Sonntag, 4. Juli 2010

Vom Blog zum Buch: Erste Erkenntnisse.

Hach, hätte ich das mal vorher gewusst, dass ein Buch ARBEIT macht, dann hätte ich mich selbstverständlich nicht drauf eingelassen! Nun haben wir den Salat.

Noch nie zuvor kam mir jedes noch so poplige Detail meiner Umgebung so dermaßen verlockend, irre interessant und aufmerksamkeitsheischend vor. Der Garten ruft "Komm, Flora! Schnippel an meinen Zweigen rum! Mäh meinen Rasen! Fahr vorher noch in vier verschiedene Baumärkte und guck dir Rasenmäher an! Oder beleg einen Kurs an der Volkshochschule im Mähen mit der Sense, Hm?" Die nagelneue und dementsprechend ziemlich saubere Komposttonne ruft "Flörchen! Erheb dich, nimm einen Schwamm und wiener mich blitzblank!" Das Garagentor will gestrichen werden. Die Bücher wollen gelesen werden. Die DVDs wollen geguckt werden. Das Sofa will plattgesessen werden. All die letzten Monate hab ich ihn meisterhaft ignoriert, aber jetzt fällt es mir unglaublich schwer, an dem Stapel vergilbter, ungelesener Zeit-Ausgaben vorbeizugehen. Alles, was sich außerhalb meines kleinen Was-weiß-ich-wieviel-Zoll-Laptopbildschirms abspielt, ist interessanter als das, was ich eigentlich so dringend tun muss. Nämlich weitermachen und sogar fertig werden mit dem Buch.

Der letzte Monat bis zur Abgabe läuft. Angst vor dem weißen Blatt Papier muss ich nicht haben, denn ich hab ja per Blog schon ca. zweitausend Blatt Papier vollgewurstet. Aber ich hab mir fest vorgenommen, dass das Buch nicht einfach nur aus ein paar Posts bestehen soll, die ich am Abend des 31. Juli nach einem Kneipenbummel kurz auswähle und an den Verlag schicke, plus natürlich den gründlich recherchierten und fachkundig aufbereiteten Informationen, die meine Co-Autorin dazu beisteuert. Ich will ja, dass auch die noch was Neues zu Lesen haben, die das hier schon immer getan haben. Ich will außerdem noch eine ganze Menge anderer Dinge. Ich will am Ende stolz sein können. Und ich will, dass das Buch mir auch in zwei Jahren noch gefällt. Ich will, ich will, ich will. Leider vergeht gerade mehr Zeit mit wollen als mit tun. Wenn man mal von dem ganzen Getue absieht, dass sich im Moment im Garten, in der Küche, an der Komposttonne usw. abspielt. Da bin ich aktiv, aber holla! Man sieht mich zweimal täglich auf den Balkon treten und Wäsche aufhängen oder abnehmen. Ich gehe mit Lili los und finde ganz neue Wege, es ist ja sa-gen-haft, wo man hier überall langspazieren kann. Stundenlang! Durch herrlichste Natur! Dann komme ich nach Hause, und da steht immer noch der Rechner und guckt mich ungefähr so an wie früher manchmal meine Mutter. Ich bin kurz davor, ihn zu fragen, ob irgendwas ist? Hast du was?

Na gut. Damit zu den ersten Erkenntnissen, die ich im Lauf dieser Blog-zum-Buch-Werdung gewonnen habe.

1. Das mit der Anonymität, das hast du dir mal so gedacht. Aber dann kommt es anders. Überleg dir also gut, ob diese kleine patzige Bemerkung über deine Tante, die Sticheleien gegen ehemalige Arbeitgeber und die Müffelei über die Familie wirklich sein müssen. Geh noch mal in dich und frage dich: ist dieses Verhältnis nicht in Wahrheit vor allem von Liebe und Verständnis geprägt? Alles andere sind nur kleine Turbulenzen, mehr harmlos und amüsant als schlimm? Könntest du das nicht alles in diesem Sinne umformulieren? Tu das und schlafe weiter gut. Oder werde erwachsen und lass es. Aber dann wird hinterher auch nicht gejammert, gell? (Ihr habt es hier mit einer Bloggerin zu tun, die sich schon schlaflos wälzt, wenn ihr einfällt, dass sie mal geschrieben hat, sie fände das doof, dass ihr Vater Adoptionen doof findet. Revolutionäre sind aus anderem Holz geschnitzt.)

