Mittwoch, 29. Juni 2011

G.R.R.M., wie ich und ungefähr 6 Millionen Fans ihn nennen

Für diesen Post muss ich etwas länger ausholen. Wobei, muss ich eigentlich gar nicht, will ich aber, denn sobald ich damit fertig bin, muss ich mich ernsthaft an mein zweites Projekt für heute setzen: nach achteinhalb Stunden Knochenarbeit in der Agentur muss ich jetzt noch irgendwelchen Quatsch unbedingt heute fertig kriegen, und wenn es bis früh um fünf dauert. Ächz. Andere würden anfangen und sich durchbeißen, ich wechsele lieber das Thema und hole dabei so weit aus wie möglich. (Ich könnte mich jetzt auch daran machen, Regalbretter zu entstauben oder die Dunstabzugshaube zu reinigen. Ihr versteht mich, oder? Tut ihr. Wie immer.) Das Projekt habe ich jetzt seit zehn Tagen auf dem Tisch, wobei es ursprünglich hieß, ich müsste in 14 Tagen fertig sein. Was bedeutet das bei einem Fusselhirn wie mir? (Das könnte der längste Post aller Zeiten werden.) Dass ich 13 Tage lang jeden Morgen aufstehe und mir denke, ach, heute mache ich das süße kleine Projekt zu Ende, dann gehe ich arbeiten oder mache sonst etwas, was ich eben so tue, und irgendwann abends um acht, wenn die andere Arbeit getan ist, guckt mich mein Schreibtisch vorwurfsvoll an, und ich ignoriere seine Blicke und denke mir: morgen. Morgen ganz bestimmt! Ist ja noch Zeit! Bis mich gestern (an Tag 9 der 14 Tage) eine Mail erreichte, dass ich doch bitte JETZT am besten fertig wäre. Also gut. Gleich, gleich geht es los. Bestimmt!
Vorher muss ich aber noch ein bisschen ausholen, wie gesagt.
1996 erschien der erste Band einer Buchserie, die es eines Tages mal bis ganz nach oben in die amerikanischen Bestsellerlisten schaffen würde: A Game of Thrones. Dass das alles mal so groß werden würde, wusste damals jeder, der das Buch in die Finger bekam. Gut, es war Fantasy, aber es hatte keine der typischen Fantasy-Macken: es war kein fader Herr-der-Ringe-Abklatsch nach dem Muster "Waisenjunge wächst auf Farm auf, alter weiser Meister zieht ihn ruppig auf, eines Tages droht Gefahr, Junge zieht in die Welt, erlebt einige Abenteuer teils magischer, teils kriegerischer Natur, entwickelt ungeahnte Fähigkeiten, findet Plunder, der sich später als seit Jahrtausenden verschollener Superzauber entpuppt, und am Ende kommt raus, dass der Junge "der Auserwählte" ist, er besiegt den Fürsten der Dunkelheit, alles wird gut." Stattdessen war das hier eine wirklich gute Geschichte mit Charakteren, von denen einer immer echter, interessanter, vielschichtiger und überraschender war als der nächste, es gab zwar Magie, aber sie war nicht sooo wichtig (und die Geschichte und der tolle Schreibstil hätten auch ohne sie gut funktioniert), man war innerhalb kürzester Zeit in die komplette Besetzung der Geschichte verliebt und konnte trotzdem nie sicher sein, dass jede der Figuren nicht auf der nächsten Seite den Kopf verliert. Das Besondere: jedes Kapitel war aus der Sicht einer anderen Figur geschrieben. Und wer in Kapitel 7 der Erzfeind war, ein durch und durch verdorbenes Stück, war in Kapitel 13 plötzlich... naja, irgendwie auch zu verstehen.
Wann Band 2 erschien, weiß ich nicht genau, aber ich bin sicher, auf sein Erscheinen haben schon sehr viele Menschen sehr sehnsüchtig gewartet. Von Band zu Band wurden es mehr. Jeder der Bände rechtfertigte die Vorfreude: es wurde alles immer vielschichtiger, besser, spannender und überraschender. Und jeder Band war eine richtig fette Schwarte von um die 1000 Seiten. Als Band 4 zur Hälfte fertig war, wurde irgendwann klar, dieses Buch wird so dick, dass man es mit den Mitteln moderner Buchdruckerkunst nicht binden kann. Also beschloss der Autor, daraus zwei Bände zu machen, die zwar zur gleichen Zeit spielen, aber dabei unterschiedlichen Protagonisten folgen. Im Nachwort zu Band 4 hieß es, Band 5 wäre dadurch ja schon automatisch so gut wie mitentstanden, jetzt schon zu zwei Dritteln fertig und würde in einem halben Jahr erscheinen. Inzwischen hatte die Anhängerschaft der Bücher in etwa die Kategorie "Harry Potter für Erwachsene" erreicht. All diese Millionen von Menschen warteten seit 2005 auf Band 5, "A Dance with Dragons." Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie von dieser Serie gehört, und das würde auch bis April 2011 so bleiben. All diese Leute wurden immer aufgeregter, unruhiger und ärgerlicher. Der Erscheinungstermin wurde angekündigt, verschoben, angekündigt, verschoben, sechs Jahre lang. Inzwischen war einigen Fans der Faden schon so gründlich gerissen, dass sie den armen George R.R. Martin, abgekürzt GRRM, (den Autor, der aussieht wie der Weihnachtsmann) auf seiner Homepage übel beschimpften, jedes Mal, wenn durchsickerte (oder er selbst darüber bloggte), er hätte Football geguckt, sich eine Pizza bestellt oder eine Reise gemacht. "Lass den Scheiß, schreib das verdammte Buch!" War der Tenor. Einige besonders Undankbare warfen ihm sogar vor, er wäre alt und fett, es wäre nicht auszuschließen, dass er demnächst tot umfallen würde, ein Grund mehr, endlich die versprochenen sieben Bände zu liefern, bevor es zu spät ist. All das kann ihm nicht geholfen haben, schneller zu Potte zu kommen.
Jetzt, im März 2011, wurde ein neuer Erscheinungstermin angekündigt: 12. Juli 2011. Und im April konnte man auf seiner Homepage zum ersten Mal ein Cover sehen und einen triumphierenden Blogpost, dass er fertig ist mit dem Mistviech. Fertig. Band 5 ist fertig. Alles, was noch getan werden musste, war Drucken, Binden, Verkaufen. Ab dem Tag, an dem man das Buch bei amazon vorbestellen konnte, führte es die Ranglisten klar an. Millionen von Fantasy-Fans (nicht gerade die angenehmste Sorte im Umgang) und eigentlich hochkultivierten Leserinnen und Lesern hatten Hummeln im Hintern, was diesen 12. Juli betrifft. Die Foren kochten über. Urlaube wurden so genommen, dass man dem Postboten das Paket aus der Hand reißen und eine Woche lang auf dem Sofa bleiben kann. Längst geplante Besuche von guten alten Freunden für Mitte Juli wurden abgesagt.

