Freitag, 3. Dezember 2010

Die seltsamste Stunde, die ich je in einem Behandlungszimmer verbracht habe

Bis gestern war ich noch nie in meinem Leben zur Osteopathie gewesen. Vielleicht liegt es daran, dass bisher alle Leute, die mir das empfohlen hatten, im gleichen Satz irgend so etwas mitgeschoben hatten wie "die Schulmedizin macht dich ja im Zweifel nur kränker", und das ist der Moment, in dem ich grundsätzlich dicht mache. (Wenn mir also jemand z.B. ein gegrilltes Rippchen oder ein Glas Rotwein hinhalten und dazu sagen würde "nimm, die Schulmedizin macht dich im Zweifel ja nur kränker", dann würde ich dankend ablehnen.) Aber in den letzten Monaten sind wunderliche Dinge geschehen. Genauer kann ich das gar nicht beschreiben. Und so kam das, dass ich gestern meinen ersten Osteopathie-Termin im ganzen Leben hatte. Meine Klinik-Ärztin hatte mir beim vorletzten Mal vier Karteikärtchen von Osteopathen mitgegeben und gesagt, ich sollte da mal hingehen. Das könnte zwar vermutlich weder meine Endometriose "wegmachen" noch die Myome verhindern, aber es würde zumindest dafür sorgen, dass sich mein Bauch nach den vielen Operationen wieder ein bisschen beruhigt und "mein Beckenboden sich besser fühlt". Von den vier Karten habe ich die Praxis ausgesucht, die am nächsten an meiner U-Bahn-Linie liegt, denn wenn ich erst umsteigen muss, kriege ich schlechte Laune und gehe da doch nicht hin. Und als ich gestern mittag vor dem Haus stand, einem dieser weißen Hamburger Häuser, die aussehen wie aus Biskuitporzellan, dachte ich, ach schön, nun habe ich endlich einen Vorwand, mir eins dieser Häuser mal von Innen anzusehen, ohne dass die aufmerksamen Nachbarn den Notfallknopf drücken und der private Sicherheitsdienst anrückt. So ein feines Haus war das nämlich! Das Behandlungszimmer der Osteopathin ist so riesig, dass man darin die komplette Praxis meiner Stamm-Frauenärztin bequem unterbringen könnte. Unter der turmhohen Decke klebt makelloser Stuck, der scheinbar wöchentlich von einer auf der Leiter stehenden Fachkraft mit einer Straußenfeder gereinigt wird. Zwei Flügeltüren führen in andere, bestimmt noch größere Räume. Ich hatte befürchtet, dass Osteopathie teuer wäre. Und jetzt das: die Frau hat sich eine Stunde lang eingehend mit mir beschäftigt, und das Ganze kostet mich nun 75 Euro! Dabei war schon der Raum so prächtig, dass allein ein einstündiger Aufenthalt darin 75 Euro kosten könnte! Ich war begeistert. Lasst euch mal eine Stunde in stinkigsten, engsten und schmuddeligsten Taxi der Stadt durch trostlose Vororte fahren: auch das kostet mit Sicherheit 75 Euro, und für den Beckenboden tut es rein gar nichts!
Nach ein paar einleitenden Fragen ging es ziemlich flott los: ich lag ohne Hose und Schuhe auf einer Liege, wurde fürsorglich mit Wärme bestrahlt und mit einer Wolldecke eingemummelt, und die Osteopathin legte ihre Hände auf verschiedene Stellen meines Bauches. Dort ließ sie sie meistens eine ganze Weile liegen. Und liegen. Und liegen. Komischerweise wurde es unter ihren Fingern ziemlich schnell ziemlich warm. Ab und zu knetete sie auch mal hier und drückte da, aber nichts davon war in irgend einer Weise unangenehm, obwohl sie mich gewarnt hatte, es könnte ein bisschen weh tun - denn wie sie meinte, ist entweder meine Blase oder meine Gebärmutter zu weit links und sollte durch die Prozedur wieder mehr mittig landen. Ich lag also so da, und weil so extrem wenig vor sich ging, kamen wir ins Plaudern. Und es stellte sich heraus, dass auch die nette Osteopathin eine jahrelange Kinderwunschbehandlung hinter sich hatte. Langsam frage ich mich, wer eigentlich nicht (außer vielleicht Magda Goebbels und Boris Becker)? Während wir so plauschten, drückte und schob sie weiter sanft an mir herum, kugelte auch mal mit meinen Beinen nach hier und da und knetete meine Beckenknochen, und dann, als ich so dermaßen entspannt war, dass ich fast schon eingeschlafen wäre, war die Stunde vorbei, ich stieg wieder in meine Hose und fand mich ziemlich verblüfft zurück auf der Straße. Was war das denn?

