Donnerstag, 31. März 2011

Vielleicht ja irgendwann mal bei der achten IVF.

Einige Aufregungen legen sich ziemlich schnell. Die Spritzen z.B. waren nur bei der ersten IVF wirklich gruselig. Bei der ersten Spritze der IVFs danach ist noch so ein kleines bisschen Pischi im Blut, aber das war es dann auch. Nicht, dass es hier darum ginge, irgend etwas zu beweisen! Sieht ja niemand, ob ich in meinem Badezimmer die Wände hochgehe oder pfeifend tue, was zu tun ist. Es ist nur einfach nicht mehr so spannend alles mit den Nadeln, den Ampullen und den Einheiten.
Um das Geld heule ich auch nicht mehr. Ich weiß, was auf mich zukommt, und rechne das kaum noch in Urlaube, Schuhe oder lustige Abende in Lieblingsrestaurants um. Kinder sind teuer, und meine fangen eben schon ein bisschen früher damit an, Geld zu kosten.
Aber der Bammel vor der Punktion und vor der Rückübertragung, der hört vermutlich so schnell noch nicht auf. Ich war extrem nervös, und die Menogon-Schlaflosigkeit, die seit letztem Donnerstag dazukam, machte es auch nicht leichter, trotzdem auf meine vier-fünf Stunden Schlaf zu kommen. Habe ich mir die Auslösespritze wirklich um die richtige Zeit gegeben? Was, wenn ich mich verguckt hatte mit der Dusselszeitumstellung? Können die denn überhaupt schon was sein, die Biester, nach fünf Tagen Stimulation? Was, wenn die zwar viele sind, aber zum Babysmachen ungefähr so nützlich wie die gleiche Menge Styroporkügelchen? Was, wenn es blutet und nicht mehr aufhört? Was, wenn ich zwar am Punktionstag mit einer Riesenernte vom Stuhl steige, aber ein paar Tage später klar war, das war alles gar nichts? Was, wenn ich das alles nur geträumt habe? Was, wenn bei L. inzwischen was schiefgegangen ist?
(Und falls hier eine sitzt und das liest, die das zum ersten Mal macht: Nein, "ruhig, ruhig, wird schon, wird schon" zu sich selbst zu sagen hat keinen Zweck. Aber auch gar keinen. Was einen Zweck hat, ist, sich in eine Fülle Nicht-IVF-bezogener Aktivitäten zu stürzen. Das hilft. Alles andere nicht.)
Einige der Sorgen sind jetzt erst mal ausgestanden. Wir haben den Eisprung genau so erwischt, wie es sein sollte. 17 Zellen sind dabei rausgekommen, und bei L. war alles sowas von in Ordnung. Wie viele davon die erste Nacht außer Haus überstehen, erfahre ich morgen um viertel nach neun. Ich bin jetzt schon unendlich dankbar, dass ich ein paar Klippen umschifft habe, dass ich zwar wieder unter Narkose geredet habe, aber nichts, was allzu peinlich ist (lustig an einem Klinikwechsel ist, dass man mal wieder einem neuen Anästhesisten einen Schrecken einjagen kann, meine alten kennen das alle schon) und dass wir wieder einen Schritt weiter sind. Und noch dankbarer bin ich, wenn Montag noch die eine oder andere Maus übrig ist.

17 Eizellen.

jetzt schlaaaafen...

Mittwoch, 30. März 2011

Der Blog vom Blob

Gestern zur Geisterstunde gab es wie befohlen eine Brevactid in den Bauch. (Langweile ich euch eigentlich, wenn ich nun schon wieder erzähle, dass das nicht schlimm war? Pulverspritzen anmischen kann ich ja inzwischen, die Spritze hat weder gebrannt noch wurde die Stelle dick und rot, wie das Internet vorher gemunkelt hat.) Jetzt spukt der kommende Eisprung durch meinen Blubberbauch. Es ist wie Fasten, nur rückwärts: jede Stunde wächst mein Umfang weiter an. Ich bin der Blob, dieses eklige, immer mehr aufquellende, alles verschlingende Monster, das sich durch die Stadt wälzt, während kreischende Menschen das Weite suchen und der Polizeichef seinen Männern Mut zuspricht! Um Schlimmeres zu verhindern, hat der Blob sich ein Haargummi um den Jeansknopf gewickelt und so für ein bisschen Spiel im Bund gesorgt. Damit müsste ich über die nächsten zwei-drei Stunden kommen. Was danach passiert, keine Ahnung. Mit offener Hose arbeiten? Vermutlich. Zum Glück ist heute wenigstens kein Gehaltsgespräch angesetzt.
Merkt das eigentlich keiner hier, dass mein Bauch sich langsam über die Tischkante schiebt und die Sonne verdunkelt?
Nö. Und wenn, dann halten sie alle schön den Rand.

Dienstag, 29. März 2011

Wir sitzen im Space Shuttle, sind angeschnallt, der Countdown läuft, und Flora fragt sich, ob sie das Bügeleisen ausgemacht hat

Übermorgen werden die Eier aus mir befreit und am Montag befruchtet zurückgesetzt, ab dann ist das Ganze mir aus den Händen genommen - bis auf die ganz offensichtlichen Grundregeln wie kein Alkohol, kein rohes Fleisch und kein roher Fisch usw., das ganze langweilige Zeug, kann ich dann nicht mehr viel tun, damit es klappt oder nicht klappt. Genau genommen kann ich schon ab heute Nacht nicht mehr viel tun. Um Mitternacht setze ich mir die Eisprungspritze, stimuliert, geschnupft oder geschmiert wird nicht mehr, von hier ab im Blindflug. Und ich frage mich gerade, wie viel von allem bis hierher wohl auch schon Blindflug war?

Nehmt z.B. den Chinamann. Ich mag den Chinamann, außerdem sind Besuche bei ihm immer ein willkommener Vorwand, ein-zwei Stündchen in meinem alten und immer noch heißgeliebten Viertel zu verbummeln. Er kostet zwar Geld, aber nicht so viel, wie ich mal irgendwann befürchtet hatte, und schaden wird er mir vermutlich auch nicht mit seinen Nadeln und Kugeln. Vielleicht ja aber doch? Zwar nicht meiner sowieso schon nicht allzu sensationellen Gesundheit oder meinen auch nicht allzu sensationellen Erfolgschancen, aber meiner Moral? Immerhin war ich mal der festen Meinung, dass das alles esoterisches Gewäsch ist, auf das vor allem Frauen gerne mal reinfallen, wenn sie ansonsten den Mut warum auch immer verloren haben. Und jetzt sabotiere ich mich selbst, indem ich zu dem Onkel marschiere, der mit seiner Behandlung laut Pathologie-Brief nicht verhindern konnte, dass die Endometriose und die Myome fröhlich weitermachen mit dem Quatsch. Wenn ich ehrlich bin, gehe ich zum Teil aus Gutmütigkeit hin, zum Teil, weil ich so gerne alles machen will, was Frau Doktor sagt, und zu einem kleinen Teil aus Neugier - vielleicht ist sogar noch ein Teilchen dabei, das Spaß daran hat, mal etwas anders zu machen als höchstselbst beschlossen und mir und meinen Weisheiten eins auszuwischen. Nichts davon, außer vielleicht die Sache mit Frau Doktor, hat irgend etwas mit Gesundheit zu tun, das sind doch alles Schrullen!

Oder die Klinik. Ich war begeistert, aber die letzten Tage haben mich ein bisschen verunsichert: warum kein Ultraschall nach OP und vor erster Spritze? In den letzten Jahren haben sich meine Myome, Zysten und Endometriose vermehrt wie die Meerschweinchen, wer sagt, dass da nicht wieder irgendwas unterwegs war? Und heute der Anpfiff wegen etwas, wofür ich nichts konnte - ich gehöre zu den Leuten, die sich grundsätzlich erst mal schuldig fühlen, wenn sie jemand anpfeift, aber heute konnte ich mir ganz sicher sein, nichts blödes oder raffgieriges getan zu haben. Oder die Sache mit den Terminverschiebungen nach vorne und hinten und hin und her - eigentlich nichts Neues, und zum Teil bin ich mit meiner Dusselsfasterei selbst dran Schuld. Aber ich hätte die fünf Tage auch einfach abgeschrieben, wenn die Klinik die IVF für vorrangig erklärt hätte. Ich bin immer noch mit großer Entschlusskraft begeistert, aber trotzdem: das ist der dritte Versuch, die Krankenkasse* hat nur noch diesen einen genehmigt, und klar würde ich weitere bezahlen, aber L. muss auch erst mal überzeugt werden, und ich habe das dumpfe Gefühl, sein Feuer in dieser Sache verglimmt allmählich ein bisschen. Das hier sollte besser klappen. Vielleicht ja deshalb Chinamann, Osteopathin und sogar Verzicht auf Kaffee und Tee seit der Fastenwoche. Ich wollte nie eine von denen sein, von den perfekten, die Bücher aus dem GU-Verlag verschlingen und sogar beherzigen und in einer Wolke aus Tugend und Richtigmachen durch ihre fade Welt schweben. Schadet mir "eine von denen sein" am Ende mehr, als noch ein Jahr länger auf ein Baby zu warten?

