Samstag, 6. November 2010

Beneidenswertes Beschwerverhalten

Ich bin nicht gut darin, mich zu beschweren. Gar nicht gut. Noch nie gewesen. Dabei ist es nicht so, dass ich meine Beschwerden einfach runterschlucke und restlos verdaue, also vergesse. Ich kann mich noch Tage, sogar Wochen oder Jahre später über Dinge aufregen, die irgend jemand falsch gemacht hat, ohne dass diese Person jemals davon erfährt, mir überhaupt irgendwie quergekommen zu sein. Ich weiß, dass das nicht richtig ist, manchmal erinnere ich mich sogar an die Ziege im Märchen, die sich hinterher beklagt "wovon sollte ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein usw.". Dabei bin ich vermutlich sogar zu streng mit mir, ganz so ist es nicht, jedenfalls nicht viel schlimmer als bei vielen anderen auch. Ich würde niemandem erzählen, dass sein Benehmen, sein Aussehen oder sein Körpergeruch hervorragend und 1a seien und im nächsten Moment über Benehmen, Aussehen oder Körpergeruch einen Tobsuchtsanfall bekommen/einen wütenden Leserbrief schreiben/mein Tagebuch vollquengeln. Aber im Beschweren bin ich nicht gut. Es muss wirklich viel passieren, damit ich auch nur ein Widerwort gebe oder jemanden bitte, irgend etwas zu lassen. Das kann dem Rest der Welt egal sein, aber für mich ist das schrecklich. Ich kann vor jedem Flug nur hoffen, dass ich nicht neben jemandem sitze, der sich breit macht. Macht sich jemand breit, dann schmolle ich und ärgere mich, aber sage ich deshalb "nehmen sie bitte ihren Ellenbogen aus meinem Magen"? Nein. Ich gucke wütend. Ich raschele aggressiv mit meiner Zeitung. Ich nutze die erste Gelegenheit, bei der er seinen blöden, ätzenden Arm ein Stück zur Seite nimmt, und mache mich so breit, dass er mich boxen müsste, um wieder in meinem Magen zu landen. Ich finde mich schrecklich, aber bisher habe ich es nur selten geschafft, dieses feige, wieselhafte und charakterlose Verhalten zu durchbrechen. (Wenn doch, bin ich tagelang stolz und beschließe, dass es ab sofort immer so laufen wird.) Man könnte sagen, ich bin ein Mollusk. Man könnte auch sagen, ich bin schüchtern.

Neulich, als ich mit heißem Hund und Mutter durch Hamburg lief, bekamen wir irgendwo beim Klosterstern Gesellschaft. Auf einmal war da ein kleines, schwarz-weißes Köterchen, das aufgeregt um Lili herumsprang. Wir guckten uns um, weit und breit war niemand zu sehen, zu dem Köterchen hätte gehören können. Also gingen wir weiter. Nach ein paar Metern machten wir zaghafte Versuche, Köterchen zu verscheuchen, und guckten uns wieder um. Immer noch war niemand in Sicht, der einen langen Hals machte, eine köterlose Hundeleine in der Hand hatte oder laut einen Namen rief. Also gingen wir noch ein Stückchen weiter, und ich erklärte meiner Mutter, dass das hier ja immerhin einer dieser Hunde sein könnte, die alleine spazieren gehen. An der nächsten Kreuzung blieben wir stehen und warteten, dass grün wird. Auf einmal tauchte neben uns ein dicker Herr in blauem Mantel und schwarzen Hosen auf und blaffte mich an: "Meine Dame! Es wäre nett gewesen, wenn sie mich rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht hätten, dass ihre Hündin läufig ist. So ist es allgemein üblich!" Ich war baff, aber antwortete "aber sie waren nirgendwo zu sehen. Bei welcher Gelegenheit hätte ich ihnen das sagen...." "Einerlei, das macht man nicht. Mein Hund hört ta-del-los, aber das ist die Natur, da kann man nicht gegen an. Jetzt musste ich wegen ihrer Unachtsamkeit den ganzen Weg zurücklaufen. UND ich muss bis 13.00 bei der Deutschen Bank sein." Ich war noch baffer. Und ich war ziemlich neidisch. Das muss man erst mal bringen: in hässlicher Klamotte, mit roter, großporiger Säufernase und einem räudigen Köterchen, das nicht gehorcht, so eine Welle machen in einer Situation, in der Recht und Unrecht alles andere als klar sind. Das ist wirklich die hohe Beschwerschule! Davon hätte ich gerne ein bisschen was abbekommen.

1 Kommentar:

  1. Frust! Reguliere jetzt 1 Woche down (nix Synarela: Metrelef heißt das Zauberspray), habe vorschriftsmäßig meine Periode bekommen und schon die Spritzen angespitzt, um in ein paar Tagen mit dem Brüten zu beginnen. Und jetzt: Beginn der Stimulation erst in 2 Wochen? Warum? Warum dürfen die reizenden aber imkompetenten Telefonistinnen einem nie eine Auskunft zu Gründen geben? Warum ist der nächste Arzt frühestens am Freitag für mich zu sprechen (telefonisch)? Und wie soll man diese endlosen Bittgesuche nach autorisierten Gesprächspartner am Telefon regeln, wenn man sich das Büro in der Probezeit in der neuen Firma mit einer Kollegin teilt, die man ganz sicher nicht über seine Uterusprobleme informieren will? Ich weiß, dies ist kein Forum, die meide ich auch weiträumig, daher erwarte ich keine Reaktion. Aber loswerden musste ich das jetzt mal. Flora, dein Buch war super!

    K. aus Dortmund

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