Montag, 7. Juni 2010

Was bin ich doch verwöhnt

Gestern bin ich durch das eiskalte Schwimmbecken in der Heide gezogen, das Hundekind hat auch eine Runde gedreht, und auf einmal ist mir eingefallen: das letzte Mal, als ich hier drin war, war ich schwanger. Das war ein gruseliger Moment.

Kaum hat sie ihr heißersehntes iphone, schon ist Madame zu faul, sich die Finger zu verrenken und aus der Heide zu posten. Oder vom Sofa. Oder sonstwoher. Ich habe zwar eine Entschuldigung, nämlich das Buch, das geschrieben werden will und muss, aber so richtig lasse ich die Entschuldigung selbst nicht gelten.

Außerdem steht der Bericht vom Heilpraktiker noch aus.

Die Entwarnung kam fast sofort: ich hatte mich noch kaum richtig hingesetzt, als er mir schon erklärt hat, die chinesische Medizin wäre eine ganz bodenständige Sache und hätte überhaupt nichts mit Esoterik zu tun. Das war für mich ungefähr so eine feine Nachricht, als wenn ich zu meinem ersten Kliniktermin Ende Juli käme und die Ärztin sagen würde "Spritzen? Pah! Wär doch gelacht, wenn wir Sie nicht einfach so schwanger kriegen würden. Würde Ihnen der Geburtstermin Ende April passen?" Ich hasse Esoterik noch viel, viel mehr, als ich Spritzen hasse. "Hass" ist in diesem Zusammenhang kein zu starkes Wort. Mein Unterkiefer verkrampft sich, wenn mir wer mit Kristallen und dergleichen kommt, ich fange an, aus den Ohren zu dampfen, und meine Augen suchen panisch nach einem Fluchtweg. Wenn mir jemand erzählen würde, Leberwurst würde uns stärker an unsere früheren Inkarnationen anbinden, dann würde ich aufhören, Leberwurst zu essen.

Also keine Esoterik. Stattdessen habe ich so ungefähr hundert Fragen aus sämtlichen Lebensbereichen beantwortet. Mein Heilpraktiker weiß jetzt, dass ich zwar Rückenschmerzen, ab und zu Migräne und Schlafstörungen habe, aber keine Verdauungsprobleme, Ohrenschmerzen oder Lungenleiden. Auch mit vaginaler Trockenheit kein Ärger, Dankeschön. Die Fragen waren an sich schon spannend, ein bisschen wie ein Psychotest, bei dem ausnahmsweise mal nicht absehbar ist, wohin das alles führen soll und welche Antwort mich zum Vollidioten oder Beziehungsdepp stempelt. Nach den Fragen habe ich meine Hände auf ein niedliches kleines Samtkissen gelegt, mein Puls wurde ausführlich untersucht, und dann musste ich noch die Zunge von allen Seiten zeigen. Das Ergebnis von all dem: Ich habe einen Yin-Mangel. Meine weibliche Seite kommt zu kurz! (Das hätte mir meine Mutter auch sagen können. Und L. eigentlich auch.) Die männliche Seite ist voll da. Ich habe also genug Hitze, Energie, Feuer usw., aber nicht genug Wasser, Ruhe, Kühle oder was auch immer. Das Ergebnis ist, dass mein Kopf ständig leerdreht (das kann ich bestätigen, ich wache nachts ZACK! auf und suche mir dann schnell-schnell irgendein Thema, das zu meiner Unruhe passt und an dem ich mich für ein paar Stunden festbeißen kann) und mein Unterleib dauernd irgendwelchen Quatsch veranstaltet. (Das Wort "Quatsch" ist nicht gefallen. Überhaupt hat er das alles viel vernünftiger erklärt, als ich das jetzt könnte. Aber es hat mir eingeleuchtet.)

Und was machen wir jetzt? Ich muss bei meiner Ernährung ein bisschen darauf achten, mehr von den Dingen zu essen, die gut für mich sind, und weniger von denen, die nicht gut für mich sind. Unter anderem ist Buchweizen gut für mich bzw. gegen meine Endometriose. Und trifft sich das nicht großartig, die weltgrößte Blini-Esserin soll mehr Buchweizen essen? Nicht alle Empfehlungen kommen mir dermaßen entgegen, ich soll z.B. nichts Scharfes mehr, und das mir, wo ich nichts Schöneres kenne als Essen, bei dem mir die Augen tränen. Aber auch das ist ab und zu erlaubt, nur eben insgesamt weniger.
Dann bekomme ich noch alle 14 Tage eine Akupunktur, zum Transfer ein bisschen häufiger.
Aber das Wichtigste sind die Kräuter. Die Kräuter sind schwarze kleine Kügelchen in großen Klickerbechern, von denen ich täglich eine halbe Handvoll auf drei Mahlzeiten verteilt schlucke und die entgegen aller Befürchtungen kein halbes Monatsgehalt kosten, sondern im Monat ungefähr so viel wie drei mal Pizza bestellen. Außerdem soll es sie noch billiger in Chinatown geben, und welches glückliche Mädchen fliegt noch diese Woche nach New York? Schon wieder? In das steingewordene Trostpflaster für die kinderlose Menschheit?

Ich schlucke also schwarze, ein bisschen muffig riechende Kügelchen aus Fischfutter-Schraubbechern, gucke auf meinen großen Nahrungszettel, bevor ich anfange zu kochen, hab Chili, Wasabi und den scharfen Senf für besondere Gelegenheiten aufgehoben, und bin froh, dass ich da hingegangen bin. Außerdem freue ich mich auf den ersten Termin in der neuen Klinik Ende Juli. Mit dem Geburtstermin Ende April könnte es knapp werden, aber ein Junikäferchen wäre mir sowieso lieber. (Verwöhnt. Hab ich es nicht gesagt? Verwöhnt.)

1 Kommentar:

  1. hi flora, wenn du zur tcm bei kinderwunsch was lesen möchtest, schau mal hier rein:
    Randine Lewis: The Infertility Cure/ The Ancient Chinese Wellness Program for Getting Pregnant and Having Healthy Babies
    viele grüße,
    k

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