Ach je. Ich würde so gerne alles richtig machen, und gleichzeitig weiß ich genau, dass der Zwang, alles richtig zu machen, jetzt nicht gut für mich ist und ich mich nach Kräften dagegen wehren sollte. Verflixt und zugespritzt.

Kleine Maus, deine Mutter ist eine nervöse Person, das kann ich dir heute schon sagen. Und deine Mutter hat in letzter Zeit immer wieder einen Traum: die Familie von Josephine Baker. Arme Kinder aus allen Ländern der Welt. Und Mutti tanzt im Bananenröckchen, obwohl ihr Gelb laut entsprechendem GU-Ratgeber nicht steht.

* eigentlich hatte ich schon ein paarmal gehört, dass die Krankenkasse einen Versuch mit Herzschlag auf dem Ultraschall nicht "wertet" - das heißt, ich müsste noch einen Versuch nach diesem frei haben nach meiner Fehlgeburt in der zwölften Woche. Aber wer weiß das schon? Ich jedenfalls nicht. Es ist zum Durchdrehen: wenn ich mich informiere, macht mich das wahnsinnig nervös, und ich habe sofort das Gefühl, unter Leute geraten zu sein, die mir immer nur die Hälfte sagen, und das will ich nicht, weil ich weiß, dass das nicht stimmt. Und wenn ich mich nicht informiere, ist das nur so lange wunderbar, wie alles auch ohne meine geistige Beteiligung klappt. Harrrrgh.

Keine Rose ohne Marienkäfer

Zurück von der Ärztin.
Der unerfreuliche Teil: ich stehe in meiner Mittagspause vor dem Tresen der Klinik, und die Sprechstundenhilfe teilt mir mit, dass es evtl. noch etwas dauern könnte.
Ich: aha. Wie lange denn so in etwa? Eine Viertelstunde? Eine halbe?
Hilfe: das kann ich nicht sagen, sie ist außer Haus. Sonst können Sie Ihren Ultraschall auch gerne bei einem der Kollegen machen lassen?
Ich: das wäre dann vielleicht besser, ich muss zurück an die Arbeit.

Kaum habe ich mit dem Hintern die Wartezimmersitzfläche berührt und die Klatschzeitschrift entfaltet, kommt Frau Doktor im Eilschritt um die Ecke und nimmt mich mit ins Zimmer. Ich bin begeistert, sie ist hektisch und fängt sogar an, ein bisschen zu schimpfen: ich sollte meine Termine in Zukunft doch bitte nicht ganz so knapp planen, denn ein paar Minuten länger kann es immer dauern, und sooo eilig kann es doch kein Mensch haben?
Ich verteidige mich noch und sage, ich wusste ja nicht, dass es nur ein paar Minuten sind – sie schimpft weiter, sie hätte das den Sprechstundenhilfen genau so gesagt und die hätten das auch mit Sicherheit so weitergegeben.

Nanu, ich habe doch wirklich nicht am Tresen gestanden und geschimpft, dass ich jetzt SOFORT und UNVERZÜGLICH Frau Doktor sprechen will?! Eieieiei. Zum Glück ist sie sogar im Zorn ganz reizend, die Ärztin.

So viel zum (mäßig) unerfreulichen Teil.

Der erfreuliche: meine Eierstöcke brüten wie bekloppt, zumindest der eine. Darum ist übermorgen die Punktion, und stimuliert wird nicht mehr, ich muss mir nur heute um Mitternacht die Auslösespritze geben. Das heißt, nach nur fünf Tagen Stimulation geht es los. Und sie ist sich sicher, dass sie allein aus meinem fleißigen Eierstock bestimmt 20 Eizellen holen kann und dass das eine großartige Sache ist nach monatelanger Downregulation, mehreren OPs und schlimmer Endometriose.
Ich fühle mich inwändig wie eine Rumbarassel. Eieieieiei!

Montag, 28. März 2011

Schöne Aussichten

Eins der besten Dinge an meinem neuen Agenturarrangement ist, dass für mich jetzt jede Woche Pfingsten sein kann. Ich gehe von Montag bis Mittwoch in die Agentur, Dienstag mittag ist also eigentlich schon Halbzeit, und wenn bei meinen anderen Aufträgen Ruhe im Karton ist, dann könnte ich mich Mittwoch Abend in die Bahn oder in ein Flugzeug setzen und zusammen mit L. zum Beispiel in ein Glückswochenende in Paris aufbrechen. Oder den Hund an die Leine nehmen und vier Tage durch die Heide wandern. Ich könnte! Meistens mache ich es aber nicht. Zum Beispiel, weil L. im Moment noch fast jedes Wochenende auf irgend einem Turnier spielt. Oder weil das Wetter die letzten Monate so war, dass der schönste Platz der Welt zuhause am Herd war, mit einem Kochlöffel in der Hand und einem Topf Gulasch vor mir. Oder vielleicht habe ich mich auch noch nicht so richtig an meine neue Freiheit gewöhnt. Aber in den letzten Wochen hat sich was geändert. Anfang Februar waren L. und ich für vier Tage in Berlin, Anfang März im Schweinebratenparadies Bamberg, dieses Wochenende waren die Mädchen zu Besuch und nächstes Wochenende wandere ich mit Geschwistern und Cousinchen durch das Sauerland.
Und es war herrlich mit den Mädchen. Ich hatte die Bude tippitoppi aufgeräumt und geputzt, mich in mein glänziges Kleid und die Neonstrumpfhose geschossen und hatte Lieblingsbesuch. Wer weiß, vielleicht war das jetzt für fast ein ganzes Jahr die letzte Chance auf einen bunten Abend mit bunten Getränken, und die haben wir ausgenutzt. Und jetzt, wo sie wieder weg sind, liege ich hier auf dem Sofa, fühle mich innerlich dicker werden vor lauter Eierbrüterei und denke plötzlich ganz gelassen: klar werde ich schwanger. Diesmal schon, oder? Und diesmal bleibe ich es auch. Und wenn wir im Sommer alle zusammen in unserer gemieteten Prachtfinca sitzen und die Füße in den Pool hängen, dann bin ich es immer noch. Das wird schön. Mit diesen Mädchen wird es auch schön bei Apfelschorle, so viel steht fest.

Fünf Tage Spritzen später...

fühlt sich der Bauch von Innen dick an. Lasst mich das erklären, wer noch nie eine IVF oder ICSI erlebt hat, der kann sich das vermutlich nicht vorstellen. Es ist nicht, dass die Hose nicht mehr passt, ich fühle mich auch nicht wie überfressen. Ich habe nur das deutliche Gefühl, da drinnen wird es eng. Davon abgesehen ist alles wie immer, genau wie immer. Keine Kopfschmerzen, keine schlechte Laune, keine Pickel, keine Zipperlein.
Morgen ist Ultraschall. Bin ich gespannt.

Freitag, 25. März 2011

IVF für Bastelfreunde

Diese IVF wird anders. Meine erste ohne dickes rundes Myom im Brennpunkt des Geschehens, meine erste in der neuen Klinik und meine erste, bei der richtig gebastelt werden muss. Synarela, Gonal, Ovitrelle und Crinone kannte ich. Enantone, Gonal und Menogon sind eine neue Mischung. Und hab ich mich vielleicht blamiert! Nachdem ich vorgestern den genehmigten Behandlungsplan von der Krankenkasse vergessen hatte, musste ich gestern extra in die Stadt fahren, um mir mein Rezept zu holen. (War nicht weiter schlimm, die Sonne schien, und ich fand die Aussicht gar nicht so schlecht, meine Hormontüte aus der Apotheke ein bisschen durch die Gegend zu schwingen, mir was Hübsches für meinen noch-Fastenkörper zu kaufen, das mir in zwei Wochen nicht mehr passt, und irgendwo noch etwas zu essen, damit das vielleicht sogar noch schneller geht.) Irgendwann um die Mittagszeit stand ich dann also vorm Tresen meiner Klinik, nahm Rezept und Spritzplan in Empfang und winkte souverän ab, als die Sprechstundenhilfe mir das noch schnell erklären wollte. "Kein Probleeeeeem, ist meine dritte IVF! Dieses Menogon ist dann so wie Ovitrelle, oder?" Beeindruckt nickte die Sprechstundenhilfe. Vor Lässigkeit zehn Zentimeter größer rauschte ich aus der Praxis in die Apotheke nebenan. Die Apothekerin brachte drei Pappschachteln: einmal Gonal, zweimal Menogon. "Wie viele Ampullen täglich müssen Sie sich spritzen?" Äh... Ampullen spritzen? "Lassen Sie doch mal den Plan sehen. Aha. Drei täglich." "Wieso täglich, ich dachte, das ist für den Eisprung? Am Ende?" "Nein, weiß jetzt auch nicht, hier steht: drei täglich."

Zwei Minuten nach meinem Abgang stand ich also wieder vor den Sprechstundenhilfen und musste kleinlaut zugeben, dass ich keine Ahnung habe, was ich machen soll mit meinen neuen Hormonschätzchen.
Die Lösung lautet: täglich 75 Einheiten Gonal (weniger als beim letzten Mal, scheinbar ist Frau Doktor nachhaltig beeindruckt von der dicken Eierproduktion selbst unter Enantone) und dazu Menogon.

