Sonntag, 14. März 2010

Der beiläufigste Countdown aller Zeiten

Beim ersten und zweiten Mal hab ich bei dieser Gelegenheit noch Pläne gemacht, wie viele Mahlzeiten und Abende noch bis zum Transfer übrig sind und wie ich es schaffe, aller Lebensmittel und Getränke, die später verboten sind, wer weiß schon, für wie lange, darauf zu verteilen. Alles, was lecker und gefährlich ist, her damit! Jetzt sitze ich hier und mümmele einen Toast mit Gouda. Langweiliger geht's ja wohl kaum. Gestern gab es keinen Alkohol, vorgestern auch nicht. Noch vor einem Jahr wäre jetzt jeden Abend Rosé auf Eis in Strömen geflossen, und dazu hätte ich irgendwem erzählt (entweder meinen Freunden, L. oder dem geduldigen Internet), dass das Leben doch dufte ist und wir uns verdammtnochmal von dieser Befruchtungssache nicht unterkriegen lassen, wir doch nicht, und ogottogott, am Ende klappt es ja wirklich? Nur noch vier Tage!!!!!! Hallooooo! Bricht hier jetzt irgendwann mal Torschlusspanik aus oder was? Noch gehört mein Körper mir, und ich esse Gouda? Das ist fast wie Socken sortieren und Fenster putzen am letzten Tag der großen Ferien!

Vielleicht liegt es nicht nur am Abnutzungseffekt oder an der gesunkenen Hoffnung, sondern auch daran, dass die große Aufregung sich jetzt anderswo abspielt. L. und ich liegen morgens im Bett und durchwühlen beide eBay nach hübschen Nachttischen, Lampen, antiken Klappsofas und emaillierten Hausnummern. Ich träume von Sommerabenden im Garten, morgendlichen Lili-Spaziergängen durchs Moor oder im Park, Adventsfrühstück im Wintergarten und Vormittagen, die ich an meinem Schreibtisch in meinem eigenen Zimmer verbringe. Mein eigenes Zimmer! Das ist überhaupt fast das Beste daran. Wer ein eigenes Zimmer hat, kann das vielleicht nicht verstehen. Bis vor kurzem - so ungefähr vor zwei Jahren - hatte ich nicht nur ein eigenes Zimmer, sondern sogar eine eigene Wohnung, das heißt, drei eigene Zimmer, wenn man die Küche mitzählt, was ich, weil ich viel schöne Zeit in ihr verbracht habe, grundsätzlich tue. Ich konnte in diesen eigenen Zimmern in die Regale stellen, was ich wollte, ich konnte in meinem ältesten, von meinem Vater geerbten Schlafanzug durch diese Zimmer schluffen, egal um welche Tageszeit. Ich konnte sie mit Knoblauchgeruch oder Plätzchenduft erfüllen, alles, was ich wollte. Ich konnte Samstags mittags um eins Rotwein trinken. Ich konnte aufräumen oder es bleiben lassen. Ich konnte auf dem Boden sitzen und lesen oder auf dem Klo telefonieren. (Nein, Mädchen, ich habe nicht nebenbei Würste rausgedrückt, während wir telefoniert haben. Keine Angst. Aber ich hätte gekonnt!) Ich konnte mir nackt eine Linsensuppe kochen. Oder im Bademantel die Post sortieren. Vor allem konnte ich die Tür hinter mir zumachen und war allein. Während dieser Zeit habe ich manchmal davon geträumt, wie es wäre, wenn ich nicht mehr allein wäre. Viel Zeit hab ich nicht damit zugebracht, aber es kam vor. Damals war dieser Zustand in meiner Phantasie die reine Freude. Auch, wenn ich versucht habe, mir immer wieder vor Augen zu führen, dass es alleine doch auch nicht schlecht ist. Dann ist das Wunder geschehen, dass ich L. über den Weg gelaufen bin. Und L. ist toll, und ich bin glücklich, dass ich ihn habe, dass wir jetzt zusammen wohnen und uns haben. Das ist wirklich schön. Aber es gibt Momente, in denen würde ich fast alles dafür geben, eine Tür hinter mir zumachen zu können, nur für ein paar Stunden, und allein zu sein. Ihm geht es genau so, das weiß ich. Und ich bin sehr glücklich, dass wir das jetzt bald können. Er kriegt sein Herrenzimmer mit alten dunklen Bücherschränken, einem alten Drehstuhl mit Lederbezug, seinen Füllern, seinen gebundenen Gesamtausgaben, einer Hausbar voller Single Malt und dem, was Männer sonst noch gerne um sich haben, um das Gefühl zu haben, sich erwachsene-Männer-mäßig zu entspannen und wohlzufühlen. Und ich kriege meinen hellen Raum mit meinen lustigen Sachen aus den 50ern, hellen Regalen mit bunten Taschenbüchern, einem Schreibtisch mit meinem weißen Rechner drauf, einem Glas Rosé auf Eis, meiner Musik und Aussicht auf den Park.

Wenn das nicht die perfekte Ablenkung von jedem Countdown der Welt ist, weiß ich auch nicht. Ich könnte in Astronautenmontur in eine Rakete geschnallt sein und würde an dieses Zimmer denken.

1 Kommentar:

  1. Liebe Flora, klingt schön, viel Spaß beim Umsetzen der 4-wändigen Träume.
    Ich weiß aber zufällig, dass diese Woche prima Pflanzzeit ist !! Habe am Dienstag mein 1. Punktion und danach (vielleicht auch Donnerstag) wird gesät- und hoffentlich geerntet. Wenn ich cool und lässig wäre, hätte ich mir nicht ausgerechnet, dass es dann im Dezember soweit wäre... schluss damit und weiterleben ! liebe Grüße Y.

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