehren kann, ins Netz zu stellen. Er glaubt außerdem, dass Kalle eines Tages nicht besonders begeistert sein wird, wenn die Jungs aus seiner Klasse ihn googeln und dann auf schwer verliebte Posts von vor vierzehn Jahren stoßen, in denen seine hormonvernebelte Mutter von seiner rosigen Haut und seinen Schrumpelzehen schwärmt. Ich muss ehrlich sagen, darüber hatte ich keine Sekunde nachgedacht, als ich das geschrieben habe. Aber jetzt, wo ich es tue, muss ich sagen, ganz Unrecht hat er da vermutlich nicht, zumal in Hamburg bis dahin vermutlich nicht viele Kinder mit seinem Namen herumspringen. Und jetzt?

Jetzt werde ich trotzdem weiter schreiben. Aber ich werde in Zukunft wieder mehr über mich schreiben, darüber, was das Baby mit mir macht, wie mein Leben mit ihm ist und was sonst noch passiert und weniger über Kalle, seine körperliche Entwicklung und vor allem seine Schrumpelzehen. Ich werde mir bei allem, was ich schreibe, vorstellen, eine Horde Beavis- und-Butthead-artiger pickliger vierzehnjähriger Klassenärsche würden das hier lesen und Kalle in der nächsten großen Pause wieder auf die Pelle rücken. Vierzehnjährige Klassenärsche finden in allem etwas Lächerliches, Blödes und Beleidigendes. Aber sie sollen sich im Zweifel über mich lustig machen, nicht über Kalle. Wie das werden soll? Weiß ich auch noch nicht so genau. Aber ich tue mein Bestes.

Mittwoch, 7. August 2013

Was mir fehlt.

An meinen Bauch fassen, ein kleines Strampeln spüren und wissen, dass es ihm gut geht.

Überhaupt: an meinen Bauch fassen.

Schwangerschaftsdinge tun. Wie Schwangere eben. Wie Millionen von Schwangeren, für die das alles ganz normal und selbstverständlich ist. Also z.B.: Babykram aussuchen, mit dem Mutterpass in der Hand in eine Arztpraxis marschieren, beiläufig hinwerfen, in welcher Woche man gerade ist. ("Ich bin jetzt 26 plus 4.")

Rumhängen, mit Rechner und DVDs und Tee auf dem Nachttisch, und das "Schonen" nennen.

Jeden Morgen den Duft von Nuxe Öl in der Nase. Wie dieses Öl riecht! Ich muss einen Vorwand finden, es weiter zu benutzen.

Schwangerschaftsjeans.

Zu erleben, dass mein doofer Myom- und Endo-Bauch das tatsächlich auch kann: wachsen, mit einem Kind darin, das auch wächst. Nur an mir heruntergucken zu müssen und zu sehen, mit eigenen Augen, dass die olle Gurke tatsächlich etwas so Tolles ausbrüten kann.

Etwas zu tun, das nach allgemeinem Verständnis als extrem anstrengend gilt - nämlich schwanger sein - , und dafür keinen Finger rühren zu müssen. "Lass mal, bleib sitzen, das kann ich doch machen."

Schwangerschaftshaare.





Dienstag, 6. August 2013

Was mir gar nicht fehlt.

Schnürschuhe zubinden mit Bauch.

Noch weniger: Schnallenschuhe zuschnallen mit Bauch. (Ich spreche von euch, kniehohe Biker Boots.)

Das Brie-Schinken-Muscheln-Sushi-Salami-Feta-Oliven-Alkohol-Aioli-Lachs-Rohmilch-Embargo.

In einer etwas schludrigen Haltung plötzlich husten zu müssen und auf einmal höllische Schmerzen im Bauch zu haben.

Überallhin mit Klinikkoffer fahren.

Die "Und?"-Anrufe und -SMS.

Unaufgeforderte Ernährungsberatung von Wildfremden auf der Straße und im Supermarkt.