Menogon geht so: man bekommt in der Pappschachtel Glasampullen und kleine Glasgefäße mit einem weißen Pulver drin. In den Ampullen ist ein Lösungsmittel. Die Hormonbasteltante muss beim Einlösen des Rezeptes unbedingt daran denken, sich Spritzen und zweierlei Nadeln mitgeben zu lassen: feine Nadeln für den Bauch und große Nadeln zum Basteln. Alkoholtupfer gibt es auch dazu.
Zuhause angekommen, legt die Basteltante erst mal den Nebenwirkungszettel beiseite, besieht sich ihren Einkauf noch mal genau und schüttelt den Kopf. Dann nimmt sie eine Einwegspritze aus ihrer Hülle und setzt eine der großen Bastelnadeln auf. Sie nimmt eine Glasampulle, wickelt den dünnen Hals der Ampulle in ein Stück Klopapier oder ähnliches und bricht ihn ab. (Das Papier verhindert, dass wir uns schneiden oder kleine Splitterchen auf dem Badezimmerfußboden landen und später in unseren zarten Fußsohlen stecken, als hätten wir nicht schon genug Ärger am Hals.) Sie steckt die Nadel in die Ampulle, saugt die Flüssigkeit möglichst komplett in die Spritze und nimmt die befohlene Anzahl kleiner Glasgefäße mit weißem Pulver zur Hand. Die haben oben so ein kleines blaues Deckelchen, das muss ab. Darunter kommt eine weiche Gummihaut zum Vorschein. Durch Gummihaut Nr. 1 stecken wir jetzt die Bastelnadel und spritzen die Flüssigkeit in die Flasche. Mit Nadel in der Flasche, schütteln wir das ganze ein paar mal hin und her, und schon hat sich das Pulver in der Flüssigkeit aufgelöst. Die Flüssigkeit saugen wir zurück in die Spritze, was nicht einfach, aber zu schaffen ist, wenn man ein bisschen trickst und ruckelt und zwischendurch mal das Ganze umdreht, so dass man die Chance hat, die Luft aus der Spritze zu drücken. Jetzt ist also eins der Glasgefäße leer und sein Inhalt in der Spritze. Jetzt spritzen wir den Spritzeninhalt in das zweite Glasgefäß, schütteln, saugen zurück und drücken das alles in das dritte Glasgefäß. Und wenige Augenblicke später ist die Spritze gefüllt mit 1 x Lösungsmittel und 3 x Pulver. Wir setzen die Schutzhülle wieder auf die große böse Nadel, nehmen sie ab und setzen stattdessen die kleine, zarte, liebe Bauchnadel auf. Menogon ist einsatzbereit, und wir sitzen in einem kleinen Haufen Medizinmüll.

Wie Gonal geht und warum die Spritzen gar nicht schlimm sind, das könnt ihr hier und hier lesen.

Ansonsten muss jetzt noch der Gonal-Pen startklar gemacht werden: das heißt, Nadel draufschrauben, auf der 37,5-Markierung einmal ziehen und drücken, bis ein Tröpfchen aus der Nadel quillt, und ihn dann auf 75 stellen und hinten ziehen.

Ich genieße kurz einen Moment der Ruhe, während ich auf meiner Badezimmermatte hocke. Vor mir liegt mein kleines Babybastelset: Menogon und Gonal. Gleich geht es los, und wer weiß? Vielleicht sind das für eine ganze Weile die letzten vierzehn Tage, in denen ich Sushi essen, Alkohol trinken, Radfahren und was weiß ich was noch alles darf. Jenseits dieser zwei Spritzen warten Gebrüll, aufgeschlagene Knie, nie wieder ausschlafen und Kopfläuse. Ich wäre so weit.

Ich nehme einen Alkoholtupfer, wische damit einmal links und rechts von meinem Bauchnabel entlang und warte, bis der Alkohol verdampft ist und der Bauch wieder trocken. Erfahrung zeigt, dann piekst es weniger. Dann drücke ich die Gegend links von meinem Bauchnabel zu einer kleinen Wurst, nehme die Schutzkappe von der Menogon-Spritze und setze an. Ein paar Sekunden dauert es, bis ich das bisschen durchsichtige Flüssigkeit in meinem Bauch versenkt habe. Dann ziehe ich die Spritze wieder raus, setze das Käppchen auf die Nadel und lege diese Spritze zu dem restlichen Medizinmüll, die brauche ich nicht mehr. Gonal bekommt heute die andere Seite (keine Ahnung, ob das richtig so ist, aber ich mache das so): 75 Einheiten aus dem Pen in den Bauch, Pen wieder raus, zwei Käppchen auf die Nadel, Nadel ab, Deckel auf den Pen. Dann räume ich den Müll beiseite, lege den Pen in den Kühlschrank und trinke einen Schluck Geburtstagsbrause.

Was lernen wir daraus?
Im Zweifel lieber fragen als zu schlau sein wollen. An die Spritzen denken, falls der Apotheker es nicht tut. Und sich auch vor fremden Spritzen nicht fürchten.

Ein bisschen war das wie Starkbieranstich, nur dann wieder ganz anders, und die CSU war auch nicht anwesend. Hiermit erkläre ich diese IVF für offiziell eröffnet!

Mittwoch, 23. März 2011

Lieber 100.000ster Besucher,

natürlich habe ich keine Ahnung, was genau dich hierher verschlägt. Vielleicht hast du nur die Worte „Furzkissen“, „Puffbrause“ oder auch „gynäkologischer Stuhl nackt“ gegoogelt. Vielleicht warst du auch vor ein paar Tagen beim Arzt und hast dort erfahren, dass du überraschend Mitglied in einem Club geworden bist, zu dem du eigentlich nie gehören wolltest. Oder du bist ein lieber Stammgast und nicht nur der 100.000ste, sondern auch der achte, neunundsiebzigste und 27.523ste Besucher. Warum auch immer du hier bist, ich bin froh, dass du da bist! Ich wünsche dir eine fröhliche Großfamilie aus eigener Produktion, gute Nerven und noch bessere Freunde für alles, was an Hormonzirkus noch vor dir liegt, und falls es tatsächlich die Suche nach dem Furzkissen sein sollte, die dich hierher führt: Fahnen Fleck in Hamburg kann ich wärmstens empfehlen.

Wie Hefte und Radiergummi kaufen vor dem ersten Schultag.

Heute in der Mittagspause steige ich in die S-Bahn und fahre in die Klinik, wo ein Rezept auf mich wartet. Ein langes, langes und hochrespektables Rezept. Damit gehe ich dann in die Apotheke, komme ein paar Minuten später von den besten Wünschen und dem Lobgesang der Angestellten begleitet um einige hundert Euro ärmer und mit einer Tüte am Arm, die eher nach Edeka als nach Apotheke aussieht, wieder raus. Und morgen geht es los. Ich bin fürchterlich aufgeregt, auch beim dritten Mal. Und das, obwohl gerade so viel aufregend ist. Ich habe gerade einen korrigierten Text an die Cosmopolitan (DIE Cosmopolitan!!!) geschickt, den ich für die über IVF schreiben durfte, ich hab morgen Geburtstag, es kommt Besuch, die Fasterei war auch ganz spannend, in der Agentur brummt es wie in einem Wespennest und dieses Blogbaby steuert ebenfalls auf einen Geburtstag zu: wir erwarten in Kürze den 100.000 Besucher! Ich sehe schon, eigentlich muss ich nicht nur in die Klinik und die Apotheke, sondern auch zu Fahnen-Fleck Luftschlangen, Wunderkerzen und Partyhütchen besorgen. Und Furzkissen, schließlich beginnen ab morgen die lustigsten zwei Wochen des Jahres: Hormonfasching!

Dienstag, 22. März 2011

Tag 5: Bei seit Tagen nüchterner Betrachtung...

