Montag, 22. April 2013

Mal abgesehen davon, dass es ziemlich nett geschrieben ist:

Ich will ganz ehrlich sein. Was mich als erstes für das Buch eingenommen hat, war der hübsch rot-weiß karierte Umschlag. ("Was ist die denn für eine, die Zukunft ihres einzigen!!! Kindes einem Buch anzuvertrauen, nur weil es so ein hübsches Muster hat?") Vielleicht, weil rot-weiß kariert mich immer an nette kleine Restaurants mit gutem Essen denken lässt? Dann das Wort "Nervensäge" im Titel. Denn ich muss zugeben: auch, wenn ich mir seit so vielen Jahren so sehnlichst ein Kind wünsche, finde ich trotzdem, dass nicht alle Kinder, die man so trifft, sofort den Neid oder die Sehnsüchte von uns Kinderlosen erwecken. Ja, so schrecklich das auch ist und so lieb es mir auch wäre, wenn es nicht so wäre - es gibt auch Kinder, die sich spätestens mit zwei-drei Jahren zu fast unerträglichen Nervensägen entwickeln, wobei ich (schon zu Zeiten, als nicht nur dieses Kind, sondern auch der Kinderwunsch noch in nebulöser Zukunft lagen) immer schon reflexartig dachte "bitte bitte, nicht so eins für mich. Lieber die andere Sorte." Und ich weigere mich, die Nervensägerei nur auf die Gene zu schieben, sondern hoffe und glaube fest daran, dass die Eltern und das, was sie tun, lassen und dem Kind vorleben, nicht ganz ohne Einfluss sind. (Denkt jetzt übrigens eine hier, die Definition einer Nervensäge wäre für mich ein Kind, das ab und zu mal quengelt, etwas auf den Boden wirft oder im Supermarkt Schokolade haben will? Ganz bestimmt nicht. Nervensägen sind für mich Kinder, die ihre Mütter im Sekundentakt vors Schienbein treten, weil die die Frechheit besitzen, zu telefonieren.) Außerdem brauchte ich sowieso was zu lesen, von meinem skandinavischen Krimi hatte ich nämlich nach ca. zweihundert Seiten die Nase voll. (Wird das eigentlich in Schweden schon in der Schule gelehrt, dass man mit Krimis viel Geld verdienen kann, die nur davon handeln, dass eine Frau nach der anderen möglichst widerlich ermordet wird?) Das Buch ist eigentlich mehr Erzählung als Ratgeber: die Autorin, Amerikanerin und verheiratet mit einem Briten, ist ihm zuliebe nach Paris gezogen und hat dort drei Kinder bekommen. Irgendwann hat sich der Vergleich aufgedrängt zwischen französischen Kindern und Müttern und ihrer eigenen Familie. Sie hat beobachtet, ihre Beobachtungen dann mit den Erkenntnissen namhafter Kinderärzte, Psychotherapeuten und Erziehungsforscher abgeglichen und aufgeschrieben. Und so viele Prinzipien liegen dem ganzen eigentlich nicht zugrunde, es ist auch alles nichts, worauf man nicht selbst vielleicht gekommen wäre - keine Raketenforschung. Einfach der Glaube daran (den ich ganz fest teile), dass Kinder mehr verstehen und können, als man denkt, und dass sie sich nur dann zu glücklichen Menschen entwickeln können, wenn sie sich zwar rundum geliebt und aufgehoben fühlen, aber trotzdem wissen, dass sie nicht allein auf der Welt sind, sondern umgeben von anderen Menschen, die auch Gefühle und Bedürfnisse haben - und wenn sie möglichst früh und spielerisch lernen, dass man auf die Erfüllung seiner Wünsche auch mal ein paar Sekunden oder Minuten warten kann. Das bringen manche französische Mütter ihren Kindern z.B. bei, indem sie am Wochenende mit ihnen zusammen einen Kuchen backen. Einen ganz einfachen, bei dem auch Dreijährige schon mitmanschen können. Es macht Spaß, sie sind stolz auf ihr Werk und freuen sich, dass man ihnen das zutraut, und sie erfahren am eigenen Leib, dass man erst etwas tun muss und dann eine Weile warten, damit es hinterher etwas Leckeres zu essen gibt. Klingt das völlig irre? Ich finde nicht. Ein anderes Prinzip ist, dass Kinder Gäste und Familie begrüßen sollen. Das macht noch keinen Benimmroboter aus ihnen - sie lernen so nur, die Existenz und Anwesenheit anderer zur Kenntnis zu nehmen und machen nebenbei die Erfahrung, sich in der Gegenwart von Erwachsenen sicher bewegen zu können, was wieder ein schöner Beitrag zu ihrem Selbstvertrauen ist. Auch ihre Beobachtung, dass Französinnen im Gegensatz zu z.B. Amerikanerinnen nicht überall mit einer Handtasche voller Kekse, Schokolade und Brezeln hingehen, so dass die Kinder ständig mit vollem Mund unterwegs sind und dann zu den Mahlzeiten nichts mehr essen, leuchtet mir ein. Wäre es nicht toll, wenn man es hinkriegen könnte, dass ein Kind sich auf Mahlzeiten freut und sich dann satt isst, wenn es soll? Wenn es ein normales Verhältnis zum Essen bekommt - nämlich Essen als Genuss betrachtet - statt als Mittel gegen Langeweile, Einsamkeit oder Nervosität? Wenn es sich nicht heimlich mit Naschi vollstopft, sondern sich freut auf den selbstgebackenen Schokokuchen am Nachmittag? Klar klingt das wie ein Traum, aber man wird doch wohl noch träumen dürfen. Noch etwas, was mich für das Buch eingenommen hat: die Autorin berichtet, dass Franzosen - so viel Wert sie auch auf klare Strukturen legen und darauf, dass Kinder bestimmte Dinge schon sehr früh lernen können - nicht der Ansicht sind, dass Kindergartenkinder Geige und Chinesisch lernen sollten. Die Zeit bis zur Grundschule ist zum Spielen da und nicht dazu, sich irgendeinen Phantasie-Vorsprung vor den anderen Kindern für die spätere Super-Karriere zu erarbeiten. Innerhalb der festen Regeln herrscht viel Freiheit.