Und nun ich. Anfang Mai fing ich an zu lesen und klebte spätestens auf Seite 20 am Leim, und ich bin nicht einfach zu begeistern, die Nesbo-Nummer oder dieses Dusselsmilleniumding z.B. habe ich zwar gelesen, aber die haben mich kalt gelassen. Inzwischen bin ich trotz Jobstress ca. 3.000 Seiten weiter am Ende von Band 3. Band 4 wartet noch auf mich, und Band 5 hatte ich vorbestellt. Am 6. fliegen wir in den faulsten Mädchenurlaub aller Zeiten, und ich dachte so bei mir, wie schade, wenn das Buch eine Woche früher erscheinen würde, müsste ich mir keine Gedanken machen, bis zum 6. schon zu weit mit Band 4 zu sein, denn dann kann ich Band 5 mitnehmen in die Sonne. Aber weil ich noch ca. einen Meter anderer Bücher habe, die ich auch alle unbedingt lesen will, und bald, war das nur eine niedliche kleine Mini-Sorge.
Die Ausgangslage, mit der wir uns heute morgen konfrontiert sahen, dürfte also klar geworden sein:
Da sind auf der einen Seite rund um den Globus Millionen und Abermillionen von eingefleischten Fans, die seit Jahren darauf hinfiebern, dieses Buch in den Händen zu halten, und dabei ein ums andere Mal enttäuscht wurden. Die es nun wirklich, aber wirklich nicht mehr aushalten. Und da bin auf der anderen Seite ich, die vor ein paar Wochen zufällig über die Bücher gestolpert ist, sich gefreut hat, dass es davon schon vier Stück gibt, und dann noch ein bisschen mehr, als sie gesehen hat, dass das fünfte ja nun auch bald erscheint! Nur, hm, schade, ein bisschen zu spät, um es noch mit in den Urlaub zu nehmen, aber ist doch auch schön, wenn zuhause etwas Nettes auf einen wartet, nicht wahr?

Und jetzt kommt's. Amazon hat genau 180 Exemplare weltweit zu früh verschickt. Zwei Wochen zu früh. Von den 6 Millionen (habe ich irgendwo gelesen, können aber noch mehr sein), die gerade weltweit auf dieses Buch hinfiebern, haben 180 eine nette Überraschung erlebt, als heute der Postbote da war.

Und wer ist eine davon? Ich.