Diese Fastenwoche.... hm... wie sage ich es, ohne Damen abzuschrecken, die auch mal drüber nachdenken? Diese Fastenwoche war irgendwie nichts. Ja, ich hab es durchgehalten, und ich habe mich auch nicht in Krämpfen auf dem Teppich gewunden, alles war auszuhalten, auch die schlimmen Stellen. Aber das, was ich so toll in Erinnerung hatte vom ersten Mal, ist nicht passiert. Ich werde in den nächsten Wochen nicht im Supermarkt stehen und minutenlang an Obst riechen mit einem Gesichtsausdruck, als würde gerade etwas Heiliges passieren. Ich freue mich, dass ich jetzt wieder kochen, essen, essen gehen, Essen einkaufen, über Essen nachdenken und Post-Its in Kochbücher kleben darf, ganz bestimmt sogar! Aber es gab auch schon Fastenwochen, nach denen war jedes Reiskorn ein kostbares Geschenk. Ich habe mich in den letzten fünf Tagen eigentlich immer gefühlt wie eine Stunde von der nächsten Mahlzeit entfernt: ich hatte mal Hunger und habe mich auch mal ein bisschen schwindelig gefühlt, aber nichts daran war anders, als wäre ich gerade erst aufgestanden und müsste noch mit dem Frühstück warten, bis die anderen wach sind.
Diesmal fehlte auch jedes Fitzelchen von Gefühl, jetzt inwändig gereinigt zu sein und ganz neu anzufangen (und dazu reicht bei mir normalerweise schon ein ausführlicher Saunagang statt fünf Tagen Nahrungsentzug). Der Kopf ist fusselig wie eh und je, weder ist die große Ruhe und Ordnung in mein Hirn eingezogen noch habe ich mein Leben neu sortiert. Das Einzige, was ich mir ehrlich vorgenommen habe: ich will endlich meinen Zeitungsstapel durchknuspern (nur wann?) und in Zukunft mehr Vollkornbrot essen. Außerdem überlege ich, für die drei Tage Agentur jede Woche meine alte Birchermüesli-Routine wieder aufzunehmen: abends Müesli in einem verschließbaren Pöttchen in Milch einweichen, morgens in der Agentur klappernde Tiefkühlbeeren und Joghurt und ein Löffel Honig dazu. Das habe ich schon monatelang durchgezogen, und es ist nicht nur viel billiger, als sich jeden Morgen in der Bäckerei ein Brötchen zu holen, sondern eigentlich auch leckerer, hält bis Mittags satt und ist gesund wie Hulle.

Davon abgesehen wartet der Ernährungsalltag schon direkt am Fußende meines Bettes und schwenkt rosa Begrüßungsfähnchen für mich. Heute Mittag müssen wir auf den Geburtstag, und auch, wenn ich nur einen kleinen grünen Salat bestelle (und das dann eine halbe Stunde lang erklären muss), wird das eine Herausforderung für meinen Magen. Sagt jedenfalls das Fastenbuch. (Aber das Fastenbuch hat mich in den letzten Tagen fortwährend angelogen und beschwindelt, wieso sollte das hier anders sein?). Am Donnerstag habe ich Geburtstag, L. will mich abends ausführen, und ich hoffe, wir gehen nicht ins Museum, sondern essen. Und am Freitag reisen die Mädchen aus dem ganzen Land an, Freitag ziehen wir los und Samstag habe ich sie alle in meiner blitzblanken Hütte. Ich freue mich schon sehr und werde als Zeichen meiner Freude einen riesigen Pott Chili und einen prächtigen Trifle machen. Mit gedünstetem Broccoli und einem Krug "köstlichem" Kräutertee wären sie nicht glücklich und ich auch nicht.

Ich glaube, keine meiner bisher fünf Fastenwochen werde ich so schnell vergessen wie diese hier. Und ich hab das dumpfe Gefühl, das war für lange Zeit die letzte, nicht weil es so schlimm war, sondern weil es sich so egal angefühlt hat - und für egal finde ich fünf Tage ohne Essen ein bisschen schade.

Gut. Zum Positiven.
Heute habe ich mich noch nicht gewogen, aber gestern waren insgesamt drei Kilo runter. Davon ist ein Kilo Darminhalt, bleiben zwei Kilo. Darüber freue ich mich zwar, aber zwei Kilo habe ich in einer Woche auch schon mal abgenommen, wenn ich auf Pasta, Teilchen und Alkohol verzichtet habe. Und wie viel diese Woche wirklich dazu getan hat, mich zu entgiften und meinen Bauch innerlich auf das Baby vorzubereiten, kann ich leider erst in ungefähr... Moment... fünf Wochen sagen. Dann ist nämlich die nächste IVF vorbei und ich war beim Test.

Nachher esse ich einen Apfel, ein bisschen später ein Vollkornknäcke mit Quark. Ich bin ein bisschen traurig, dass ich darüber nicht mehr aus dem Häuschen bin.

Sonntag, 20. März 2011

Tag 4: L. bestellt sich Pizza.

Muss ich dazu noch mehr sagen? Ich bin gestern mit fürchterlichem Knaster eingeschlafen und heute mit fürchterlichem Knaster aufgewacht. Trotzdem habe ich zwei Texte geschrieben, korrigiert, gekürzt und abgeschickt. Ich war zweimal staksig und kreidebleich mit dem Hund spazieren. Und ich habe heute bisher nur Kräutertee und 100 ml Gemüsesaft zu mir genommen. Und was tut L.? Leiht sich kurz meinen Rechner aus, geht auf die Pizzaseite, legt sich neben mich und will von mir Tipps zur Zusammenstellung seiner Pizza. Bitte, ich will es nur überstehen, bis ich heute abend einschlafe. Danach ist alles egal. Morgen bin ich den ganzen Tag unter den wachsamen Augen meiner Kollegen. Die wissen, dass ich faste, und ich müsste mir das bis an mein Lebensende anhören, wenn ich einknicke und mit Krümeln auf dem Pulli vom Bäcker komme.
Übermorgen. Wir konzentrieren uns auf übermorgen und die Aussicht auf einen Apfel und dann Suppe. Wenn auch Suppe in einem der besten Restaurants der Stadt. L.s Onkel feiert Geburtstag, und drunter täte er es nicht.

Tag 3 der Fastenwoche: noch drei Tage bis zur nächsten Kalorie.

Der dritte Tag fängt erstaunlich gut an, ich bin um halb acht wach und um zwanzig vor acht mit Lili unterwegs. Wir treffen eine nett verwirrte ältere Dame, die mir erzählt, sie fände meine Gummistiefel aber besonders entzückend und ich wäre ja noch so jung, haha (beides höre ich natürlich gern, in ein paar Tagen bin ich schließlich 38), Lili flitzt durch Gräben und zernagt Stöcke, ist zu allen Hunden und Menschen freundlich, und als ich in unsere Straße einbiege, hat sich sogar der Nebel verzogen und die Sonne scheint. Kurz darauf bricht L. zum Turnier nach Ostfriesland auf, und Lili und ich sind allein. Allein in einem Haus voller Essen und Kochbücher. Ich flüchte aufs Sofa und versuche, endlich den versprochenen Artikel zu schreiben, aber das Fasten macht scheinbar ein bisschen doof, und es kommt nichts dabei heraus, jedenfalls nichts Druckbares. Um die Mittagszeit gebe ich entnervt auf, nehme den Hund an die Leine und breche mit ihr in Richtung Alsterlauf auf. Drei Stunden später bin ich fertig mit der Welt, meine Knie zittern, ich kann nicht mehr. Lili war über die Alster geschwommen und hatte sich auf der anderen Seite in einen Graben verirrt, aus dem sie alleine nicht mehr rauskam. Ich bin also wie besengt zur nächsten Brücke gerannt und musste dann in fast hüfttiefes Wasser, um meinen Hund zu retten. Tropfend und fluchend schleppen wir uns nach Hause. Den Rest des Tages bringe ich gerade noch so die Energie auf, nicht an den Kühlschrank zu gehen und dem Elend ein Ende zu machen. Mir ist schwindelig, ich kann nichts sehen, mein Kopf tut weh, und ich weiß genau, dass ich im Zweifel eine Minute von einem Vollkornbrot mit Quark entfernt wäre und zwanzig Minuten von Pasta mit Trüffelsauce und Parmesan. Am Ende lasse ich es sein und gucke als Ersatzbefriedigung zwei Stunden Nigella auf youtube. (Manche würden mich für irre halten, aber glaubt mir einfach, mir hilft es.)
Besser, das hier lohnt sich und tut tatsächlich etwas für meine Zufriedenheit, meine Babychancen, mein Gewicht und mein neues Verhältnis zum Essen. (Wobei: brauche ich ein neues Verhältnis zum Essen? Wo wir doch eigentlich wunderbar miteinander ausgekommen sind?)

Der Zeitpunkt ist da, der bei jedem Mal Fasten kommt, die Frage ist nur, überstehe ich das und mache weiter oder knicke ich ein. Dieser Zeitpunkt zeichnet sich dadurch aus, dass mir das ganze plötzlich als Schnapsidee erscheint. Was soll das überhaupt, die Medizin ist sich doch relativ einig darüber, dass es sowas wie Schlacken und damit Entschlackung gar nicht gibt? Wäre es nicht viel gesünder, einfach ab jetzt vernünftiger zu essen? Wenigstens ab und zu? Und ein bisschen mehr Sport zu treiben? So quatscht mich meine innere Stimme jetzt den ganzen Tag lang voll, und das, was Nigella da auf meinem Rechner gerade mit diesem Lammsteak anstellt, ist vergleichsweise harmlos dagegen.
Uff. Zähne zusammenbeißen.

Samstag, 19. März 2011

Tag 2 der Fastenwoche, oder: nichts kann, alles muss.