Denkt nicht, ich wüsste nicht, dass schlaflose Nächte auf mich zukommen, totale Erschöpfung und drei Tage am Stück, in denen das 48-Stunden-Deo zeigen kann, was es drauf hat. Und denkt nicht, ich wüsste nicht, dass ich das Buch noch oft entnervt in die Ecke pfeffern werde. Dass ich mir jetzt noch gar nicht vorstellen kann, Fusselhirn hin oder her, wie anstrengend, schrecklich und schön das alles wird. Dass wir uns in einem Jahr wieder sprechen und ich dann vermutlich auch nur noch dreckig lachen werde beim Gedanken an das, was ich mir in meiner Wiener Kaffeehausgemütsruhe so ausgemalt habe. Das hier ist Teil meines ganz privaten Geburtsvorbereitungskurses, außerdem Teil der Vorfreude auf das Kind. Ich habe da Spaß dran und glaube außerdem an die Fähigkeit meines Würmchens, mich jederzeit zu überraschen - auch positiv.

14 Kommentare:

  1. Ich muss mich jetzt hier mal zu Wort melden... Und zwar weil mich diese ewigen Kommentare von wegen "Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr sich alles verändert..." "Es wird alles komplett anders mit Kind" usw. schon immer genervt haben. Ich habe 2 Kinder und das erste mit 25 bekommen, als eine der ersten in meinem Freundeskreis. Und ich bekam ständig zu hören: "Und, das Leben hat sich bestimmt komplett verändert mit Kind...?" Das hat mich damals schon genervt und ich hab immer geantwortet: "Nö, eigentlich hat sich gar nichts verändert, der einzige Unterschied ist, dass wir jetzt ein Kind haben" Manche von meinen Freundinnen (die, die auch irgendwann bald Kinder wollten), waren glaube ich ganz froh, das zu hören.
    Ich finde nämlich, das ist auch so eine typisch deutsche Sache: Das Leben so komplett auf das Kind einzustellen. Ich wollte immer, dass meine Kinder mein Leben mit mir Leben und ich nicht ihres mit ihnen. Wenn du verstehst, was ich meine... Keine Ahnung, ob das klappt, aber es hat auf jeden Fall was mit Gelassenheit zu tun.
    Obwohl, ich muss zugeben, dass ich auch immer was zu essen dabei habe, weil das so praktisch ist, um 1-2 Jährige auf längeren Fahrten zu besänftigen. Und jetzt nervt es mich tierisch, dass der "Ich hab Hungäär"-Spruch beim Einsteigen in den Bus bzw. im Auto, wenn ich mich noch nicht mal angeschnallt habe, geschweige denn losgefahren bin, kommt.
    Also es ist doch so: Auch wenn Du ein Kind hast, bleibst du immer noch Du selbst! Und das kannst Du ruhig so machen und so wollen und das kriegt man auch hin!
    Ich lese übrigens ganz gerne so verschiedene Blogs und Deiner gefällt mir sehr!
    Bin auch aus HH ;-)
    Alles Liebe, Anna

