Dienstag, 29. Juni 2010

Gute Zeiten, gute Zeiten

Ich hab ein bisschen Angst davor, vom Haus zu schreiben. Ok, ich hab es ja schon mal getan, und nicht nur einmal, aber gerade bin ich so rundum glücklich hier, kann kaum fassen, wie gut wir es haben, und will nicht klingen wie ein Angeber. In den letzten Wochen war ich manchmal ein bisschen melancholisch, die alte Bude hinter mir zu lassen. Das ist immerhin die Wohnung, in der L. mich gefragt hat, ob wir heiraten. Hier hab ich Striche auf die Küchentafel gemacht für jeden Tag, an dem ich schwanger war. Hier hab ich mir meine Spritzen gesetzt und Pasta gekocht, hier habe ich den Kühlschrank vollgeknallt und mich manchmal auch, hier kannte ich auch im Dunkeln jeden Lichtschalter und jede Steckdose, hier hab ich am Geräusch der Wohnungsschlüssel erkannt, welcher Nachbar gerade nach Hause kommt. Wenn eine so sentimental ist wie ich, dann wird daraus schon mal eine gepflegte kleine Melancholie. Wenn man dann noch alles dazunimmt, was die Stadt ist und hat und kann samt der Mädchen, die darin in Heimtorkelentfernung wohnen, dann kann einem aber auch schon mal anders werden.

Aber jetzt bin ich hier. Jetzt gerade sitze ich im Wintergarten (versteht ihr jetzt, wieso ich Angst hatte, das klingt nach Angeberei? Bin ich froh, dass ich zum Haus keinen Satz mit Wörtern wie "Hubschrauberlandeplatz" oder auch "Spabereich" bilden kann), neben mir steht das Schiebefenster offen, und eine warme Sommerbrise weht mir um die Nase. Vor dem Fenster blühen die niedlichen, kleinen Bauernrosen, die der alte Sack mal irgendwann in einem lichten Moment gepflanzt hat (oder seine japanische Frau). Vögel und Bäume und Bienchen und Libellen tun, was sie so tun. Ich trinke ein Glas eiskalten Vinho Verde, und der Hund hat sich schlafen gelegt, er ist nämlich müde, nachdem ich heute zwei Stunden lang mit ihm durchs Moor spaziert bin. Das Moor darf man sich nicht so vorstellen wie aus "Der Hund von Baskerville", sondern es ist ein heller, freundlicher Wald aus Birken und Kiefern mit vielen kleinen Wegen, die sich hier und da ins Grüne, Moosige schlängeln. Ich gehe mit dem Hund und pflücke Butterblumen. Manchmal ist es ein bisschen so, als wäre ich zurück aufs Land gezogen, wo ich aufgewachsen bin, nur ohne die Lateinstunden von Herrn Schulz, den Rosenkohl meiner Mutter, Zimmer aufräumen, Hausaufgaben, rhythmische Sportgymnastik, den grässlichen Dialekt und die vielen CDU-Wähler. Unser Haus ist rot mit weißen Fenstern (auch das gab es bei uns zuhause nicht), der Garten grün mit weißen Röschen, und das Leben ist ziemlich schön. Hab ich übrigens vom Sonntag erzählt? Als wir Fußball geguckt haben mit zwei kleinen Kindern, von denen eins jedes Mal anfing zu heulen, wenn ein Tor fiel, woraufhin wir nur noch im Flüsterton jubeln durften? Und es hat trotzdem geheult? So war das nämlich.
Nein, das Glück nimmt nicht so weit Überhand, dass ich mich jetzt schon vom Kinderwunsch verabschiede und es doch schöner ohne finde. Ich finde es gerade einfach nur schön. Ein Glück hab ich schon beim ersten Mal die Angst vorm Spritzen verloren, von Leidensdruck, der's "reintreibt", könnte diesmal keine Rede mehr sein.

Gut. Was kann ich schreiben, damit hier nicht der Neid ausbricht?
In Butterblumen wohnen kleine Tierchen. Das merkt man nie beim Pflücken, aber hinterher meistens.
Ich hab mir im idyllischen Moor eine Riesenblase gelaufen, und nun kann ich zum Einkaufen nichts anderes mehr tragen als helltürkisfarbene Crocs.
Im einzigen Café weit und breit wird der Cappuccino mit Sahne gemacht.
Der Hund riecht aus dem Mund.
Und dann hab ich noch Endometriose, verstopfte Eileiter, Zysten, Myome und bin 37. Ich ÄRMSTE!

