Mittwoch, 21. April 2010

Weißer Mittwoch

Es gibt Zeiten, da habe ich fürchterliche Sehnsucht nach Ordnung und Sauberkeit. Nicht Sauberkeit im Sinne von "dieser superaggressive Reinigungsschaum PACKT den Schmutz RESTLOS, und wir scheißen drauf, dass er die Umwelt zerstört", auch nicht Sauberkeit im Sinne von "Einfach mal stundenlang mit Gummihandschuhen die Küchenschränke schrubben, herrlich". Leider. Meine Sehnsucht bezieht sich auf die Zeit danach, wenn alles schon sauber ist und ich mit einer Tasse organischem grünen Tee in der Hand auf weißen Baumwollsocken (wenn ich welche hätte, siehe diverse Rückübertragungsberichte) über den glatten, nach Bienenwachs duftenden Boden laufen kann. Und dann soll alles so bleiben. Ich würde mir fest vornehmen, in Zukunft Geschirr sofort abzuwaschen, einmal täglich zu saugen und meine Freizeit damit zu verbringen, nicht mit einem Glas Wein auf dem Sofa zu liegen oder zu posten oder irgendwelche blöden Magazine zu lesen, sondern die Fenster zu putzen oder mit einem Bündel Ohrenstäbchen an die Reinigung der Lichtschalter zu gehen.

In diesem Leben hätte ich selbstverständlich immer genug Klopapier im Haus. Mein Kühlschrank wäre nie leer und würde nie überquellen, sondern ich hätte eine Routine entwickelt, in der ich aus vielleicht fünfzehn Zutaten so ziemlich alles kochen könnte, was ich wollte. Eier, Mehl, Butter, Zwiebeln, Tomaten, Erbsen, Speck, solche Zutaten. Ich würde keinen zwei Monate alten Parmesanrest und keine braunen Bananen in meiner Küche finden, und wenn doch, dann würde ich den alten Parmesan wie eine italienische Mama einfrieren, um ihn in die nächste Minestrone zu werfen, und aus den Bananen würde ich ruckzuck Muffins backen. Wenn Gäste kämen, müsste ich vorher nicht einen Tag lang schweißgebadet das Haus auf Hochglanz oder wenigstens den Anschein von Hochglanz bringen. Stattdessen würde ich an die Kommode mit der säuberlich gefalteten Gästebettwäsche gehen, das Bett beziehen, im Gästebad (HA!) nachsehen, ob denn noch alle Gästepflegeprodukte in ausreichender Menge da sind, und dann vielleicht noch ein pfeifendes Ründchen durch den Garten drehen, auf der Suche nach einem hübschen Zweig oder Blümchen, den ich ihnen auf den Nachttisch stellen kann. Ich würde nicht jede neue Sorte organischen Wein bei Budni einmal kaufen, um dann wieder festzustellen, dass er fürchterlich schmeckt, sondern wir hätten einen Alltagsrot- und einen Alltagsweißwein, der im Keller in einem ordentlichen Weinregal liegen würde, und außerdem zwei Sorten für Gut. Na gut, vielleicht für Flörchens Frühlingsstimmung noch einen Rosé. Und diese gut ausgewählten Vorräte würden nicht innerhalb von drei Wochen durch unsere Köppe und ins Altglas wandern, sondern würden da liegen und liegen und wären einfach erst mal da. Ordnung und Konzentration. Das wären die Zauberworte. Ich hätte auch keine Kleidungs-Altlasten mehr, die mir die Schränke verstopfen würden. Hätte ich ein Teil ein Jahr lang nicht mehr getragen, dann weg damit! Egal, ob es mein Hochzeitskleid von der Standesamtlichen wäre oder dieses geile Kunstleder-Brokat-Glitzerdings von dem totgeborenen Designerlabel. Ich hätte Schubladen und Kisten, in denen alles seinen Platz hat, und wenn doch mal was rumliegen würde (Gott behüte), dann könnte ich wie im Schlaf alles an genau den richtigen Platz räumen, einen Platz, wo sich keine Kabel ineinander verheddern, nichts verloren geht und hüllenlose CDs ein Skandal sind.

Und dann, erst wenn das alles genau so wäre, dann würde ich mich aufs Sofa hauen mit einem Glas Wein.

(Nein, hier spricht nicht die Verzweiflung aus mir. Ich habe mich tatsächlich dran gehalten: seit Samstag Nacht kein Alkohol und jeden Tag stundenlange, konzentrierte Schufterei. Ich bin ein bisschen stolz. Und da geht gerne mal was mit mir durch.)

2 Kommentare:

  1. wo holst du nur all diese faszinierende fantasie her und dann noch die kunst es so klasse in worte auszudrücken?..beneidenswert...

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  2. haha, ich drück dir die daumen für den nächsten Versuch, denn:
    Mit Kind kommt DAS ganz alleine, sonst geht man unter im chaos, lol.

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