Samstag, 28. Mai 2011

Achtung, dieser Post hat keinerlei Bezug zu Kinderwunsch oder Hormonen

Die Homonferien haben erst dann begonnen, wenn du nicht mehr an die Hormonklausuren und Hormonhausaufgaben denkst. Insofern war gestern der erste Tag der Hormonferien. Endlich.

Ich war bei American Apparel, weil es da war und es anfing zu schütten, und eigentlich war der Plan, mich mit abschätzigen Blicken zwischen den Kleiderständern herumzudrücken, entnervt zu fauchen und hochnäsig "Aua, mein Stilempfinden" murmelnd wieder zu gehen. Wer in den letzten 12 Monaten mal in dem Laden war, hat vermutlich genau wie ich gedacht: Nee nee nee, american apparel hat sie nicht mehr alle. Alles hängt voll mit Dingen, die schon beim ersten Mal schlimm waren, wir alle waren doch froh und dankbar, dass die 80er endlich vorbei und tot sind. Darum war niemand überraschter als ich, als ich eine halbe Stunde später mit einer Tüte am Arm den Laden verlassen habe. In der Tüte befand sich ein Jeansrock und ein Einteiler aus flatterigem Jeansstoff, ein trägerloser Overall mit Pumphosen, in dem ich aussehe wie fünf Kilo leichter. Jetzt brauche ich noch ein paar rote Schuhe mit Keilabsatz, dann kaufe ich mir ein olles Seidentuch, und wenn wir dann im Urlaub sind, dann verkleide ich mich abends am Pool als das Wesen aus einer amerikanischen Fernsehserie der 70er. Vielleicht fliege ich sogar in dem Ding?

Vor diesem Hormontraumurlaub liegt aber noch ein zweiter: ich genieße gerade die letzten Minuten himmlischer Ruhe. Denn gleich, wenn L. aufgewacht ist, fangen wir damit an, uns aufzubrezeln für die Hochzeit, auf die wir heute nachmittag gehen, und morgen früh, nach voraussichtlich drei Stunden Schlaf, breche ich mit Lili auf in den Schwarzwald, wo ich mit meinem ältesten Freund eine Woche wandern und Spätzle essen will. Nichts davon wird weight watchers erfahren, wenn ihr mich nicht verpetzt. Und diese Woche wird eine Woche Dauergeschnatter sein. Bergauf, Bergab, beim Essen, beim Kochen, beim Ausruhen, beim Lesen, beim Bewundern verschiedener Aussichten: Schnatter, schnatter, schnatter. Über Arbeit, über Politik, über Leute, die wir kennen, über Musik, über Essen, über noch mehr Essen, über unsere Spezialthemen und über Stadtklatsch. Ich freue mich auf eine Woche in Gesellschaft eines Menschen, in dessen Leben und Konversation Kinderwunsch nicht die allerallerallergeringste Rolle spielt.

Außerdem habe ich eine neue Buchreihe entdeckt, die meine Körperhygiene empfindlich beeinträchtigen, weil ich unter die Dusche die Bücher nicht mitnehmen kann: A Song of Ice and Fire von George R.R. Martin. Ein Blick auf die geschmacklosen Cover von Band 1 bis 4 reicht, und es ist klar, Ojemine, das ist ja Fantasy. Also ein Genre, dessen Zielgruppe vor allem aus dicken Trekkies besteht. Aber diese Bücher sind einfach großartig. Es gibt Intrigen, jede Menge Figuren, in die man sich sofort verliebt (und die leider trotzdem erbarmungslos und ohne Vorwarnung hingemetzelt werden wie die Fliegen), es ist allerschönster Schwartenstoff, und ich bin gerade erst mit Band 1 fertig geworden. Noch warten drei Bände auf mich, jeder davon ist so um die 1000 Seiten dick, und der fünfte erscheint Mitte Juli. In der Welt dieser Bücher wird es Winter. Ich freue mich halb doof darauf, in meinem 70s-Outfit bei 30 Grad im Schatten am Pool zu liegen und mich durch Schwarten zu wühlen, in denen es nur um Eis, Schnee, Wölfe, Berge, Wildnis, Schwerter und die klaftertiefen Gewölbe uralter Burgen geht.

Und wenn jetzt eine sagt, Jeansoveralls ohne Träger, Schundliteratur und Wandern, das ist doch alles nichts, dann würde ich ihr empfehlen, sich schnell die (gar nicht mal so teuren) ersten drei Staffeln von 30Rock auf DVD zu bestellen. Irgendwo in Staffel zwei habe ich einmal so lachen müssen, dass mir ein kleines Stück Schneidezahn abgebrochen ist. Wenn das nicht erstrebenswert ist, was dann?

Donnerstag, 26. Mai 2011

Die Hormondiktatur ist vorbei, es lebe der neue Diktator

Hurra: ich habe keine fettigen Enantone-Haare mehr, und wenn ich alle paar Tage meine Haarbürste enthaare, habe ich hinterher keinen Hamster in der Hand, sondern höchstens eine Hummel. Es reicht völlig, mir jeden zweiten Tag die Haare zu waschen, was fast ein bisschen schade ist, jetzt, wo ich mein fabelhaftes Pfefferminzshampoo endlich wiederhabe. Ich habe keine irren Stimmungsschwankungen mehr (sondern bin stattdessen durchgehend fabelhaft mies drauf, aber ich schwöre, ich habe Gründe! Und sie haben nicht mit Kindern oder keinen Kindern zu tun!), mein letzter Pickel war irgendwann Weihnachten, und das letzte Mal, dass ich etwas in mich reingestochen habe, wollte ich Obstsalat machen, keinen Eisprung. Die Hormone sind weg. Ich nehme jeden Abend die Pille, und es ist gut. (Bin ich eigentlich die einzige, die es merkwürdig findet, so viele Anti-Schwangerschafts-Hormone zu nehmen, weil sie schwanger werden will? Pillchen hier, Enantönchen da...)

Ich hab ihnen hinterhergewunken, den Hormonen, meine Tränchen getrocknet, das Taschentuch in die Wäsche geworfen und bin auf die Waage gestiegen.
Aua.

