Donnerstag, 27. Dezember 2012

Einerseits Vollstress, andererseits bleierne Müdigkeit und dann noch ein Vater, der alle fünf Minuten meinen Rechner will, um nach dem Wetter zu sehen:

Keine gute Kombination für regelmäßiges weihnachtliches Posting wie gewohnt. Es tut mir leid, aber dieses Jahr ging nicht mehr. Mit ganz neuem Respekt sehe ich meine Mutter, die das jetzt 38 Jahre lang jedes Jahr gemacht hat (und mir auch dieses Jahr geholfen hat, wo sie konnte). Und ich dachte immer, Geschenke kaufen wäre Stress! Aber schön war es trotzdem, und jetzt, wo sie wieder abgefahren sind, ist es merkwürdig still hier im Haus. Woraufhin ich mir gleich eine spektakuläre Erkältung zugelegt habe, um das Vakuum zu füllen.

Liebe Abkürzungsdamen, ich weiß genau, was ich schreiben sollte - aber mit den Jahren verliert es etwas an Schmiss, wenn auch nicht an Ernsthaftigkeit: ich wünsche uns allen, dass das hier für uns mit einem Kind auf dem Arm endet, das den Baum bestaunt und vor lauter Ehrfurcht vor Kerzen und Musik die Windel erst mal mit Oberflächenspannung füllt. Für uns alle. Für jede einzelne: für die, die adoptieren wollen, für die, die gerade in der Warteschleife hängen oder sich täglich zur Abenddämmerung ein Spritzchen setzen, für die, die eigentlich schon aufgegeben haben und die paar Wundertierchen, bei denen es angeblich trotzdem plötzlich wie von alleine klappt, für die, die gerade die Fühler ins Ausland ausstrecken und für die, die vielleicht beschlossen haben, jetzt die weltbeste Tante zu werden. Ich wünsche uns das schon so lange, und trotzdem ist es noch nicht passiert, aber das heißt ja nicht, dass man aufhören muss zu wünschen. (Wäre ich von der Sorte, die ihren Wünsche durch das Anzünden von Kerzen Nachdruck verleiht, dann würden die Kirchen im Umkreis zu den bestbeleuchteten des Landes gehören.) Und bis es so weit ist, hoffe ich sehr, ihr hattet alle rundum schöne Weihnachten.

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Doch warum, warum, warum? Nur für den Kick, für den Augenblick?

Aber manchmal frage ich mich doch, warum man so was so oft zu hören bekommt. Folgende Erklärungen erscheinen mir möglich (außerdem natürlich eine Mischung daraus):

1. Die sind einfach doof.
2. Denen ist das unangenehm und peinlich, unser Kummer und all das. Und damit wir bitte schnell über etwas anderes reden können und die Sonne wieder scheint, sagen sie eben lieber so was wie "wird schon" oder kommen mit irgendeinem Supertipp um die Ecke. Das ist für sie immer noch leichter, als tatsächlich das "Vielleicht bekomme ich keine Kinder, und zwar nie"-Gespräch zu führen.
3. Eigentlich sind die alle gar nicht so schlimm. Wir sind nur eben auf 180, manchmal über Jahre, und es ist fast schon egal, was jemand zu uns sagt, die kotzen uns so oder so an. Unsensible Ärsche, ist doch wahr.
4. Die denken wirklich, dass das alles eine Frage der Einstellung, psychisch bedingt usw. ist. Doch doch, die denken das. Vielleicht ja auch, weil es weniger intellektuellen Aufwand erfordert, zu so ziemlich jedem Problem irgendwas davon zu erzählen, dass "die Psyche da eine große Rolle spielt, klar", als sich tatsächlich mit körperlichen Ursachen und den Mitteln dagegen auseinanderzusetzen. Gegenteilige Fakten werden beiseitegeschoben, und irgend ein Beispiel für Heilung durch Gedankenkraft kann jeder aus dem Hut zaubern.
5. Das ist ihre Vorstellung davon, aufmunternd und freundlich zu sein.
6. Eitelkeit. Die würden sich gerne den Orden dafür an die Brust heften, nach all den Gynäkologen und Endokrinologen der Pfiffikus gewesen zu sein, der die Nuss geknackt hat.
7. Schutz. Die möchten das Problem Unfruchtbarkeit möglichst weit weg von sich haben. Die wollen nicht, dass wir genau so sind wie sie, das würde ja heißen, dass es sie genau so hätte treffen können wie uns. Oder noch treffen könnte! Darum machen wir etwas falsch, muss ja so sein, oder sind am besten gleich charakterlich vollkommen anders gebaut.
8. Ekel. Dieses ganze Unterleibs-Thema ist doch ziemlich igittigitt, schnell weg, und weil man unter zivilisierten Menschen nicht die Hände über die Ohren schlägt und "Lalalalala" schreit, nuscheln sie eben irgendwas Beschwichtigendes.

Dienstag, 11. Dezember 2012

Vier Jahre Kinderwunschbehandlung: Die Shits.

Der Zyklus, in dem ich in der Apotheke eine re-importierte Packung Menogon bekommen hatte mit Spritzen zum Selberbasteln und Ampullen, die immer erst nicht zu knacken waren und dann mit einem miesen kleinen Geräusch in tausend scharfe Splitter zerbrochen sind, die sich in meine Finger (am liebsten in die Gelenke, wo es richtig, richtig weh tut) bohrten. Ich nenne diesen Zyklus den Splatter-Zyklus. (Noch vor einer Woche habe ich ein Kamera-Objektiv gefunden, das Blut auf der Linse hat. Das war Menogon.)

Die Ausschabung damals nach der Fehlgeburt. Im Wartezimmer vom Kleinkind der assigsten Eltern der Welt angeflirtet zu werden (es hat versucht, auf meinen Schoß zu klettern, während ich versucht habe, bitte bitte nicht auch noch zu heulen.) In der Klinik wieder aufwachen und gebeten werden, bitte an unserer kleinen Umfrage teilzunehmen: waren Sie zufrieden mit unserem Service? Würden Sie sich hier nochmal behandeln lassen? Würden Sie uns weiterempfehlen? Danke für Ihre Kooperation!

Die Hochzeitsreise ein paar Tage nach der Ausschabung. Ich war ein Haufen Matsche in Sommerkleidern. Ich hätte eine Woche zuhause bleiben und mich auf dem Sofa mit Junk Food vollstopfen sollen. Stattdessen bin ich teilnahmslos durch Venedig, Siena, Rom und Perugia gechlurft und war weder fähig, irgend etwas zu entscheiden noch zu genießen. Und das waren verdammte Flitterwochen. Unglücklich zu sein ist eine Sache, aber unglücklich zu sein und dabei die ganze Zeit zu wissen, dass man jetzt gefälligst glücklich zu sein hat, ist übel. Einmal bekamen wir Streit mit einem italienischen Schaffner, ich bin sofort eingeknickt, und L. wurde wütend, dass ich ihm in den Rücken falle. Ich habe zwei Stunden lang geheult. "Und? Wie war die Hochzeitsreise?" "Schön! SCHÖN!"

Die vielen, vielen, vielen, vielen Warteschleifen, in denen ich erst dachte: das wird wieder nichts, aber gleichzeitig eine hormonell besprittete Persönlichkeitsspaltung vollzogen hatte, so dass ich imstande war, mir überhaupt keine Hoffnungen zu machen und gleichzeitig sicher zu sein, dass es genau deshalb jetzt klappt. Ich konnte zum Beispiel mit den Hunden spazieren gehen und plötzlich ein leichtes Kribbeln links unten fühlen und dann denken: Kribbeln-Popibbeln, das hat absolut nichts zu bedeuten, ABsolut nichts, und dann in mich reinzuschmunzeln und mich für einen Moment zu fühlen, als wäre jetzt schon drei Jahreszeiten später, ich hätte mein Kind im Arm und würde an diesen Moment denken und könnte wahrheitsgemäß sagen, ich hätte es da schon gewusst. Und dann der Test, wieder negativ, oder zwei Stunden später meine Tage, so ein Pech, und dann fühlt man sich wie der größte, naivste, peinlichste und armseligste Vollidiot der Welt.

Die unfassbar vielen Menschen, die einen kaum kennen und trotzdem fragen, ob man schwanger ist. Wenn man es so dermaßen hartnäckig und verfickt noch mal nicht ist. Fehlt nur noch, dass sie einem dazu ins Kinn kneifen.

Seinen Rechner aufklappen, den Code eingeben und 1.873 Euro überweisen. Schon wieder. Für nichts. Für ein Tütchen Medizinmüll und eine Großpackung Camelia supersupersaugstark.

"Eine Freundin von mir hat irgendwann aufgehört und dann einfach so zwei Kinder bekommen."

"Ich hab einen ganz tollen Homöopathen, ich geb dir mal die Nummer, das ist doch Irrsinn mit diesen Hormonen und OPs, ein Kind zu kriegen ist doch die natürlichste Sache der Welt, gell?"

"Ist ja kein Wunder, dass du noch nicht schwanger bist, mit diesen ganzen Spritzen und OPs und Medikamenten kann das ja nichts werden."

"Ich WEISS, was dir fehlt: Chlamydien! Die machen wir weg, meine Homöopathin und ich, und dann wirst du SCHWANGER!!!"

"Also ehrlich gesagt würde ich mal drüber nachdenken, einfach das Rauchen aufzugeben? Hm?" (Das mir. Wo ich im Monat im Schnitt auf eine, höchsten zwei Schachteln komme.)

Einer Journalistin ein total nettes und entspanntes Interview geben und hinterher in der Zeitung lesen, es wäre für mich der pure Hass, an einem Spielplatz vorbeizulaufen.

"Für uns ist das alles einigermaßen entspannt. Wir haben ja noch zwei andere Chancen auf Enkelkinder."

Sonntag, 9. Dezember 2012

Neues aus Schlumpfhausen

Vor drei Tagen hat L. eine Gästematratze vom Dachboden ins Wohnzimmer geschleift, "nur für eine Nacht". Sie liegt jetzt in dem Viereck, das von den zwei ollen Chesterfield-Sofas und einem Sessel gebildet wird. Die Möbel bilden so eine Art Hagenbeck-Gehege für die Hunde, die von der Sofalehne aus abwechselnd uns und das Geschehen das draußen im Schnee überwachen, und wir liegen hier eingemummelt in verschiedene Decken und Kissen, haben ein Feuerchen und Kerzen und Kekse und Kartoffelsalat und überhaupt und haben gerade erfahren, dass meine Schwiegermutter doch nicht zum Mittagessen kommt, so dass das ganze fabelhafte Arrangement noch ein bisschen länger bestehen bleiben kann. Wie faul kann man sein? Ziemlich faul.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber ich habe erste zwei Sorten Plätzchen gebacken. Die bisher einzige Weihnachtsdeko ist ein Adventskranz (den L. besorgt hat) und die alte Weihnachtspyramide meiner Oma (die ich nur aus dem Keller holen musste). Ich weiß immer noch nicht, was ich Heiligabend für meine von weither angereiste Familie kochen soll, geschweige denn, dass ich irgendwelches Wild oder Vögel vorbestellt hätte. Im Garten wartet noch keine Weihnachtsbaum, und ich habe noch kein einziges Geschenk gekauft. Noch nicht mal die höchstens-fünf-Euro-Geschenke für die Mädchen! Nichts! Und statt fieberhaft das Netz zu durchforsten, liege ich hier bei der zweiten Tasse Tee und poste darüber, wie tatenlos ich bin. Geduscht habe ich auch noch nicht, und oben stapelt sich die Wäsche. Je nachdem, ob L. sich bereit erklärt, auch den zweiten Hundegang zu übernehmen, werde ich diesen Tag komplett im Schlafanzug verbringen, und vielleicht gegen Nachmittag mal Deo nachlegen. Fühlt ihr euch jetzt besser? Gern geschehen.

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Kinderwunschpaare gesucht

Liebe Abkürzungsdamen, vor einer Weile hatte ich euch schon mal gefragt, wer Lust hat, für ein Dossier zum Thema unerfüllter Kinderwunsch interviewt zu werden, daraufhin haben sich überwältigend viele Damen per Email gemeldet, ich hab die Beute an die Journalistin weitergeleitet, und sie ist sich mit einer Dame jetzt einig geworden, deren Geschichte wie maßgeschneidert passte. Allen anderen Damen soll ich vielen lieben Dank ausrichten. Wann genau die Geschichte erscheint, weiß ich noch nicht, aber ich hoffe, sie sagt mir Bescheid und ich kann euch dann rechtzeitig Bescheid sagen.

Und jetzt schon wieder. Eine ANDERE Journalistin sucht diesmal Kinderwunschpaare, die noch mittendrin stecken in ihrer Behandlung, und die bereit wären, sich vor laufender Kamera mit ihr zu unterhalten. Gesendet wird der Beitrag dann letzten Endes im NDR. Für alle, die schon als Kinder schreiend die Hände über die Ohren geschlagen haben und aus dem Zimmer gerannt sind, wenn sie ihre eigene Stimme auf Cassette gehört haben, ist das natürlich eine echte Herausforderung, aber wer soll besser mit Herausforderungen fertig werden als eine Bande von Frauen, die sich selbst SPRITZEN in den BAUCH geben?!?
Ich würde mich freuen, wenn sich auch diesmal die eine oder andere Dame fände, schließlich geht es um die gute Sache der zur Abwechslung mal nicht von Sensationsgier und Doofheit motivierten, objektiven und wahrheitsgetreuen Berichterstattung zum Thema Kinderwunsch. Zu diesem Zweck hab ich die Emailadresse noch ein bisschen länger bestehen lassen: flora.albarelli@yahoo.com.

Und dann verspreche ich auch, mindestens bis Weihnachten nicht nochmal für Journalisten mitzuschnacken.



Samstag, 1. Dezember 2012

Wünsch Dir was

Vor ein paar Tagen habe ich mit einer sehr netten Journalistin telefoniert, die im Frühjahr eine Sendung über Kinderwunschbehandlungen machen will. Sie wollte wissen, was ich mir von so einer Sendung wünschen würde. In dem Moment war ich gerade kurz davor, das Haus zu einem ziemlich kniffligen Arzttermin zu verlassen, und auf so eine Frage nicht vorbereitet. Trotzdem fallen mir aus dem Stand ein paar Dinge ein, die mir wichtig, sogar ziemlich wichtig wären.

1. Es wäre mir wichtig, dass wir Abkürzungsdamen nicht als blödes Klischee dargestellt werden. Weder als depressive, vom Schicksal zermürbte Trauerklöße, die nur noch am Fenster sitzen und in den Regen starren. Noch als verbissene, grenzwertig schon übergeschnappte Biester, die den Kontakt zu schwangeren Freundinnen abbrechen und ihren Hunden plötzlich rosa Pullöverchen anziehen.

2. Wir sind nicht reich. Wir kaufen uns keine Kinder. Wir betrachten Kinder nicht als das letzte noch fehlende Luxus-Accessoire in unserem vor Luxus sowieso schon aus allen Nähten platzenden Leben.