Morgens wacht man auf und weiß schon bevor man die Augen geöffnet hat, heute ist irgendwas. Irgendwas Gutes. Dieses Gefühl, das Kinder bis zum Alter von ca. neun Jahren am 24. Dezember haben. Ich habe ca. dreißig Sekunden gebraucht, bis ich wusste: ich hab den ersten Fastentag überstanden ohne nennenswerte Einbrüche, was Motivation, Wohlbefinden und Laune betrifft, und wenn ich jetzt kurz einen innerlichen Check meiner wichtigsten Organe mache, dann scheint alles in Ordnung zu sein. Keine Kopfschmerzen, kein Schwindelgefühl, kein Hunger, alles scheint bestens zu sein. Zwei Minuten später stehe ich auf dem Balkon und atme ein und aus, rudere dazu mit den Armen, berühre ein paar mal meine Zehen und erkläre damit den Fastenprogrammpunkt "Luftbad" für erledigt. Ich ziehe mich an, nehme das Tier an die Leine, und wir ziehen los. Vor dem Aufbruch packe ich mir sogar noch einen dicken Klumpen Geflügelfleischwurst in die Tasche, die ich auf dem Spaziergang neidlos an Lili verfüttere, wenn sie brav ist (also sitzt, kommt, wartet, nicht wieder am Herrchen ihres Lieblingsschäferhundes auf der ganzen Welt hochspringt und bleibt, wo ich sie absetze). Unterwegs habe ich einiges zu tun. Ich muss mich an frischen Knospen erfreuen, dem Gesang der Vögel lauschen, weiter ein- und ausatmen mit Betonung, "die Seele baumeln lassen" und sonst noch so einiges, das die Fastenbuchautoren von mir erwarten. Gut, gut, mache ich ja, und es ist auch alles halb so wild, weil ich mich sowieso schon ziemlich wohl fühle, wenn ich mit Hund und Gummistiefeln durch den Matsch laufen kann. Außerdem freue ich mich darauf, gleich zu duschen, mich abzubürsten und einzuölen mit dem guten Hauschka Arnika-Öl und mich im Bademantel mit Fastentee ins Bett zu kuscheln, um dort in aller Ruhe zu posten, zu googeln, zu mailen und so entspannt wie nix gegen mindestens vier Fastenbuchautorengebote zu verstoßen.
Aber auch L. reibt sich schon voller Vorfreude die Hände, und als ich endlich nach Hause komme, geht es los. Den ganzen Tag sind wir so dermaßen aktiv, dass es nur so kracht. Wie roden Bäume und tragen die Klötze ins Haus für einen Winter in drei Jahren. Wir reißen den widerlichen alten Laminatboden von den verkrusteten Dielen auf dem Boden und schneiden ihn klein genug, um in Kisten zu passen. Dann fahren wir die Kisten zum Recyclinghof. Ich fege das Haus, gehe einkaufen (Zitronen zum Auslutschen gegen Übersäuerung für mich, Hundefutter für Lili, und ca. drei Kilo Lebensmittel für den verfressenen L.), spaziere noch zwei mal ausführlich mit dem Hund und darf die ganze Zeit nichts essen. Nichts. Es gibt einen kleinen Löffel Honig am Vormittag und wieder die unnachahmliche Fastensuppe, abends auch 100 ml Saft mit viel Wasser verdünnt, aber das war es. L. indessen isst im Lauf des Tages acht Scheiben Toast mit Käse, ein ganzes Schlemmerfilet mit irgendwas tomatigem drauf, einen Topf Dinkelnudeln mit Ketchup und fünf Scheiben Vollkornbrot mit irgendwas, was ich gar nicht erst wissen will. Dann macht er sich zum Feierabend noch drei große fränkische Bierchen auf. Was soll er machen, Gartenarbeit macht hungrig? Ich protestiere zischendurch immer mal wieder, dass ich jetzt aber meinen Leberwickel (so eine Art nasse Wärmflasche) machen muss, dass ich jetzt Tee trinken und hohlwangig aus dem Fenster gucken oder meine Vorräte streicheln muss, aber L. will davon nichts hören und peitscht weiter ein. Und das erstaunliche ist, es geht. Ein paar mal fühle ich mich ein bisschen wie in zu dünner Luft, aber davon abgesehen überstehe ich den Tag ziemlich gut. Vermutlich besser, als wenn ich rumgesessen und aus dem Fenster gestarrt hätte. Einziger Tiefpunkt: L. und ich misten die Bücher vom Dachboden aus, und ich stoße dabei auf die vier Bände "Schwäbische Küche", "Österreichische Küche", "Tapas" und "Dr. Oetker Schulbackbuch". Ich sitze auf der staubigen Treppe habe so etwas wie eine Vision. Was hab ich nur getrieben, als ich noch essen durfte? Wie habe ich nur meine Zeit verschleudert? Wie konnte ich mich jemals mit einer Schüssel Smacks aufs Sofa setzen, wenn ich stattdessen Mutzenmandeln hätte backen können? Warum hab ich jemals Schlemmerfilet gegessen, wo ich doch genau so gut Kärntner Kaasnudeln oder auch mal selbstgemachte Spinatspätzle hätte machen können? All die Kuchen, die ich noch nie gebacken hab, und all die großartigen Rezepte, die schon vor zweihundert Jahren die Leute nicht nur satt, sondern auch noch glücklich gemacht haben... oje, ich war wirklich kurz vorm Heulen vor Rührung über all das gute Essen, das fürs Erste ungekocht bleiben muss. (Ja, ihr erinnert euch richtig, ich bin die, die schon mal bei der Miracoli-Werbung in Tränen ausgebrochen ist.)
Ach je. Man soll ja gute Vorsätze fassen während der Fastenwoche. Hier sind einige:
1. Ich will wieder mehr kochen. Das ist im neuen Haus ein bisschen eingeschlafen, weil ich so viel anderes zu tun hatte. Aber ich will mich wieder am Wochenende mit meinen Kochbüchern auf die Couch legen und jede Woche mindestens ein neues Rezept ausprobieren.
2. Ich will wieder mehr Vollkornbrot kaufen. (Vollkornnudeln oder Vollkornkuchen dagegen: niemals.)
3. Ich will Obstbäume im Garten pflanzen, außerdem Johannisbeersträucher und Heidelbeeren und Himbeeren im Wäldchen. Ich will mich um sie kümmern und versuchen, sie jedenfalls nicht absichtlich zu vernichten.
4. Ich will mindestens einmal pro Monat ins Theater gehen.
5. Ich will keine einzige intouch kaufen, bevor ich nicht meinen Zeitungsstapel aufgelesen habe.

Und Abends schaffe ich es noch nicht mal, lange genug für Pastewka wachzubleiben.

Tag 1 der Fastenwoche, oder meine Toilette hat 2.756 winzige blaue Fliesen.

Ich bin im Grunde ja selbst Schuld, warum kaufe ich überhaupt solche Bücher? Einmal fix durchgeblättert in der Buchhandlung, dann hätte klar sein müssen, dass auch dieses Fastenbuch wieder so ein Fastenbuch ist. So eins, in dem einfach behauptet wird, die Fastensuppe sei "köstlich" und man würde sie "genießen", während in Wahrheit die Fastensuppe schmeckt wie Spülbrühe und ich sie mir nur zur Hälfte reinzwängen kann, bis ich aufgebe und zur viel leckereren Alternative greife: ein bisschen Biogemüsesaft mit heißem Wasser aufgegossen. Ja, ihr habt richtig gelesen, diese läpprige, unattraktive Schüssel voll halbtransparenter Langeweile ist immer noch ungefähr fünfmal so gut wie die köstliche Fastensuppe, für die ich dazu auch noch mit Gemüse hantieren, es kleinschneiden und eine halbe Stunde kochen muss, nur um dann das Gemüse wegzuwerfen und das ungesalzene Kochwasser zu essen. Entschuldigung, zu genießen. Und auch in diesem Fastenbuch ist wieder dauernd die Rede von "unserer hektischen Zeit" und der "Rastlosigkeit", den bösen bösen elektronischen Geräten und davon, dass Rotwein eine ungesunde Angewohnheit ist. Liebe Fastenbuchautoren, wieder mal überschreitet ihr in einer Tour euren Kompetenzbereich. Wie lebe ich fünf Tage ohne Nahrung und mache daraus eine Erfahrung, die möglichst gewinnbringend für Geist und Körper ist? Wie schaffe ich das selbst als verfressendster Mensch der Welt, ohne durchzudrehen oder jemanden zu ermorden? Wo sind die Klippen und Untiefen, und wie umschiffe ich sie am besten? Womit muss ich während dieser Zeit rechnen, wie gehe ich damit um? DAS sind eure Hoheitsbereiche. Aus dem Rest meines Lebens lasst bitte, bitte eure Finger, es ist nämlich so: ich MAG meine elektronischen Geräte, und in unserer hektischen Zeit fühle ich mich auch ganz wohl.

Aber sonst ist noch alles gut. Wenige Minuten nach dem Ende des ersten Fastenposts begann es im Bauch verheißungsvoll zu gluckern, ich nahm mir eine Zeitung (nicht gut, s. "hektische Zeit") und verzog mich auf die Toilette, wo die Dinge ihren Lauf nahmen. Laut Fastenbuch soll man sich für ungefähr drei Stunden nicht zu weit von einer Toilette entfernen, weil man so lange so gut wie keine Kontrolle darüber hat, wann (empfindsame Gemüter erst einen Absatz später weiterlesen bitte) braunes, müffelndes Wasser in dicken Schwällen aus einem herausschießt.