Die Chancen dafür standen so ungefähr bei... Moment... hm, die dürften vergleichbar sein mit Zwillingen nach ICSI mit 63.
Können wir nicht tauschen, liebe Vorsehung? Du kriegst das Buch zurück, und ich dafür endlich die Blagen?

Warum muss ich bei so etwas so ein irres Glück haben, und bei einer hundsgewöhnlichen Allerweltssache wie Kindern irgendwie... naja... diesmal nicht, aber vielleicht ja nächstes Mal?

G.R.R.R.R.R.R.R.R.R.
M.

Und damit zu etwas ganz anderem.

Sonntag, 26. Juni 2011

Eine Unfruchtbare unter den ersten 5

Ich sitze im Wintergarten, gucke stolz auf die ca. 15 Meter Zaun, die L. und ich heute aufgebaut haben (alle Finger noch dran, kein Loch im Knie), durchs Fenster weht Tannenduft von den paar Zweigen herein, die wir für den Zaun abzwacken mussten, die Vögel zwitschern ihr Gute-Nacht-Lied, der Hund ist vor mir eingeschlafen und wärmt mir die Füße, ich esse eine Artischocke und versuche, keine Vinaigrette auf die Tastatur zu klecksen, und dazu gibt es ein Glas Apfelweinschorle. Die Schüssel für die ausgelutschten Artischockenblätter füllt sich mit hellgrün-lila Blütenblättern. Und oben wartet das gerade frisch bezogene Bett auf mich. Ich glaube, gerade gehöre ich zu den fünf glücklichsten Prozent der Weltbevölkerung.

Das wird sich bestimmt gleich wieder ändern. Ich habe fest vor, nicht meine Fantasy-Schwarte (inzwischen der dritte Band, verdammich, wenn ich so weiter mache, wird es nichts mit meiner Fantasie von vereisten Wäldern, Schwertkampf und Wölfen am Urlaubspool, weil ich bis dahin alle vier Bände durch habe), sondern die Zeitungen der letzten drei Wochen mit ins Bett zu nehmen, danach korrigiere ich mich runter auf die glücklichsten 10%. Dann werde ich vermutlich beschissen schlafen wie immer in der Nacht zu Montag (warum nur? Eigenartig) und zwischen 2 und 5 locker den Downgrade auf 30% schaffen. Aber selbst dann - 30%? Das ist doch eigentlich in Ordnung.

Und wieder mal frage ich mich: mache ich mir was vor? Ist das so eine depressive Macke von mir, die Mundwinkel hochzureißen und alles wegzugrinsen, diesen ganzen Kinderwunsch und die Riesengemeinheit, dass er sich einfach nicht erfüllen will - und mich einfach zu weigern, traurig zu sein, obwohl ich es in Wahrheit doch bin?
Noch eine Nase voll Tannenduft - nein. Mir geht's gut. Und ich glaube, ich lasse die Zeitung mal liegen heute.
Manche von uns haben Kinder. Andere haben keine. Manche von uns sind glücklich. Andere nicht. Und gerade kommt es mir ganz klar und selbstverständlich vor, dass diese beiden Kategorien die Menschheit nicht sauber in zwei Gruppen teilen und längst nicht das Gleiche aussagen.

Das ändert sich auch wieder. Vermutlich heute nacht zwischen zwei und fünf. Aber jetzt ist jetzt, und dann ist dann.

Dienstag, 21. Juni 2011

Ich will, ich will, ich will.

