Dienstag, 29. März 2011

Wir sitzen im Space Shuttle, sind angeschnallt, der Countdown läuft, und Flora fragt sich, ob sie das Bügeleisen ausgemacht hat

Übermorgen werden die Eier aus mir befreit und am Montag befruchtet zurückgesetzt, ab dann ist das Ganze mir aus den Händen genommen - bis auf die ganz offensichtlichen Grundregeln wie kein Alkohol, kein rohes Fleisch und kein roher Fisch usw., das ganze langweilige Zeug, kann ich dann nicht mehr viel tun, damit es klappt oder nicht klappt. Genau genommen kann ich schon ab heute Nacht nicht mehr viel tun. Um Mitternacht setze ich mir die Eisprungspritze, stimuliert, geschnupft oder geschmiert wird nicht mehr, von hier ab im Blindflug. Und ich frage mich gerade, wie viel von allem bis hierher wohl auch schon Blindflug war?

Nehmt z.B. den Chinamann. Ich mag den Chinamann, außerdem sind Besuche bei ihm immer ein willkommener Vorwand, ein-zwei Stündchen in meinem alten und immer noch heißgeliebten Viertel zu verbummeln. Er kostet zwar Geld, aber nicht so viel, wie ich mal irgendwann befürchtet hatte, und schaden wird er mir vermutlich auch nicht mit seinen Nadeln und Kugeln. Vielleicht ja aber doch? Zwar nicht meiner sowieso schon nicht allzu sensationellen Gesundheit oder meinen auch nicht allzu sensationellen Erfolgschancen, aber meiner Moral? Immerhin war ich mal der festen Meinung, dass das alles esoterisches Gewäsch ist, auf das vor allem Frauen gerne mal reinfallen, wenn sie ansonsten den Mut warum auch immer verloren haben. Und jetzt sabotiere ich mich selbst, indem ich zu dem Onkel marschiere, der mit seiner Behandlung laut Pathologie-Brief nicht verhindern konnte, dass die Endometriose und die Myome fröhlich weitermachen mit dem Quatsch. Wenn ich ehrlich bin, gehe ich zum Teil aus Gutmütigkeit hin, zum Teil, weil ich so gerne alles machen will, was Frau Doktor sagt, und zu einem kleinen Teil aus Neugier - vielleicht ist sogar noch ein Teilchen dabei, das Spaß daran hat, mal etwas anders zu machen als höchstselbst beschlossen und mir und meinen Weisheiten eins auszuwischen. Nichts davon, außer vielleicht die Sache mit Frau Doktor, hat irgend etwas mit Gesundheit zu tun, das sind doch alles Schrullen!

Oder die Klinik. Ich war begeistert, aber die letzten Tage haben mich ein bisschen verunsichert: warum kein Ultraschall nach OP und vor erster Spritze? In den letzten Jahren haben sich meine Myome, Zysten und Endometriose vermehrt wie die Meerschweinchen, wer sagt, dass da nicht wieder irgendwas unterwegs war? Und heute der Anpfiff wegen etwas, wofür ich nichts konnte - ich gehöre zu den Leuten, die sich grundsätzlich erst mal schuldig fühlen, wenn sie jemand anpfeift, aber heute konnte ich mir ganz sicher sein, nichts blödes oder raffgieriges getan zu haben. Oder die Sache mit den Terminverschiebungen nach vorne und hinten und hin und her - eigentlich nichts Neues, und zum Teil bin ich mit meiner Dusselsfasterei selbst dran Schuld. Aber ich hätte die fünf Tage auch einfach abgeschrieben, wenn die Klinik die IVF für vorrangig erklärt hätte. Ich bin immer noch mit großer Entschlusskraft begeistert, aber trotzdem: das ist der dritte Versuch, die Krankenkasse* hat nur noch diesen einen genehmigt, und klar würde ich weitere bezahlen, aber L. muss auch erst mal überzeugt werden, und ich habe das dumpfe Gefühl, sein Feuer in dieser Sache verglimmt allmählich ein bisschen. Das hier sollte besser klappen. Vielleicht ja deshalb Chinamann, Osteopathin und sogar Verzicht auf Kaffee und Tee seit der Fastenwoche. Ich wollte nie eine von denen sein, von den perfekten, die Bücher aus dem GU-Verlag verschlingen und sogar beherzigen und in einer Wolke aus Tugend und Richtigmachen durch ihre fade Welt schweben. Schadet mir "eine von denen sein" am Ende mehr, als noch ein Jahr länger auf ein Baby zu warten?

Ach je. Ich würde so gerne alles richtig machen, und gleichzeitig weiß ich genau, dass der Zwang, alles richtig zu machen, jetzt nicht gut für mich ist und ich mich nach Kräften dagegen wehren sollte. Verflixt und zugespritzt.

Kleine Maus, deine Mutter ist eine nervöse Person, das kann ich dir heute schon sagen. Und deine Mutter hat in letzter Zeit immer wieder einen Traum: die Familie von Josephine Baker. Arme Kinder aus allen Ländern der Welt. Und Mutti tanzt im Bananenröckchen, obwohl ihr Gelb laut entsprechendem GU-Ratgeber nicht steht.

* eigentlich hatte ich schon ein paarmal gehört, dass die Krankenkasse einen Versuch mit Herzschlag auf dem Ultraschall nicht "wertet" - das heißt, ich müsste noch einen Versuch nach diesem frei haben nach meiner Fehlgeburt in der zwölften Woche. Aber wer weiß das schon? Ich jedenfalls nicht. Es ist zum Durchdrehen: wenn ich mich informiere, macht mich das wahnsinnig nervös, und ich habe sofort das Gefühl, unter Leute geraten zu sein, die mir immer nur die Hälfte sagen, und das will ich nicht, weil ich weiß, dass das nicht stimmt. Und wenn ich mich nicht informiere, ist das nur so lange wunderbar, wie alles auch ohne meine geistige Beteiligung klappt. Harrrrgh.

1 Kommentar:

  1. Ach Flora, ich würde Dir jetzt gern den Schokomann lang schicken. Der hat mich mit seinem entspannten Grundvertrauen in jeder Phase sehr beruhigt bei zu starken Fusselgedanken - auch ein bisschen verunsichert - aber vor allem beruhigt.

    Wenn ich Dir einen Tip geben darf für gutes Gelingen: Freu Dich - freu Dich, dass was passiert und Du gerade wieder vor einer echten, realen Chance auf zwei Streifen auf dem Test stehst!

    LG,
    Schoko

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