3. Wir sind nicht selbst Schuld. Wir haben nicht irgendwann beschlossen, uns bis 39 ausschließlich unserer "Karriere" zu widmen oder jede Nacht auf die Dacke zu gehen. Es sollte überhaupt in keiner Form irgendwie durchschmecken, Schuld wäre der Feminismus oder diese neumodische Schrulle, Frauen sollten auch eine Ausbildung bekommen oder einen interessanten Beruf. Ich kriege Pickel, wenn ich das noch einmal höre.

4. Wenn wir schon dabei sind: berufliche Ziele und Entscheidungen sind nicht der einzige Grund, warum man mit 25 noch keine Kinder kriegt. Mir fallen aus dem Steggreif zig andere Gründe ein. Z.B. der, dass man gerade keinen Freund hat. Oder einen Freund, mit dem normales 25jährigen-Leben schon schwer und kompliziert genug ist und mit dem man auf keinen Fall eine Familie will. Oder einen Freund, mit dem man zwar sehr glücklich ist, der aber keine Lust hat, mit Mitte 20 Vater zu werden. Oder der ziemlich wichtige Grund, dass man so schon nicht weiß, wie man die Miete zahlen soll. Jobs sind ja nicht nur Selbstverwirklichungsluxus, sondern einige von uns - Schockschwerenot! - sind darauf angewiesen, Geld zu verdienen. Nicht nur Kinderwunschbehandlungen kosten Geld, Kinder auch.

5. Es sollte in dieser Sendung klar zum Ausdruck kommen, dass es nicht immer an den Frauen liegt und dass Alter nicht der einzige Faktor ist, der über die Fruchtbarkeit entscheidet.

6. Es wäre schön, wenn diese Sendung auskäme ohne das Klischee, wir müssten uns entspannen und loslassen. Ohne das berühmte Paar, das irgendwann aufhört mit den Behandlungen und dann schwanger wird, als wären all die Spritzen und OPs und Warteschleifen vorher so unnötiger Kokolores gewesen wie eine Dauerwelle, die man sich besser gleich gespart hätte.

7. Ich wäre überglücklich, wenn man mal nicht den Eindruck bekäme, der Unterschied zwischen fruchtbar und unfruchtbar wäre vor allem ein Charakterlicher.

Und ihr? Was wäre euch wichtig? Worüber würdet ihr euch freuen?

Freitag, 30. November 2012

Und, was haben wir diesmal anders gemacht?

Ab heute ist die Legehenne im dritten Monat und damit natürlich noch lange nicht am Ziel, aber wieder einen wichtigen Schritt weiter. Zu diesem Anlass hat sich ihre Kinderwunschärztin bei den letzten drei Terminen gefragt: wieso diesmal und nicht schon vorher?

Tja, das ist eine Frage, die uns allen viel Zeit, Nerven, Kummer und Geld ersparen könnte, wenn man sie irgendwie beantworten könnte. Legehenne ist auch mehrfach in sich gegangen. Mögliche Antworten wären:

a) das Laufprogramm, das wir beide seit dem späten Frühjahr eisern durchgezogen haben (es gibt Menschen, die sagen, Ausdauersport fördert die Fruchtbarkeit)

b) kein, überhaupt kein Alkohol schon ca. vier Wochen vor der Rückübertragung

c) Zumindest beim Frühstück gesündere Ernährung

d) ein neuer Lieblings-TV-Snack: Edamame. Die kriegt sie tiefgekühlt von ihrem Chinamann, man kocht sie irgendwo zwischen fünf und zehn Minuten in Salzwasser (wenn bei Minute 4 das Telefon klingelt und man erst nach 20 Minuten wieder dran denkt, war das aber bisher auch kein Drama), gießt sie gut ab und bestreut sie mit grobem Salz. Dann hockt man sich mit einer leeren Reserveschüssel auf die Couch und lutscht die Böhnchen aus den Schoten. Klingt nach hartem Verzicht angesichts von Alternativen wie Rippchen oder Chips, ist es aber nicht. Sojaböhnchen also.

Nach langem Grübeln und hin und her kommt sie aber zu dem Schluss, dass Möglichkeit e vermutlich die Antwort ist:

e) war einfach mal so weit. Und bleibt es hoffentlich auch. So gerne wir uns auch einreden, solche Glücksfälle hätten wir uns selbst und unserem tugendboldigen Verhalten zu verdanken: Wahrscheinlichkeiten funktionieren einfach so. Wenn eine Wahrscheinlichkeit pro Versuch bei um die 20% liegt, dann heißt das, würde ich 1000 Versuche unternehmen, dann würden am Ende um die 200 davon zum Erfolg führen. Das heißt aber noch nicht, dass bei zehn Versuchen zwei über die Ziellinie kommen. Jetzt ist Legehenne bei um die 13 Versuchen, und tadaaaaa -

Womit noch lange nichts gegen Laufen und Sojaböhnchen gesagt werden soll. Aber eben auch nichts gegen schönen Rotwein zum Feierabend.

Dienstag, 27. November 2012

Sie brütet weiter.

Bei Legehenne, wollte ich nur kurz durchgeben, alles gut. Ihr Brummer ist tüchtig gewachsen, genau so wie er soll, und das Herz schlägt weiter kräftig. Das Hämatom ist allerdings genau so munter, und so lange sie nicht drei Tage mit schneeweißer Unterhose schafft, soll sie weiter liegen bleiben. Danke, lieber Abkürzungsschutzpatron, für dunkelgrauees Novemberwetter und für den Glotz-on-Demand-Flatrate-Service von lovefilm. Außerdem danke, liebe Blogleserinnen, für's Mitfiebern und Daumen drücken!

Danke, danke, danke

Liebe Abkürzungsdamen, die sich auf meinen Aufruf für das Dossier zu Kinderlosigkeit gemeldet haben: vielen Dank, ich habe die Emails weitergeleitet an die Journalistin, die sich bald mit Euch in Verbindung setzen wird.

Montag, 26. November 2012

Kinderwahn

Vermutlich bin ich voreingenommen. Die vorherrschende Begeisterung für die Münsteraner geht an mir irgendwie vorbei. Mir ist das alles inzwischen zu doof und feuerzangenbowlig, und sollte ich jemals in einen Kriminalfall verwickelt sein, dann hoffe ich schwer, nicht an so einen muffelnden Schrat wie Thiel zu geraten. Nichts gegen grantige Kommissare! Kiel ist mein Lieblingstatort! Aber das fabelhafte Münster hätte was Besseres verdient. Es ist also keine Riesenüberraschung, dass gestern Abend L. den Tatort mit einer Dauer-Soundkulisse aus Grunz-, Ächz- und Zischlauten serviert bekam.

Das Schlimmste daran ist: ich glaube, so sehen die uns wirklich, die vielen vielen Tatort-Zuschauer. Die denken wirklich, wir sind die irre, an den Kanten etwas aus dem Leim gegangene Olle, die im Nachthemd durch den Garten springt oder wahlweise verbissen walken geht, ihre Katze ermordet und verscharrt (klar, vermutlich schwanger, das Viech), die, bei der die hübschen jungen Mütter kurz zögern, bevor sie sie ihr Kind halten lassen, und womit? Mit Recht! Sieht man ja am Ende, wenn sie einfach ein Baby klaut und droht, sich damit in den Kanal zu stürzen. Oder wir sind wahlweise die Ladys, die aus der ganzen Welt angereist kommen, damit uns jemand hilft, uns zu entspannen. Die im Guldenburgs-Kostüm, mit der Taxi-Rechnung von 400 Euro, die wir aus der Portokasse zahlen, Kinderlose sind nämlich - wenn schon nicht irre - dann wenigstens reich. Aber ist das nicht traurig? All unser Geld kann uns nicht das Wichtigste auf der ganzen Welt kaufen: Familienglück und ein erfülltes Leben.

Und an der Stelle mit dem Cowboyhut und der Holzfällerjacke hätte ich fast ausgeschaltet. Aber wenn man da schon mal so liegt?

Das EINZIG positive, was ich über diesen Umgang mit dem Thema zu sagen habe, ist, dass mehrfach zur Sprache kam, wie oft es an den Männern liegt. Wobei auch da: bruharrharr, jetzt sitzen hier die Kinder von drei Kneipenheinis heimlich auf irgendwelchen Thronen in ganz Europa, bruharrharr, irgendwie doch saukomisch, war doch klar, dass bei diesem ganzen Kinderwahn sowas herauskommt - und auch irgendwie gerecht.

Alter.

Sonntag, 25. November 2012

Abkürzungsdamen, gebt euch einen Ruck.

Sollte unter meinen Blogleserinnen auch die eine oder andere sein, die gerade dabei ist, mit dem Kapitel Kinderwunschbehandlungen abzuschließen - oder die damit schon abgeschlossen hat, wobei eine Um- und Neuorientierung in Richtung Adoption 1a passen kann,

sollte diese Blogleserin außerdem Lust haben, sich zu diesem Thema zu äußern, und zwar in einem großen, extrem angesehenen Frauenmagazin, in Zusammenarbeit mit einer fabelhaften Journalistin - also keinem kleinen Schreibefifi, der schnell mal was hinrotzt und sich nebenbei die Nägel macht -

im Rahmen eines größeren Dossiers rund um das Thema unerfüllter Kinderwunsch -

und sollte diese Leserin evtl. sogar damit einverstanden sein, fotografiert zu werden, wenn auch gerne unkenntlich, also z.B. von schräg hinten, wobei, wenn ich das richtig verstanden habe, das Ganze mit der Fotobereitschaft nicht steht und fällt -

dann wäre ich sehr dankbar, wenn sie sich über diesen Blog melden würde. Zu diesem Zweck habe ich eine Email-Adresse eingerichtet, die ich jedoch in ca. drei Wochen wieder vom Netz nehme. Die Email-Adresse lautet flora.albarelli@yahoo.com.

Bitte, Abkürzungsdamen, traut euch! Ich freu mich über jede Stimme in der Presse, die sich zur Abwechslung mal vernünftig zu dem Thema äußert.

(Nein, ICH bin nicht die Journalistin. Ich hab doch Journalistin gesagt, nicht Schreibfifi.)


Damit wäre der Arbeitsteil erledigt, und ich lehne mich entspannt zurück; den Rest dieses nebligen Sonntags werde ich im Bett und auf dem Sofa zubringen. Und zwar unter anderem mit meiner fabelhaften neuen Kochblogentdeckung smittenkitchen. (Ich weiß. Immer komme ich erst dann angeschissen, wenn es eigentlich längst zu spät ist. Bei Sex and the City war ich eigentlich berufsmäßig dazu verdonnert, das zu gucken, und trotzdem hat es noch drei Jahre gedauert, inzwischen habe ich jede Folge auf schon vollkommen zerknitterten DVDs. Gerade glotze ich mich auf lovefilm hingerissen durch sämtliche Staffeln grey's anatomy, davon wollte ich früher nichts wissen - Horror kann ich, Krankenhausserien versetzen mich meistens in Panik, dachte ich. Es würde mich nicht wundern, wenn ich mir in drei Jahren meine ersten Ugg Boots kaufe.) Smittenkitchen gibt es inzwischen als sicher fabelhaftes Kochbuch, aber zu L.s großer Freude habe ich verkündet, erst mal von einer weiteren Kochbuchbestellung abzusehen und es erst mal mit dem Blog zu versuchen. Ich glaube, mein erstes Rezept werden die Parmesan-und-schwarzer-Pfeffer-Biscotti. Aber heute habe ich noch viele, viele Stunden vor mir, das alles genau zu überlegen.
Außerdem wollte ich noch einer alten Lieblingsphantasie nachhängen und gucken, ob ich eine große Skihütte für Silvester 2013/14 finde. Wie Last Christmas! Nur ohne Strähnchen! Und irgendwann zwischendurch werde ich auf dicken Socken in die Küche schluffen und aus den Pellkartoffeln von vorgestern und diversen Käseresten ein hüttenmäßiges Stinkegratin zaubern. Dazu vielleicht 1-22 Gürkchen. Irgendeinen Haken muss der Tag doch haben!
Nö. Bisher nicht.

Donnerstag, 22. November 2012

Gerade, wenn ich mir die Nägel lackiert habe,

was bei mir ca. eine halbe Stunde dauert und eine halbe Rolle Wattepads frisst, weil ich das einfach verdammt noch mal nicht kann (weshalb mir der Weg so vieler Mütter aus Kreativberufen verbaut ist, in Zukunft einfach herzchengesäumte selbstgehäkelte Niedlichkeiten zu verkaufen und dem ganzen Unterfangen einen irgendwie lindgrenigen Namen zu geben wie Hollerbü oder Lilleblom - feine Handarbeiten sind mein Albtraum, es sei denn, ich stelle etwas her, was ich hinterher essen kann - dann geht's), jedenfalls, gerade wenn der Lack endlich so verteilt ist, dass er jetzt in Frieden trocknen könnte und ich damit unter Erwachsene gehen könnte, dann wirft sich der Hund in meine Arme, oder meine Nase fängt an, entsetzlich zu jucken, oder es klingelt an der Tür, oder L. braucht mich und meine Hände dringend für irgendwas.

Und gerade, als ich schon dachte, nun wird mit Legehenne und ihrer Wurst alles gut und es gibt eine weitere Kinderwunschgeschichte mit Happy End, da fängt sie an zu bluten. Nachdem sie den ersten Schock auf dem Firmenklo weggeatmet und zwei-drei panische Telefonate geführt hatte, ist sie wie auf rohen Eiern zu ihrer normalen Gynäkologin gegangen, die zum Glück nur zwei Straßen weiter ist. Dabei war dieser ganze Besuch ein einziges Déjà-vu: genau bei dieser Ärztin hat sie damals erfahren, dass ihr erster Brummer sich inzwischen verabschiedet hatte. Auch diesmal saß wieder das Wartezimmer voller Schwangerer und Muttis, und wieso gucken die eigentlich so mucksch, was haben die denn bitte für einen Grund, jemals im Leben wieder mucksch zu gucken? Aber diesmal lief es trotzdem anders und besser: auf dem Ultraschall zeigte sich ein Hämatom in der Gebärmutter. Und eine immer noch völlig intakte Fruchtblase mit einem intakten Brummer samt intaktem Herzschlag darin. Hämatom ist gut: damit war jedenfalls eine Erklärung für das Blut gefunden, die nicht zwangsläufig Fehlgeburt bedeuten muss. Und die Ärztin war optimistisch genug, sofort die ersten zwei Kontrolltermine mit ihr auszumachen, beide im Dezember. (Damn. Scheinbar doch keine Hoffnung auf die Sorte Schwangerschaft, bei der man so zwei-dreimal reinschneit, um Hallo zu sagen und ein bisschen zu schallen.) Dann zog sich Legehenne ihre Strumpfhose wieder an, atmete tief durch, holte sich eine Krankschreibung bis zum 30. November am Empfang und im Telefonat mit der KiWu-Ärztin noch die Anweisung, ab jetzt dreimal täglich zwei Utrogest einzuführen, und rief sich ein Taxi, um sich zuhause ins Bettchen zu legen. Und dort bleibt sie jetzt, bis auf kurze Ausflüge unter die Dusche oder aufs Klo, bis Dienstag. Dann ist der nächste Termin. Und so lange es nicht stärker blutet oder stückig wird, besteht kein Anlass, in Tränen auszubrechen.