Die erste Stunde habe ich mit der Zeitung zugebrahcht, die zweite mit einer anderen Zeitung auf dem Sofa fünf große Schritte vom Klo entfernt, die dritte wieder mit leicht verlängerter Leine einen Stock tiefer im Esszimmer. (Nicht um zu Essen, harr.) Dann dachte ich, nun ist es aber auch mal gut. Woraufhin ich noch zu mindestens fünf Zeitpunkten, zum letzten Mal abends um zehn, plötzlich mit vermutlich sehr bescheuertem Gesichtsausdruck mit Lili auf der Wiese, am anderen Ende des Gartens oder auf dem Dachboden stand und dann in hastigem Krebsgang es gerade noch schaffte. Ich habe an diesem ersten Tag schätzungsweise drei Stunden auf dem Klo zugebraucht. Und damit kann ich allen nur raten, die es mir nachmachen wollen: Auch, wenn das Fastenbuch sagt, das geht bei richtiger Organisation, lasst es bloß nicht drauf ankommen. Geht am ersten Fastentag nicht arbeiten.

Donnerstag, 17. März 2011

Hab ich gesagt, der Bauch ist blöd? War nicht so gemeint. Guter Bauch.

Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, mich mit meinem Körper anzulegen, jetzt ist der Zeitpunkt für Harmoniiiiiiiiiiie.
Denn gerade, als ich mit Lili auf der Wiese stand, klingelte plötzlich mein Telefon, meine Ärztin war dran, und es ist scheinbar kein Problem, die Stimulation doch noch eine Woche nach hinten zu schieben. Warum? Wieso vorher nicht? Ich weiß es nicht, aber ich bin froh, und sie wünscht mir viel Spaß beim Fasten. Das ist doch großartig! Genau so großartig wie die Aussicht auf ein Cousinchentreffen genau wie geplant und einen Geburtstag zwar mit Gonal, aber noch ohne Ovitrelle.

Schade nur, dass ich gestern auf dem Heimweg aus der Agentur noch für ca. 40 Euro leckeren Frühstückskram für die nächsten Tage eingekauft habe und sich nun der gefräßige L. mit meinen Räucherforellen, meinem Appenzeller, meinem San-Daniele-Schinken und meiner englischen Marmelade mästen wird. Und schade, dass ich gestern Abend auf der Couch noch zwei Glas Rotwein hatte, das ist eigentlich am Entlastungstag nicht vorgesehen - aber gestern wusste ich ja nicht, dass es ein Entlastungstag ist. Gut dagegen, dass ich gestern den ganzen Tag keinen Fitzel Fleisch oder Fisch zu mir genommen habe, das soll angeblich schlimmer sein als Alkohol. Und sowieso könnte mich nichts, was ich gestern getan hätte, davon abhalten, jetzt das zu tun, was ich tue:

Ich liege im Bett, den Rechner auf den Knien und neben mir das Dicke-Damen-Gedeck. Ein großes Bierglas voll in lauwarmem Wasser aufgelösten FX Passage-Salzes (die nur fast genauso widerliche Schwester von Glaubersalz), einen weißen, von Mönchen hergestellten Krug mit starkem Pfefferminztee und ein Schälchen Zitronenschnitze, um gegen den FX-Geschmack anzukämpfen. Ein Drittel habe ich schon geschluckt, der Rest folgt innerhalb der nächsten zwanzig Minuten. (Beim ersten und zweiten Mal habe ich es noch runtergeschüttet wie einen Cocktail aus dem Dschungelcamp, aber wenn man Pech hat, kommt es dann sofort wieder hoch.) In den nächsten Tagen werde ich versuchen, eine zu sein, die ich sonst nicht bin. Ich werde mich mit hölzernen Bürsten bürsten, mich kalt abduschen, Teetassen mit beiden Händen halten und dabei hohlwangig aus dem Fenster gucken, auf meine Atmung achten, mich an irgendwelchen Leistungen der Natur erfreuen statt an einem schönen Teller Pasta mit Trüffelöl, und auf diese Weise in einer Woche glücklicher, ausgeglichener, gesünder und vor allem viel, viel dünner aus diesem esoterischen Tunnel kommen. Ich find's spannend. Wenn es euch anders geht, dann schaltet euch nächsten Mittwoch wieder zu, wenn ich das alles hinter mir habe und einen Tag vor meiner ersten Gonal stehe.

Dienstag, 15. März 2011

Ein Bauch sieht rot.

Inzwischen würde es mich kaum noch wundern, wenn eines Tages wirklich zwei-drei Kinder aus meinem Bauch quellen, sie wären nicht die erste Überraschung, die er für mich ausbrütet. Vermutlich in dem Moment, in dem ich beschlossen habe, ohne Blagen zurechtzukommen und einen 1a Plan für den Rest meines Lebens gerade in trockenen Tüchern habe. Ha.
Eigentlich sollte ich nächste Woche Freitag anfangen, Gonal zu spritzen. Vielleicht sogar noch ein bisschen später. Ich habe immer wieder meinen Kalender durchgeblättert (seit ich Freiberuflerin bin, habe ich eine plötzlich so einen gruseligen, analfixierten Spaß daran, Termine einzutragen und nachzuschlagen; es ist so eine Art Selbsttäuschungsmanöver, um mich davon abzulenken, dass ich sonst immer noch genau so chaotisch und unordentlich bin, als hätte ich einen Stab von Assistenten, die hinter mir herräumen und alles in Ordnung bringen, was ich verbammele) und nachgezählt, wie lange noch bis zur Punktion und bis zur Rückübertragung, und wie fein das alles auf meine Pläne in den nächsten Wochen abgestimmt ist. Da waren die Termine, schön sauber in der Mitte zwischen Geburtstagsparty, Familientreffen (das wir seit inzwischen zwei Jahren planen, verschieben, neu planen und wieder verschieben) und verschiedenen Präsentationen im Job. Alles war gut, alles war ordentlich.
Gestern morgen bin ich aufgestanden und hatte meine Tage. Erst nur ein bisschen, inzwischen blute ich wie ein Schwein und krümme mich wie ein Shrimp. Ich habe meine Klinik angerufen und um Rückruf gebeten, eigentlich sollte das nicht sein, wozu spritze ich mir denn Enantone in den Bauch wie eine Große?
Heute nachmittag kam der Rückruf, und jetzt fangen wir übermorgen an zu spritzen. Ich hatte noch keinen Termin beim Chinamann, ich hab andere Sachen vor, zum Beispiel meine blöde Fastenwoche (never ending sto-hory, ahaha, ahaha, ahaha), die ich jetzt vergessen kann, denn Fasten als Vorbereitung auf IVF: wunderbar, aber Fasten während Stimulation, eher nicht. Alles ist futsch. Zwar werde ich zu meiner Geburtstagsparty noch keinen Braten in der Röhre haben, aber trotzdem werde ich in meinen Aktivitäten von einem Medizinballbauch voller Eisprünge etwas gebremst sein. Das Familientreffen, das meine Cousinen mit Mettbrötchenessen, Altbiertrinken und Radfahren im Münsterland liebevoll, feinfühlig und treffsicher auf meine Bedürfnisse zugeschnitten hatten, wird natürlich genau so stattfinden, nur dass ich weder beim Mettbrötchenessen noch beim Altbier oder beim Radfahren dabei sein werde, denn bis dahin werden die Würmchen drin sein. Verdammte Axt. Und zusätzlich zu all dem darf ich mich nun auf Jobstress mit Hormonstress obendrauf freuen.

Hab ich mal geschrieben, dass diese ganze IVF eigentlich gut zu machen ist? Das war Blödsinn. Ich will Mettbrötchen.

Samstag, 12. März 2011

Japaner unter den Opfern

Ich will gar nicht viel schreiben, ich muss Nachrichten gucken und nachdenken und traurig sein. Aber eine Sache treibt mich um: was soll das eigentlich immer mit den "Deutschen unter den Opfern"? Man könnte ja denken, dann müssen sich die Zuschauer/Leser, die jemanden kennen, der gerade in Japan ist, keine Sorgen machen. Ich glaube aber, damit hat es nur zu einem klitzekleinen Teil zu tun, und meistens erfahren Angehörige und Freunde ohnehin nicht aus dem Fernsehen, dass jemand, der ihnen wichtig ist, nun tot ist. Und ich fürchte, es hat unfassbarerweise etwas zu tun mit "Ja dann? Traurig, klar, aber doch nicht GANZ so schlimm wie befürchtet."

Ich stelle mir vor, ich stehe in Tokio in einer Bar und starre auf einen CNN-Bildschirm, auf dem zu sehen ist, wie halb Deutschland ertrinkt, verbrennt, zerquetscht und verstrahlt wird. Und die Moderatorin verkündet uns, dass Gott sei Dank keine Japaner unter den Opfern sind.

Donnerstag, 10. März 2011

Der erste Schritt auf den Abgrund zu, auf dessen Grund ich besoffen, dick und gleichzeitig magersüchtig in der intouch bin

Jemand will ein Interview von meiner Coautorin Simone und mir. Unser erstes! Zum Glück muss ich nirgendwo hinfahren, um mich zu blamieren, sondern darf zuhause geschützt an meinem Rechner sitzen und mir gründlich überlegen, was ich auf die Fragen antworte.