Ich will die Hormonsommerferien genießen, drei mal pro Woche mit den Mädchen unter freiem Himmel sitzen, irgend eine Schweinerei essen und mit fettigen Händen ein Glas kalten Sommerwein nach dem anderen in mich reinschütten.
Ich will ab und zu, schlagt mich dafür, währenddessen eine Fluppe rauchen. Und wenn es auch nur eine federleichte Ökozigarette ist.
Ich will abnehmen. Jedenfalls so weit, bis ich wieder Spaß daran habe, mir etwas zum Anziehen zu kaufen, und keine Angst davor, nach dem Urlaub auf der Finca die Urlaubsfotos von mir im Badeanzug zu sehen.
Ich will, dass mir die Abnehmerei egal ist.
Ich will nie wieder eine Zigarette rauchen.
Ich will, dass ich zwar bei den blöden Weight Watchers weitermache, aber dass dieser verhängnisvolle Effekt aufhört, den ganzen Tag mit jedem wachen Gedanken nur noch ans Essen denken zu können.
Ich will irgend eine reife, erfüllende, kluge, glücklich machende Beschäftigung finden, mit der ich meine Abende verbringen kann, und die nichts mit essen zu tun hat. Oder trinken. Oder essen und trinken. Oder nachdenken über essen und trinken.
Ich will auf all das pfeifen können. Essen ist gut. Essen und ich kommen seit Jahren hervorragend miteinander aus. So soll das bleiben.
Ich will so lange wie eine Gesundheitsheilige leben, bis ich das Gefühl habe, die nächste Eizelle, die in meinen Bauch einzieht, bleibt. Und bleibt. Und zwar neun Monate lang.
Ich will weniger nachdenken über den Befruchtungsquatsch.
Ich will mich auf den Befruchtungsquatsch konzentrieren - wenigstens für eine kurze Zeit, bis es klappt, diese Sache zur wichtigsten Sache machen.
Ich will ein Leben, das nichts mit Hormonen oder Eizellen zu tun hat.
Ich will am liebsten, ich hätte nie erfahren, dass genau das mit mir nicht stimmt.
Ich will ruhiger und gelassener werden.
Ich will weniger wütend sein.
Ich will nicht mehr so egozentrisch sein und immer wieder die Welt als einen schlechten Scherz auf Kosten von mir und meinem blöden unfruchtbaren Bauch betrachten.
Ich will egozentrischer werden und bei nächster Gelegenheit demjenigen ins Gesicht springen, der auf mir und meinem unfruchtbaren Bauch rumtrampelt mit seinen blöden, unreflektierten und unsensiblen Bemerkungen.
Ich will mir selbst eine kleben dafür, dass ich nun scheinbar doch so eine werde, die jeden, der anderer Meinung ist, als unsensibel bezeichnet.
Ich will einen bunten Sommer voller schöner Dinge weit jenseits von Kein-Baby-Blues.
Ich will weniger arbeiten.
Ich will mehr arbeiten.
Ich will gesünder leben.
Ich will ungesünder leben.
Ich will wieder so leben wie vor acht Jahren.
Ich will erwachsen werden.
Ich will morgens fünf Minuten früher aufstehen und mich hübsch schminken, eins meiner achtzig seit Jahren ungetragenen Sommerkleider anziehen und mit hohen Schuhen zur Arbeit gehen, ohne dass vorher der Hund mit Matschpfoten an mir hochgesprungen ist.
Ich will eine alte Jeans von L. und meine Ruhe.
Ich will jetzt eine Tasse Tee, mein Buch, meinen Schlafanzug und um halb zehn schlafen.
Ich will Yoga morgens um sieben und Kiez morgens um fünf.
Ich will mich anziehen und in einer Stunde irgendwo auf der Straße sitzen mit dem Sommernachthimmel über mir und Knoblauchduft in der Nase. Irgendwo, wo kein Mensch auf die Idee käme, ich wäre eine 38jährige Frau mit einer ganzen Latte an hormonellen Problemen, die gerade einen Haschmich bekommt, weil sie so gerne ein Kind hätte, aber ihr Bauch sich einfach weigert, eins rauszurücken.
Ich will ins Kino, zum Portugiesen, zum Italiener, in den Park, an die Elbe, zur Frittenbude, verdammt, das wird ja zur Besessenheit, das müssen schon wieder die Weightwatchers sein.

Liebe Leserinnen, so geht es in meinem Kopf zu, wenn ich ohne nachzudenken mittags um drei von meinem Bürostuhl in der Agentur aufstehe, in die Küche gehe, mir einen großen starken Kaffee ziehe, ihn auch noch austrinke und erst hinterher feststelle, dass ich gerade das Flora-Gremlins-Gesetz gebrochen habe: gib ihr niemals, niemals nach 12 Uhr Kaffee. Es verspricht, ein bunter Abend zu werden.

Natürlich spreche ich extrem ungern über meine, öhömm, Auftritte in der Öffentlichkeit.