Meine völlig durchgenudelten zwei gestreiften H&M-Schwangerschaftsoberteile, bei denen diese elastischen Bänder an der Seite zum Einstellen der Weite (die eh kein Mensch braucht) schon bis zu den Füßen gehangen haben und die am Ende schon diese leicht andere Körnung im Stoff unter den Armen hatten.

Meine Schwangerschafts-Apps.

Die idiotischen Fragen in "What to expect". ("Bringt es Unglück, wenn ich von Babys träume?")

Fünf Treppenstufen hochgehen und einen Kreislaufkollaps erleiden.

Eisentabletten morgens um vier.

Schwangerschaftsyoga.

Leute, die der Meinung sind, ich dürfte jetzt aber XY nicht mehr tun, weil ich schwanger bin. ("WAS, du fährst AUTO?")

Der Wartebereich am Kreißsaal des UKE.

Die Tiefgarage des UKE.

Der wiederverwendbare, mit ollem Ultraschallgel getränkte Stoffgurt für das CTG, den ich wegen der Müllvermeidung ins UKE immer wieder mitbringen musste. (Hätte ich niemals aufgehoben, wenn ich damals schon gewusst hätte, dass wenig später auf der anderen Seite der Glastür zur Wochenstation täglich ca. 60 Liter ungetrennter Mischmüll pro Nase anfallen, um die sich kein Mensch schert...)

Die einzige zu sein, die in Kalles Ultraschallfotos irgendwie so gar nichts erkennen kann.

Das Saufnäschen und die Saufbäckchen in meinem Gesicht. Bei Menschen ohne Couperose macht Schwangerschaft "rosig" und "strahlend". Bei Menschen mit... ohje, ohje.

Nicht zu wissen, ob Kalle gesund ist.

Nicht zu wissen, ob Kalle niedlich ist.

Nicht zu wissen, ob Kalle von Anfang an mein Baby sein wird.

Zupfmassagen.

Sieben Klogänge pro Nacht.

Schwangerschaftstee.

Schmierblutungen.

Der Kartoffelsalatultraschall meiner alten Ärztin. Und die Kartoffelsalatkommentare, mit denen sie ihm erst noch die richtige Würze verliehen hat. "Oha." "WAS?" "Ach, nichts. ... Vermutlich."

Müde sein ab neun. Ins Bett müssen um halb elf. Dann trotzdem nicht schlafen und dabei genau wissen, dass das hier gerade die letzten Wochen mit einer Chance auf Nachtruhe sind.

Sonntag, 4. August 2013

Zwei Wochen.