Bei näherer Überlegung hätte ich das vielleicht nicht verraten sollen, denn dann hätte ich, falls das alles sehr peinlich wird oder jemandem in den falschen Hals gerät, immer noch behaupten können, dass man in der enorm adrenalingeschwängerten (Harrrrr) Interviewsituation schnell mal was sagt, was sich hinterher als blöd oder missverständlich erweist. Zu spät, schon ist es aus mir herausgeplatzt, und das, obwohl ich diesen Post nicht vor laufendem Diktiergerät zusammenstammele, sondern zuhause im Schutz meines Arbeitszimmers schreibe!

Eieieiei. Ich seh schwarz für dieses Interview und möchte an dieser Stelle der Dame von der Presse schon mal ans Herz legen, sich ein paar nette und ungefährlichere Alternativthemen zu überlegen, falls ich es vergeige. Hier ein paar Vorschläge:
- die ersten Enten des Jahres, die unter Polizeischutz die Straße überqueren.
- irgendwas mit dem Fluch der Inkas, Pharaonen oder des Bermudadreiecks.
- ein Bericht über eine Hundertjährige.
- was ist eigentlich aus Octomum geworden?
- Mallorca. Ahnt man ja nicht, was sich da alles im Hinterland verbirgt, im Grunde eine TOTAL schöne Insel!
- etwas mit den Ochsenknecht-Blagen, Krischan-Sindbad oder wie heißt der eine? Ach nein, das hat Max Goldt sich ausgedacht.
- die Ananas-Diät.

Dienstag, 8. März 2011

Und falls das mit dem Baby nichts wird: mein Traumhotel.

Immer, wenn L. und ich durch irgend eine Hauptstadt latschen (was bisher unsere einzige Art ist, Urlaub zu machen, vielleicht kommen ja irgendwann noch Nordseeurlaube oder mal eine gemietete Hütte dazu, aber bis dahin:), dann kommen wir jedes Mal früher oder später beim latschen und schwadronieren darauf, wie ein Hotel aussähe, das wir aufmachen würden.

Einige Dinge, die es in unserem Hotel nicht gäbe.
Ich habe in meinem Leben noch nie auf Qype oder sonstwo Leute vor Hotels oder Restaurants gewarnt. Ich beschwere mich auch nicht beim Manager. Ich lächle freundlich, gehe und komme nie wieder, und wenn mich jemand fragt, ob man da hinfahren soll, dann sage ich nein. Einerseits ist das so, weil ich feige und konfliktscheu bin, andererseits deshalb, weil die Dinge, die mich stören, ganz oft mit Problemen zu tun haben, bei denen man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Für ein Verständnis dessen, was Leute brauchen, um sich wohl zu fühlen, das sich grundlegend von meinem unterscheidet.

Also gut.
In meinem Hotel gäbe es keinen lackierten Beton. Nicht als Boden, nicht als Sitzbank und schon gar nicht als Kopfstütze. Wer will an seinem ersten Urlaubstag aufwachen und seinen Kopf auf Beton kuscheln? Ich nicht. Ich finde das nicht schick, das ist bloß so ein billiger Trick phantasieloser Innenarchitekten, so wie bei denen, die alles weiß machen, nur schlimmer. Vermutlich sollen die Landeier merken, dass sie jetzt in der Stadt sind, und weich ist spießig. Aber bevor ich geduscht habe, bin ich gerne spießig. Ich lese gerne eine altmodische Zeitung, trinke schwarzen Tee mit Milch und höre Musik, die ich schon kenne.

In meinem Hotel gäbe es außerdem nicht zu viel Corporate Identity. Es ist völlig in Ordnung, wenn das Hotellogo oder der Hotelname auf dem Geschirr und auf den Handtüchern ist. Aber es ist nicht ok, wenn die Angestellten angezogen sein müssen wie Promoter aus der Fußgängerzone.

Es gäbe kein kompliziertes Beleuchtungssystem, das man nur ausschalten kann, indem man die Schlüsselkarte aus dem Schlüsselkartendings zieht.

Bei näherem Nachdenken gäbe es auch keine Schlüsselkarte, ich bin bestimmt schon zehnmal im Leben mitten in der Nacht mit wunden Füßen runter an die Rezeption gelaufen, weil die blöde Karte nicht funktioniert hat. Was ist so falsch an Schlüsseln?

Es gäbe keine Zimmermädchen, die ein Zimmer schon vor elf dreimal betreten haben, egal, ob man "Nein" oder "Besetzt" oder "Draußen bleiben" ruft.

Es gäbe keine Lichtschranke in der Minibar, die behauptet, ich hätte ein Snickers gegessen, wenn ich in Wahrheit nur ein Snickers angeguckt habe.

Es gäbe keinen Schnickschnack wie Schuhputzsets, Conditioner, Fußdeo, Klappzahnbürsten usw. Es gäbe allerdings die Möglichkeit, solche Sachen an der Rezeption zu bekommen, wenn ich sie vergessen haben sollte.

Es gäbe keinen Radiowecker, keine Ipod-Docking-Station, keinen DVD-Player, keinen Toaster und kein Bügeleisen. Es gäbe aber einen Fön, und zwar einen, der auch kalt kann.

Einige andere Dinge, die es in meinem Hotel gäbe.

Zur Begrüßung eine Flasche guten Prosecco rosé, die niemand bezahlen müsste. Meinetwegen (L. hat ja auch was mitzureden) würde ich den Preis sowieso mit in die Übernachtung einrichten. Es wäre einfach sensationell nett, man würde sich willkommen fühlen, wenn man nicht 20 Euro für etwas bezahlen müsste, was, wie jeder weiß, im Einkauf nur fünf Euro kostet. Und ich würde in das Prosecco-Hotel immer wieder fahren, in das 20-Euro-Hotel wohl nicht.

Nachdem ein Hotel vor allem eine Möglichkeit ist, in der Fremde zu schlafen, würde ich dafür sorgen, dass die Leute schlafen können. Ich würde ihnen die Möglichkeit geben, das Zimmer komplett zu verdunkeln, sie könnten die Temperatur im Zimmer selbst bestimmen, und ich würde niemals jemanden zum Saubermachen vorbeischicken, bevor es mittag ist.

Es gäbe Abends ein schönes, unkompliziertes Essen an einem langen Tisch, im Sommer draußen, für alle, die sich am Morgen dafür anmelden, plus für vielleicht fünf Leute, die es sich spontan noch überlegen. (Ich gebe es zu, das ist nur eine Ausrede dafür, endlich täglich Sophia-Loren-artig mit einer Schürze und unordentlicher Frisur am Herd zu stehen und in einem riesigen Pastatopf zu rühren, während im Radio eine Arie läuft.) Am Wochenende würde ich Kuchen backen, den es zum Frühstück gibt.

A propos: es würde Frühstück bis Mittag geben. Wer will im Urlaub um halb neun aufstehen, um wenigstens noch die letzten verschrumpelten Käsescheiben und das doofe Brot abzukriegen? Und zum Frühstück gäbe es ordentliche Zeitungen. Und es gäbe Pfannekuchen.

Es gäbe frische Blümchen auf dem Zimmer, einen Apfel auf dem Kopfkissen und Wasser umsonst. Eine Flasche Wasser kostet niemals mehr als 70 Cent, angenommen, die Gäste würden ihre Tage in meinem Hotel damit verbringen, so viel Wasser in sich reinzuquetschen, wie es nur geht, wie teuer könnte das werden?

Es gäbe genug Kleiderbügel. (Warum sind das immer nur fünf? Warum? Sind die so teuer? Werden die immer geklaut?)

Es gäbe eine Möglichkeit, den Koffer so verschwinden zu lassen, dass man ihn nicht sieht. Wer will denn die ganze Zeit auf einen Koffer und damit auf die Heimreise starren, wenn er im Urlaub ist?

Es gäbe Fotos von früheren Hotelgästen in den Zimmern, wenn die früheren Hotelgäste das wollten.

Es gäbe Wärmflaschen, und es gäbe Kaffee und Tee morgens auf dem Zimmer, angeliefert in kleinen Thermoskannen, die vor der Tür stehen würden, und die Zimmermädchen würden dazu kleine Briefchen unter der Tür durchschieben.

Es gäbe einen Schuhputzservice, für den man seine Schuhe einfach nur vor die Tür stellen müsste.

Es gäbe einen Hund, den man sich leihen könnte, um durch die Stadt bummeln zu können und dabei von den Touristen für einen Einheimischen gehalten zu werden.

Es gäbe Fahrräder, die man sich kostenlos leihen könnte.

Es gäbe ein kleines Häuschen auf dem Dach, in dem die Sauna wäre.

Es gäbe einen Kamin im Frühstücksraum. Der übrigens nicht nur ein Frühstücksraum wäre, sondern auch ein Abends-Weintrink-Raum.

Es gäbe jeden Freitag und Samstag eine kleine, aber feine Party für Freunde des Hauses, Gäste und Freunde der Gäste.