Aber wenn ihr mich GAR so lieb bittet - und um Verwirrung vorzubeugen:
Cosmopolitan - der Artikel ist jetzt seit ein paar Tagen draußen, und ich habe ihn alleine zuhause geschrieben. Ob ich dabei Make-Up getragen habe, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich genau, dass meine Haare nicht geglättet waren. Das Thema war Kinderwunschbehandlung, und ich sollte meine Erfahrungen dazu aufschreiben. Als ich zum ersten Mal mit der Redakteurin telefonierte, dachte ich noch, ich muss sie warnen: dass ich das Ganze nicht als persönliche Katastrophe, Behinderung oder Fluch empfinde, dass ich nicht besonders empfänglich bin für verschwommene Psycho-Theorien und esoterische Wunderkuren, und dass es mir eigentlich ganz gut geht - dass ich also nicht die richtige bin für einen Leidensbericht. Das hat sie nicht davon abhalten können, trotzdem meinen Text zu drucken (und mir ein nettes Honorar dafür zu zahlen), und als ich vor ein paar Tagen mit der Zunge zwischen den Zähnen mein Belegexemplar aus dem für Zeitungen leider viel zu kleinen Briefkasten gefruckelt habe, war ich begeistert zu lesen, dass direkt im Anschluss Tewes Wischmann zu Wort kommt und nicht etwa schon wieder den Quatsch erzählt, den man dauernd lesen muss, wir müssten eigentlich alle nur loslassen und dergleichen, sondern lauter vernünftige Sachen schreibt. Ein Foto von mir war zwar geplant, aber das sollte das Foto aus dem Buch werden, und das fand ich schon beim ersten Mal nicht so hübsch, also habe ich ihnen ein anderes von mir geschickt - das fanden nun aber sie scheinbar nicht so hübsch, und darum haben wir uns pragmatisch darauf geeinigt, dass es kein Foto gibt. Das war mir aber eigentlich auch lieber, denn während über mein Buch nur Menschen stolpern, die eigentlich keinen Anlass haben, sich über meinen Kinderwunsch das Maul zu zerreißen, weil sie selbst offensichtlich im gleichen Schlamassel stecken, kann in der Cosmo auch mal jemand über mich stolpern, der eigentlich nur auf seinen Zahnarzttermin wartet und mich sowieso noch nie leiden konnte, schon damals nicht, als er in Physik neben mir sitzen musste. Die Cosmo hat meinen Artikel aber nicht nur gewünscht fotolos gedruckt, sondern auch bis auf ein-zwei winzige Korrektürchen - alle abgesprochen - wie ich ihn geschrieben hatte. Ein dreifaches Hurra für die Cosmo! So finde ich das gut.

Die Emotion ist eine andere Geschichte: das war der Termin, zu dem auch Simone gebeten war, am Tag der großen Prinzessinnenglitzertraumhochzeit, und bei dem wir frisiert, geschminkt und stundenlang in prachtvoller Kulisse fotografiert wurden. (Natürlich habe ich Bammel, dass ich auf dem Foto, das ich noch nicht gesehen habe und wohl auch erst in der fertigen Zeitung sehen werde, erbärmlich aussehe und dann nicht nur erbärmlich aussehe, sondern erbärmlich nach 30 Minuten in den Händen einer Visagistin und von einem zauberhaften Profifotografen fotografiert, und weil ich ja grundsätzlich die Sabbel nicht halten kann, wissen das dann auch noch alle. "Emotion - jetzt ohne Models!" Genau.) Zu dem Gespräch waren außer Simone und mir noch zwei andere Abkürzungsdamen geladen, wir haben uns mindestens zwei Stunden lang um ein Diktiergerät versammelt und Fragen beantwortet, und daraus wurde dann ein Interview geschrieben, das wir vor ein paar Wochen dann per Mail zur Freigabe bekommen haben. Und ich hatte viel, viel zu ändern. Ich hoffe, dass das nun alles genau so im Heft stehen wird, wie ich will, und ich hoffe auf ein nettes Foto, und ich hoffe auf einen kleinen Infokasten, in dem genau so vernünftige Sachen stehen, wie sie Herr Wischmann geschrieben hat, und ich hoffe, dass das Ganze bald erscheint und dass niemand, der mich zwar kennt, aber nichts von den hormonellen Herausforderungen meines Lebens weiß, diese Zeitschrift kauft oder zufällig beim Zahnarzt findet. Ziemlich viele Hoffnungen für einen kleinen Artikel, die Chancen stehen also nicht schlecht, dass sich zumindest eine davon nicht erfüllt.

Außerdem habe ich zu berichten, dass eine sehr nette Kollegin jetzt schwanger ist. Aber die, die täglich zulegt, bin ich. Was will mir das sagen? Irgendjemand von der Psycho-Front zufällig hier, der eine Theorie parat hat?

Freitag, 17. Juni 2011

Mama mit 52 dagegen weniger.

Goddammit. Natürlich wollte ich es wissen nach der ersten verlorenen Runde Snood. Also gab es erst eine Revanche. Dann habe ich das umdefiniert zu "drei aus fünf". Und irgendwann habe ich mich am Kopf gekratzt und mir überlegt, es ist ja schließlich nicht die Frage, OB ich ein Kind bekomme, sondern WANN. Und die verlorenen Snood-Runden stehen für schiefgegangene Versuche. So dass das siebte gewonnene Spiel eben bedeutet, ich bin noch sieben Versuche von einem Treffer entfernt.
Ich stehe jetzt bei 15 verlorenen Versuchen. Meine Augen sind rot, meine Wangen hektisch gefleckt, ich trage immer noch mein Nachthemd und mache seltsame Knurr-und Fauchgeräusche. Die traurige Nachricht: ich habe wohl nicht nur ein Fruchtbarkeitsproblem, sondern auch einen Knall. Und auf dieses Kind werde ich vermutlich noch drei Jahre warten. Falls ich die nächste Runde gewinne. Wovon ja fest auszugehen ist.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Papa mit 41 klingt gut.

