Sonntag, 9. Mai 2010

Die Siff-Glanz-Schere öffnet sich

Muttertag! Das schreit doch eigentlich nach einem Post zum Thema, wofür ich meiner eigenen Mutter dankbar bin oder wie ich mir das vorstelle, wenn ich mal Kinder habe - welche Sorte Mutter wäre ich gerne? Ich muss nur leider sagen, ich fühle mich heute weder besonders töchterlich noch besonders mütterlich. Vielleicht also morgen. Heute drängt sich ein anderes Thema auf.

Ohne es zu merken sind wir in die Phase geglitten, durch die ich bei jedem Umzug muss: die Phase, in der man die alte Wohnung vor die Hunde gehen lässt, weil man genug damit zu tun hat, von den herrlichen Zeiten in der neuen Wohnung zu träumen. Dabei träumen wir nicht nur, wir haben auch richtig dick zu tun. Wir hauen komische Betonkonstruktionen weg, schaffen den Schutt von einer Ecke in die nächste, schleppen Platten vom Erdgeschoss in den Keller und vom Keller auf den Dachboden, fahren alle zwei Tage bei Ikea vorbei, treffen uns mit Handwerkern, beseitigen 30 Jahre alte Weberknechtfriedhöfe und zeichnen mit Edding Steckdosen und Lichtschalter auf frisch gestrichene Wände. Es ist eine fürchterliche Schufterei. Aber dabei haben wir diesen Glanz in den Augen, der sagt: jetzt ist das alles noch schrecklich, aber bald, bald wird es ganz herrlich! Ich phantasiere von Weihnachtsmorgen im Wintergarten, von Grillabenden, von Apfelkuchen und Mini-Quiches für die Nachbarn, von Rotwein und vertrödelten, faulen Tagen vorm Kamin und von Runden im Park am frühen Morgen. L. träumt von einem Weinkeller (gegen den ich nicht das Geringste einzuwenden hätte, da will ich mal nicht so sein) und von den Jungs, die zum Fußball vorbeikommen. Und wovon Lili so träumt, weiß sie selbst am Besten. In unseren Träumen glänzt das neue Haus so sehr, dass es fast schon von einem Heiligenschein umgeben scheint wie die Hütte im Jacobs-Krönung-Weihnachts-Spot von ca. 1990.

Dagegen die liebe alte Wohnung: hier war es doch auch schön! Und ist es immer noch! Und wir knirschen hier tagelang über den Sand, den der Hund nach jedem Spaziergang reinschleppt, ich beseitige die übelsten Stellen auf dem Küchenfußboden nach Schlampenart mit einem feuchtgemachten Stück Zewa, zu Eimer und Wischmopp kann ich mich schon gar nicht mehr aufraffen, und die Staubflusen sind so groß wie ein Kinderkopf. Bis vor ein paar Tagen hat L. jedes Mal, wenn er den Kühlschrank geöffnet hat, gesagt "wir müssen mal den Kühlschrank saubermachen" und ihn dann schnell wieder geschlossen. Mittwoch kommt meine Mutter, nicht auszudenken, wenn die den Siff sieht. Wir müssten, wir müssten. Aber wir können irgendwie nicht. Denn das hier ist doch schon kaum noch unsere Wohnung. Oder?

Gerade habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich hab mich gezwungen, in die Gummihandschuhe zu schlüpfen, und war zwei Stunden lang aktiv mit biff Apfelfrisch und Meister Propper und Parkettseife. Ich habe mich schon ein bisschen geschämt vor der Wohnung. Das hat sie nicht verdient.

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