Jetzt liegt sie da also, lernt ein bisschen Italienisch mit Rosetta Stone, guckt sich grey's anatomy-Folgen im Netz an und hat beschlossen, dass sie sich zwar die Augen wundglotzen wird, aber der Brummer erst mal Fernsehverbot hat. Seine Mutter so zu erschrecken, ehrlich.

Dienstag, 20. November 2012

Schönes Wetter heute, oder? Und sonst so?

Alles, alles gut bei meiner Freundin Legehenne. Alles sitzt genau da, wo es sitzen soll, und sogar einen kleinen Herzschlag in zwei-flimmernde-Pixelchen-Qualität gab es zu sehen. Ich freue mich so, dass es fast weh tut, und muss leider jetzt diesen Post schon wieder abbrechen, denn heute ist nicht nur ein echter Babyglückstag, sondern auch der letzte Tag vor einem fetten grantigen Biest von Präsentation, die ich dazu auch noch unbedingt gewinnen will und muss. Für heute mache ich also die Quatschbude zu. Allen Abkürzungsdamen einen dicken Kuss für's Mitfiebern und Mithoffen!!!!!!!

Mittwoch, 14. November 2012

Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich sagen, das sind Hormone.

Aber gerade habe ich folgende Stiefel gekauft.




Durch die einzigartige, allgewaltige Kraft meiner Gedanken befehle ich diesem Post, zu erscheinen.

Manchmal denke ich, es hat etwas mit Hilflosigkeit zu tun: damit, dass wir uns dagegen wehren, dass manche Dinge einfach nicht in unserer Hand liegen. Dann denke ich wieder, nein, das ist purer, ungefilterter Größenwahn - geboren aus dem gleichen Lebensgefühl, das manche Menschen davon überzeugt sein lässt, mit ihrem Tod würde die Welt aufhören zu existieren. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir unser Bewusstsein ja Tag und Nacht um uns haben und es in UNSEREM Leben als ziemliche Macht empfinden - warum sollte das, was wir so denken und fühlen, diese subjektiv wahrgenommene Macht also nicht tatsächlich haben? Im wirklichen Leben? Vielleicht ist das auch die übersteigerte Gegenreaktion dagegen, dass viele, viele Jahre unserem Bewusstsein zu wenig Bedeutung zugestanden wurde. Oder Menschen, die einfach nur wahnsinniges Glück hatten, möchten sich selbst wenigstens einen Teil davon gerne selbst als Verdienst anrechnen können.

Woran es auch immer liegt: es hört nicht auf, mich wahnsinnig zu machen. Ich halte es im Kopp nicht aus, dass so viele Menschen der Meinung sind, sie hätten schlimme gesundheitliche Krisen dank der Kraft ihrer positiven Gedanken überstanden. Bzw. nur deshalb, weil sie "ihren Frieden damit" gemacht hätten. Und warum ich immer noch immer immer immer immer immer immer immer wieder von Menschen, die es besser wissen müssten, diesen Quark zu hören bekomme, jetzt, wo wir adoptieren wollten, würde ich vermutlich ja "von ganz alleine" schwanger werden. Als wären meine verstopften Eileiter, meine Myome und meine Endometriose nur eine Schrulle gewesen, so etwas wie schlechte Laune. Ich WAR entspannt, verdammte Axt! Jahrelang war ich entspannt! Ich WUSSTE, dass ich trotzdem ein schönes Leben führen kann! Ich war NICHT zu verbissen! Zwar war ich so lange in Behandlung, aber mindestens 80% dieser langen, langen Zeit waren ziemlich hormonfrei. Ich hatte rauschende Abende mit meinen Mädchen, ich hatte goldglänzende Urlaube mit L., ich habe rotznasige Mistkinder in der Ubahn gesehen und konnte mir heiter lächelnd denken, da habe ich ja gerade noch mal Glück gehabt. Ich konnte mich mit dem kinderreichen Teil der Familie treffen und mich ehrlich drauf freuen, ohne heimlich auf dem Klo zu heulen. Es ging mir gut! Ich hab es schon mal gesagt und sage es noch mal: mein Problem ist nicht mein Kopf, sondern mein Unterleib.

Versteht niemand, wie sich das anfühlt, wenn man das ständig zu hören bekommt und vielleicht nicht auf der Glücksseite steht? Wenn es nicht geklappt hat, die miese Krankheit zu besiegen, trotz "kämpfen" und "loslassen" und "positiv denken"? Wenn man auch tiefenentspannt nicht schwanger wird und das auch so bleibt?

Sollte ich eines Tages wirklich - wie auch immer - mein Kind auf dem Arm haben und die Welt mit solchem Schmonzes nerven, dann möchte ich hiermit, dass mir sofort ein riesiger, vier Wochen lang täglich gewaltiger werdender Pickel auf der Nasenspitze wächst. Ich habe es geschrieben, ihr habt es gelesen. Vor Zeugen!

Tief durchatmen.

Jajaja, nur die Ruhe. Es tut mir leid, gestern Abend ging es einfach nicht. Wie schon letzte Woche angekündigt kann ich euch in Sachen Schwangerschaft meiner Freundin auf ihren Blog verweisen: Legehenne findet ihr in der Blogroll. Es ist aber alles genau wie es sein soll: Fruchthöhle an der richtigen Stelle, Blutwerte dufte, Herzschlag zwar noch nicht, wäre aber auch extrem früh, nächsten Dienstag das Ganze wieder.

Montag, 12. November 2012

Prokrastination, Schmokrastination

Liebe Abkürzungsdamen, keiner soll sagen, dass einem nicht mit 39 noch persönliche Durchbrüche gelingen können. Meiner sieht folgendermaßen aus - doch halt, wieder mal muss ich weiter ausholen. Ich prokrastiniere seit 39 Jahren vor mich hin. Wenn man als Werbetexter arbeitet, ist das fast tödlich. Denn so ungefähr jedes zweite Wochenende bekommt man einen mit: "Du kannst ja nochmal drüber nachdenken." oder sogar die noch fiesere Variante, bei der der Sternchentext lautet: Wir wollen, dass du arbeitest, aber wehe, du schreibst dafür eine Rechnung: "Ich weiß ja, man KANN das gar nicht abstellen. Wenn dir also ZUFÄLLIG beim Spazierengehen oder so etwas einfällt... gelle?" Ich knirsche dann mit den Zähnen und sehe es überhaupt nicht ein, kann es aber auch nicht einfach abbürsten. So dass ich zwar lange Spaziergänge mache, über den Markt bummele und stundenlang in der Küche stehe, in mein Pailettenkleid springe und hüpfen gehe oder den Garten umgrabe, aber dabei die ganze Zeit eine gewittergraue Denkwolke über dem Kopf hängen habe. Und in der Vergangenheit blieb mir manchmal nichts anderes übrig, als mir Montagmorgen (ausgerechnet) den Wecker auf vier Uhr früh zu stellen und dann eben verdammt noch mal zu tun, was eine Frau tun muss. Eine Menge Zähneknirschen für ein Wochenende und einen Montagmorgen.

Bis heute. Heute habe ich meinen Frieden mit der ollen Liese Prokrastination gemacht. Ich bin eben so! Und ich formuliere meine Schwäche kurzerhand um: ich schiebe nicht immer alles auf, nein, ich blühe erst unter Druck richtig auf. Das ist natürlich ein Fluch in einer Agentur, in der der Boss Skrupel hat, zu verlangen, dass bitte nicht ALLE gleichzeitig zum Rauchen auf die Straße gehen, so nett, verständnisvoll und anti-Druck geht es dort nämlich zu. Ich brauche aber Druck! Deshalb habe ich dieses Wochenende so dermaßen gemolken, wie es nur ging. Und mir überlegt, dass ich in der Nacht zu Montag eh nie, nie, nie schlafen kann. Um neun war ich müde, zu müde jedenfalls für einen weiteren E-Tatort, den hab ich jetzt aufgenommen und geschlafen, um halb fünf klingelte mein Wecker, und siehe da, mit einem Tee auf dem Sofa, die Hunde gemütlich um mich herumgeringelt, habe ich das alles ganz einfach und konzentriert geschafft. Muss ja, und ohne müssen kann ich das eben nicht.

Ich bin keine Bummelliese, ich bin ein Adrenalinjunkie. Klingt doch gleich viel besser, oder? So Wall-Street-mäßig, 80er und kein-Gramm-Fett-zuviel.

So, 7:26, Job fertig, Post fertig, Champagner! Fluppen!

Ach, nee. Da war ja was.

Samstag, 10. November 2012

Friede. Himmlischer Friede.

Ich glaube, heute wird mein Lieblingstag des Jahres.

1. Mit den Hunden war ich schon, über eine Stunde, und zwar bis vor einer halben Stunde. Das nächste Mal muss ich so gegen vier.

2. In wenigen Minuten verlässt L. das Haus in Richtung Berlin, um seinem niedlichen Jungs-Sport nachzugehen. Und er kommt erst frühestens morgen gegen drei wieder. Wenn man bedenkt, dass meine Schlafanzughose notfalls auf Hundespaziergängen als Leggins durchgeht und meine Hundejacke bis fast zu den Knien reicht, kann ich theoretisch bis dahin im Schlafanzug, mit Maske im Gesicht und Haarkur auf dem Kopf herumlungern.

3. Ich kann außerdem acht verschiedene Nagellacke ausprobieren, ein Feuerchen machen, das ganze Haus mit "diesen bescheuerten" Duftkerzen beleuchten und das Telefon aus der Wand ziehen. So viel Zeit! So unendlich viel Zeit!

4. Vor ein paar Tagen ist die dritte Staffel von Downton Abbey angekommen, und ich weiß nicht, woher ich die Kraft genommen habe, aber ich habe bisher erst eine Folge geguckt. Außerdem hat lovefilm mir gerade "Moonrise Kingdom" geschickt, den neuen von Wes Anderson, der hoffentlich mehr in der Kategorie von Rushmore und den Royal Tenenbaums spielt und weniger in der von Darjeeling Ltd., und auch den habe ich noch nicht gesehen.

5. Ich habe noch den kompletten zweiten Band von Hilary Mantels Tudor-Büchern vor mir.

6. Gestern hatte L. sein Klassentreffen bei uns. L. hatte - im krassen Gegensatz zu mir - einen großartigen Abi-Jahrgang. Bei mir hatte auch 1992 noch niemand kapiert, dass die 80er vorbei sind und man auch mit Menschen sprechen kann, die kein Golf Cabrio fahren und keinen Iceberg-Pulli tragen (wobei sich für beides die extrem normalverdienenden Eltern durch den Winter bibberten und hungerten, damit der kleine Schatz auf dem Schulhof gut dastand). Es gab Kinder in meiner Schule, die hoben eine echte Tempo-Packung auf und steckten dann die Aldi-Taschentücher da rein. Das taten sie nicht aus Quatsch. Als bei uns das fünfzehnjährige Abitreffen anstand, posteten die Mädchen im Online-Forum dazu statt mit eigenen Profilfotos mit Fotos ihrer dicken Gören. Schon beim zehnjährigen waren die alle wahnsinnig langweilig geworden, hässlich, doof und furchtbar. Zur Strafe wohnte die Hälfte in Einliegerwohnungen bei ihren leidgeprüften Eltern.) Jedenfalls: L.s Klassentreffen laufen so, dass zehn seiner lustigen, zauberhaften, netten, klugen, hübschen, freundlichen und interessanten Ex-Klassenkameraden vorbeikommen, L. stiftet die Getränke, das Feuerchen und den Esstisch, und das Essen bringen sie mit. Und das Beste: ich darf als Ehren-Abikollege immer dabei sein! Gestern gab es einen Truthahn, Pumpkin Pie, Schokoladenkuchen, köstlichen Salat... So. Und jetzt ist das Geschirr gespült, die Gäste verdauen zuhause ihre hoffentlich federleichten Katerchen, L. geht gleich, und ich bin hier, allein mit dem Kühlschrank. Knödel mit Truthahnsauce, Füllung, Truthahn, Rotkohl und Apfelmus, irgendwer? Vielleicht ein Stück der ca. acht mitgebrachten Dankeschön-Edelschokoladen? Ein Kuchen vielleicht? Schoko oder Kürbis? Mit oder ohne Eis? Vielleicht noch etwas Schokosauce? Hä. Hähähähähähä.

7. Zwar hätte ich auch was zu tun. Aber die Entscheidung liegt bei mir, mir heute meinen Schlumpftag zu versauen oder morgen eben nicht auf drei Flohmärkte zu gehen. Ich denke kurz drüber nach, Moment... nö.

Das ist wirklich fast schon unfair, wie gut es heute dieser Abkürzungsdame geht.

Mittwoch, 7. November 2012

Wisst ihr noch wie das war, wenn Ross und Rachel Krach hatten?

Ein paar von euch haben gefragt, ob meine frisch schwangere Freundin auch einen Blog hat. Hat sie tatsächlich, er heißt "Die Liebe in den Zeiten der Endometriose", und ihr findet ihn in meiner Blogroll. Sie freut sich sicher über eure Besuche! Und ich halte ab jetzt die Klappe, was sie betrifft, abgesehen von den ganz großen Nachrichten (die hoffentlich erst irgendwann nächsten Sommer kommen). Das hier fühlt sich nämlich langsam so an wie diese Standard-Comedy-Szene, in der zwei nicht mehr miteinander sprechen und einer in der Mitte steht und ständig mit "sag ihr, sie kann mich mal..."-artigen Sätzen beschossen wird. Das hier ist also ab sofort wieder ein Kinderwunsch- und Quatschblog, kein Schwangerschaftsblog. Wer einen Schwangerschaftsblog will, soll zu meiner Freundin Legehenne gucken. Aber bitte wiederkommen, ja?

Ja doch, ich freu mich auch, und wie! Zu und zu schön. Dohoch! Ehrlich! Glaubt ihr mir?



:)

Dienstag, 6. November 2012

Heute gibt es etwas, was es in diesem Blog noch nie gab:

:)





















Nein, so geht das natürlich nicht, ein Smiley und dann nichts. Aber meine Freundin hat einen positiven Test. Um 17:36, 29 Stunden nach dem Test, kam endlich der Anruf und hat die Folter beendet. Bzw. verlängert. Dienstag ist Ultraschall. Und für alle Hormonfüchse und nebenberuflichen Medizinspezis, hcg ist bei 328, was für 17 Tage nach dem Eisprung zwar nicht alle Dimensionen sprengt, aber vollkommen im Rahmen ist. Vielen lieben Dank fürs Mitfiebern und Daumen drücken! Die Dame lässt ausrichten, sie überdenkt ihre bis dato sehr harsche Einstellung zum Thema Gedankenvoodoo. Und freut sich ziemlich.