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  2. Huhu, sehe ich alles ganz genauso wie Anna aus HH! Klar, wird einiges anders, aber doch nicht ALLES? Eigentlich tut mir mein Zwerg sogar manchmal leid, weil er so neben Mamas und Papas 40-Stunden-Jobs mitläuft, öfter mal die Babysitterin da ist und er auch manchmal aushalten muss, dass wir uns wegen unserer befristeten Verträge vor Angst ins Hemd machen und uns deswegen mal in die Haare kriegen. Aber geht es ihm deswegen schlechter als anderen? Ich glaube nicht, denn wir sind auch nach drei Jahren Kinderwunsch irgendwie noch wir selbst geblieben und nehmen unseren Sohn auch als ihn selbst mit allen seinen (manchmal seltsamen...) Bedürfnissen ernst.
    Ach ja: das mit dem Essen geht einfach oft nicht anders. Gerade wenn man selbst einen anstrengenden Tag hat. Wenn ich nach getaner Arbeit mit dem Zwerg auf dem Fahrrad noch schnell was einkaufen will, geht das nicht ohne Brötchen für ihn, was mit Sicherheit verhindert, dass er nachher am Abendbrotstisch was essen wird. Wir richten ihn dennoch immer her, aber naja...
    Du machst das schon alles. Auf Deine Weise.
    Alles Gute dafür von der Tina

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  3. Hallo. Auch ich muss den beiden Damen Recht geben. Natürlich ist das Leben anders mit Kind, aber man selbst ist doch noch der Gleiche. Ich lebe mit unserem Kind und nicht für unser Kind. Unser Sohn ist erst 6 Monate alt, trotzdem gönn ich mir es 2 mal die Woche Sport zu machen und alle 14 Tage am Wochenende weg zu gehen. Muss nichts großartiges sein, aber mal ins Kino oder ich treffe mich mit Freundinnen die keine Kinder haben, bin froh mal über was anderes wie Babys reden zu können. Andere Mütter haben mir auch schon einen "dummen Spruch" gedrückt. Wieso? Wir mussten 3 Jahre auf unseren Sonnenschein warten und ich tue bestimmt alles für ihn, aber ein paar Stunden "Auszeit" in der Woche kann man sich doch gönnen, deshalb bin ich keine schlechte Mutter. Ich lass ihn ja nicht alleine sondern er ist bei seinem Papa oder der Oma und da geht es ihm prächtig. Und für Notfälle gibt es ja schließlich Handys. Über Pfingsten gehe ich sogar ein Wochenende Wellness machen. Das wird natürlich hart, aber wahrscheilich nur für mich, weil ich ihn vermissen werden. Er wird ein schönes Männerwochenende habe! Ich finde man sollte das alles locker sehen.
    Alles Liebe
    Sabrina

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    1. Wenn ich meinen Kleinen bei der Oma abgebe, freuen sowohl er als auch sie sich wie verrückt. Ich bin dann auch ziemlich schnell abgeschrieben und darf gnädigerweise ausgehen. Find ich gut.

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  4. Hi,

    Wie heißt das Buch? Bin ich zu blind/blöd das zu sehen? Muss ich in vorherigen Posts gucken?

    Liebe Flora, alles gute für dich! Find´s genau richtig, wie du da ran gehst. Ob das alles so klappen wird ist ein anderer Schnack. Aber Frau muss ja Ziele haben:-)...

    Katrin

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    1. "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind" von Pamela Druckerman. Liebe Grüße!

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    2. Merci ;-)
      Katrin

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  5. Das hat schon Michael Mittermeier gemerkt: A-loch-kinder haben immer A-loch-Eltern. Die Kinder werden von ihrer Umgebung geformt, Nervensägerei kommt meistens von Inkonsequenz. Kann man an Kassen gut beobachten. Die Quengelkinder bekommen unfaßbarerweise meistens irgendwann auch das, weswegen sie brüllen.