Vor einer Minute habe ich eine Runde Snood verloren. Snood ist dieses Spiel, bei dem man kleine runde Monster mit einer schwenkbaren Kanone gegen andere kleine runde Monster schießen muss, und sobald drei oder mehr der gleichen Sorte zusammen kleben bleiben, lösen sie sich auf. Von unten vernichte ich also Snoods, von oben wachsen ständig neue nach. Sind alle Snoods verschwunden, habe ich gewonnen. Beim letzten Spiel ging es um einiges. Um nicht zu sagen, um alles. Ich hatte mit zusammengebissenen Zähnen vor Start der Partie beschlossen, wenn ich es diesmal schaffe, dann klappt es mit dem Kind. Zum Glück hatte ich einen Logik-Kurs an der Uni und war darin noch nicht mal schlecht, so dass ich weiß, das heißt nun nicht zwangsläufig auch, dass ich KEIN Kind bekomme, wenn ich es NICHT schaffen sollte. Trotzdem.... die Vorzeichen scheinen schlecht zu stehen. Nun könnte ich es also eigentlich genau so gut lassen mit dem Hormonzirkus, Snood hat gesprochen. Ohnehin scheint ja der größte Teil der Menschen, die schon Kinder haben oder in deren Lebensplanung Kinder keine Rolle spielen, der Meinung zu sein, das wäre nun mal Schicksal, und unsere IVFs, ICSIs etc. wären ein ziemlich alberner und verbissener Versuch, der Vorsehung, die sich vermutlich etwas dabei gedacht hat, ins Handwerk zu pfuschen.

Aber trotz des Snood-Orakels pfusche ich wohl weiter. Einer der guten Gründe dafür heißt L. und hat heute Geburtstag. Darüber, was für eine Sorte Mama ich abgeben würde, kann man ja geteilter Meinung sein. Es wäre z.B. nicht ausgeschlossen, dass ich eines Tages von Edeka nach Hause komme und mein draußen am Fahrradständer angebundenes Kind vergessen habe. Sowas könnte passieren, vor allem, wo ich jetzt schon so lange kein Kind habe, dass ich es glatt vergessen könnte, wenn ich irgendwann eins hätte! Aus alter Gewohnheit. So, wie man kurz nachdem man seine Monatskarte beim HVV abgegeben hat, noch das eine oder andere Mal im Tran ohne Fahrkarte einsteigt, weil man sich abgewöhnt hat, vorher an den Automaten zu gehen. Es könnte auch passieren, dass meinem Kind auf dem Spielplatz sein Rosinenbrötchen aus der Hand auf die Wiese fällt, und ich es aufhebe, kurz anpuste und ihm wieder in die Hand drücke. Angesichts dessen, dass ich gestern einen Werbefilm gesehen habe, in dem vor Keimen auf Seife gewarnt wurde, ist das natürlich vollkommen daneben. HORRORMUTTER!

L. dagegen ist über jeden Zweifel erhaben. Ich weiß genau, L. wäre der Papa, der mit Sohn oder Tochter am Wochenende zum Fußball geht und sie oder ihn zwei Halbzeiten lang auf seinen Schultern sitzen lassen würde. L. würde mit einer Wolldecke überm Kopf durch das Haus krabbeln und so lange das Monster geben, bis das Kleine vor lauter Glück und Aufregung die Windeln randvoll hätte. Er würde Stöcke schnitzen, Butzen bauen und ihm zeigen, wie man Stockbrötchen backt. Er wäre nie länger als zwei Minuten wütend, und er würde es nur durch diesen gewissen Blick schaffen, dass er auch im dicksten Kindergeburtstagstrubel noch genug Ruhe bekäme, um die Sonntagszeitung zu lesen. Er würde ihm Fahrradfahren beibringen, und wenn er zugucken würde, würde die Wurst sich mit Sicherheit trauen, vom Dreier zu springen. Oder würdevoll unverrichteter Dinge wieder abzusteigen. Er würde mit ihr Bücher mit Dinosauriern drin angucken, ihr die Mütze aufsetzen und sie den ganzen Weg bis zum Kindergarten auf dem Schlitten ziehen. Er würde das toll machen und mit Sicherheit niemals vergessen, sie am Fahrradständer wieder einzusammeln. Und darum hat er außer den ganzen anderen Geburtstagsgeschenken mehr als verdient, dass Snood sich spätestens gleich bei der Revanche einsichtig zeigt.