:)

Schon wieder! Dass das nicht einreißt jetzt.

Montag, 5. November 2012

Nachrichten aus dem Abkürzungsland: Leben in der Testphase

Meine Kryo-Zyklus-Abkürzungsfreundin lässt ausrichten: vielen Dank, schon wieder, für die vielen vielen gedrückten Daumen. Stand der Dinge ist: wenn man von einem 28tägigen Zyklus ausgeht, hätte sie letzte Woche Dienstag in einer Blutlache aufwachen müssen. Bisher herrscht Ruhe in der Wäschetruhe, was das betrifft, bis auf ein paar Utrogest-Ferkeleien natürlich, Dankeschön. Und heute war endlich der Test. Leider konnte sie erst gegen eins Blut dalassen, weil der ganze Morgen und Vormittag für irgendwelchen hochwichtigen Kundenkram draufging. Jetzt muss die arme Seele bis morgen auf das Ergebnis warten. Was sie aber eigentlich ganz lässig tut. Der Grund dafür ist, dass sie am Freitag einen Drogerietest gemacht hat, der war negativ. Nun kann man nicht einerseits davon ausgehen, Dienstags seine Tage zu bekommen, und jeden Tag Verspätung als Zeichen feiern, und andererseits sagen, na gut, unter Hormonen ist eh alles verschoben, da wäre es ja auch viel verlangt, wenn Freitag schon der Test positiv ist, nachdem man Montag erst Blut dalässt. Sie geht also vorsichtig, wie wir Damen mit den Zyklen nun mal werden, lieber davon aus, dass der Test negativ ausfällt, und tröstet sich damit, dass sie sich das sowieso und immer schon gedacht hatte, dass sie ab Dienstag runter ist von den Hormonen und mal wieder schlafen kann und außerdem auch endlich wieder durch den Herbstwald rennen, um die diesmal für Kryo erstaunlich dicke Hormonkugel wieder loszuwerden.
Heute morgen war ihr übrigens schlecht.


Von mir gibt es nicht so spektakuläre Neuigkeiten. Aber was die Roboterfangfunktion für Kommentatoren betrifft, habe ich die mal ausgeschaltet. Könnte also sein, dass demnächst hier extrem seltsame Penisverlängerungs- und Investitions-Kommentare auftauchen. Und hoffentlich, dass Kommentare abzugeben jetzt wieder leichter wird. Ich betrachte das mal als Testphase, lasst ihr mich wissen, wie es läuft? Ich verspreche, ich tue das Gleiche.

Donnerstag, 1. November 2012

Babyschrittchen. Ganz klitzekleine Babyschrittchen.

Ich hab's getan. Ich hab's tatsächlich getan. Obwohl es jetzt schon 24 Stunden her ist, bin ich immer noch stolz.

Dieser Post verlangt eine längere Vorrede, genauer gesagt besteht er nur aus Vorrede. Einer langen. Wie fange ich an? Na gut: es fällt mir extrem schwer, mich zu beschweren. Ich kann das nicht. Vielleicht ist das eine Erziehungssache, Beschweren war bei uns zuhause extrem ungern gesehen. Nun bin ich dem Elternhaus allerdings schon seit fast zwanzig Jahren entflohen, das sollte also inzwischen überwunden sein - ist es leider nicht. Der Wunsch, netter, unkomplizierter und anspruchsloser zu erscheinen als ich bin, ist in meinem Fall scheinbar so überwältigend, dass mir die simpelsten kleinen Neins, Nicht so tolls, Find ich doofs und Keinen Bocks schier nicht über die Lippen wollen. Ich hatte schon mehrwöchige Beziehungen (je nachdem wie man's nimmt sogar mehrjährige, ich darf nicht darüber nachdenken, sonst verschwindet dieser kleine innere Triumph sofort und ich sitze hier die nächsten Wochen und starre die Wand an vor Verzweiflung über meine eigene Schwäche), weil ich nicht sagen wollte, dass mein Liebster mir gefälligst der Buckel runterrutschen kann. Das ist ein Extrembeispiel. Ein weniger besorgniserregendes Beispiel (kringel du ruhig rot unter dem Wort her, Rechtschreibeprogramm, ich werde das nicht in Besorgnis erregend ändern, pah) (Widerstand gegen Maschinen fällt mir zum Glück leichter als gegen Menschen) (Vielleicht sollte ich mehr mit Maschinen... egal, zurück zur Sache:) sind Restaurants.

Vor ein paar Monaten ist die Firma, in der ich dreimal wöchentlich als "feste Freie" arbeite, umgezogen. Zwar nicht weit, nur ca. einen Kilometer vom alten Standpunkt entfernt und immer noch mitten in der Stadt, aber mit vollkommen neuem Mittagspauseneinzugsgebiet. Anfangs war ich begeistert. Alles voll mit Italienern, Portugiesen, Ökoläden, Franzosen, Asiaten... dann waren die ersten zwei Wochen um, und ich legte zur besseren Übersicht ein Word-Dokument namens "Wir machen nie den selben Fehler zweimal" auf meinem Arbeitsrechner an, um die Übersicht zu behalten, was ich nie, nie wieder bestellen will. Das ist ja alles grauenvoll! Alles! In den drei Monaten, seit ich dort esse, habe ich schon viermal einen vollen Teller trotz knurrenden Magens stehenlassen und bin gegangen, mit dem Telefon am Ohr, damit das so aussieht, als müsste ich dringend weg. Geld habe ich natürlich dagelassen, und weil ich mit den Kellnern nicht reden wollte und auch nicht auf Wechselgeld warten - die waren nett, und ich wollte mich, s.o., nicht beschweren - auch noch viel zu viel Trinkgeld. Und dann ärgere ich mich. Seit vielen Jahren träumen L. und ich ab und zu von unserem eigenen Restaurant oder wenigstens unserer Bar. Das ist ein schöner Traum. Aber viel zu oft sieht man zauberhafte Menschen, die viel Liebe, Zeit und vor allem Geld in so einen Plan stecken, ungerechterweise trotzdem mit Karacho untergehen, während ein paar Meter weiter ein Laden, in dem so hundsmiserabel gekocht wird, einfach läuft und läuft. In meinem Fall war bisher der Tiefpunkt die Trattoria Mama. Ich hab denen mindestens sieben Chancen gegeben, auch aus Faulheit, die sind um die Ecke. Dann kommt mein Essen, und ich könnte mich schlagen, denn genau so beschissen hat das schon letztes Mal geschmeckt: ungesalzene, teils verkochte, teils noch knackende Nudeln in einer Sauce, für die jeder Maggi-Fix-Hersteller sich schämen müsste. Pizza, die ungefähr so schmeckt wie ein mit Tomatenmark bestrichenes Knäckebrot. Dann lege ich einen Schein hin und verschwinde.

Und dann gestern. Gestern hatte ich mir Pasta mit Zucchini-Meeresfrüchte-Sauce bestellt, nicht bei Mama, wo ich nun wirklich nie wieder hingehen werde, sondern in einem der kleinen italienischen Läden in der Nähe. Dann kam ein Teller untersalzener Nudeln mit Sahne. Ich habe fünf Nudeln gegessen, dann habe ich mir einen Ruck gegeben und bin an den Tresen gegangen. "Ich würde gern zahlen." "Signorina, war nisch gut?" "Nö." Kurze Verwirrung, scheinbar bin ich nicht die einzige, der das nicht leicht über die Lippen geht. "Wieso nisch?" "Die Nudeln waren in fast salzfreiem Wasser gekocht. Die Sauce ist einfach Sahne und schmeckt nach gar nichts. Und..." Wenn der Damm erst mal gebrochen ist... "das waren die langweiligsten Nudeln, die ich seit Ewigkeiten gegessen habe. Italiener würden ihnen die vor die Füße schleudern. Ich weiß, sie können nichts dafür, aber sagen sie das ihrem Koch." Dann bin ich gegangen und hab mir Falafel geholt.

Diesen Mäuseerfolg will ich nicht nur feiern, sondern das kann nur der erste Schritt sein. Einige Pläne für die nächsten Wochen:

1. Ich werde am Montag zu meinen Bossen gehen und ihnen sagen, dass ich nie wieder, nie wie in nie, eine englische Übersetzung für meinen kleinen Kollegen machen werde. Vor über einem Jahr hat er bei uns angefangen, dass er dafür auch auf Englisch schreiben muss, war von Anfang an klar, und als sich herausstellte, wie wenig er das kann, waren erst alle entsetzt und dann landete das alles mehr oder weniger kommentarlos bei mir. Ein Jahr später kann ich nicht feststellen, dass er irgend etwas unternommen hat, um besser Englisch zu können. Wir haben beide nur unser stinkstrunznormales Schulenglisch, alles weitere habe ich mir selbst draufgefuchst. Das soll er jetzt einfach auch machen, statt sich von mir den Arsch hinterhertragen zu lassen. (Schon wieder fühle ich mich wie im "Dein Bruder macht immer die Gläser kaputt, mach doch Du den Abwasch bitte"-Wunderland.)

2. Wenn ich das nächste Mal beim Friseur sitze, und er macht etwas mit meinen Haaren, was ich ausdrücklich nicht wollte, was vollkommen beknackt aussieht und was mich die nächsten Monate in Atem halten wird, dann gehe ich nicht mit verkniffenen Lippen nach Hause, sondern ich verlange den Chef zu sprechen und mache eine so heftige Szene, dass ich die nächsten fünf Haarschnitte umsonst bekomme. Selbstverständlich bei jemand anderem.

3. Ich muss wohl nicht erst erwähnen, dass Taxifahrer, die den Weg nicht kennen, sofort rechts ranfahren können und die Fahrt hier zu Ende ist.

4. Lässt sich jemand in der Ubahn mit einem Riesenseufzer und noch größerem Umfang halb auf meinen Schoß fallen, dann sage ich nicht nichts, sondern "Sie sitzen auf meinem Schoß."

5. Wenn ich das nächste Mal nach dieser kleinen Zwangspause laufen gehe und dabei an der Hundegruppe vorbeikomme, die ich sonst gerne mit Lulu und Momo treffe, und die werden wieder witzig, dann laufe ich nicht zähneknirschend weiter, sondern sage etwas. Was, das lasse ich mir vom Augenblick und vom Zähneknirschen einfach eingeben.

Auf mich kommen ein paar sehr, sehr spannende Wochen zu. Auf meinen Kieferchirurgen vielleicht auch.

p.s. ach ja: von meiner Freundin mit den Brummern nichts Neues. Montag ist immer noch Test, sie hat immer noch außer Utrogest-Schmiere nichts in der Unterhose, was da nicht hingehört, und falls ihr Zyklus 28 Tage lang wäre, hätte sie Dienstag morgen ihre Tage haben müssen. Bisher war sie noch nicht bei Budni, um sich einen Test zu kaufen. Wie macht sie das? Ich bin platt.

Freitag, 26. Oktober 2012

Der übliche Heiopei

Nachts kriegt sie kein Auge zu, seit zwei Tagen hat sie üble Schmerzen im unteren Rücken, abends spricht sie mit den Brummern und würde sich danach am liebsten eine knallen, denn der ganze Spuk ist vermutlich in zehn Tagen schon wieder vorbei. Oder in drei Wochen. Oder in zwei Monaten. Sie macht ein bisschen langsamer, verteilt die Gartenarbeit auf zwei Tage und die Einkäufe auf drei Gänge und läuft schon seit Tagen in einer alten Schwangerschaftsbüchs (die aber nicht danach aussieht zum Glück) rum, weil sie Angst hat, die enge Jeans könnte die Brummer vergraulen. Zwar hat sie noch luftgetrocknete Salami und Rohmilchkäse im Kühlschrank, geht aber fest davon aus, die Reste noch essen zu können, bevor sie vergammelt sind. Obwohl sie noch nicht mal positiv getestet hat, schmiedet sie mit ihrem Mann schon Pläne, wie sie in den nächsten Monaten dem ärgsten Job-Psychoterror aus dem Weg gehen können, wie lange das Geld reicht, wenn sie vielleicht gar nicht arbeitet, ob sie dabei nicht durchdrehen wird und wie viel Einfluss darauf es haben könnte, wenn lovefilm demnächst vielleicht ein paar mehr Krimiserien von Nicht-CSI-Prägung als Video on Demand im Angebot hätte.

Die Gute. Das kann ich inzwischen auswendig mitsprechen.

Ich bin heute morgen mit den Hunden spazieren gegangen, zum ersten Mal war es richtig kalt gewesen über Nacht, und während die Hunde durch das Laub raschelten, fremden Kindern die Glitzerbälle klauten und sich in abgeschnittenen Rosenranken verhedderten, habe ich im Herbst geschwelgt. Dieses Wochenende, wenn L. bei seinen Turnieren ist, werde ich backen, aber es ihm nicht verraten, und ich hoffe, ihr haltet ebenfalls dicht. Die Kekse verstecke ich dann am einzigen Ort, den er nicht einfach plündern kann: meinem Auto. Außerdem koche ich Pfefferpotthast, eine Art Gulasch, das will ich schon seit letztem Wochenende in Dortmund, als mir erst meine Oma und dann meine Tante ihr Rezept verraten haben. Zwischendurch gucke ich meine zweihundert alten Zeitschriften auf der Suche nach neuen New York-Tipps durch, die schneide ich dann aus und klebe sie in ein leeres Buch, das ich diesmal mitnehmen will, wenn wir demnächst endlich wieder in unsere Lieblingsstadt fliegen. Ich will Kletterrosen ans Haus pflanzen und zwei eingegangene Hortensien ersetzen, außerdem pflanze ich ein Apfelbäumchen. Dann werde ich noch Laub rechen - meine Allerallerlieblingsarbeit im Garten, auf der wii mit meinem Lego Harry Potter-Spiel herumnerden (wäre ich wohl eine dufte Kumpelmutter? Na?) und - das allerschönste - vor dem Feuer sitzen und Wolf Hall lesen. Wolf Hall und die Fortsetzung Bring up the Bodies haben beide den Booker Preis gewonnen, einen der dollsten Literaturpreise der Welt, und sie haben ihn verdient. Ich bin auf Seite 211 und glücklich verliebt, und das, obwohl ich zwar Kostümfilme liebe, aber mit historischen Romanen noch nie viel anfangen konnte. Die Bücher spielen zur Zeit Heinrichs VIII und sind erzählt aus der Sicht von Thomas Cromwell, der in der Tudor-Fernsehserie als herzloser Ehrgeizling und Strippenzieher wegkam, ganz im Gegensatz zum edlen, integren (und extrem viel besser aussehenden) Thomas More. Hier sieht das anders aus, und ich liege da in meiner Strickjacke und reagiere über Stunden auf alles, was L. zu mir sagt, nur mit "Hm", "Genau" oder auch "Ich nehm noch einen". Ich hoffe sehr, dass unsere Ehe das noch eine Weile aushält, denn Band zwei ist gestern per Post gekommen.