Liebe Abkürzungsdamen, ich weiß, es wäre viel schöner, wenn das hier der Sommer der Exzesse werden würde. Wenn ich es jetzt krachen lassen würde mit allem, was dazu gehört, und hinterher schwanger werden würde. Das würde irgendwas beweisen, was, weiß ich auch nicht so genau, aber etwas, woran ich gerne glauben würde. Und vielleicht würde es ja auch klappen. Aber fürs Erste habe ich mich zum zweiten Mal im Leben bei weightwatchers online angemeldet, und jeden zweiten Tag renne ich durch die Kleingärten, die widerborstige Lili im Schlepptau. Ich weiß, ich weiß. Weightwatchers, das sind die, die dieses eklige Fertigessen in die Kühlregale stellen, so dass weniger Platz für Stinkebrie und Leberpastete bleibt. Und obwohl ich in den ersten Tagen wie beim letzten Mal noch ganz eifrig jeden Punkt eingetragen habe, jedes Schlückchen Milch im Tee, jede Scheibe Weißbrot vor der Pasta beim Italiener in der Mittagspause, (ich bin die, die auch immer am Anfang vom neuen Schulheft noch ganz ordentlich mit Lineal die Überschrift unterstrichen hat. Aber DANN!) werde ich das schnell wieder bleiben lassen. Ich hoffe, es funktioniert trotzdem so wie letztes Mal: ein paar Wochen lang werde ich zwar nicht unbedingt weniger essen, aber mehr darüber nachdenken, was ich esse, und wenn ich dann drüber nachgedacht und mich erschrocken habe (leider, leider immer erst hinterher, vorher kann ich nicht), dann fange ich an, zu rennen und Treppen zu steigen, die ich gar nicht hoch muss, um wieder mit meinem Punktestand ins Reine zu kommen, und am Ende nehme ich ab. Trotz Mittagspausenitaliener, Feierabendwein(en), Weißbrot und unendlich vielen Punkten. (Gestern waren es z.B. 72. Erlaubt sind 29. Wer hätte gedacht, dass ein Royal TS... egal. Zu spät.) Man könnte sagen, ich verschleudere für WW jeden Monat 15 Euro, die ich doch lieber in Hormone investieren sollte. Ein nicht besonders pfiffig gestaltetes und geschriebenes Onlineportal redet mir in den Bereich meines Lebens rein, in den ich mir von niemandem reinreden lasse, und ich gebe ihm Geld dafür. Aber erstens lasse ich es schön reden, soll es doch seine blöden zuckerfreien Marmeladen und seine fettfreien käseähnlichen Platten selbst essen. Und ich schwöre, so lange ich das Geld bezahle, nehme ich ab.

Außerdem ist mir heute ein beunruhigender Gedanke gekommen: könnte es sein, dass mir mein unerfüllter Kinderwunsch gerade so viel ausmacht, weil es mir auch ohne Kind so gut geht? Ich glaube, das muss ich erklären. Aber jetzt bin ich fertig. Liebe Damen, ich habe in den letzten vier Tagen ungefähr 60 Stunden gearbeitet, und jetzt ist die Quasselbude dicht.

Mittwoch, 25. Mai 2011

Wir sind noch lange nicht da

Manchmal habe ich das Gefühl, mein ganzes Leben besteht darin, falsche Eindrücke zu vermitteln. Teilweise mit lustigen, aber katastrophalen Folgen. Leute denken, ich würde irgend etwas so und so meinen, wenn ich es in Wahrheit genau so nicht meine bzw. gerade gar nichts meine, sondern hier nur sitze und Zeitung lese. Ob sich irgendwelche Irren von mir beobachtet und angeflirtet fühlen, Wildfremde mich in der Bahn an meinem starr hochgehaltenen Buch vorbei mit ihren Lebensgeschichten vollpellen oder irgendwelche Frauen mich anbrüllen, die Finger von ihrem Verlobten zu lassen – ich schaffe es nur selten, jedem Beteiligten deutlich zu machen, wie was gerade gemeint ist. Liegt es an mangelhafter Körperbeherrschung? Daran, dass mein Gesichtsausdruck oft nicht zur Situation passt, weil mir gerade irgend etwas durch das Fusselhirn schießt und ich kichern oder schmollen muss, wenn Kichern und Schmollen nicht angesagt sind?

Wie auch immer. Aus dem normalen Leben kenne ich das schon. Aus dem schriftlichen bisher nicht, da habe ich es bisher immer geschafft, zumindest grob klar zu machen, was ich will und was nicht. Weshalb es Menschen gibt, mit denen ich aus gutem Grund nur noch schriftlich verkehre.

Jetzt allerdings scheine ich den Eindruck vermittelt zu haben, die Schnauze vom Hormonzirkus voll zu haben und mich in Zukunft mit Druck um eine Adoption kümmern zu wollen.

Liebe Abkürzungsdamen, will ich nicht! Bzw. ja, ich würde gern in die große Genwundertüte greifen und ein Kind adoptieren, aber ich weiß, dass das nicht so einfach ist, und ich werde auf keinen Fall jetzt schon hinschmeißen. Nach lächerlichen drei IVFs, drei Kryos und ca. 80 Spritzen – PAH!

Übrigens habe ich einen Plan, wie ich meinem Vater, der es ja nur gut meint, das nächtliche Zähneknirschen wegen seiner unverlangten Adoptionsberatung heimzahlen kann: wir adoptieren ein Baby aus Afrika und einen kleinen Eskimo, und wenn wir dann mit den beiden zum ersten Mal zuhause auflaufen – als große Überraschung – sage ich einfach nur faszinierend geheimnisvoll, dass L. und ich eine offene Ehe führen. Ich finde, dann sind wir quitt.

Montag, 23. Mai 2011

Heimatliche Gefühle

Die kleine Wurst hat geringelte Söckchen und eine Latzhose an und robbt die ganze Strecke zwischen Frankfurt und Hamburg durch den Gang neben meinem Abteil. Jedes Mal, wenn sie an mir vorbeikommt, merke ich, wie sie mich anstrahlt, und muss kurz über mein Buch weggucken. Und dann kräht sie eine Minute lang vor Freude, dass sie die fremde Tante aus ihrem Versteck gelockt hat, und fällt auf ihren dicken windelknisternden Hintern.

Blöde kleine Wurst. Und dabei hatten die Kollegen so schön vorgelegt: das Mädchen in der Glitzerleggins, das geheult hat, weil es seiner Schwester Chips abgeben sollte. Die zwei Vierzehnjährigen, die mangels Kopfhörer ihren Scheiß-Vin-Diesel-Film auf dem Laptop so laut gucken, dass wir das alle hören müssen. Das so breite wie hohe Baby, das so fürchterlich gebrüllt hat und dabei diese blubbernde Rotzekugel im linken Nasenloch hatte. Meine Welt war gerade schön heile. Und dann kommst Du und verdirbst mir den ganzen Spaß.