Samstag, 11. Juni 2011

Beim Verzehr eines Mettbrötchens geschrieben

Es bestand weiß Gott nicht immer Anlass, mich bei Weight Watchers anzumelden und jeden Tag aufzuschreiben, was ich esse und wie viel. (Wobei mich das alles ein bisschen an meine Teeniezeit erinnert, als ich zwar täglich mindestens einmal Tagebuch geschrieben habe, aber ABSOLUT nichts passierte in meinem Leben, so dass ich eigentlich nur darüber berichten konnte, was es zu essen gab.)
Wer mich jetzt beim Anprobieren eines Badeanzugs in der Kabine in sarkastisches Lachen ausbrechen hört, sollte nicht denken, dass ich mal richtig, richtig dünn war. Und zwar über zwei Jahrzehnte lang! Ein paar Erinnerungen haben sich gehalten:

Ich weiß noch, dass ich mal auf einem Kindergeburtstag eine lange Wasserrutsche auf dem Bauch liegend runterrutschte und meine vorstehenden Hüftknochen bei jeder Schweißnaht "KaDONG. KaDONG." machten. Bis ich unten ankam, liefen mir die Tränen übers Gesicht, und ich war tagelang grün und blau.

Ich konnte mit zusammengedrückten Knien zwischen meinen Oberschenkeln einen Tischtennisball durchschieben, ohne dass er meine Beine berührte. Ungefähr zu dieser Zeit sagte Alex G., mit dem ich seit Jahren befreundet war und der an seinem ganzen blassen Körper mit Haaren und fiesen Pickeln bedeckt war, worüber niemand von uns jemals ein Wort verloren hätte, im Freibad zu mir, "Deine Beine sind ein Zustand."

Meine Kleider hatten normalerweise Größe 34, und kein anderes Mädchen an der Schule war so glücklich wie ich, als es irgendwann 1989 außer Bundfaltenjeans auch wieder Röhren gab. Sehr dünne Mädchen sehen in sehr weiten Hosen aus wie von den Zeugen Jehovas. Da war ich keine Ausnahme.

Als mein Bruder und ich richtig klein waren, war es so schwer, auch nur einen Bruchteil der erforderlichen Kalorien in uns reinzuzwängen, dass meine Mutter sich während der Sesamstraße zu uns auf den Wohnzimmerfußboden hockte und uns mit kleingeschnittenen Leberwurstbütterchen fütterte. Völlig hingerissen von Grobis und Kermits Abenteuern schluckten wir einfach alles runter. (Der Fernsehtrick funktioniert noch heute, oder hat schon mal eine von euch ordentlich am Tisch sitzend und ohne Ablenkung ein ganzes Pfund Pasta gegessen?)

Es war damals schon so, dass ich, wenn es mir schmeckte, essen konnte wie ein Bauarbeiter. Zu Weihnachten gab es damals bei uns Fondue, und mein Vater bekam jedes Jahr Zorn, wenn ich 30 Minuten nach dem Rest der Familie immer noch aß und keine Anstalten machte, aufzuhören. Es war nur so, dass mir so gut wie nichts schmeckte. Meine Mutter stellte sich jeden Tag nach der Arbeit in die Küche und kochte ein richtiges, echtes Mittagessen, oft mit mehreren Beilagen, und wenn ich dann nach Hause kam, maulte ich nur rum und schob das Essen so hin und her, dass der Teller möglichst leer aussah. Das hat sich geändert, aber gründlich. Inzwischen gibt es abgesehen von Tintenfisch so gut wie nichts, was ich nicht esse, und wenn ich nicht gerade esse, dann phantasiere ich über die nächste Mahlzeit. Auf meinem Nachttisch liegen im Moment zwei Kochbücher als Bettlektüre.

Irgendwann mit Anfang 20 hatte ich eine Rippenfellentzündung und zwei Wochen lang Fieber und nicht die geringste Lust auf Nahrungsaufnahme, weil schon atmen anstrengend und schmerzhaft war. Als ich danach zum Arzt ging, stellte der fest, dass ich jetzt noch 43 Kilo wiege und dringend zulegen muss. Dieses Grundlebensgefühl - ich muss zulegen - hielt sich noch mindestens acht Jahre. In diesen acht Jahren war ich vielleicht zwei mal auf der Waage und nahm an manchen Tagen drei warme Mahlzeiten zu mir. Ich konnte nie genug essen, in der Mensa holte ich mir sogar die übrig gebliebenen Kroketten von den Tabletts meiner Tischnachbarn. Ich bediente in einer Kneipe, in der meine Schicht bis halb zwölf ging, und nach Feierabend bestellte ich mir eine Portion Kässpätzle. Während ich mich weiter und weiter von den garstigen 43 Kilo entfernte und die Leute immer öfter das Thema wechselten, wenn ich erzählte, ich könnte ja essen und essen und wäre immer noch zu dünn, lebte ich weiter in dem Gefühl, ordentlich zulangen zu müssen. Es gab vermutlich eine kurze Phase, in der ich genau richtig war: nicht mehr zu dünn mit Hungerellenbogen und Hungerknien, aber auch noch nicht mit Bauch. Wie war das damals? Genau weiß ich es nicht mehr, denn das mit den Tagebüchern hatte ich dann irgendwann zum Glück gelassen. Aber ich weiß mit Sicherheit noch, dass diese Zeit von grotesken Fehlschlägen in meinem Liebesleben gekennzeichnet war, von mehr Langeweile und Ziellosigkeit und dem berechtigten Gefühl, mein Leben an dieser blöden Uni zu verschwenden.