Gestern war Kalle zwei Wochen alt. Ihm wachsen jetzt feine braune Wimpern, jeden Tag werden sie einen halben Millimeter länger. Seine Hände sind längst nicht mehr so schrumpelig wie bei der Geburt, und die Füße werden auch langsam rosig und glatt. Die kleinen Nägel sind noch zu weich zum Schneiden, aber wenn ich Glück habe, löst sich einer von alleine, und ich kann ihn vorsichtig abknibbeln. Die Daumennägel sind allerdings Draculamäßig, ich kann es kaum abwarten, bis ich da mit einer Schere randarf. Sein Kopf ist immer noch so unfassbar weich, und er hat feine blonde Federchen auf dem Kopf, die fast so aussehen wie das weiche Fell, das seinen Rücken, seine Wangen und seine Arme bedeckt. Seit ein paar Tagen greift er Dinge und zieht sie zu sich - ob er das mit Absicht macht oder nur reflexartig, kann ich noch nicht sagen, es kann natürlich sein, dass er meine Haare oder das Feuchttuch beim Wickeln unbedingt ganz dringend näher bei sich braucht. Manchmal lacht er, aber ich fürchte fast, auch das sollte ich nicht zu persönlich nehmen, er probiert einfach aus, was sein Gesicht alles kann. Und Lächeln ist oft die Vorstufe zum Knöttern. Trotzdem wird mir jedes Mal ganz warm, wenn er das macht. Er hat immer noch zwei gewaltige Hörnchen auf dem Kopf von der Saugglocke, die können auch noch bis zu vier Wochen bleiben. Und jeden Morgen, wenn ich ihn wickele und wasche, stelle ich fest, dass die Pellzone gewandert ist: seine Haut pellt sich jetzt einmal komplett, und das Gebiet mit den weißen Fusseln wandert über Nacht immer weiter. Heute sind die Füße dran und die Region um die Augen. Gestern waren es der Bauch und die Unterschenkel. Darunter ist seine Haut ganz weich, duftend und rosa. Außerdem hatte er gestern zum ersten Mal Bauchschmerzen, und ich kann stolz verkünden, dass ich nur ungefähr eine halbe Stunde markerschütterndes Gebrüll gebraucht habe, um darauf zu kommen. Dann habe ich ihm den Bauch mit Windsalbe eingeschmiert und ihn im Uhrzeigersinn massiert, und siehe da: es hat geholfen. Im Verdacht hatte ich zuerst die Frühlingszwiebeln in dem Glasnudelsalat, den ich zu Mittag gemacht hatte. Aber eine kurze Recherche hat ergeben, dass die noch lange im System bleiben können, und nach dem nächsten Stillen hatte er keine Probleme. Die Zwiebeln sind also weder sicher schuldig noch unschuldig. Vielleicht war es auch die Umstellung von HA-PRE-Milch (das ist die Hypoallergene, die er aus dem Krankenhaus kannte und die ich als erstes wieder gekauft hatte, bis meine Hebamme sagte, Hypoallergen muss er nicht haben, das ist eher kontraproduktiv) auf normale PRE-Milch. Aber auch die hat er danach gut vertragen. Oder er hat Luft geschluckt. Oder es saß einfach etwas quer. Jedenfalls werden hier jetzt sicherheitshalber ein paar zwiebelfreie Tage anbrechen. Mit Chilis und Knoblauch dagegen scheint er kein Problem zu haben. Guter Junge!