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  6. Nervensägen erzieht man sich.
    Wenn man auf jedes Gequengel sofort eingeht, dann lernt das Kind, dass es damit tollen Erfolg hat. Siehe Supermarktkasse. Warten lernen und Frustrationstoleranz sind ganz wichtige Lernpunkte, die kann man schon früh üben find ich. Kind auch mal entscheiden ("gewinnen") lassen bei manchen Entscheidungen (Erdbeer- oder Himbeerjoghurt?) sorgt für ein entspanntes Kind, das das nicht aus jeder Mücke einen Elefant macht. Trotzanfälle zumindest vermindert...
    Ich kenne 3 Mütter, die zu den Überglucken zählen und ihr Kind nie weinen lassen wollten (ich rede natürlich nicht vom Schreienlassen, sondern davon, bei älteren Kindern keine Frustration aufkommen zu lassen), das Kind hat alles bekommen, was ging. Wenn es nicht ging, wurden Entschädigung gegeben (gerne Süßigkeiten) und alles passierte möglichst so, wie der süße Wutzel es wollte. Die 3 sind jetzt 4-7 Jahre und ALLE unausstehlich. Erwarten, dass sich die Welt um sie dreht, werden giftig und trotzig, wenn sie etwas nicht kriegen und in 9 von 10 Besuchen gibt es erzieherische Notfallsituationen, weil das Kind sich so danebenbenimmt, dass die Eltern selbst frustriert sind. Schrecklich! Den Umgang mit Frustration zu lehren ist echt ein zentraler Punkt! Das sehen die Franzosen schon richtig, mein Jesper Juul auch ;-)

    Bei uns gibts 1,5 Stunden vor dem Abendessen nichts mehr zu essen, aber das bedeutet natürlich auch, dass ich dafür sorge, dass davor was gegessen wird. Und es bedeutet, dass ich die Zeiten des Abendessens einhalte und damit auf die Bedürfnisse des Kindes der regelmäßigen Mahlzeit eingehe. Konsequenz ist einfacher, wenn ich einen Rahmen einhalte, an den sich das Kind halten kann. Es gibt natürlich Ausnahmen, aber das sind halt Ausnahmen.
    liebe Grüße
    Bernstein

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    1. Eure Kinder sind ganz toll. Ihr habt es ganz toll gemacht!
      Und alle anderen sind Nervensägen!

      Arrogantes Pack!

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    2. Ah, jetzt seh ich die Troll-Antwort erst.
      Hach, also sowas darf man nicht ernst nehmen, Trolle machen gerne Ärger. Die hat entweder eine Nervensäge zuhause und fühlt sich auf den Schlips getreten oder ganz viele davon und die stressen halt, da liegen die Nerven blank. Oder was auch immer, auf jeden Fall sitzt sie weniger entspannt auf dem Sofa als wir ;-)

      Eher lustig.

      Auch hier gilt die Troll-Direktive: Lächeln und Ignorieren.

      lg
      Bernstein

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    3. Super Tipps, aber alles falsch.
      Ich mag einfach nur nicht so selbstverliebte Personen.
      Schon mal darüber nachgedacht, dass deine Kinder auf Außenstehende auch nervig wirken können?
      Ein wenig Selbstreflexion und weniger Bewertung anderer Kinder täte auch gut.

      Und das Ignorieren kriegst du ja schon super hin! :-)))))))))))

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    4. DICH hat sie ja ignoriert.

      Sie hat nur Flora geantwortet, die sich fragte, ob sie wegen Ranzschnecken wie Dir anfangen muß, Kommentare vor der Freigabe zu lesen - oder die dann einfach löscht.
      Was ich gut fände, denn du beleidigst hier nur grundlos Leute, ohne auf die Diskussion als solche einzugehen.
      Keine Argumente? Keine Ahnung?
      Selbstverliebt bist hier nur Du. Und bewerten tust hier auch nur Du. Da hätte etwas mehr Konsequenz in der Erziehung wohl nicht geschadet.

      Flora, ich bin auch fürs Löschen! Du bietest solchen Leuten sonst nur Raum und das bringt ja hier auch keinen weiter.
      Tina

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  7. Nee Bernstein, ich glaube, er/sie hat keine Kinder. Ansonsten kommt man nämlich ziemlich schnell drauf. Außerdem hätte er/sie nicht soviel Zeit, Aggressionen in Kommentare zu packen ;)

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