Und jetzt sitze ich hier und plane meine Mahlzeiten in Punkten. Muss ich das verstehen? Vermutlich nicht.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Wunsch ist Wunsch

Aber ich wollte ja noch erklären, warum ein Kinderwunsch, der gar nicht so existentiell ist, trotzdem drängeln kann wie ein großer.
Es ist nämlich so, dass unser Kind keine große Lücke stopfen müsste. Es müsste nicht unsere Ehe retten, die kommt sehr gut ohne Retter aus. Es müsste auch keine Leere in meinem Leben füllen, ich weiß ja jetzt schon an vielen Tagen kaum noch, wie ich heiße. Auch keine innere Leere, danke der Nachfrage, liebe Zeitungstanten und -onkel. In meinem Inneren ist es so voll, dass ich oft genug nachts zwischen drei und halb sechs wach liege und versuche, mir irgendwie einen Weg zu bahnen durch das Gedränge. Es stimmt einfach nicht, dass L. und ich abends auf dem Sofa sitzen, zusammen einsam sind und uns bang fragen, ob uns nicht etwas Wichtiges fehlt? Etwas, ohne das alles andere eigentlich sinnlos ist? Und wer das Gegenteil behauptet, behauptet eben das Gegenteil und hat deshalb noch lange nicht Recht. Unser Kinderwunsch ist nur das, was er ist: der Wunsch nach einem Kind. Nicht nach mehr Sinn, mehr Beschäftigung, mehr Zusammenhalt, mehr Familie, mehr Leben oder irgendetwas anderem. Und genau deshalb ist er so schwer wegzuräumen. Würde ich mir einen anderen Beruf suchen, einen, der mich mehr fordert und in Anspruch nimmt, würde das nichts am Kinderwunsch ändern. Hätte ich plötzlich einen anderen Mann (schon beim Gedanken wird mir schlecht, aber hinschreiben kann ich es ja mal), wäre er immer noch da. Würde ich mich plötzlich wie eine amerikanische Society-Lady für die Belange von gefährdeten Tierarten, chronisch Kranken oder schützenswerten Gebäuden engagieren, das würde ihn alles nicht ankratzen. Mehr Beschäftigung, mehr Spaß, mehr Einsatz usw. würden alle nichts an ihm ändern. (Dass sie trotzdem ein schöner Trost sind, wenn es mal wieder schief gegangen ist, steht auf einem anderen Blatt.) Mein Wunsch nach einem Kind hat mit all dem nichts zu tun, nur mit sich selbst. Schöner Mist.

Donnerstag, 2. Juni 2011

Statt Postkarte

Gut, das Wanderwetter könnte besser sein. Weniger nass z.B., weniger grau und etwas wärmer. Und ich hätte diesen Magen-Darm-Virus einfach mal überspringen können. Aber ansonsten haben wir drei es herrlich auf unserer Hütte, und nachdem ich heute meine Frühstückssalzstangen schon mit etwas Butter essen werde, bin ich bis heute Abend vielleicht sogar schon wieder in Schnitzelform. Das sind doch Aussichten, für die es sich aufzustehen lohnt!

Damit noch mal zurück zu George R.R. Martin und American Apparel: ich kann versichern, dass ich von beiden leider kein Geld bekomme, wenn ich das Ergebnis ihrer Arbeit hier anpreise. Mit Tina Fey von 30Rock - genau das Gleiche. Ich habe diese Dinge deshalb gelobt, weil sie mir gerade großen Spaß machen und mich schön von der inzwischen sechsten Babypleite ablenken. Und da dachte ich mir, vielleicht verirrt sich hier ja zufällig eine hin, die ebenfalls Ablenkung von Babypleiten brauchen kann? Seht es also nicht als Schleichwerbung, sondern als Tipp unter Abkürzungsdamen. (ich habe die Bücher neulich zufällig entdeckt in einer Besprechung in einer uralten amerikanischen Zeitschrift. Die hätte auch im Altpapier landen können, das wäre schade gewesen. Und wie immer, wenn man so einen Zufallsfund macht, will man doch, dass möglichst alle davon erfahren? Ja, ich lese sie auf englisch, das ist nicht schwer, ind es gibt die ersten vier Bände im Schuber komplett für 20 Euro.)