Außerdem habe ich am sehr netten Wochenende (mit Freundin Klärchen zu Besuch bei meinen Eltern, die uns 48 Stunden lang empfangen und bedient haben wie die Drohnen), für das ich ansonsten auch sehr dankbar bin, wieder mal den Minivortrag von meinem Vater zu hören bekommen, dass es nicht gut wäre, ein Kind zu adoptieren, denn da würde man (nicht wörtlich, sondern sinngemäß) in die Genwundertüte greifen und meistens nichts Gutes ziehen. Aha. Ja nun. Und dann? Leihmutterschaft, findet mein Vater. Und ich schlucke und fühle mich auf einmal, als hätte ich viel zu viele Chips ganz alleine gegessen. Ich muss ihn dringend anrufen und mit ihm sprechen, statt ihn hier im Internet zu verpetzen. Das tue ich auch noch ganz bestimmt. Nur nicht heute, denn dann denkt er, dieses blöde Gespräch wäre wichtiger als der schöne Rest des Wochenendes, was es nicht ist.

Ach, es ist ein Kreuz. Wieso bleibt sowas bei mir kleben, und nicht, dass er wieder mal gesagt hat, sie würden uns jederzeit Geld dazugeben, bevor die Behandlung daran scheitert, und vermutlich würde es ja auch so irgendwann klappen, und er wünscht mir viel Glück? Nachwirkungen der Hormonwut vermutlich. Oder ich bin einfach sehr negativ und undankbar. Und die Frage bleibt, wie viel ich eigentlich noch auf die Hormone schieben will.

Donnerstag, 19. Mai 2011

Trotz Hormonspeck bin ich immer noch nicht schwer genug, um so auf meinen Händen zu sitzen, dass ich mich vom Posten und Geifern abhalten kann

Gestern Abend, heute journal (oder irgend so etwas abgeschwächt nachrichtenartiges im ZDF). Da sind wir wieder: L. und ich auf der Couch und die Unfruchtbaren in den Medien. Ein Paar ist in Tschechien und lässt sich eine gespendete Eizelle einpflanzen. Drei, um genau zu sein. Und auf einmal bin ich auf 180. "Das machen die mit Absicht!" L. ist verwirrt. "Was denn genau?"
"Die sagen mit Absicht, dass die Frau 44 ist. Dann denken schon mal ganz viele Leute, muss das denn sein? Und wieso sagen die nicht, wie alt der Mann ist? Und wieso erzählen die uns, dass die beiden sich die Augenfarbe aussuchen können? Und warum ziehen sie der Frau aus der Nase, sie hätte sich noch keine Gedanken gemacht, was mit den anderen befruchteten Eizellen passiert? Die tun so, als würden sie teilnahmsvoll und betulich berichten, aber in Wahrheit ist das reiner Meinungsradau!" Schaum kommt aus meinem Mund. L. sagt, "Och wieso, man sieht das doch und wünscht ihr, das sie schwanger wird?"
"Jahaaa, du! Und vielleicht noch ein paar andere! Der Rest sitzt doch kopfschüttelnd vorm Fernseher und murmelt, dass man das alles verbieten müsste! Das ist eine Riesensauerei!"

Und das ist der Grund, liebe Abkürzungsdamen, warum ich im Moment kein Umgang für euch bin. Ich dachte, die Wut ist vorbei. Ist sie aber scheinbar noch lange nicht. Diese geifernde Ziege will ich euch nicht zumuten. Erst muss die geifernde Ziege sich ein paar hübsche Gänseblümchen in den Ziegenbart flechten. Dann vielleicht wieder.

Außerdem ist nun endlich die Juni-Cosmopolitan draußen, nachdem ich seit Tagen dauernd Kioske betrete und sie unverrichteter Dinge verlegen irgendwas murmelnd wieder verlasse. Und der Text ist nicht drin. Meinungsradau! Riesensauerei! Ich mache jetzt den Rechner zu, und dann setze ich mich wohl drauf. Ist besser so.

Dienstag, 17. Mai 2011

Es ist kaum zu fassen, aber sogar ich kann manchmal die Klappe halten

Liebe Abkürzungsdamen, natürlich kann ich verstehen, dass viele gerne weiter den fabelhaften Blog von SchokoNL lesen würden und mich jetzt beharken, ob ich ihnen nicht das Passwort verraten kann, bittebitte?

Aber leider wird daraus nichts. Denn ich hab Schoko versprochen, dichtzuhalten, und würde auch sonst nicht anderer Leute Passwörter ausplappern. Es geht ihr gut, macht euch keine Sorgen! Sie lebt fröhlich und putzmunter vor sich hin, nur eben jetzt etwas verschwiegener.

So. Damit zurück zum passwortfreien Kanal. Hier hat sich in den letzten Tagen wenig mit Kinderwunsch getan, dafür einiges mit Kinderwut. Ich war jetzt ungefähr sechs Tage lang stinksauer. Auf meinen Bauch, der einfach nicht so will wie ich, auf das Internet, das überhaupt nichts dafür kann, auf den blöden Spielplatz, den ich jedes Mal sehe, wenn ich aus dem Fenster gucke, auf diese wunderschöne Hütte in der wunderlangweiligen Vorstadt, die nur dafür gemacht zu sein scheint, mindestens drei Kinder aufzunehmen, auf Zeitungsartikel zu PID, IVF, ICSI und anderen Abkürzungsthemen von alten Männern, die sich ja scheinbar noch nie gefragt haben, ob das wirklich sein muss, dass sie zu allem ihren angetrockneten Senf geben müssen, auf Kunden, auf Lili, auf das Wetter, auf alle. Und jetzt ist es auch mal wieder gut. Wütend sein ist anstrengend, und nach sechs Tagen habe ich so eine Art Muskelkater, aber nicht die gute Sorte. Und ich habe beschlossen, ab jetzt die Pause zu genießen und mich an meinem Bauch nicht zu rächen, sondern nett zu ihm zu sein. Mit Laufen gehen, frischer Luft, Yoga, gutem Essen und dem einen oder anderen Stündchen auf der Couch mit einem Buch. Von der Wut wollte ich euch ein bisschen verschonen, deshalb herrschte ein paar Tage lang weitgehend Funkstille. Aber nun beruhige ich mich mal wieder, genug geflucht. Darauf einen schönen Tee aus der Captain Haddock-Tasse.