Abgesehen davon, dass es wirklich, wirklich angenehm war und sich tatsächlich eindeutig so anfühlte, als würde gerade auf geheimnisvollen Wegen etwas Positives in meinem Bauch bewirkt - musste ich heute morgen zum ersten Mal seit Ewigkeiten nicht unmittelbar nach dem Aufstehen aufs Klo (obwohl ich über Nacht gute anderthalb Liter Wasser getrunken hatte), mein Bauch fühlt sich seltsam ruhig und entspannt an, und das, obwohl ich heute einen Muskelkater habe, als hätte ich gestern drei Stunden Bauch-Beine-Po hintereinander gemacht.

Da gehe ich wieder hin, das steht fest. Und zwar vermutlich im Januar, kurz vor meiner nächsten Bauchspiegelung.

So. Und dann ging es nach Hause, ich hatte noch zu tun (hatte ich schon mal erwähnt, dass aus meinen zwei freien Arbeitstagen bis jetzt kein einziges Mal etwas geworden ist?), der Hund wollte raus, und dann musste ich auch schon wieder in die Stadt zum Stammtisch. Zwar waren wir nur zu dritt, aber das war trotzdem ganz fabelhaft. Gute Damen, guter Wein, gute Pizza, guter Abend. Das nächste Mal vermutlich im Februar, und zwar diesmal wohl wirklich bei mir. Das wird die Organisation erheblich verkomplizieren, aber ich bin ganz sicher, wir kriegen das hin!

5 Kommentare:

  1. Willkommen im Klub, liebste Flora :-)

    Auch ich bin trotz seeehr rationaler Grundeinstellung schon vor einiger Zeit der Osteopathie erlegnen und stell Dir mal vor: die kann das nicht nur mit deinem Bauch, sondern auch wenn der Nacken verspannt oder die Hüfte verklemmt ist!
    Ich nenn meine nur noch "Zauberin" ;-)

    Wünsche Dir trotz "Nicht-Freitagen" eine gemütliche, stimmige Vorweihnachtszeit (auch bei Alice im Wunderland wird den "Nicht-Geburtstagen" gedacht, kicher) und einen reibungslosen Ablauf für die kommenden Behandlungen. Im Moment lese ich eher still mit, was nicht heisst, dass ich in Gedanken Mitfiebere und Dir Alles Glück der Welt wünsche!

    Herzlichst, Wilma

    AntwortenLöschen
  2. Moin Floratje,
    herrlich geschrieben und schön, dass es eine angenehme Erfahrung war!!
    Viele Grüße
    vom Ev

    AntwortenLöschen
  3. Wenn ich so lese, was andere Frauen alles noch so probieren, um schwanger zu werden, frage ich mich manchmal, ob ich nicht vielleicht auf das falsche Pferd setze. Dann werde ich immer ganz unruhig und denke darüber nach auch mal was anderes zu versuchen. Ich traue ja da am ehesten der Akkupunktur was zu. Bis jetzt hab ich es dann aber doch noch nichts probiert...
    Ich glaube, wenn ich meinem Mann erzähle, dass ich gern 75 € ( oder mehr, weil hier in NL kostet ja ALLES immer mehr ) für eine Stunde Alternativ-Medizin ausgeben will, dann zeigt der mir einen Vogel.

    Groetjes,
    Die Schoko

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Schoko,
    ich habe mit kurz vor 45 mit TCM (Akupunktur einmal die Woche und Kräuter, zweimal am Tag ein Täßchen Tee) angefangen. Und?
    1. Nach zwei Monaten hatte sich mein AMH-Wert verdoppelt, was eigentlich nicht sein kann: denn der nimmt ja mit dem Lebensalter ab.
    2. Unter ganz milder Stimulation mit Clomifen habe ich 4 Eichen gehabt, mit Puregon sogar 6. Zwei Jahre davor gerade mal ein einziges.
    3. Habe ich alle Hormone - höher dosiert etc. - endlich mal halbwegs vertragen.

    Aber auch bei der TCM gilt: Man muß wissen, was man macht. Und ich hab Glück und den absoluten Super-TCM-Arzt.

    Vielleicht klappts ja auch so mit dem cadeautje.....Daumen sind gedrückt!
    Viele Grüße über die nahe Grenze,
    Simone (also Floras Simone)

    AntwortenLöschen
  5. Liebe Flora, ich danke Dir von ganzem Herzen, es tröstet mich! Ich habe wieder ein Negativ kassiert und weiß grad nicht, wie es weitergehen soll. Liebe Grüße aus Bayern, wuzal

    AntwortenLöschen