Dienstag, 23. Oktober 2012

second-hand-Kryo

Befruchtung zweiter Hand ist sonderbar. Vielleicht wird mir gerade klar, während ich hier vom Schicksal meiner Abkürzungsfreundin berichte, wie lange das bei mir alles her ist und dass es mir wohl auch gefehlt hat, über Hormongebrumm und -Gesumm zu schreiben statt immer nur über Hunde, Adoption und Jobstress. Jedenfalls: gestern war Transfer, aus drei Tiefkühlbrummern waren ein Sechszeller (ok), ein Vierzeller (ein bisschen sehr bedächtig, aber kann noch kommen, wenn sie zur Abwechslung mal Glück hat) und ein Zweizeller (eigentlich hoffnungslos, aber in den Müll müssen wir ihn nun auch nicht werfen) geworden. Der Transfer ging schwuppdiwupp, alle drei haben ein schönes Plätzchen gefunden, und jetzt heißt es warten bis zum 5.November, wobei der eigentliche Testtag der Samstag davor wäre - ob die kleine Wurst wohl die Finger vom Schwangerschaftstest lassen kann? Eigentlich müsste sie tiefenentspannt sein, ist ja längst nicht das erste Mal, inzwischen ist sie deutlich zweistellig, was Warteschleifen betrifft. Nur, dass es diesmal zum ersten Mal Estradiol und Utrogest statt Crinone gibt und damit jetzt schon fünf Nächte Schlaflosigkeit. Ungefähr die Sorte Schlaflosigkeit, die einen umtreibt, wenn man sich kurz vorm Schlafen noch Hotdog-Wettbewerb-mäßig überfressen hat - samt Völlegefühl, wildem Herumwerfen und Beklemmung. Das noch bis zum fünften November? Zusammen mit diesem hirnverbrannten, ständigen In-sich-hineinhorchen, den Phantom-Einnistungsblutungen, der Phantom-Übelkeit, den Phantom-Gefühlen und der Phantom-Abgeklärtheit? Viel Spaß.

Samstag, 20. Oktober 2012

Als vierfache Uroma ist einem Nummer fünf vermutlich relativ wumpe.

Ich sitze im Zug in Richtung Dortmund, auf dem Weg zum neunzigsten Geburtstag meiner Oma. Langsam juckeln wir an Hafenkränen und Backsteinspeichern vorbei. Die zweite Klasse ist heute eine schon ziemlich fadenscheinige ehemalige erste Klasse, vollgekrümelt und mit leichtem Muff nach Jungszimmer, ein paar Rentner meckern über die "Servicewüste Bahn", aber das ist alles vollkommen in Ordnung und beeinträchtigt mich kein bisschen in meinem kleinen Nerd-Paradies hier in Wagen acht: mein Telefon ist mein Hotspot, ich kann gleichzeitig Bahn fahren und Internet, wie Serviceparadies ist das denn? Mit Glück kommt gleich auch noch ein Kaffeewägelchen vorbei. Niemand in der Nähe isst hartgekochte Eier oder Sülze, überhaupt wird wenig gegessen, das ist doch toll!

Neunzig wird die Oma. Ich habe sie sehr gern, und auch die Bemerkung über das gierige Negerkind, das wir besser nicht adoptieren sollen, hab ich fast schon vergessen. (Harr. Würde ich bei erster Gelegenheit darüber schreiben, wenn ich es vergessen hätte?). Früher war sie sehr unternehmungslustig und gesellig, hat mit dem Hausfrauenbund Käsefabriken in Holland und Knödelfabriken in Bayern besichtigt, war auf Gran Canaria und hat auf ihre alten Tage noch angefangen, Bridge zu spielen, ein, wie man hört, mörderisch anspruchsvolles Spiel, für das ich jedenfalls zu doof wäre. In den letzten Jahren zieht sie sich mehr und mehr zurück, und ich glaube fast, auch dieser Geburtstag mit ihrer versammelten Verwandtschaft samt vier kleinen Urenkelchen wird ihr vielleicht zu viel. Um fünf geht es los, und spätestens um acht werden wohl die Lichter bei ihr ausgehen. Ich weiß nicht, ob ihr ein fünfter Urenkel, ob adoptiert oder selbstgemacht, noch irgend etwas bedeuten würde - aber ich fände es sehr schön, wenn sie ihn noch kennen lernen könnte. (Meine Mutter war 24, als ich kam. Ich hatte zwei Uromas, eine ist gestorben, als ich zwei war. Die andere wurde wirklich urururalt und hat sogar mein Schwester, elf Jahre jünger als ich, noch auf dem Arm gehabt. Sie kam aus Bremen, tat kastaniengroße Kandisstücke in ihren Tee und hatte wiederum eine Verwandte namens Fockje Focken, was sich, im richtigen Tonfall ausgesprochen, anhört wie etwas, was Rage Against The Machine zu besten Zeiten von der Bühne gefaucht hätten.)

Übrigens bleibe ich bei der Stange, was den Vorsatz vom Tag nach dem Stammtisch angeht: seit diesem lustigen, aber auch verheerenden Donnerstag habe ich keinen Tropfen Alkohol getrunken. Ich war nüchtern auf dem Hamburger Oktoberfest (Albtraum, nicht nachmachen bitte bitte), nüchtern mehrere Abende mit den Mädchen (geht fabelhaft, und es ist schön, sich zur Abwechslung mal an alles erinnern zu können, was wir so plauschen), nüchtern im Steakhaus (alkoholfreies Bier. Schmeckt zu Steaks genau wie richtiges, zur Pizza geht es auch, vollkommen zu wuppen) und nüchtern auf einer Agenturfeier (langweilig. Aber wäre es mit Alkohol auch gewesen, nur dann eben langweilig mit Kater hinterher.) Heute steht mir die erste Familienfeier mit vielen zauberhaften Kindern ohne Alkohol bevor. Immerhin: ein paar Flüppchen habe ich in der Handtasche. Bin ich gespannt.

p.s. die befreunde Abkürzungs- und Adoptionsdame lässt ausrichten, vielen herzlichen Dank für all die Drücker, Wünsche und positiven Schwingungen, herrlich. Außerdem lässt sie sagen, sie hatte vollkommen vergessen, dass es nicht zwei, sondern drei Brummer waren in der Tiefkühle, und laut Klinik leben noch alle drei. Kämpft, Brummer! Kämpft!

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Hasst mich nicht.

Es ist 10:18, mit den Hunden war ich schon ausführlich Gassi, L. ist auf großer Erledigungstour durch die Stadt und vor zwei nicht wieder da, und ich liege im Bett. Den Rechner auf dem Schoß, das Telefon griffbereit, eine Tasse selbst mit Vanilleschote aromatisierten Darjeeling neben mir. Der Vormittag gehört mir. Vielleicht gehe ich gleich mal runter und hole mir die DVD, die lovefilm mir gestern geschickt hat: Sodbrennen mit Meryl Streep und Jack Nicholson. Oder ich lese die Zeit, die der zierliche Zeitungsmann immer mit so erstaunlich viel Kraft bis fast zur Unkenntlichkeit in unseren winzigen Briefkastenschlitz rammt. Oder ich stelle mich zur DVD auf den Crosstrainer. Oder ich esse die Reste vom Crumble von gestern Abend und habe dann wenigstens einen Grund, mich auf den Crosstrainer zu stellen. Oder ich bleibe einfach so hier liegen. Ist das nicht großartig? Wer Betten nur zum Schlafen benutzt, verpasst etwas Gutes. Mein halbes Buch habe ich im Bett geschrieben. Sollte ich noch mal eins schreiben, wird es bei dem genau so sein. Das Finanzamt hätte vollkommen Recht, wenn es mir nach meiner Steuererklärung hämisch und mit schlechtem Atem ins Gesicht lacht, denn dass ich ein Arbeitszimmer absetzen will, ist eine Frechheit. Mein Arbeitsplatz ist hier. Hab ich es wohl gut?
Obwohl ich natürlich innerlich vor Aktivität vibriere, sieht es oberflächlich betrachtet so aus, als wäre ich stinkfaul. Darum muss ich Euch um Entschuldigung bitten, wenn ich jetzt von euch etwas verlange: bitte drückt die Daumen für eine Dame, die ich ziemlich gut kenne. Diese Abkürzungsdame steht, genau wie ich, auf der Liste einer Adoptionsbehörde. Hat allerdings beschlossen, zwei seit langer Zeit eingefrorenen Tiefkühlbrummern noch eine Chance zu geben. Darum nimmt sie seit einigen Tagen Estradiol und hatte auch schon wieder einen Ultraschall, bei dem sie für ausgezeichnete, wunderschöne Gebärmutterschleimhaut gelobt wurde (das vielleicht bizarrste an Kinderwunschbehandlungen sind für mich die Komplimente), morgen muss sie sich zum Zweck besseren Timings eine Brevactid-Spritze geben, um den Eisprung auszulösen, und irgendwann am Montag erfährt sie dann, ob einer der Brummer das Auftauen überlebt hat und wann sie ihn (oder womöglich beide) wiederbekommt. Diese Dame hat inzwischen so viele Rückübertragungen und Warteschleifen hinter sich, dass ihr Bett vermutlich zusammenbrechen würde, hätte sie für jedes Mal eine Kerbe reingeritzt. Ich finde, diesmal könnte es mal klappen. Ihr hoffentlich auch. Darum bitte Daumen drücken! Ob im Schlafanzug im Bett oder im Business-Kostümchen in einem poshen Innenstadtbüro, ist mir allerdings egal.

Samstag, 13. Oktober 2012

Ich brauchte einen Bügelkorb, eine Tonne für das Hundefutter und ein paar Pappkisten für L.

Die lahmarschigsten Menschen der Welt findet man bei Ikea, denke ich jedes Mal. Sie schunkeln und schieben sich im Schneckentempo durch die Wohnausstellung, und das, obwohl sie noch nicht mal stehenbleiben. Vermutlich kaufen die noch nicht mal etwas. Sie möchten einfach nur gaaaanz langsam und unter Ausnutzung der volllllllen Breite des Gangs hier durchkriechen. Und ich hinterher. Ich kann nicht langsam laufen, konnte ich noch nie, das macht mich in der Innenstadt immer schon wahnsinnig. Und jetzt bin ich kurz davor, einfach mit Gebrüll querfeldein über die Sofas wegzuspringen, nur um hier wegzukommen, da sehe ich die Frau: Ungefähr so alt wie ich, mit einer hellblauen Jeans und T-Shirt, und an der Hand hat sie eine von diesen gelben Taschen, die es neuerdings bei Ikea gibt: so eine Art Kiste mit Rollen unten dran, die man hinter sich herziehen kann. In ihrer Tasche sitzt ein Kind. Sie hat die Tasche nach den Seiten und nach oben mit Sitzkissen ausgepolstert, und dazwischen sitzt ihr dreijähriger Junge in seinem Häuschen und quiekt und freut sich, weil Mama es irgendwie geschafft hat, diese breitärschige lahme Herde zu überholen und um die Kurven zu flitzen. Die zwei haben Spaß. Eine Oma bleibt stehen und will ein "Na, was bist du denn für ein..."-Gespräche mit dem Kind anfangen, aber die zwei haben keine Zeit, sie müssen weiter, ist auch egal, wie irgendwelche Omis das finden.
Die Frau wäre ich gern.

Freitag, 5. Oktober 2012

Stände der Dinge.

Weil ein Tag mit solchem Weltuntergangswetter perfekt zum Aufräumen ist, wird heute mal sortiert. Jedes Ereignis, jeder Hirnfurz und jede Gefühlsregung kommt heute in die richtige Schublade. Das wird ein Post wie ein Leitz-Ordner! Seid ihr auch schon so aufgeregt?

1. Kinderwunsch.
Wunsch ist Wunsch, und er ist immer noch quicklebendig. Inzwischen sind wir übern Daumen seit sechs Wochen in der Kartei der Adoptionsbehörde, haben tatsächlich IMMER NOCH kein Kind und hoffen weiter das Beste. Die Schrecken der Adoptionsselbsthilfegruppe (die man vielleicht in Hilfe, Adoptionsgruppe! umbenennen sollte) weichen auch langsam aus dem System wie ein hartnäckiger Schnupfen. (Wieso bin ich eigentlich immer noch so aggro? Vermutlich bin ich einfach der aggressive Typ, weil meine Mutter während der Schwangerschaft beim Tatort dann und wann vor Aufregung den Bauch angespannt hat.) Trotz allen Willens, guter Dinge zu sein, gibt es immer noch diese Momente. Die kennen wir wohl alle viel zu gut. Heute morgen zum Beispiel kam ich vom Spaziergang mit den beiden Hunden. Und genau auf gleicher Höhe auf der anderen Straßenseite schob eine Frau, die mir auch noch ähnlich sah wie gespuckt, einen Zwillingskinderwagen. Ich zwei Hunde, die zwei Kinder - na? Die Symbolik würde wohl auch ein RTL II-Publikum verstehen. Ich habe kurz geschluckt und bin meiner Wege gegangen. Angesichts dessen, dass es MEINE Gebärmutter, MEINE Eileiter, MEINE Myome und MEINE Endometriose sind, die MIR eine erfolgreiche Schwangerschaft vermasseln, während das sonst scheinbar fast jeder Vollhonk hinkriegt (ganz besonders sogar die Vollhonks), dass es in UNSEREM Auto keinen Kindersitz gibt und vielleicht auch nie geben wird und dass ICH die bin, die immer anderen verstohlen auf den Bauch glotzt, ob das eine Schwangerschaft ist oder vielleicht nur ein gesunder Appetit, fällt es mir manchmal schwer, das nicht persönlich zu nehmen.

2. Spocht.
Ich gebe es zu, ich bin ein bisschen abgewichen vom Grünkernbuch. Jetzt bin ich in der Phase, in der ich eigentlich fünf Minuten laufen sollte, dann zehn Minuten lustige Trimm-Übungen im Park, dann noch mal 25 Minuten laufen und dann 5 Minuten Barfußtraining bzw. Barfußschlappentraining auf der Wiese. Diese Muskelübungen sind nicht nur wahnsinnig anstrengend (was ja der Sinn der Sache ist), sondern auch ziemlich peinlich. Die Hundebesitzer aus dem Viertel, die mich alle nur mit Lili und Momo kennen, werden schon witzig genug, wenn ich zur Abwechslung mal in Laufsachen an ihnen vorbeirenne. Mache ich Seitstütze und Käsekästchen, dann wird es zum Kabarett, und Kabarett habe ich schon als Schulmädchen gehasst. Deshalb laufe ich jetzt einfach fünf Kilometer, das dauert so ungefähr eine halbe Stunde, dann gehe ich nach Hause, mache dort im Schutz meiner undurchsichtigen Backsteinwände ein paar Muskelübungen und renne bei Gelegenheit zehn Minuten mit Barfußschuhen durch den Garten, zur großen Freude der Hunde. Das geht ziemlich gut. Auf manchen Strecken kann ich die Hunde sogar mitnehmen, das geht immer dann, wenn wir nicht an einer Straße entlangmüssen. Auf der Waage tut sich immer noch nicht so viel, aber im Spiegel inzwischen schon. Finde ich. L. findet das auch.