Freitag, 13. Mai 2011

Kommt mir jetzt nicht mit "Im Einklang mit deinem Körper"

Vor fast dreißig Jahren hat mein Bauch mir mal einen netten Sommerferientag ruiniert, als ich plötzlich spucken musste, während meine Cousine und ich uns gerade zum Spaß mit matschigen Pfirsichen beworfen haben. Und noch mal ein halbes Jahr später hat er mich blamiert, als mir auf einer Kinderfaschingsparty, inwändig komplett ausgekleidet mit Mohrenköpfen, Würstchen, Chips, Smarties, Törtchen und Brausepulver, aus unerfindlichen Gründen schlecht wurde, die Toilette besetzt war und mir nur noch übrig blieb, das Dach der Fisher-Price-Schule im Kinderzimmer aufzuklappen und umzudekorieren. Da wurde ich nie wieder eingeladen. Danke, Bauch.

Dann ist ziemlich viel Zeit vergangen, in der mein Bauch und ich friedlich nebeneinander herlebten. Bis vor ein paar Jahren der Ärger anfing. Seitdem hat mein Bauch...

- mir bisher zehn Vollnarkosen und ungefähr doppelt so viele Narben beschert, von denen die meisten nicht sexy sind
- mich mit drei IVFs und drei Kryos eine nicht mehr zu beziffernde Menge an Zeit, Geld und Nerven gekostet
- bisher trotz mehrfacher höflicher Aufforderung kein einziges Kind ausgespuckt
- mir durch Querschläge aller Art drei Urlaube gestrichen sowie ein komplettes Weihnachtsfest bei meiner Familie
- mich davon abgehalten, ungefähr tausend Dinge zu tun, zu essen, zu trinken oder zu genießen

Dazu kommt noch, dass ich inzwischen, wenn ich meine Tage habe, was ja in den letzten Jahren häufiger vorkam als zu hoffen und wünschen gewesen wäre, sie immer für ca. zehn Tage habe, wobei die Regelschmerzen wegen der Endometriose mindestens zwei Wochen dauern. UND ich darf auf ärztlichen Befehl hin keine Tampons mehr benutzen. UND ich blute so dermaßen heftig, dass ich mir trotz der dicksten Binden mit den 18 Tropfensymbolen auf der Packung schon mehr Kleidungsstücke ruiniert habe, als ich mir nicht ruiniert habe - einige davon hatte ich gern genug, um sie zu bügeln und immer auf Bügel zu hängen.

Um es kurz zu machen und mich nicht zu lange bei diesem Ekelthema aufzuhalten, ich finde, ich habe einen gut bei meinem Bauch.

Als vor ein paar Tagen klar war, dass ich meine schönen bunten Kinderträume wieder mal einmotten kann wie andere Leute die Winterjacken im Frühling, habe ich meinen Kalender vorgeholt, um den Beginn der Periode einzutragen. Und bei der Gelegenheit fiel mein Blick auf den mit Rotstift geschriebenen Countdown, der seit Januar auf jeder Seite meines Kalenders die Tage abzählt. Die Tage bis zum magischen Datum Anfang Juli, wenn ich mit meinen Freundinnen ein Flugzeug besteige und zehn selige Tage in und an einem Pool rumlümmeln werde. Auf diesen stinkfaulen Urlaub freue ich mich jetzt schon so lange, dass ich manchmal Angst davor habe, was passiert, wenn er vorbei ist. Und bei den letzten beiden Befruchtungspleiten war der Gedanke an diesen Urlaub immer mit mein größter und wirkungsvollster Trost.
Ich saß also da mit meinem Kalender. Und auf einmal dachte ich, warte mal. Und nach dreißig Sekunden Mathematik für Anfänger war klar, ich würde diesen kompletten Urlaub lang meine Periode haben. Ich würde dank Tamponverbot auf keinen Fall schwimmen können, sondern mit einer auf acht Meter Entfernung sichtbaren Matratze in der Bikinihose neben dem Pool liegen, bei 32°, und wenn mir heiß wäre oder ich Lust auf Wasser hätte, könnte ich ja einen Schluck Volvic nehmen oder duschen gehen. Und auf einmal hatte ich Zorn. Ich mache solche Urlaube nicht ständig, auf diesen habe ich jetzt drei Jahre gewartet. Ganz zu schweigen davon, dass ich in so ziemlich jedem Urlaub in den letzten Jahren meine Tage hatte - in keinem bisher hat es weniger gepasst.

Und deshalb machen wir es jetzt folgendermaßen. Mag ja sein, dass jetzt die Hormonferien für meinen Bauch beginnen sollten. Acht Wochen ohne das klitzekleinste Hormönchen, und dann frisch und gestärkt in den ersten Stimulationsfreien Zyklus. Mag auch sein, dass es gut und sinnvoll wäre, meinen Bauch bluten zu lassen, wenn er bluten will. Aber ich habe die Faxen gerade dicke. Deshalb habe ich mit meiner Ärztin telefoniert, und ich werde die Pille durchnehmen, bis wir weitermachen. Drei Jahre lang war mein Bauch am Ruder. Jetzt darf ich mal wieder. Ich werde ansonsten für ihn tun, was ich kann. Ich werde wieder richtig laufen gehen, ein bisschen abnehmen, trotzdem gut essen, vielleicht sogar zum Yoga. Ich werde noch ganz oft vernünftig sein, wenn ich gerne unvernünftig wäre. Aber für die nächsten Wochen ist auf Hormonpause gepfiffen. Und ich will keinen Mucks hören von da unten. Artig sein jetzt! Immer-noch-nicht-Mami ist sehr, sehr böse.
(Wir üben das noch. Aber inzwischen zeichnet sich ab, bis mal eine Mücke groß genug sein wird, um mich zu verstehen, könnte es noch ein klitzekleines Bisschen dauern.)

Mittwoch, 11. Mai 2011

Der Trick mit dem Test

Wenn du nicht sicher bist, ob dein Freund gerade etwas mit einer anderen anfängt, aber gerne Bescheid wüsstest, dann kauf ihm jetzt schon mal ein wahnsinnig schwer zu beschaffendes, teures und einfühlsames Geschenk für seinen Geburtstag in ein paar Wochen. Zwei Tage später wirst du ihn an einer Bushaltestelle engumschlungen mit einer anderen sehen und wissen, was los ist, ob es dir gefällt oder nicht. Wenn dir die Warterei auf den Bus im Schneematsch zu lange dauert, dann krame deine letzte Zigarette raus (jaja, ich weiß, früher jedenfalls, denk an früher, vor dem Hormonterz und bevor wir uns Gedanken um solchen Quatsch wie Alufolie gemacht haben und ab und zu wahr und wahrhaftig eine Zigarette geraucht haben) und zünde sie an, und es wird keine 60 Sekunden dauern, bis er da ist.