Wenn ich ihn stille, dann braucht er nur noch ein paar Sekunden, um sich gut festzusaugen. Und auch, wenn ich danach noch nach der Wasserflasche angele, ihm eine Vitamin-D-Tablette in die Wange schiebe oder das Kissen noch mal neu arrangiere, das uns beide abstützt, dann bringt ihn das nicht aus dem Konzept. Pro Seite muss ich ihn vielleicht dreimal neu anlegen, den Rest macht er alleine. Ich bin sogar mit ihm so schon die Treppe rauf- und runtergelaufen, ohne dass er aufgehört hat zu trinken. Er trinkt eine Viertelstunde, manchmal auch zwanzig Minuten, dann ist er erst mal zu satt, um auf der anderen Seite weiterzumachen. Das Problemchen beheben wir, indem ich ihn jetzt wickele, danach ist er wieder voll da und bereit für Nr.2. Und es ist nicht zu fassen, aber inzwischen genieße ich diese halbe Stunde - jedenfalls, wenn kein Besuch droht und mich sonst niemand drängelt. ("Wann GEHEN wir denn nun mit den Hunden?" "Telefon!" "Wo ist Momos Halsband?" "Was ist das hier im Kühlschrank? Das in dem roten Becher? Und wo ist die Fernbedienung?" Harrrrrgh.) Am besten klappt es auf dem Bett, ich mache dann das Fenster auf, gucke abwechselnd in Kalles Augen und in die Bäume vor dem Fenster und genieße das kleine Windchen, das durchs Zimmer weht. Manchmal hole ich mir noch ein Malzbier dazu. (Ich kann übrigens das Malzbier von Flens nicht empfehlen. Nicht, dass es richtig schlecht schmeckt, es schmeckt nur nicht wie Malzbier. Wozu es aber dank Bügelverschluss fabelhaft taugt, sind Touren im Kinderwagen. Unserer hat einen Becher- und Flaschenhalter, und man kann mit einfachsten Mitteln einen prächtigen falschen Eindruck bei anderen Spaziergängern erwecken, indem man mit einem Malzbierchen am Kinderwagen durch den Wald schiebt und ab und zu einen kräftigen Schluck aus der Pulle nimmt.)
Ist er auch auf der zweiten Seite durch, lasse ich ihn kurz in L.s Obhut und mache ihm ein halbes Fläschchen (ja, auch ich lerne dazu, und wenn es auch zwei Tage braucht, in denen ich ständig halbe kalte Fläschchen in den Abfluss kippe). Das saugt er dann auch noch weg, und dann ist es gut. Und jetzt beginnt meine Pause, mal dauert sie eine Stunde, mal zwei. Was fange ich damit an? Manchmal werfe ich ein Maschinchen Wäsche an und hänge das letzte Maschinchen auf. Manchmal setze ich mich aufs Sofa, das Kind im Stubenwagen neben mir, und gucke mir irgendwas auf ntv über Hitlers Helfer an. (Was würde ntv eigentlich ohne die Nazis machen?) Manchmal koche ich etwas zu essen oder gehe ein paar Sachen einkaufen. Manchmal beantworte ich emails oder bezahle eine Rechnung. Jede einzelne dieser kleinen Erledigungen kostet mich vielleicht zehn Minuten. Ich mache das deshalb, weil ich gerade den unwiderstehlichen Drang verspüre, es um mich herum einigermaßen ordentlich und sortiert zu haben. Das war bisher selten in meinem Leben, und ich muss es ausnutzen, so lange es anhält. Außerdem kenne ich mich gut genug, um zu wissen, dass ich keine Chance mehr hätte, sobald die Arbeit irgendwann liegenbleibt und sich zu mehr als zwei Stunden ballt. Dann ist es vorbei. Macht euch keine Sorgen, liebe Damen, ich weiß, dass ich Ruhe brauche. Aber Teil der Ruhe ist es gerade, zu wissen, dass die Spülmaschine ausgeräumt ist und ich genug saubere Fläschchen für Kalles nächste drei Mahlzeiten habe.) Oder ich schreibe einen Post. Oder ich dusche. Und ziemlich oft lege ich mich noch mal ins Bett, nehme Kalle mit und lege ihn auf mich drauf. Allerdings nur, wenn ich nicht so müde bin, dass die Gefahr bestünde, sofort wegzuknacken und dann das Baby unter meinem gewaltigen Körper plattzuwalzen. Und dieses Kuschelstündchen ist sogar noch schöner als Stillen (wenn es klappt). Manchmal, wenn er dabei nach kurzer Zeit einschläft, klappe ich meinen Rechner auf und gucke mir ein Stück DVD an, während ich an seinem Kopf schnuppere. Haben wir es wohl gut?

Kalles Tag besteht aus Essen, Schlafen und ab und zu an Sachen ziehen und ruckeln. Meiner irgendwie auch. Ich hätte nicht gedacht, dass das Leben gleichzeitig so anstrengend und so einfach sein kann. Kompliziert wird es erst, wenn die Welt um uns herum ins Spiel kommt. Aber das ist ein ganz anderes Thema.


Kalle übrigens in Rosa, weil gestern nicht nur sein zweiwöchigster Geburtstag war, sondern auch Christopher Street Day. (Vielleicht ja auch ein bisschen, weil ich ihm jeden Strampler aus dem geschenkten Kleiderberg wenigstens einmal anziehen will, bevor er zu groß dafür ist.) Im Hintergrund seine holländische Häschenrassel: ein Geschenk zusammen mit traditionellem holländischem Zwieback mit Hagelslag (schreibt man den so?) von Schoko NL. 1000 Dank, Du Liebe! Es ist kaum zu fassen, aber als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hatten wir beide noch null Kinder und nicht die leiseste Ahnung, ob es damit jemals etwas werden würde.