3. Haus.
Wir haben den Durchgang zwischen Schlafzimmer und Gästezimmer dicht gemacht, dafür im Gästezimmer einen Teil des hässlichen Einbauschrankes rausgerissen und dafür die alte Tür vom Gästezimmer in den Flur wieder geöffnet. Wenn meine Familie dieses Jahr an Weihnachten zum ersten Mal bei uns feiert, können meine Eltern nachts aufs Klo, ohne auf Zehenspitzen durch unser Schlafzimmer schleichen zu müssen (was uns überhaupt nicht gestört hat, sie aber sehr). Außerdem kriegen wir demnächst neue Fenster, und wenn ich in den nächsten drei Tagen mal irgendwann drei Stunden Zeit habe, pflanze ich zack-zack noch schnell dreißig Pflanzen ein. (Denke ich jetzt. Fragt mich Sonntag noch mal.) Es ist ein großer Nestbautrieb ausgebrochen, den ich so nicht an mir kenne, und es ist ein echter Jammer, dass ausgerechnet jetzt plötzlich so viel zu tun ist, während ich mir noch vor vier Monaten ganze Arbeitstage lang Beschäftigungen suchen musste. Ich glaube, nachher backe ich einen Kuchen, das riecht dann immer so gut, und L. wird ihn schon essen, da habe ich keine Sorge. Immer mal wieder, wenn L. und ich mit dem Auto unterwegs sind, fährt L. durch irgendwelche schicken Wohnviertel, die näher an der Stadt liegen, und dann phantasiert er davon, dass wir ja in ein paar Jahren auch in so ein Haus ziehen könnten. Dann gucke ich im Vorbeifahren auf das Jugendstil-Prachtstück mit seinem Wintergarten und der makellosen Fassade und schlucke und denke, hier kriegt mich so schnell keiner weg. Irgendwann schon, aber nicht für das gleiche in properer und zentraler. Die alte Kiste ist mir wirklich ans Herz gewachsen. Hier wohnen wir.

4. Job.
Schreib ich heute wohl mal nichts zu. Der hat mich gerade sowieso schon 12 Stunden täglich in seinen Klauen und verfolgt mich bis in meine Träume, da kann wenigstens im Blog mal Ruhe sein.

5. Hunde.
Unser Adoptivhund ist glücklich hier. Jedenfalls denke ich das. Als wir sie vor einer Woche von ihrem alten Frauchen wieder in Empfang genommen haben, hat sie fast geschrien vor Freude. Und jetzt trotten und zotteln die zwei wieder einträchtig nebeneinander her, wenn wir uns aufmachen. Sie ziehen zu zweit an ollen (manchmal leider auch neuen) Socken, ringeln sich zu zweit aufs alte Sofa zum Schlafen und begrüßen sich morgens mit einem Nasenstupser. Schlage ich morgens die Augen auf, gucke ich in zwei strahlende Fellgesichter. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung, Momo zu uns zu nehmen.

6. Geld.
Wenn ich mal in Ruhe ausrechne, was ich als Selbständige ohne große betriebliche Ausgaben (ein Rechner, über zwei Jahre alt. Dann und wann eine Druckerpatrone. Das war es auch schon fast.) für Abgaben an die Steuer und die Künstlersozialkasse habe, kommen mir die Tränen, und es sind keine Freudentränen. Da hilft nur eins: entweder in die USA auswandern oder Zähne zusammenbeißen und weiter reinhauen, sobald sich die Gelegenheit ergibt. Seitdem ich selbständig bin, habe ich genau zwei Jobanfragen abgelehnt. Eine kam von einer Bumsbude, für die ich ganz zu Anfang zweimal gearbeitet hatte. Ich war wirklich entsetzt und peinlich berührt, wie da gearbeitet wird, wie unseriös die sind, was für ein Quatsch da zu den Kunden geht - und nachdem der Chef ein paar mal ausdrücklich versucht hat, mich zu überreden, während eines Arbeitstages für eine andere Agentur "heimlich" für ihn zu arbeiten, habe ich irgendwann einfach gedacht, der kann sich zur Freelancer-Agentur scheren, und wenn der mir fünfmal den regulären Tagessatz zahlt, ohne mit der Wimper zu zucken. Das andere mal war es ein anständiger Arbeitgeber, ein anständiger Auftrag und überhaupt, aber ich war kurz vor Urlaub, und ihr dürft mich nicht verachten, wenn ich euch jetzt sage, dass ich bei solchen Gelegenheiten bis dahin immer gesagt hatte "ja gut, aber ich hab ja auch im Hotel Internet, gell?" und das irgendwie mitgemacht hatte. Aber diesmal nicht! (Geballte Kinderfäustchen. Gefletschte Milchzähne.)



Donnerstag, 4. Oktober 2012

Hü, Zeitmaschinchen

Gestern vor zehn Jahren war ich plötzlich mit M3 zusammen. Das erschien mir damals als großer Glücksfall. Ich war sogar so wild entschlossen, das für einen Glücksfall zu halten, dass ich meiner inneren Stimme fünf Monate lang jedes Mal barsch über den Mund fuhr, wenn sie mir sagte, das wäre aber nicht so toll, wenn mein Freund nie Zeit für mich hat, weil er jedes Wochenende irgendwem beim Umzug hilft. Oder wenn er unseren Urlaub absagt, weil seine Tante krank ist und er sich um sie kümmern muss, und dann geht er jeden Abend mit seinen Kumpels saufen und nicht mehr ans Telefon. Oder wenn wir uns nur alle drei Wochen mal sehen. Oder wenn er ständig mit Riesentrommelwirbel von dunklen Geheimnissen aus seiner Vergangenheit anfängt und dann plötzlich dicht macht. Oder wenn er regelmäßig Streit mit Wirten anfängt, die morgens um fünf gerne ihren Laden dichtmachen und ein bisschen schlafen würden, obwohl er so gerne noch ein vierzehntes Bier hätte. Irgendwann brüllte die innere Stimme mit einem Megaphon auf mich ein, und gerade als ich anfing, auch mal zuzuhören, löste M3 das Problem von selbst: plötzlich war er nämlich nicht mehr mit mir, sondern mit einer Kollegin von mir zusammen. Einer Kollegin, die einen ca. fünf Zentimeter langen mausbraunen Ansatz in ihrer ansonsten hellgelben Frisur hatte. Einer Kollegin, die so dumm war, dass ich wirklich schon oft peinlich berührt den Raum verlassen hatte, weil ich mein Gesicht manchmal so furchtbar schlecht unter Kontrolle habe. Einer Kollegin, die nicht nur in ihrem Beruf eine glatte 5 war, sondern die auch in der Wahl ihrer One-Night-Stands aus dem Kollegenkreis einen unterirdischen Geschmack bewiesen hatte. Einer Kollegin, von der ich kurz danach erfuhr, dass sie während eines Dates mit M3, als er nur mal kurz Zigaretten holen war, versuchte, einen anderen meiner Kollegen abzuschleppen. Obwohl ich schon überlegt hatte, M3 zum Teufel zu jagen, war ich vollkommen, aber wirklich vollkommen fertig. Jeden Tag musste ich diesen Ansatz sehen. Und sie raffte noch nicht mal, dass ich nun keine Lust mehr hatte, mit ihr zu plaudern. (Noch nie gehabt hatte, aber mach was.) Scheinbar hatte M3 ihr erzählt, das mit mir wäre schon lange, lange her gewesen. Wie auch immer: ich ging zwei Jahre lang durch die Stadt und bildete mir ein, wenn ich auf dem Weg zur Arbeit fünf Autos mit seinem Heimatkennzeichen sah, dann würde es wieder was werden. Ich entwickelte sogar ein untrügliches Gefühl dafür, wann ich ihn treffen würde: das M3-Gefühl. Wenn ich es hatte, konnte ich sicher sein, ihm zu begegnen. Ich hatte eine Reihe von sinnlosen, deprimierenden und vermutlich nicht mal ungefährlichen Affärchen, und irgendwann dachte ich dann auch nicht mehr daran, dass M3 heute Geburtstag hat oder dass wir in genau dieser Bar mal gesessen hatten. Ich glaube, ich hab die Wurst noch nicht mal geliebt, aber trotzdem dauerte der Liebeskummer am Ende viermal so lange wie die ganze schäbige Beziehung. So ist das eben manchmal.

Wie gesagt, damals habe ich den 3. Oktober 2002 als Glückstag empfunden. Heute ist der 3. Oktober 2012 ein Glückstag, weil mir erst einen Tag später wieder einfällt - trotz Feiertag, der eigentlich eine Gedächtnisstütze sein sollte - was da war. War da was? Früher habe ich mir bei M3-Gefühl immer schon mal überlegt, was ich anziehe, wie ich reagiere, was ich sage, wenn er was sagt (und er sagte manchmal eine Menge, manchmal wechselte er auch einfach die Straßenseite) usw., der Abend stand im Zeichen von M3. Heute denke ich eigentlich nicht groß drüber nach. Was sollte ich dem sagen? Vermutlich ist er immer noch süchtig nach dem Gefühl, gerade frisch verliebt zu sein, und diesmal wird alles anders. Wenn es blöd gelaufen ist (für alle Beteiligten), ist eine schwanger von ihm geworden und hat es behalten. Dann hat er eben ein "dunkles Geheimnis" mehr, das er andeuten kann und dann doch nicht verrät. Es gab mal Zeiten, da habe ich mir für ihn so eine Harry-Potter-Karte gewünscht, mit der man immer sehen kann, wo er gerade ist, so dass ich mir überlegen kann, da aufzutauchen oder (meistens) einen Riesenbogen um diese Gegend zu machen. Wieso nur?

Ein echter Glückstag. Ich habe ihn mit L. vorm Ofen verbracht, gearbeitet, alkoholfreies Hefe getrunken, Karten gespielt, Fußball geguckt und bin stramme sechs Kilometer mit den Hunden am Flüsschen entlanggerannt. Ein wirklich, wirklich guter Tag.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Frei.

Das Schöne an einem freien Job ist ja die Freiheit, klar. Dass man nach einem Blick aufs Konto einfach sagen kann: diese Woche mal keine Zusatztage, keine Extraaufträge, einfach nichts. Oder: jetzt hau ich mal rein, Aufträge? Immer her damit. Oder auch: Konto, Du bist mir gerade sowas von egal, diese Woche will ich verdammt noch mal einfach nur meine Ruhe, und wenn ich für den Rest des Monats Pellkartoffeln mit Hering esse. Das ist doch das Schöne!

Genau.

Oder so: obwohl ich vor den immer gleichen Menschen gebetsmühlenartig immer wieder erkläre, dass ich nach TAGESSÄTZEN arbeite, nicht nach Pauschalen, dass ich mehrere Auftraggeber habe und dass ich nicht für einen Betrag von, sagen wir mal, 1500 Euro drei Wochen lang in Bereitschaft lauere, jederzeit bereit, loszuspringen und alles stehen und liegen zu lassen, um jetzt sofort zu irgend einem Termin am anderen Ende der Stadt oder des Landes zu kommen, ändert nichts daran, dass anderer Leute Verplantheit mein Leben bestimmt. Dass niemandem mehr zugemutet werden kann, sich zu überlegen, was er eigentlich will, bevor ich Tage in ein Projekt gesteckt habe. Dass... Ich habe mich... oje, jetzt müsste ich eigentlich eine ganz weinerliche Schrift verwenden, falls es sowas gibt. Jedenfalls: ich habe mich wie ein Kind auf diese paar freien Tage gefreut. Vorgestern kamen die ersten Querschläger, Anfragen, Bitten um "nur mal schnell"-Gefallen, 180°-Wenden usw., die an diesen Ferien nagen wollten. Ich habe sie alle abgeschmettert. Sie kamen wieder. Jobs, die längst erledigt schienen, wollen plötzlich unbedingt meine Aufmerksamkeit und, schlimmer noch, meine Zeit. Ich bin so maulig, so stinksauer und so unleidlich, dass nichts anderes hilft, als den nächsten Urlaub zu planen, und zwar schnell. Also gut. Ich beiße auf ein Stück Holz und konzentriere mich auf nächste Woche. Montag: Vollstress. Dienstag: Horror. Mittwoch: Frag nicht. Aber dann. Aber dann. Bitte sagt, dass dann endlich, endlich Ruhe im Karton herrscht. Sonst, es tut mir leid, trete ich den Karton zu Pappmaché.

Sonntag, 30. September 2012

Irgendwelche Krimitipps? Her damit!

Liebe Abkürzungsdamen, eins vorweg: ich fand es auch sehr, sehr schön mit Euch allen. So einen großen Stammtisch hatten wir noch nie, fabelhaft, dass sich so viele mitten in der Woche trotz Hormontran und Sauwetter aufgerafft haben! Nachdem ich am nächsten Morgen allerdings mit dem Kater des Jahrtausends aufgewacht bin, habe ich heute immer noch das Gefühl, es ist mal wieder Zeit für ein bisschen Gegensteuern. Dementsprechend habe ich gestern den Abend in der Heide nicht, wie von meiner Schwiegermutter angeboten, mit Wein verbracht, sondern mit alkoholfreiem Hefeweizen, und genau das tue ich heute wieder. Ich habe (der alte Trick) seit Freitag nur amtliche Naturkosmetik verwendet, heute war ich laufen, und zwar so schnell wie geht und all die steilen Berge hoch, und jetzt habe ich langsam das Gefühl, ich bin wieder auf Kurs. Bevor ich morgen nicht auf die Waage gestiegen bin, will ich keine Prognose wagen, aber ich habe den Eindruck, langsam tut sich auch da etwas trotz üppiger Portionen. Jetzt heißt es dranbleiben. Und jetzt heißt es, ein zweites Paar Laufschuhe kaufen. Und vielleicht eine Pulsuhr. Auf jeden Fall aber für die nächsten Wochen viele leckere Getränke, die mir den Feierabend vergolden, ohne ihn mir zu vernebeln.

Gerade habe ich endlich einen (leicht verspäteten) Text für eine Zeitschrift rausgeschickt, seit Donnerstag habe ich keinen Piep mehr gehört auf einer anderen Baustelle außerhalb der Agentur, und nächste Woche arbeite ich Montag, Dienstag und dann fünf Tage nicht. Ich kann gar nicht sagen, wie nötig das ist nach diesem Galeerensklavenseptember. Bitte, bitte, lieber Gott, mach, dass die Zeitschrift mit dem Artikel so glücklich ist und nicht alles neu will. Spätestens morgen früh werde ich meine Order für einige Bücher aufgeben, die längst auf der Wunschliste stehen, und dann folgen fünf Tage häusliche Betriebsamkeit, Fensterputzen, Erledigungen, Kochorgien, Kaminfeuer, Sauna, Laufen, mit L. auf der Couch herumhängen, Lesen, ich bin die glücklichste Unfruchtbare der Welt.