Und wenn du findest, Mücke könnte sich nach 60 Stunden hin und her und dann noch mal einem Tag ein bisschen Blut, kein Blut, ein bisschen Blut, kein Blut usw. mal entscheiden und dich nicht bis Donnerstag hinhalten, dann flitze schnell rüber in die Apotheke gegenüber und kauf dir den teuersten Schwangerschaftstest, den sie haben. Schließlich bezahlt mich die Agentur nicht dafür, alle zehn Minuten aufs Klo zu gehen. Und ich bezahle mein Gehirn nicht dafür (wenn ich es bezahlen würde), mich in den Wahnsinn zu treiben.
Fünf Minuten sollte ich eigentlich auf den Test starren und auf einen oder zwei Streifen warten. Nach zwei Minuten kam Mücke mir entgegen. Und jetzt ist wirklich alles klar.

Ich weiß, ich weiß. Diesmal standen die Chancen von Anfang an schlecht. Schlechter Zyklus, schlechte Zellen, dann auch noch nur eine davon - und ich hab so viel, auf das ich mich gerade freuen kann. Ende Mai gehen wir wandern, und ich kann Berge hochklettern, bis meine Knie knacken, und mich oben in der Hütte mit einem Bierchen dafür belohnen, statt lahmarschig in Sonntagsspaziergangstempo im Tal zu bleiben und abends Fenchel-Anis-Kümmeltee zu trinken, bevor ich um neun zu Bett gehe. Dann kommt der Sommerurlaub mit den Mädchen, jeden Abend werde ich komisches Meeresgetier essen können, und ich habe jetzt schon das Klirren der Eiswürfel in meinem Roséglas im Ohr, während ich im Sonnenuntergang auf einem aufblasbaren Dings über den Pool treibe wie die Biene Maja im Abspann. Das weiß ich ja alles, schließlich war das mein Mantra in den letzten Tagen und Wochen. Aber ich merke, dass ein Teil von mir - der abergläubische, irre faselnde Großmutter-Teil - dachte, genau deshalb - weil du gar nicht richtig dran glaubst und überhaupt nicht damit rechnest und es der blödeste Zeitpunkt seit langem wäre - deshalb wird es diesmal klappen.

(Dieser Teil hat in den letzten Tagen klammheimlich mehr und mehr die Macht übernommen und lässt sich jetzt nur schwer zurückdrängen. Vor zwei Tagen hat er mich z.B. dazu gebracht, eine wirklich widerliche Spinne im Bad nicht einzusaugen, den Staubsauger in den Keller zu tragen und die Kellertür gut abzuschließen, sondern das Viech mit einer Tasse und einer Postkarte einzusammeln und mit gesträubtem Nackenhaar auf den Balkon zu tragen, wo ich das Arrangement noch ein paar mal gut durchgeschüttelt habe, um das Biest zu verwirren und von einem Sofortangriff abzuhalten, dann die Tasse weggenommen habe und schreiend ins Haus gerannt bin. Und dazu dachte die wirre Großmutter in mir, jetzt habe ich die Spinne leben gelassen, die ja nicht wissen konnte, dass sie gerade die Dusche eines Phobikers und damit die Todeszone betritt, und im Tausch für dieses haarige, achtbeinige Leben darf ich doch bitte Mücke behalten? Bitte? Und ist es eigentlich in Ordnung, einen achtzeiligen Absatz in Klammern einzufassen?)

Gut, Mücke ist weg. Jetzt muss ich nur noch die Großmutter loswerden.

Dienstag, 10. Mai 2011

Selbstversuch: Wie viel Kinderwunschquatsch passt in 60 Stunden?

Samstag, 19:30. Nach tagelanger Schufterei klappe ich meinen Rechner in der Stadt zu und steige in die Bahn nach Hause. Zuhause mache ich noch einen Schwenk durch Edeka und kaufe zwei riesige Beutel Eiswürfel, damit die Gäste von L. und L. selbst meinen leckeren pinken Öko-Prosecco auch schön kalt trinken können. Schließlich haben wir Kinderwunsch-Tanten jahrelang Übung im anderen-alles-gönnen, auch wenn man selbst leider gerade Pech hat. Für mich wird das ein Apfelschorlenabend, und ich freu mich schon darauf, morgen frisch wie ein Apfel um neun aus dem Bett zu hüpfen und pfeifend mit Lili spazierenzugehen, während L. sein struppiges Katerchen krault.

Samstag, 21:00. Es sieht so aus, als würde der Abend doch so ganz, ganz anders laufen. Denn als ich nichts Böses denkend aufs Klo gehe, ist klar: das war’s. So ungefähr eine Espressotasse voll Blut (entschuldigung, aber so war es) kommt auf Anhieb, das ist nicht falsch zu verstehen. Ich berappel mich noch ein paar Minütchen, wo ich gerade bin, bis einer der Gäste sich vor der Tür bemerkbar macht. Ja nun. Schnell ein bisschen Puder ins Gesicht, die Wimpern nachgetuscht (hätte ich das geahnt, hätte ich heute Morgen wasserfeste genommen) und wieder rein. Ich stehe mit L. zehn Minuten im Garten und lasse mich trösten, dann beschließt L., dass unter diesen Umständen Wein trinken auf jeden Fall ok ist.

Samstag, 23:00. Man sollte nie hungrig einkaufen gehen. Und nie traurig eine fast unbegrenzte Menge eiskalten Lieblingswein zur Verfügung haben sowie Menschen um sich herum, die einem nachschenken. Ich bin sternhagelvoll. L. sagt zwar am nächsten Tag, so schlimm war’s nicht, aber ich glaube doch, so schlimm war’s. Sogar zwei Zigaretten rauche ich. Mittlerweile bin ich schon wieder eine matratzenartige Binde weiter. Dachte ich, diesmal wäre es nicht so schlimm, weil ich eh nicht mit viel gerechnet habe und ich gerade so viel Schönes vor habe? Dachte ich. Vielleicht dauert es auch nur noch ein paar Stunden, bis diese altbewährten Trostmechanismen einsetzen. Immerhin schaffe ich es, trotz Rosé in Mengen nicht die anwesenden Damen (die allermeisten mit mehreren Kindern) mit meinem Hormonblues zu bepellen.

Sonntag, 9:00. Oh Gott. Oh Gott. So mies ging es mir selten. Das ist nicht nur ein Kater, das ist eine ausgewachsene Migräne. Und in weniger als zwei Stunden sollte ich wieder in der Agentur sein. So fürchterliche Zeiten sind es nämlich gerade. L. lacht mich aus, packt seine Sachen und macht sich bereit für zwei Tage in Berlin auf dem Theatertreffen, zu denen ich eigentlich mitsollte und wollte, aber jetzt nicht kann, weil ich immer nur arbeiten darf. Und bluten. Und spucken. Und arbeiten. Und mir irgendwelchen Kram spritzen. Und arbeiten. Ich tue mir selbst so leid, dass ich mir gerne eine knallen würde, wenn mir nur der Kopf nicht so weh täte.