Ein Glück träume ich diesen Traum mit L.
Allein wäre ich pleite, bevor ich auch nur eröffnet hätte.

Aufgeregt? Come on.

Nach der natürlichen Ordnung eines Befruchtungsblogs gehört hierhin jetzt eine entnervte Schilderung, wie übel mich die Enantone vom letzten Freitag erwischt hat. Hat sie nämlich. Die Nebenwirkungen, die sich kurz vor der Bauchspiegelung langsam verzogen haben, sind von heute auf morgen wieder da. Unabhängig von den sicherlich vollauf gerechtfertigten Versprechen auf meinen drei Shampooflaschen habe ich gerade Haare wie eine Badekappe. Außerdem eine ganze Latte an Zipperlein von Kopf bis Fuß. Es juckt und zwickt überall, und wie immer hat sich pünktlich in dem Moment, in dem ich mir überlege, morgen den Tag mit einem flotten Trab um den Park zu beginnen, ein Körperteil entschieden, dagegen zu sein: ohne erkennbaren Anlass (außer der Enantone) tut mein linker Fuß ungefähr so weh, als hätte eine Dame mit dem Absatz drei Stunden auf ihm draufgestanden.

Ich hab aber keine Lust auf langweiliges Hormongejammer, ich höre mich ja schon an wie mein eigenes Wechseljahreskränzchen.

Stattdessen freue ich mich lieber auf ein paar nette Dinge, die in nächster Zeit anstehen: die Mädchen haben sich angekündigt, um mit mir meinen Geburtstag in der neuen Hütte zu feiern. Nachdem ich seit fast zehn Jahren Belle & Sebastian-Fan bin, gehe ich demnächst zu meinem ersten Belle & Sebastian-Konzert. Ich habe ein neues großartiges Buch gefunden, es ist von Edward St.Aubyn, und jeden Tag kann ich es kaum abwarten, bis ich endlich in meinem Pölterchen im Bett liege und darin lesen kann. (Außerdem ist es mein Methadon-Programm, um mich von den elenden Tudors-DVDs wegzubringen. Teufelszeug ist das.) Ab übermorgen faste ich, was an sich kein Grund zur Vorfreude ist, vor allem, wenn man dazu diese grässlichen, klebrigen Bücher voller mieser Gedichte und Kalendersprüche lesen muss, die einem dauernd in sein Leben reinquatschen wollen - ich will einfach nur ein paar Tage entgiften, ein bisschen dünner werden, mich wieder konzentrieren lernen und mich hinterher wieder mehr über ein Äpfelchen, ein Steakchen und ein Weinchen freuen als jetzt, kapiert das niemand? - aber worauf ich mich freue, ist, dass mir wieder ein paar mehr Hosen passen. Ich freue mich auf die Belohnungsshoppingrunde, bei der ich hoffentlich nicht so übermütig werde, mir tatsächlich Kleidung in Größe 36 zu kaufen in der irrigen Annahme, dass die mir ab sofort ja passt. Ich freue mich darauf, dass die Enantone nachlässt, auf die erste Gonal, auf die zweite und dritte, auf die alte Magie des Wartens auf den Schwangerschaftstest, auf Namen für sowas von ungelegte Eierchen ausdenken, auf vielleicht schwanger sein, auf den Frühling und den Sommer, auf eine Zeit, wenn ich mit zwei Wollpullis durchs Haus laufe und nicht trotzdem friere (Mädchen, versteht die Botschaft: zu meinem Geburtstag könnt ihr gerne im kleinen Pinken erscheinen, aber nehmt euch auch ein hübsches Strickjäckchen und ein paar Fäustlinge mit, gell?), ich freu mich auf die Rippchen, die ich mir gleich als Henkersmahlzeit vor dem Entlastungstag morgen (erlaubt sind Knäcke, Rohkost, Tristesse) reinschieben werde, sobald es von unten nach Grill riecht, ich freu mich auf die Folge GNTM, die ich letzte Woche nicht gucken konnte und mir gleich im Netz ansehe, ich freu mich auf einen Wanderurlaub im Schwarzwald und einen Mädchenurlaub am Pool, der heute in 120 Tagen beginnt, schwanger oder nicht.

Ich fange an zu glauben, ohne den Enantone-bedingten Stimmungsknick (auf der Heimfahrt aus Franken am Sonntag war ich kurz vor einem Schlaganfall, nur weil die nette Schaffnerin alle zwanzig Sekunden irgendwas durchgesagt hat und mir in meine Tudors reingequatscht hat, ich habe meinen Rechner so fest umklammert vor Zorn, dass ich einen Krampf im Unterarm und gewaltige Angst vor mir selbst bekommen habe) wäre ich gerade nicht auszuhalten.

Mittwoch, 2. März 2011

Ein bisschen wie ein Galeerensklave, der sich nach Feierabend gerne auf dem Rudergerät entspannt

Ich bin wohl wirklich bescheuert, an einem Tag, an dem ich in den 60ern drei Farbbänder durchgeknuspert hätte, abends noch einen Post zu schreiben. Und Anlass habe ich auch keinen, ich bin nur gerade wieder fertig geworden mit einem Auftrag und hab morgen den Vormittag frei. Ich habe heute ein amazon-Paket bekommen, in dem mein erstes Buch von Edward St Aubyn ist und eine DVD-Box mit Staffeln 1 bis 3 der Tudors, auf dem Herd steht von L. gekochte Hühnersuppe, und auf mich wartet eigentlich eine warme Dusche, mein Schlafanzug, ein Glas Rotwein und noch zwei Stunden ungestörter Glotzgenuss auf dem Rechner, während L. sich unten in Jungsgesellschaft das Spiel ansieht. Und dazu habe ich auch noch gerade erfahren, dass der andere Auftrag - der, wegen dem ich die ganze Zeit nichts gehört habe und Muffen hatte - heute präsentiert wurde, gut ankam und jetzt erst mal Ruhe herrscht über das ganze Wochenende, das ich ja, wie ich schon erzählt habe, in Franken verbringe von morgen abend an. Ich bin heilfroh, mich entspannen zu können, weil ich nicht mehr die brave fränkische Hotelwirtin wegen WLAN nerven muss und zu nichts komme, weil ich dauernd Emails abfragen und beantworten muss.

Wie gesagt, ich müsste mich entspannen. Wenn mir nicht genau das gerade ein bisschen schwer fallen würde.
Diese Fastenwoche ist wirklich überfällig, glaubt es mir. Ich habe schon lange nicht mehr so viel gegessen und hatte so wenig Spaß daran, war so unruhig und gleichzeitig so müde und hab mich so rundum ungesund gefühlt.

Dienstag, 1. März 2011

Es gibt eine Menge Dinge außer Babys, auf die es sich zu hoffen lohnt

Letzte Woche habe ich von Montag bis Mittwoch in einer Agentur gearbeitet, und von Donnerstag bis Sonntag habe ich mein neues Arbeitszimmer eingeweiht, dass es nur so kracht. Ich habe wirklich geschuftet. Noch nicht mal den verdammten Tatort am Sonntag Abend habe ich geguckt, und ich war so dermaßen am Rechner festgeklebt, dass ich sogar, während ich mir ein tiefgekühltes Fischfilet in der Pfanne gebraten habe, zwischendurch - zwischen erstem und zweitem Wenden - für ca. 90 Sekunden noch mal hochgerannt bin und etwas getippt habe. Sonntag Nacht hatte ich das Ergebnis fertig, ein 28seitiges Skript für eine Webseite - also ein Dokument, knallvollgeschrieben mit all den fabelhaften Dingen, die auf dieser Webseite vor sich gehen, wenn man sie besucht. Ich habe das Dokument in eine Email gepackt, an meine Kunden geschickt und den Rechner zugeklappt. Seit diesem Moment habe ich nichts gehört, keinen Piep. Nicht mal "Danke, ist angekommen, wir gucken es uns in Ruhe an und melden uns." Und obwohl ich mir selbst ständig einrede, ich wäre völlig entspannt, bin ich es nicht. Ein sehr, sehr großer Teil von mir denkt nicht besonders heimlich, dass die sich deshalb nicht melden, weil sie immer noch nicht wissen, wo sie anfangen sollen mit dem Gemecker und den Beschimpfungen. Ich hoffe inständig darauf, dass ich eines Tages mal jemand sein werde, der in solchen Situationen wirklich zumindest mit der absoluten Mehrheit seiner Hirnzellen denkt "Das wird schon ok so sein, du kannst das schließlich, und wenn die das nicht mögen, dann sind die eben selber doof."

Und dann bin ich wieder erschrocken, festzustellen, dass ich mich gerade dem Alter mit Riesenschritten nähere, in dem es wirklich schwierig wird, Kinder zu kriegen - selbst, wenn man keinen so bunten Unterleib hat wie ich. Und trotzdem immer noch so kindisch, unsicher, dauerverlegen, schüchtern und rundum pubertär bin. Was ist denn mit den anderen Erwachsenen los? Tun die nur so? Es ist ja ganz schön, sich jünger zu fühlen, als man ist, aber 13? Bitte.