Mittwoch, 26. September 2012

Whoaaaa, Stammtisch!!!

So viele Anmeldungen hatte ich noch nie: wenn wirklich alle kommen, sind wir zu acht morgen Abend. Ich freu mich auf jede alte und neue Nase, das wird herrlich!

Und den Tisch hab ich jetzt auch reserviert.

Bis morgen um acht im Gloria!

Dienstag, 25. September 2012

Revue der guten Laune.

Gestern war das letzte Adoptionstreffen, da ist es wohl Zeit dafür, die Dinge Revue passieren zu lassen, die ich in den letzten Wochen und Monaten so zu verarbeiten hatte.

Die Chancen, dass wir überhaupt ein Kind auf diesem Weg bekommen, sind - wenn man nur die nackte Zahl sieht - ziemlich klein. Irgendwo zwischen 1:5 und 1:9. Das ist nicht sehr ermutigend, manche IVF hat bessere Erfolgschancen.

Wir haben jetzt schon so viel über Traumatisierungen fürs Leben, nicht mehr gutzumachende Schäden, verborgene Krankheiten und Macken und all das gehört, dass es fast die Ausnahme zu sein scheint, wenn das Kleine einfach nur aufwächst und klarkommt.

Am besten ist es, wenn wir uns erst mal nichts anderes mehr vornehmen. Wenn wir keine Karrieresprünge anstreben, wenn wir keine Weltreise planen, wenn wir ab sofort verhüten (als ob... sagt die kleine Endometriosemaus, die jetzt seit Monaten zwangsweise durchgehend die Pille nimmt und von ihrer Frauenärztin auch jedes Mal abgebürstet wird, wenn sie vorsichtig anfragt, ob das nicht auch anders geht, denn immerhin... ist doch irgendwie... doof, oder? Komisch? Aber gut, ich werde empfindlich drauf achten, ab sofort die Pille immer auf die Minute pünktlich zu nehmen. Nicht dass da noch was schief geht trotz Verhütung, Endo, Myomen und verklebten Eileitern. Verhütungsmäßig bin ich die Dame ohne Unterleib. Aber selbst die... das passiert ja STÄNDIG, dass wir nach erfolgreicher Adoption plötzlich schwanger werden! Ich rechne eigentlich jeden Tag damit, und dann haben wir den Salat.)

Ich komme nicht los von diesem Punkt: auf den bloßen Verdacht hin, dass das mit 1:9 relativ unzuverlässig eintretende Wunder passiert, sollen Paare, die vermutlich seit vielen Jahren immer nach Kalender Sex haben, alles, wirklich alles richtig machen wollen, die richtigen Tees trinken, die Finger vom Kaffee lassen, nicht mehr rauchen, nicht mehr trinken, eigentlich gar nichts mehr tun... die jedenfalls sollen nun nicht nur aufhören mit Hormonbehandlungen, sondern verhüten? Jahrelang?
(Bin ich froh, dass ich gestern beim Treffen den Mund aufgemacht habe. Sonst wäre ich inzwischen vermutlich implodiert und würde als hässliche, immer noch aufgeregt wabbende Matschflecken an den Wänden meines Arbeitszimmers kleben. Dann hätte sich das mit der Verhütung natürlich auch erledigt.) Diese Regel, es tut mir leid, schreit danach, dass man drauf scheißt.

Zurück zu anderen Themen: es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass wir kein Kind bekommen. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass das Kind, falls wir eins kriegen, an Leib und Seele schwer krank ist und sein Leben lang auf unsere Hilfe, Geduld und Liebe angewiesen sein wird. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass seine Mutter sich das alles noch mal überlegt und es nach fünf Monaten wiederhaben will. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie einfach verschwindet und der Notartermin einfach jahrelang nicht zustande kommt. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass das Kind spätestens in der Pubertät gründlich die Schnauze voll hat von uns und dann jeden Kontakt abbricht.

Und trotzdem, trotz all diesem Mist bin ich gerade so optimistisch wie nie. Vielleicht war es das ehemalige Adoptivkind gestern: eine Frau von über 50, die zwar auch ihre Krise mit ihren Adoptiveltern hatte, aber doch ein ziemlich prächtiger Mensch geworden zu sein scheint. Und das dünne, schmale Paar mitten zwischen uns, dem wir alle immer wieder schüchterne Seitenblicke zugeworfen haben, das das Kind zuhause bei der Großmutter gelassen hatte und jetzt da saß wie von einem anderen Stern. Ich glaube gerade, das wird was. Vielleicht will ich das nur glauben, um mal für ein paar Minuten mit dem Aufregen aufhören zu können. Aber trotzdem glaube ich das.

Es ist merkwürdig: ich bin zwar nicht gern hingegangen, aber die Treffen in der Gruppe waren das letzte, was wir nach der Aufnahme in die Kartei noch zu tun hatten. Jetzt können wir nur noch (selbstverständlich mit Verhütung, klar) vor uns hinleben und warten.



Stammtisch: jetzt aber.

Liebe Abkürzungsdamen, übermorgen ist Donnerstag und damit Stammtischtag. Das Wetter soll sogar schön werden! Trotzdem würde ich vorschlagen, drinnen zu reservieren. Bisher haben sich angemeldet:
Karo
Kristina
Mona
und eine zweite Kristina wäre letzte Woche gerne gekommen - ich hoffe, sie kommt dann diese Woche auch? Ich würde mich jedenfalls sehr freuen.

Damit wären wir entweder zu viert oder zu fünft.

Möchte sonst noch jemand kommen? Eigentlich sind die Stammtische keine Veranstaltungen mit abgehakten Teilnehmerlisten, aber weil es im Gloria Donnerstags erfahrungsgemäß proppenvoll wird, würde ich gerne einen Tisch bestellen, der groß genug für uns ist. Andererseits wäre es aber auch doof, in einem aus allen Nähten berstenden Laden zu viert an einem Achtertisch zu sitzen, denn dann wollen sich unweigerlich Leute dazusetzen, die dann zu ihrer Pizza unseren Kinderwunsch-schmonzes lauwarm serviert bekommen.

Also bitte: wer noch kommen will, kurz Bescheid sagen, denn morgen um die Mittagszeit würde ich spätestens reservieren wollen. Ich freu mich! Hatte ich schon gesagt, oder?

Vier Erkenntnisse zum Herbstanfang

1. Ich kann mir die Lunge aus dem Leib laufen, so lange ich weiterhin darauf beharre, zwei gebackene Camemberts und ein Blech Pommes mit Mayo wären ein angemessener Nachmittagssnack, wird das nichts mit Größe 36.

2. Mit mir und 90% aller Psychologen wird das vermutlich ebenfalls nichts. Gestern war unser letztes Adoptionsgruppentreffen. Und obwohl ich den gar nicht unsympathisch finde, ihm auch dankbar dafür bin, dass er seine Freizeit (vermutlich unbezahlt) für uns Adoptionseltern opfert und bestimmt neben all dem Kummer viel gelernt habe, war ich gestern schon wieder kurz vor Explosion. Und zwar an zwei Stellen: Stelle 1: Psychologe fragt, ob in unserer Gruppe Leute von der Behörde auch darum gebeten worden seien, ab sofort zu verhüten. Ich dachte, das wird jetzt ein Krösken über die bescheuerte Behörde. Aber als drei Paare belustigt nickten, sagte er: ja, das könnte er so nur unterstreichen, denn man würde es oft genug erleben, dass die Frau vier Wochen nach dem Einzug des Adoptivkindes plötzlich schwanger würde, und das wäre dann eine Katastrophe. Ich konnte mich nicht mehr halten: "Mal ehrlich, vielleicht bin ich da naiv, aber wo genau soll da die Katastrophe sein? Dann hat man eben zwei Kinder, ist doch toll!" Nein, nein, nein, so geht das nicht. Das Adoptivkind fühlt sich bedroht und als Kind zweiter Klasse, das geht dann nicht. Und dann? Abtreibung? Oder sein eigenes zur Adoption freigeben? Ich weiß es nicht, aber ich scheine auch wirklich gar nichts kapiert zu haben. Stelle Nr.2: in unserer Gruppe sitzt auch ein sehr nettes Paar, von allen von Herzen beglückwünscht und auch ein bisschen beneidet, bei denen der Anruf fast sofort kam und die jetzt schon einen gesunden Säugling zuhause haben. (Hut ab davor, dass die dann trotzdem noch kommen.) Zu denen gewandt hat er gestern erklärt, dass die Säuglinge direkt nach der Trennung von der leiblichen Mutter ja dermaßen traumatisiert wären, da könnte man sich drauf einstellen, dass sie Tag und Nacht schreien würden, sehr steif und unbeweglich wären, gleichsam erstarrt vor Schock... Das Paar konnte ihm nicht den Gefallen tun, das zu bestätigen: "Och, sie ist eigentlich total entspannt. Knöttert mal, wenn sie Hunger hat oder die Windel voll, aber sonst? Ganz fröhlich und entspannt." Darauf er: "Jaha, da gibt es die einen, die leiten das nach außen ab, und die anderen, die fressen das in sich hinein."
Eine Weile später hätte ich ihm das aber fast alles schon wieder verziehen, als er einräumte, er bekäme ja auch nur mit denen zu tun, bei denen es nicht so läuft. Genau! Sag ich doch! Na endlich. Nun ist alles wieder gut, und eine kleine Spende überweise ich heute auch noch. Und die nächste Spezialentwicklung in meinem Leben versuche ich wieder Psychologenfrei zu meistern. Ich bin da einfach... weiß auch nicht... schnell auf die Palme gebracht, habe eine Sollbruchstelle oder vielleicht auch einfach eine Allergie. Da können die nichts für, und ich auch nicht, aber wir gehen uns wohl besser aus dem Weg.

3. Ich bin absolut reif für diesen Herbst. Den großen schweren Specksteintopf habe ich schon aus dem Keller geholt, in dem werde ich demnächst den einen oder anderen Hirsch weichschmoren, und am Wochenende backe ich meinen ersten Zwetschgenkuchen für dieses Jahr. Im Büro bin ich schon von Kaffee auf Tee umgestiegen (mache ich immer spätestens im Oktober), ich habe wieder die dicken Bettdecken bezogen und die dünnen auf den Speicher gepackt, und gestern Abend gab es zum After-Psychotreff-Rotwein ein paar Minilebkuchen. Auf dem Morgenspaziergang heute hat Lili die ersten Kastanien geknackt. Sie mag den Herbst, ich auch. Meine Lieblingsjahreszeit hat angefangen, und ich springe jeden Morgen mir einem Gefühl aus dem Bett, als hätte ich Geburtstag.

4. Wenn ich das nächste Mal einen längeren Urlaub plane, dann häufe ich vorher Geld dafür an, nicht hinterher. Es ist ja schön und gut mit drei Wochen frei, aber als Selbständige folgt danach unausweichlich die Hölle, die jede Erholung sofort verbrennt: diesen Monat, der noch nicht zu Ende ist, werde ich fünf Rechnungen verschicken, und ich hatte tatsächlich seit dem Urlaub mit den Damen in der Heide keinen einzigen Tag, an dem ich nicht arbeiten musste. Jaja, der schöne Herbst ist da, aber noch mehr könnte ich mich drüber freuen, wenn ich morgens die Augen aufschlagen würden und mir in aller Ruhe zur ersten Tasse Tee überlegen könnte, wohin ich heute meine Hundespaziergänge mache, ob ich vielleicht noch ein paar Pflanzen bei Obi kaufe oder ob ich den Tag einfach nur abgesehen von Gassigängen auf dem Sofa am Feuer oder vorm Herd verbringe. Das wäre wirklich zu schön.

Mittwoch, 19. September 2012

Hätte, hätte, Herrentoilette

Als vor etwas mehr als zwei Jahren das Buch kurz vor veröffentlicht war, war klar, dass jetzt oder nie der Zeitpunkt ist, es meiner Familie zu erzählen: das mit dem Blog und dem Buch. Besonders unbekümmert habe ich das nicht getan, aber nachdem der Verlag sich dann auch noch die Nummer mit meinem auf Amazon und überall sonst einfach verratenen Echtnamen geleistet hatte, war klar, es muss sein, denn rauskriegen werden sie es so oder so, und dann wird's doof. Man kann nicht dem Internet jede Gefühlsregung verraten und der eigenen Familie keinen Piep davon sagen. (auch wenn ein kleiner Teil von mir immer noch manchmal denkt: kann man nicht? Kann man doch.) Jetzt ist es eben so, und das Ergebnis ist weniger dramatisch als gedacht: eigentlich hatte ich die innere Zensur irgendwann aus purer Zerstreutheit vergessen, so viel Zensur war auch nicht nötig, das hier ist schließlich kein ich-hatte-eine-schreckliche-Kindheit-Blog, sondern ein Kinderwunschblog, und nachdem meine Eltern über die Behandlungen usw. von Anfang an immer im Bilde waren (ob auch das ein Fehler war? Ich werde es wohl nie wirklich wissen...), ist das hier immer noch nicht der Ort, wo ihre Tochter endlich ihre Maske fallen lässt. Ich bekam eine reizende Mail von meiner Lieblingstante, meine Mutter erzählt mir manchmal am Telefon, wer das hier alles liest (ihre Reinmachfrau z.B.), und dann werde ich kurz rot, aber all das war und ist in Ordnung.
Dann kam die Adoptionsbewerbung, und nachdem ich davon ausgegangen bin, dass die zumindest unsere Namen mal googeln würden (und hier kommt wieder diese dämliche, unentschuldbare und bis heute eigentlich nur mit einem fröhlichen "Tüdelü, na sowas, kann ja mal passieren" kommentierte Schlamperei des Verlags ins Spiel... Grrrrr. Grrrrrrrrrrrrrrrrrrr.), dachte ich auch da, ich muss das sagen. Ein bisschen habe ich vielleicht auch gehofft, dass ein ganzer Blog und ein Buch vielleicht zu meinen Gunsten angerechnet werden, wo doch nachweislich komplett verarbeitete Kinderlosigkeit vorgeschrieben ist. Also weiß heute die Dame vom Amt Bescheid. Bei irgend einem der Treffen kam das mal zur Sprache, und zu meiner Verblüffung (und etwas gekränkten Eitelkeit) klang die Dame damals so, als hätte sie sich das hier noch nie angeguckt und hätte das auch in Zukunft nicht vor. Und jetzt?