Sonntag, 13:00. Agentur mit Lili. Es ist ein Elend. Ich kralle mich an der Tastatur meines Rechners fest und versuche, nicht zum achten Mal an diesem grässlichen Tag zu spucken. Draußen vor dem Fenster hört man das fröhliche Geplapper von Menschen, die heute nicht arbeiten müssen, sondern sich zum Brunchen treffen.

Sonntag, 15:00. Endlich zuhause. Noch ein paar kleine Korrekturen im Liegen, dann darf ich den Laden dicht machen. Spucken muss ich leider weiter. Zum letzten Mal so gegen zehn, dann falle ich ins Bett und schaffe es gerade noch so, den Wecker für morgen zu stellen.

Montag, 13:00. Irgendwas... fehlt. Mit meinem migränevernebelten Schädel brauche ich heute für alles ein bisschen länger, aber auch so komme ich irgendwann drauf: ich hab seit gestern Abend, zehn Uhr, nicht mehr geblutet. Und das mir, wo ich sonst mit einer Periode locker anderthalb Päckchen dicke Binden verbrauche. Da stimmt was nicht. War das am Ende doch nicht...? Aber das kann nicht sein, das war keine Schmierblutung, das war richtig, richtig viel. Panisch rufe ich meine Ärztin an, die Sprechstundenhilfe ruft zurück und hat diesen mütterlichen, leicht süffisanten Beruhigungston, den sie vermutlich auch benutzt, um einer 14jährigen Patientin zu erklären, dass man vom Knutschen nicht schwanger wird. Sie sagt (was ich schon zwanzigmal gelesen hatte, aber aus dem Mund einer Arztpraxisangestellten klingt es doch noch mal besser) dass ich mir keine Gedanken machen, weiter meine Medikamente nehmen und Donnerstag zum Test gehen soll. Und sie sagt, egal, wie verheerend das am Samstag Abend war, vermutlich hat es nicht viel ausgemacht, und wenn ich jetzt schwanger bin, ist alles in Ordnung, denn sonst würde Mücke sich jetzt verziehen. Ich rufe L. an. L. sagt, ich soll mich wieder einkriegen und bloß nicht jetzt schon wieder glauben, ich wäre schwanger.

Montag, 20:00 heute habe ich schätzungsweise 15% des Tages auf dem Klo verbracht. Bisher noch nichts. Ich erwische mich schon wieder dabei, die Hand auf meinen Bauch zu legen und mir Namen zu überlegen. Ich erwische mich sogar bei einem Tagtraum, in dem ich erfahre, es wird ein Junge, und ein bisschen enttäuscht bin. L. hat Recht, ich habe sie nicht alle. Und zwischen all dem und den Nachbeben der Migräne bin ich vollkommen fertig und am Boden zerstört, dass ich vielleicht zu voreilig am Samstag reingehauen habe und vielleicht ja doch wirklich, richtig, ernsthaft schwanger war und es jetzt doch nicht mehr sein werde, und wer weiß, vielleicht jetzt nie wieder schwanger werde, und das wäre meine Chance gewesen und ich hab sie... Stop. Bis hierher und nicht weiter.

Montag, 22:00 eigentlich bin ich hundemüde, aber ich kann nicht schlafen. Warum tut mein Bauch sowas? Ich schwöre, ich hab mir dieses Blut nicht schlimmgedacht, um auch was Nettes trinken zu können. Das war alles so wie immer: die Schmerzen, das Blut, die Menge, alles. Reichen die anderen Tricks meines Bauchs denn nicht, muss jetzt noch eine Phantom-Tante-Rosa dazukommen? Das ist wirklich ein mieser, mieser Scherz.

Dienstag, 7:00. Hellrosa Schmiere. Können wir uns diesen Affentanz nicht sparen und schnell auf Donnerstag vorspulen? Bitte.

Sonntag, 8. Mai 2011

Tag 1 ohne Mücke.

Das war's mal wieder. Gestern Abend, rücksichtsvollerweise VOR der Party mit L.s alten Freunden, habe ich meine Tage bekommen.

Aua.

Jetzt schlafen.

Freitag, 6. Mai 2011

Tag 7 mit Mücke.

Das Meeting geht seit zwanzig Minuten seinen öden Gang. Jemand malt mit einem quietschenden Stift eine Wolke auf ein Flipchart. Da klingelt mein Telefon, ich entschuldige mich, hüpfe schnell nach draußen und bin fünf Minuten später wieder da: „Meine Herren, das müssen wir leider später besprechen, weg mit dieser ohnehin eiskalten Kaffeeplörre, jetzt wird gefeiert! Champagner!“ Mit diesen Worten setzt Musik von Herb Alpert und der Tijuana Brass Band ein, und sieben Pagen tragen Tabletts mit Eisbomben herein, in die brennende Wunderkerzen gesteckt sind.
Gerade habe ich erfahren, dass ich am Tag des Tests den kompletten Nachmittag in der schlimmsten Sorte Kundenmeeting sitzen werde.
Mir ist schlecht. Vielleicht ja deshalb? Ansonsten ist alles wie gestern: wäre das mein erster Zyklus, dann wäre jetzt Gedankenkirmes, aber nach der Fehlgeburt bin ich inzwischen so weit, dass noch nicht mal ein positiver Test viel sagen würde – erfolgreiche Geburt eines gesunden Babys als erstes wirklich zuverlässiges Schwangerschaftszeichen, das ist mies.

Ansonsten grusele ich mich über die vielen Venenkommentare, preise in Gedanken die Sprechstundenhilfen und Anästhesisten meines Lebens in den höchsten Tönen für ihre meisterhafte Blutabnehmerei und die Fähigkeit, Kanülen zielsicher dahin zu schieben, wo sie hingehören, und schufte mir den Buckel krumm, denn außerhalb des Hormonkosmos ist gerade auch eine Menge los. Ansonsten kein Blut, noch drei Tage, bis ich meine Tage kriegen müsste, also noch anderthalb Tage bis Regelschmerzen, und noch sechs Tage bis zum Test.

Donnerstag, 5. Mai 2011

Tag 6 mit Mücke

Auch wenn Daphne aus der Jagd vorgestern unverletzt entkommen konnte, humpelt jetzt Lili. Welche Sorte Kaninchen ist das eigentlich?