6 Kommentare:

  1. Hallo Flora, schön, daß Du wieder da bist und wieder öfter schreibst, hab Dich sehr vermisst... Ein Blick auf Deine Seite gehört zum Tag wie Zähneputzen! Viele Grüße

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  2. Mein 10 Monate alter Neffe fängt auch jedes Mal an zu heulen wenn der Torjubel ausbricht, dabei machen doch die kleinen Racker insgesamt viel mehr Krach, aber dann die Antwort nicht vertragen tststs ... Bin gespannt wie das so in 4 Jahre ist, vielleicht sitzen wir ja dann doch mit unseren eigenen kleinen Fussballern oder Fussballerinnen vor dem Fernseher und fiebern mit.
    Viele Grüße,
    Susann

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  3. Bin auch froh, dass du wieder da bist. Es ist schon schlimm, mit so Abhängigkeiten :o)

    Bei uns war es beim Fussballgucken auch so. Man könnte fast meinen, das Kind war für England.

    Freu mich mit euch fürs Haus. Neidisch bin ich nicht. Kannst ja bei Gelegenheit von den Instandhaltungsarbeiten und Gartenarbeit und verlorenen Wochenenden und Urlauben schreiben. Es sei denn, ihr habt so viel Kohle, dass das alles von anderen erledigt wird. Dann wäre ich vielleicht doch ein bisschen neidisch. Und mir wäre definitiv die Fahrerei zur Arbeit zu weit, da schwinge ich mich einfach meine 2 km lang aufs Rad und rufe für Probleme in meiner Mietwohnung einfach den Hausmeister an und lasse den machen.

    Und was ich noch die ganze Zeit schreiben wollte. Ich finde deinen Optimismus toll, dass irgendwann doch das Wunschkind auftaucht. Ich habe meinen mittlerweile verloren. Aber drücke euch natürlich weiterhin die Daumen und lese weiter mit.

    LG Frau Em, die gerne irgendwann aus dem Rhein-Main-Gebiet zum HH-Treffen kommen würde,um zu prüfen, ob ihr wirklich nett seid :o)

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  4. Als bisher stille Leserin muss ich mich jetzt einfach auch mal zu Wort melden, denn ICH BIN SEHR NEIDISCH! Euer rotes Häuschen stelle ich mir in etwa so wie in Bullerbü vor und wenn Du vom Wäldchen, den Bienchen und Blümchen schreibts, überkommt mich eine unglaubliche Sehnsucht nach dem Landleben. Auch wenn ich es eigentlich sehr gut habe - Kino, Restaurants, Cafés, Supermarkt umme Ecke (bei Deinen beschreibeungen Deiner Ex-Wohnung hatte ich das Gefühl, wir wären Nachbarn und ich habe im Grindelhof ??? immer mal wieder nach einem Airdale-Hündchen Ausschau gehalten... leider ohne Erfolg) würde ich das Landleben zumindest gern mal ausprobieren!

    @Frau EM: Die können gar nicht anders als nett sein! Und ich bin auch versucht, beim nächsten IVF-Treffen einfach mal "Hallo" zu sagen - auch wenn ich damit eigentlich nichts zu tun habe...

    Tina

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  5. Ich finde auch das sich die Häusleinbeschreibungen einfach nur schöön anhören! Mehr davon :)

    Hey Frau Em, vielleicht können wir ja eine Hessen-Reisegruppe-Fahrgemeinschaft bilden und gemeinsam den Weg nach Hamburg antreten... Würde mich freun :)
    t.

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  6. Liebe Flora & liebe Mit-Hessinnen,

    ich bekenne mich ebenfalls süchtig und wäre glatt dabei, wenn die Hessen-Fraktion in den hohen Norden reist! Und eins weiß ich definitiv: ich BIN neidisch auf das rote Haus mit den weißen Fenstern ... Hausmeister hin oder her ;-)

    LG aus dem Rhein-Main-Gebiet
    Barbara

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