2. Du denkst, die Ablenkung lauert vor allem in dem Moment, wo du von deinem Bildschirm hochguckst und siehst, dass du von einer bunten, sprühenden und lebendigen Welt umgeben bist, voller Möglichkeiten, Chancen und Fernbedienungen. Aber wenn Du einen Blog zum Buch machst, dann heißt das automatisch, dass du viel Zeit im Internet verbringst - nämlich mit deinem Blog. Das Internet war dein Freund, es hat dich einen Blog schreiben lassen, und jetzt wird ein Buch draus, yippieh - wenn du jetzt dafür kämpfst, dass das Internet dir diesen Traum nicht einfach wieder kaputt macht, indem es dich von der Arbeit abhält.

3. Du musst essen und schlafen und mit dem Hund gehen. Das ist unbestritten. Aber wenn du alles genau so machst wie bisher, nur dass noch das Buch dazukommt, musst du irgend etwas aus deinem Leben streichen. Ich bin bisher noch nicht drauf gekommen, was das sein könnte. Ich würde z.B. gerne Handarbeit aus meinem Leben streichen, aber die hatte darin bisher auch keinen Platz. Oder die regelmäßigen Bleaching-Termine, die ich nie hatte. Oder Schuhe putzen. Ich sage Bescheid, wenn mir etwas eingefallen ist.

4. Arbeiten im Park ist ein Mythos. Ameisen drohen, unter deinen Tasten zu verschwinden, die Sonne brennt auf den Bildschirm, du kannst nichts sehen, Idioten mit Fußbällen treffen dich entweder dauernd oder geben dir das Gefühl, gleich getroffen zu werden, und dann schläfst du plötzlich ein. Setz dich zuhause an den Schreibtisch, tu, was zu tun ist, und dann geh in den Park.

5. Wer auch immer behauptet hat, grüner Tee wäre das Wachmachgetränk der Stunde für alle, die sich konzentrieren und spät noch arbeiten wollen, der lügt oder hat andere Vorstellungen von Konzentration als ich. Meine Vorstellung schließt z.B. Angstschweiß, Panikanfälle und Herzrasen aus.

6. Überlasse es nicht deinem Co-Autoren, dich zu peitschen und zur Arbeit zu treiben. Dein Co-Autor ist nett, deshalb hast du dich ja entschieden, das hier mit ihm zu machen. Der wird dich weder peitschen noch treiben. Das musst du ganz alleine tun.

7. Drei Monate sind nicht lang. Drei Monate sind ein Witz von einer Frist, weil du zwei Monate davon mit andere Quatsch verbringen wirst, immer sanft geplagt von kleinen Gewissensbissen, die aber nie schmerzhaft genug werden, um sich ernsthaft dranzusetzen.

Damit weiter. Und ihr, Wäschekorb, Kommode, Kühlschrank und Bücherkarton, haltet die Klappe.

3 Kommentare:

  1. Hallo Flora, Du hast mein herzlichstes Mitgefühl!!!
    Zwar schreibe ich (noch) kein Buch, aber ich habe die letzten fünf Monate damit verbracht, meine Magisterarbeit zu schreiben und im Anschluss daran auf die Magisterprüfungen zu lernen.

    Noch nie war meine Wohnung sauberer, mein Mann kulinarisch besser versorgt oder mein Balkon schöner bepflanzt! So ist das eben.

    Ich drücke dir aber ganz fest die Daumen, dass du den Verlockungen der Welt wiederstehen kannst und dsa Buch rechtzeitig fertig bekommst! Eine Kundin hast du nämlich auf jeden Fall schon ;)

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  2. Wissen denn die lieben Verwandten mittlerweile von diesem Blog?

    LG
    Frau Em

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  3. Du hast das Sortieren von Unterhosen und Socken vergessen.
    Wird schon!
    Schönes Schreiben für Euch beide!

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