Außerdem ist mir schlecht. Welche Sorte Kryozyklus ist das eigentlich?
Wäre das mein erster, würde ich jetzt fiepig werden oder wahlweise dauernd so erfüllt von geheimem weiblichem Wissen in mich reinschmunzeln, dass L. mit Recht Lust bekäme, mir eine zu scheuern. Es ist aber nicht mein erster, und deshalb weiß ich, dass auch nach tagelanger Übelkeit, komischem Geruchsempfinden, merkwürdigen Anwandlungen von Wärme, Zwicken, Drücken oder Ziehen im Unterbauch, einem Hang, Sachen mit Fliegenpilzmuster zu kaufen und Marienvisionen einfach genau am Stichtag meine Tage kommen können, und das war es dann wieder mit dem weiblichen Geheimwissen.

Ansonsten danke ich euch herzlich dafür, dass ihr bisher davon abseht, mich zu warnen, dass ich durch Laufen, Radfahren und Alufolie das Leben meiner Mücke riskiere, dass meine Ärzte eine Bande von Stümpern sind und dass meine Medikamente die Krätze und Mundgeruch verursachen. Macht weiter so, ist auch nicht mehr lang! Ich weiß, das zehrt alles an euren Nerven, und man weiß ja auch nicht, was wird, aber ihr schafft das!

Noch eine Woche bis zum Bluttest. (Ist hier übrigens noch eine anwesend, deren eine Armbeuge vor lauter Kinderwunsch inzwischen ein bisschen an die Kinder vom Bahnhof Zoo erinnert?)

Mittwoch, 4. Mai 2011

Tag 5 mit Mücke.

Mücke quengelt, und ich kanns ihr nicht verdenken. Mein Bauch rumort und macht Geräusche, für die ich mich eigentlich entschuldigen müsste. Aber für Regelschmerzen bin ich auf jeden Fall zu früh dran. Also bleiben folgende Erklärungen: überfressen, Crinone-Nebenwirkungen, eine zergrübelte und schlafarme Nacht, Stress in der Agentur, vermasselte Besuchslogistik (alter Freund will mich sehen, Agentur will mich aber auch sehen, ich bin genau in der Sorte Schlamassel, das ich durch Kündigung und Selbständigkeit ein für allemal hinter mir lassen wollte), Endometriose feiert ein furioses Comeback, Albträume wegen Lilis Kaninchenepisode.

Das kam so. Ein paar Häuser weiter wohnt eine Familie mit zwei niedlichen kleinen Mädchen. Die haben seit Neuestem Kaninchen, die in einem Drahtstall im Vorgarten leben. Auf jedem Spaziergang kommen wir daran vorbei, und so lange die Tierchen im Stall sind, hat Lili sie im Vorbeigehen ungefähr so interessiert angeguckt wie ich eine Louis Vuitton um 50% reduziert: einen Blick wert, aber bestimmt nichts für mich. Blöd nur, dass das Ställchen kaputt ist und eins der Kaninchen, Daphne, ständig ausbüchst. Nachdem sie jetzt schon dreimal aus dem Nichts direkt vor Lilis Schnauze gesprungen ist, ist ihr Interesse allerdings geweckt. Die Kinder haben letztes Wochenende schon verzweifelt nach Daphne gesucht, und L. und ich haben auch ein paar Büsche und Gärten durchkämmt. Irgendwann war Daphne wieder da, und ich hätte an Stelle der Eltern den Stall schleunigst ausbruchsicher gemacht, bevor das alles in Kaninchenblutbad und Kindertränen endet. Haben sie aber nicht. Man sieht Daphne weiter über Straßen in der ganzen Nachbarschaft flitzen, vor Katzen und Hunden fliehen und ihr puscheliges Leben riskieren. Einmal habe ich geklingelt, um eine Daphne-Sichtung im Nachbargarten zu melden, da meinte die Frau "Ach, die läuft immer weg, und dann kommt sie irgendwann wieder." Gestern abend, als ich mit L. fast im Stehen schlafend nach einem Horrortag einen letzten Gang mit Lili machte, hat sie auf einer ziemlich weit entfernten Wiese einen unangeleinten Moment genutzt, uns frech angeguckt, sich umgedreht und ist blitzschnell zum Kaninchengarten gerannt. Und dann haben L. und ich sie eine halbe Stunde lang unter den superduperhilfreichen Kommentaren der Nachbarn um die Büsche gejagt, während Daphne mal hier, mal da auftauchte und sich gegen alle Rettungsversuche wehrte. Nur in den Fenstern der Kaninchenleute, in deren Vorgarten sich der ganze Rabatz abspielte, tat sich nichts. Eine andere Nachbarin mit Hund sagte heute morgen, sie wüßte, dass die Mutter keinen Bock auf die Kaninchen hätte und darum immer der Stall offenstünde. Lili ist also nur ein missbrauchtes Werkzeug in einem schmutzigen Plan! Der gestern nicht aufging, denn wir haben sie erwischt, bevor sie Daphne erwischt hatte. Trotzdem möchte ich einen neuen Wenn-ich-Kinder-hätte-Vorsatz formulieren: ich werde tun, was ich kann, damit meine Kinder ihre Haustiere nicht zerfleischt im Vorgarten finden. Zumindest werde ich keine teuflischen Intrigen aushecken, DAMIT die Haustiere meiner Kinder zerfleischt werden. So war mir Crinone helfe.

Eine Erklärung gäbe es noch: ich bin schwanger. Aber... nein. Auf diesen Trip lassen wir uns nicht schon wieder ein, gell?

p.s. ich entschuldige mich bei allen Damen, die "Louis Vuitton 50% reduziert" gegoogelt haben und nun versehentlich hier gelandet sind. Diese Enttäuschung! Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Aber ich bin sicher, eines Tages wird auch dieser Traum wahr.

Dienstag, 3. Mai 2011

Wir nannten es Mücke.

In einer zugegebenermaßen nicht sehr feierlichen Zeremonie haben wir Pünktchen umgetauft. Nachdem drei sehr wertgeschätzte Damen traurig über Pünktchen waren - also, über den Namen, nicht den Zellhaufen - und sich um ihren Namen beklaut sahen. Nun heißt es Mücke, die sind auch klein. Außerdem war "Sie nannten ihn Mücke" L.s erster Kinofilm, und ich hab auch eine Schwäche für Bud Spencer-Filme, die ich als Kind immer mit Baked Beans aus der Eisenpfanne auf dem Schoß und mit Cowboyhut auf dem Kopf gesehen habe. Gott Strafe Apple für diese Wortersetzungsfunktion, die ich gleich ausschalte. Mücke zwickt übrigens ein bisschen, für Regelschmerzen ist es zu früh. Sollte das der Einnistungsschmerz sein, die Nessie-Sichtung unter den Abkürzungsphänomenen?