Samstag, 3. August 2013

Der Unterschied zwischen tiefenentspannt und kurz vorm Durchdrehen

Sind in unserem Fall wohl Fläschchen. Seit vorgestern wollten wir es fläschchenfrei probieren. Aber Kalle scheint die Fähigkeit zu haben, Hunger zu speichern und nicht so schnell verzeihen zu können, wenn seine Bedürfnisse nicht sofort befriedigt werden. Ich hatte ihn seitdem fast pausenlos angelegt, Tag und Nacht, aber was auch immer dabei herauskam, es hat nicht gereicht, um ihn zu beruhigen oder gar satt und zufrieden zu machen. Irgendwann hat er nur noch mit dem Köpfchen gehackt und war vor lauter Hunger gar nicht mehr imstande, anzudocken. Und ihm dann ein Fläschchen zu geben... "Nee nee nee, jetzt musst du mir damit auch nicht mehr kommen". Das Ende vom Lied war, dass ich die gleiche Menge Fläschchen zubereitet habe wie am Tag davor, aber trotzdem den ganzen Tag ein schreiendes, verzweifeltes Baby hatte. Mehr getrunken hat er auf diese Weise auch nicht, und zum ersten Mal, seit wir aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen sind, hat er auch nicht zugenommen. Gestern Nachmittag kam die Hebamme, die die Urlaubsvertretung für meine macht. Die sagte nach einem Blick in mein Zombiegesicht: es ist toll, dass wir den Ehrgeiz haben, es nur mit Stillen zu schaffen. Aber wenn nicht, dann nicht. Niemand muss sich hier quälen, weder wir noch das Kind. Dann hat sie mir noch ein paar Stilltricks gezeigt, und nachdem sie weg war, habe ich L. das Baby und ein Fläschen in den Arm gedrückt und habe mich hingelegt. Nur für eine kümmerliche Stunde, aber sie hat mich gerettet wie früher zehn Stunden Schlaf. Danach war ich wieder wach, entspannt und hatte wenigstens etwas stabilere Nerven. Und Kalle hat das sofort gemerkt und war jetzt auch ruhiger. Gegen halb elf gab es die letzte Stillsitzung und das letzte Fläschchen direkt hinterher, und dann hat er geschlafen bis vier. (Brüllen macht vielleicht auch müde. Wobei... Mütter von Brüllbabys da draußen, ihr könnt vermutlich eine andere Geschichte erzählen?)

Aber was wird denn nun mit dem Stillen, wenn er immer noch Fläschchen bekommt? Ehrlich gesagt glaube/hoffe ich, das wird sich finden. Inzwischen trinkt er ganz gut und bekommt auch einiges in den Bauch, heute zumindest habe ich ihn versehentlich erst gewogen, nachdem er auf beiden Seiten getrunken hatte, und der Unterschied zu gestern war so groß, dass die Milch bestimmt einen ordentlichen Anteil davon ausgemacht hat. Außerdem mixe ich ihm jedes Mal ein Fläschchen mit der Menge, die laut Packung für Babys in seinem Alter bei nur-Fläschchenfütterung empfohlen wird (überfüttern kann ich ihn mit PRE-Milch ja angeblich nicht), und er trinkt inzwischen so ungefähr die Hälfte davon - einzige Ausnahme ist das Fläschchen um vier Uhr nachts. Das reicht ihm dann. Aber ganz ohne geht es eben auch nicht. Wenn es so läuft, wie ich mir das denke, dann trinkt er ab jetzt von Tag zu Tag weniger Fläschchenmilch, und irgendwann können wir das auch lassen. Bis dahin bin den Firmen Alete, Beba usw. unendlich dankbar. Ihnen habe ich zu verdanken, dass ich zwischendurch auch mal duschen, aufräumen, kochen, einkaufen, Wäsche aufhängen, Blumen gießen oder einen schnellen Post schreiben kann. Und meinen Hebammen bin ich auch dankbar, dass sie keine verbiesterten Hardcore-Stillsoldatinnen sind und mich das so machen lassen, wie es gut für uns ist.