Jetzt ist es zwar genauso wenig wie damals, als plötzlich die Familie im Publikum saß so, dass ich hier die Bloggerin mit der Maske bin. Aber trotzdem gibt es eine Riesenfülle von Themen, zu denen ich mich nicht mehr traue, etwas zu schreiben. Und das sind Themen, die eigentlich wichtig sind. Und es juckt mich in den Fingern, darüber zu posten, und stattdessen schreibe ich hier über mein Laufprogramm (das mir auch wichtig ist, sehr sogar), jobliche Verstrickungen, meinen Speiseplan und irgendwelche auf keinen Fall kinderwunschbezogenen Hirnfürze. Wie wäre es mal mit einem schönen Post über das Wetter? Nein, wir halten nicht heimlich Kampfhunde, wir sind auch nicht drogensüchtig, eigentlich schon mitten im Trennungsjahr vor der Scheidung oder halten drei vor der Bäckerei geraubte Säuglinge in einem schalldichten Keller gefangen, nichts von allem, was wirklich für eine Adoptionsentscheidung wichtig wäre, wird hier verschwiegen oder umgeschwindelt. Trotzdem ist mein Blog irgendwie nicht mehr mein Blog, denn der große Bruder guckt zu. Das heißt, er guckt ja scheinbar noch nicht mal, das ist das hirnrissigste daran! Und nun denke ich, Familie ja, Adoptionsbehörde vielleicht doch besser nicht. Ich glaube inzwischen nicht mehr, nachdem das in den vielen Gesprächen so wenig Thema war, dass wir diesen Pluspunkt überhaupt gebraucht hätten, und dass die Behörde es überhaupt als Pluspunkt wertet, ist auch überhaupt nicht klar. Hätte ich das doch bloß gelassen. Alle waren sich so sicher, dass das gut ist. Ich auch, vielleicht ein bisschen weniger als alle, sonst hätte ich ja nicht alle gefragt, ob ich den Eiertanz ausplaudern soll oder nicht. Inzwischen denke ich, wer weiß?
Am Ende hätten sie noch nicht mal gegoogelt.

Montag, 17. September 2012

Dieser Post wurde mit vollem Mund geschrieben

Heute muss ich nicht schwänzen, heute ist adoptionsfrei. Die Gruppe trifft sich erst nächsten Montag wieder, dann kommt ein inzwischen erwachsenes Adoptivkind zu Besuch und erzählt, wie das alles so war und ist. Das werde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen, und wenn wir nicht von einem Kometen erschlagen werden, sitzen L. und ich um fünf vor halb acht mit Riesenohren auf unseren unbequemen Stapelstühlen.

Bis dahin treiben mich andere Dinge um.

Erstens: Stammtisch. Ich höre mich schon an wie eine Platte mit Sprung, aber diesmal klappt es bestimmt, ich hab das im Gefühl! Ich würde allerdings nächste Woche Donnerstag vorschlagen, denn diese Woche bin ich so dermaßen zugeschissen mit Arbeit, dass es kein Halten gibt. Ein Auftragsspritzdurchfall, könnte man sagen. Zwar könnte ich mir irgendwie den Donnerstag auch diese Woche freischaufeln, aber dann würde ich da sitzen und alle fünf Minuten auf mein Telefon starren, ob schon Post von Kunde A oder Kunde V da ist, das wäre also nicht das Wahre. Darum Donnerstag nächste Woche, bis dahin ist wieder gut, und wir machen uns einen lustigen Abend. 20:00 Gloria in der Belle-Alliance-Straße also. So gegen Dienstag frage ich noch mal nach, wer überhaupt kommt, aber sobald wir zu dritt sind, kann es los gehen.

Zweitens: das Laufprogramm. Wieder steht mir und meinen federleichten Turnschuhen ein großer Schritt bevor: Woche 10 ist vorbei, morgen in erbärmlicher Frühe beginnt Woche elf. Ab morgen werden aus 30 Minuten 45 Minuten, und ich weiß nicht, wie ich das an Agenturtagen schaffen will, ohne um halb sieben aufzustehen. Eine Aussicht, die mir normalerweise ab 15:00 am Vortag die Laune versaut. Aber es geht nicht anders, und Laufen macht wundersame Dinge mit mir. Übrigens bisher noch nicht mit meinem Gewicht, aber das kann ich alles erklären: Leider ist da diese neue Fress-Freiheit, wann immer ich ein Sportprogramm starte. Die ersten zwei-drei Wochen bin ich noch brav und zum Gähnen vernünftig, aber dann setzt jedes Mal die Phase ein, in der ich denke, dass es überhaupt kein Problem ist, wenn ich an einem langen faulen Sonntag
2 Back-Camemberts
1 Blech Pommes mit Mayo und Ketchup
2 Champignonbaguettes
1 Topf Pasta mit Trüffelöl und Parmesan
1 Topf Popcorn
usw. usf. etc. esse, schließlich bin ich jetzt ja Läuferin.
Gierig und verfressen bin ich immer, aber in dieser Phase wird es schlichtweg grotesk. (Hat jemand mal den Film "Das große Fressen" gesehen? Ungefähr so, nur ohne die Prostituierten und die Lehrerin.) Und es wird auch nicht besser dadurch, dass seit letztem Freitag das neue Nigella-Kochbuch (italienisch. Ha!) zuhause liegt und durchgekocht werden will. Das Luder. Dagegen kann mein bescheidenes Laufprogramm nicht an. Noch! Denn ab morgen werden andere Saiten aufgezogen: ab morgen läuft es nämlich folgendermaßen, und zwar alle zwei Tage.
Ich betrete im Morgengrauen den Park, an den Füßen die nike frees, unterm Arm meine Fußtrainer (stinknormale Surfschuhe aus Neopren mit dünner Gummisohle). Die Fußtrainer verstecke ich irgendwo, wo sie weder von Hunden noch Spaziergängern oder Insekten gefunden werden. Dann laufe ich mich fünf Minuten ein, sollte dann bei einer Bank oder Treppe ankommen und mache zehn Minuten Muskeltraining. Dazu kann ich die Bank rauf- und runterhüpfen, Käsekästchen springen oder Seitstütze machen, bis mir schlecht wird. Nach zehn Minuten laufe ich weiter, 25 Minuten lang. Sind die um, dann sollte ich wieder am Schuhversteck angekommen sein. Ich ziehe die Turnies aus und die Trainer an und laufe noch mal fünf Minuten kreuz und quer über eine benachbarte Wiese. Dann sind 45 Minuten um und ich ein Stück näher an der Figur, die ich vor 10 Jahren in meinem Wahn noch als selbstverständlich hingenommen habe.

Es ist allerdings nicht so, dass sich so gar nichts getan hat. Laut der schäbigen alten Rossmann-Körperfett-Waage in unserem Bad habe ich in den letzten Monaten ein halbes Prozent Körperfett abgebaut und drei Prozent Muskelmasse dazubekommen. Ha! Das hätte ich ehrlich gesagt auch ohne die Waage gedacht. Es ist merkwürdig, aber bei diesem Trainingsprogramm hatte ich wirklich das Gefühl, dass sich die Muskeln langsam von den Zehenspitzen ausgehend die Beine hochfressen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn sie erst mal die Hüfte überwunden haben. So stabil und leicht habe ich seit vielen Jahren nicht mehr auf den Füßen gestanden, egal, ob ich gerade ein Treppenhaus hochrenne oder auf hohen Absätzen übers Kopfsteinpflaster balanciere. Und selten war ein so aufwändiger Plan so befriedigend und leicht einzuhalten. (Sage ich, die in den letzten Jahren spektakulär an vielen Plänen gescheitert ist: Dem Plan, trockene Wäsche sofort wegzubügeln. Dem Plan, mit Weight Watchers innerhalb eines halben Jahres sechs Kilo abzunehmen. Dem Plan, mir nur noch Kleider zu kaufen, die mir passen, stehen, auch für Grobmotoriker und zu spannenden Filmen bügelbar sind und nicht in die Reinigung müssen. Dem Plan, jede Woche mindestens einen Abend schweigend, zufrieden und konzentriert mit einem guten Buch auf der Couch zu verbringen. Dem Plan... ach, es ist deprimierend, das auch nur hinzuschreiben.)

So. Ich freu mich also auf nächsten Donnerstag. Wer teilt sich einen Burger und drei Pizzas mit mir?

Donnerstag, 13. September 2012

Schon... äh...

Liebe Stammtischdamen, es tut mir schrecklich leid, aber ich muss wieder schieben. Diesmal sind nicht zu wenig Teilnehmer Schuld (zu dritt wäre bestimmt nett geworden!) oder die verplante Flora, die ihren Terminkalender und ihre Deadlines verdaddelt hat, sondern L.

L. kommt gerade vom Arzt, wo er eigentlich nur mal so und auf langes Gedrängel von mir hingegangen ist. Ich saß zuhause am Telefon und wartete auf Nachricht, die dann mit einer Stunde Verspätung endlich kam: L. musste spontan operiert werden. Das ist alles nicht schlimm, wird wieder gut, er sitzt mir gegenüber quietschfidel im Ohrensessel und fummelt an seinem ipad rum, und noch nicht mal ich (die noch nicht mal Grey's Anatomy gucken kann, weil sie bei jedem medizinischen Missgeschick sofort denkt, das passiert mir oder jemandem, der mir wichtig ist) mache mir jetzt Sorgen, aber: nach der Narkose soll er heute nicht alleine bleiben, und die Hunde zählen nicht als Aufsichtsperson.

Ich kann also heute nicht weg hier.

Wollen wir uns also noch mal vertagen? Z.B. auf nächste Woche? Oder heute in zwei Wochen?

Dienstag, 11. September 2012

Die kleine Flora konnte gestern wegen unüberwindlichen Widerwillens nicht am Unterricht teilnehmen. Ich bitte, ihr Fehlen zu entschuldigen. Wenn nicht, auch gut.

Ich habe zwanzig Minuten länger gearbeitet und bin dabei nicht in Panik geraten, weil ich ja noch nach Hause fahren muss, die Hunde ausführen muss, ins Auto springen muss und dann pünktlich bei einem Termin erscheinen muss, bei dem ich eigentlich gar nicht sein will, besser nie als spät. Gegen sieben war ich zuhause, habe die Hunde an die Leine genommen und das umgesetzt, was ich vorgestern beim Hundeflüsterer auf sixx gelernt habe: Schultern zurück, ruhig bleiben, Leine locker, kein Fitzelchen Ziehen durchgehen lassen und los. Hat funktioniert. Wir hatten einen friedlichen, sonnigen und lauen Montagabendbummel. Ich habe solche Momente, wo die Hunde mich stressen, wo mir alles zu viel ist und ich mich frage, was eigentlich die Schnapsidee sollte, mir bei meinem vollen Tag noch zwei Fellwürste zuzulegen, die zusammen täglich an Agenturtagen eine Stunde und an "freien" oder Zuhausearbeitstagen fast drei Stunden meiner Zeit fressen, und da ist Spielen, Toben und Retten von Schuhen und Socken noch nicht eingerechnet. An anderen Tagen, gestern war so einer, ist der Hundespaziergang nicht Teil meiner Pflichten, sondern Teil vom Spaß- und Erholungsprogramm. Irgendwann habe ich auf mein Handy geguckt und gesehen, jetzt sitzen sie da. Und ich bin hier, entwischt und frei. Und das hat sich ungefähr so angefühlt wie damals, wenn wir uns ins la Boheme verdrückt haben zu Milchcafé und Croissants, während die anderen armen Schweine Französisch bei unserer altjüngferlichen Knalltüte von Lehrerin hatten. Die, bei der die Mädchen sowieso nur Störenfriede und Schlampen waren, die ihren Zuckerjungs angeblich ständig Zettelchen zuschoben. Genau.

Gute Entscheidung. Der nächste Termin ist gestern in zwei Wochen. Mal sehen, ich glaube, da gehen wir hin: dann berichtet nämlich ein erwachsenes Adoptivkind aus seinem Leben. Und laut Programm ist dann auch ein anderer Psycho-Onkel da. Nach dem freien Abend gestern freue ich mich fast schon drauf.

Montag, 10. September 2012

Huch, schon Montag!

Das heißt, in drei Tagen ist schon Donnerstag und damit Zeit für den verschobenen Stammtisch. Also, gleiches Spiel wie immer: wer würde denn nun wirklich kommen? Jede Nase ist willkommen, egal ob zum ersten oder zum dritten Mal dabei, egal ob endometrioseverwuchert oder einfach aus unbekannten Gründen noch nicht schwanger, egal ob schon ein Kind und Wunsch nach einem zweiten, ob Adoptionskandidatin oder Schnauze-voll-von-all-dem-Eso-Kinderkram, immer rein da!

Ich freu mich auf euch.

Ich weiß ja nicht, was ihr heute so treibt.

Und was ich vorhabe, weiß ich auch noch nicht so genau. Vielleicht arbeite ich heute länger, genug zu tun ist auf jeden Fall. Vielleicht mache ich einen langen Spaziergang mit den Hunden. Oder ich befolge den Tipp mit dem Rotwein, lese die Zeitung oder gehe zum Sport. Wo ich jedenfalls nicht sein werde, ist in meiner Gruppe. L. hat vorgestern den Programmzettel wiedergefunden: nachdem es in Stunde Nr.1 schwerpunktmäßig um Autismus, Alkoholspätfolgen und Ablehnung der Eltern ging und in Stunde Nr.2 um Kinder, die bis zur Pubertät in die Windel machen, wird es heute in Stunde Nr.3 zur Abwechslung um Problemfälle, um besondere Kinder und um besondere Herausforderungen gehen, und zwar um die, die man zum Zeitpunkt der Adoption noch nicht erkennen kann.

Es tut mir leid - nein, ich nehm das zurück, man soll ja ehrlich bleiben in diesem Prozess, es tut mir überhaupt nicht leid, sondern heute bleibe ich einfach weg, und nach langem Gegrübel habe ich deshalb auch kein schlechtes Gewissen. Ehrlich, was soll das nützen? Ein Termin, bei dem wir (zum ca. zwölften Mal) darüber informiert werden, dass auch ein auf den ersten, zweiten und dritten Blick quietschfideles Baby sich zu einem schwer gestörten Kind weiterentwickeln kann? Und jetzt? Wenn uns das passiert - und ich hoffe so sehr, dass wir nach vier Jahren KiWuKack endlich auch mal Glück haben - dann ist es immer noch früh genug, meine Psychoallergie runterzuschlucken. Dann werden wir noch mehr Zeit als genug in irgendwelchen Stuhlkreisen verbringen. Andere mögen das anders sehen und da anders veranlagt sein, aber ich habe keine Lust mehr, mir zähneknirschend diesen Unfug von angespannten Bauchdecken und der willensgesteuerten Empfängnis anzuhören (das hat mich schon bei Berichten über den amerikanischen Wahlkampf zur Weißglut gebracht), zumal wir dadurch keinerlei Erkenntnis zu erwarten haben, die uns irgendwie weiterbringt, sondern nur SCHON WIEDER hören, dass eine Menge schief gehen kann und es bei diesem Weg zum Kind keine Methode gibt, sich davor zu schützen. Heute wird geschwänzt.