Montag, 2. Mai 2011

Tag 3 mit Pünktchen.

Morgens um sechs schlage ich hellwach die Augen auf. So ist das, wenn man statt Feierabendwein Feierabendtee trinkt. Als ich mich in meinen komplizierten Sport-BH schnallen will, rührt sich was zwischen den Kissen. L. murmelt "Willst du wirklich laufen gehen? Ist das gut?" Natürlich knicke ich viel zu leicht ein. Als ob man morgens Knüppel und Mistgabeln bräuchte, um mich vom Joggen abzuhalten. Trotzdem bin ich genervt und werfe den BH in die Ecke. Als ich aus der Dusche komme und mich anziehe, erkläre ich ihm, wieso ich solche Mickereien, "Willst du nicht lieber", "Probier doch mal" und "Aber könntest du nicht stattdessen" nicht hören will. 1., weil mein Arzt gesagt hat, das ist ok, und all die komischen Warnungen und Bedenken immer aus blöden Fruchtbarkeitsbüchern, aus dem Mund von Sprechstundenhilfen oder aus dem schlauen Internet stammen. 2., weil ich inzwischen gefühlt 20 Befruchtungsversuche hinter mir habe, bei denen ich immer alles "richtig" im Sinne von s.o. gemacht habe, und habe ich ein Kind? Also. 3., weil laufen mir guttut, ich mich den ganzen Tag besser fühle und ich außerdem nicht rennen will wie eine Irre, sondern langsam und leicht.
Daraufhin sagt L. (der im Gegensatz zu all den oben genannten Sprechstundenhilfen, Internetforen und Fruchtbarkeitsbüchern ja tatsächlich auch etwas zu bestimmen hat bei diesem Zyklus, schließlich ist es ein gemeinsames Pünktchen), dass das vernünftig klingt und ich doch laufen gehen soll. Aber jetzt bin ich geduscht, angezogen, Lili springt vor Gassi-Vorfreude schon meterhoch, jetzt müssen wir los und es ist zu spät. Vielleicht heute Abend. Falls es nicht später im Büro wird, ich nicht zu fertig bin und nicht sowieso nach Feierabend noch 200 kleine mistige Aufgaben auf mich warten. Und zur Stütze nur ein blöder Kräutertee.

Ach, Pünktchen. Entspannt sein ist schwierig, das wissen wir beide ja längst, eigentlich so ziemlich die anstrengendste Sache der Welt. Denn sie lassen einen einfach nicht. Wenn du erst auf der Welt bist, wie soll das dann erst werden?

Liebe Abkürzungsdamen, an dieser Stelle habe ich eine Bitte. Ich weiß, die werden manche nicht gerne hören und sich vermutlich auch nicht dran halten. Aber loswerden würde ich sie trotzdem gerne.
Die nächsten Tage bis zum 12. oder wenigstens bis zum 9., wenn ich eigentlich fest mit meinen Tagen rechne, sind die Nerven trotz wildester Entspannungsbemühungen sehr angespannt. Bitte tut mir den Gefallen und lasst mich und meinen Bauch in dieser Zeit einfach mal machen. Ich mache sowieso, was ich will, aber wenn ich dann noch hier lese, dass das alles keine gute Idee und sowieso falsch ist, dann gehe ich nachts innerlich die Wände hoch, und das kann nicht gut sein. Dieser Blog ist kein Schrei nach Rat und Warnung aus den Tiefen des Internets, wenn ich Rat und Warnungen und Nervenkrisen wollte, würde ich keinen Blog schreiben, sondern nägelkauend "Einnistung spüren", "Laufen Fehlgeburt" oder "Todesfalle Alufolie" googeln.

Ist der Test-Termin überstanden, dann meinetwegen Feuer frei. Ich weiß, ihr schafft das! Schließlich habe ich die besten Abkürzungsdamen der Welt als Leser.

Sonntag, 1. Mai 2011

Tag 2 mit Pünktchen

Nach einer ziemlich schlaflosen Nacht sitze ich jetzt auf dem Sofa, warte darauf, dass L. nach seinem Jungsabend gestern aufwacht und vollgeplappert werden will, und plappere stattdessen Euch voll.

Noch elf Tage bis zum Test. Und wenn ich richtig gerechnet habe, noch eine Woche, bis ich im Zweifel meine Tage bekomme. Damit wird ein Test vermutlich kaum noch nötig sein, zumindest, wenn's schief geht.
Einige der Vorsätze für die nächsten Tage - nicht, dass ich mich daran halten würde, aber Vorsätze machen Spaß:

1. Bevor das alles zu einem einzigen Déjà-vu gerät, heißt Würmchen diesmal Pünktchen. Immerhin ist es das kleinste Würm... ünktchen, das ich je an Bord genommen habe. Wird aus Pünktchen irgendwann eine Antonia? Wer weiß? Wir wollen mal lieber noch keine Kissen in Eppendorfer Babyläden für sie besticken lassen, denn mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit wird aus Pünktchen eine Camelia. Wir werden sehen.
2. Ich will tun, was der Doktor gesagt hat, und joggen gehen. (Muss außer mir noch jemand immer ein bisschen schnüffeln, wenn Charlotte im Central Park laufen geht und dabei immer dicker wird?) Und zwar ohne mir nachher das Hirn zu zermartern, ich würde Pünktchen töten.
3. Ich will auch ansonsten keine Fisimatenten machen. Weder an der Käsetheke, noch auf dem Weg zur Arbeit, noch beim Treppensteigen oder beim großzügigen Verwenden von Alufolie und Leitungswasser.
4. Sollte mich jemand per Kommentar informieren, dass ich alles, aber auch alles falsch mache, werde ich lächeln, vom Rechner aufstehen, mir eine schöne Ovomaltine machen und ansonsten in Tat und Gedanken das Thema wechseln.
5. Die Zeit, die ich in den nächsten Wochen nicht mit Weintrinken, dem Zubereiten, Verschlingen und Verdauen halbroher Riesensteaks, Fallschirmspringen und Kickboxen verbringe, will ich darauf verwenden, die Hütte in Ordnung zu bringen (=Nestbautrieb, gell, wir neunmalklugen Befruchtungsprofis) und endlich ein bisschen voranzukommen mit dem neuen Geheimprojekt (=Nesterweiterungstrieb).