Donnerstag, 1. August 2013

Was hat er nur?

Die Nacht war so entspannt wie bisher jede Nacht, seit wir zuhause sind. Zum Glück. Denn der Tag heute war bis vor einer halben Stunde wild. Irgendwann und irgendwo habe ich mal gelesen, dass Muttermilch in zwei Phasen fließt: die erste ist vor allem gegen den Durst, die fettere Milch, die satt macht, kommt erst danach. Und langsam habe ich den Eindruck, Kalle schafft immer nur die erste Hälfte. Irgendwann am frühen Nachmittag war er so weit, dass er vor lauter Verzweiflung überhaupt nicht mehr trinken konnte, sondern nur noch wild mit seinem Schnäbelchen auf mich einhackte, und zu diesem Zeitpunkt war er auch schon über das Stadium hinaus, in dem man ihn einfach mit einem Fläschchen beruhigen kann. Meine Arme sind heute Abend mit Sicherheit drei Zentimeter länger als heute früh, denn es war nicht daran zu denken, ihn auch nur für drei Minuten in seinen Stubenwagen oder sein Bett zu legen, nur auf dem Arm hat er sich einigermaßen beruhigt. Ihn brüllen zu lassen, bringe ich nicht übers Herz, dazu ist er noch zu klein. Und noch habe ich ein sehr begrenztes Repertoire an Dingen, die ich mit einer Hand tun kann. Kochen z.B. gehört nicht dazu. Wäsche aufhängen auch nicht, genau so wenig wie zur Toilette gehen. Und leider Fläschchen zubereiten auch nicht. Das muss besser werden! Ab morgen wird geübt. Und ich geniere mich ein bisschen, es zuzugeben, aber es hat keine zwei Stunden gedauert, und ich war ziemlich verzweifelt. Sein Fläschchen hatte er gehabt. Gewickelt war er auch. Irgendwann dämmerte es mir: heute war einfach ein sehr anlehnungsbedürftiger Tag. Warum, weiß ich nicht - ob er schlecht geträumt hatte, ob er sich heute einfach sehr klein und allein gefühlt hat, ob er Bauchschmerzen hatte oder ob ihm einfach danach war, aber heute war so ein Tag, an dem es ihm nur gut ging, so lange er mit mir zusammen eingekuschelt auf dem Sofa oder im Bett lag und zwischendurch ein bisschen nuckeln konnte. Also haben wir das gemacht. Und mit neuem Respekt für alle Mütter mit über Wochen und Monate dauerbrüllenden Kindern sitze ich jetzt hier und genieße die ersten dreißig Minuten Frieden heute. Denn jetzt schläft er. Er sieht sogar ganz zufrieden aus, bis in die flaumigen blonden Haarspitzen.
Also gut, Planänderung. Die Hebamme hat gesagt, ich soll nicht mehr abpumpen, und ich tue ja, was man mir sagt. Aber ich werde nicht gleichzeitig versuchen, auf nur Stillen umzustillen. Morgen werde ich ihn immer, wenn er Hunger hat, stillen. Und zwar mit viel Zeit. Und wenn er wirklich fertig ist damit, dann bekommt er noch ein kleines Fläschchen hinterher. Nicht erst dann, wenn er schon vollkommen fertig ist, sondern gleich. Das Stillen müssen wir beide noch lernen, und es geht ja auch mit jedem Tag ein bisschen besser. Aber noch reicht es einfach nicht, damit er sich wohl fühlt in seiner Haut. Und wohlfühlen soll er sich.