Montag, 15. Februar 2010

Ihr Abflug verspätet sich um unbestimmte Zeit, wir bitten um Verständnis

Es gibt Tage, da lebe ich so von morgens bis abends vor mich hin und denke keine Sekunde lang darüber nach, dass mir etwas fehlt ohne Kind, dass ich zu kurz gekommen wäre in irgend einer Weise oder dass ich unglücklich sein könnte. Dazu geht es mir ja auch viel zu gut. Mein Leben ist vollkommen in Ordnung, so wie es ist. Und dann gibt es wieder Tage, zum Glück sind sie deutlich in der Minderheit, aber trotzdem sind sie da - da habe ich das Gefühl, eine Schlinge zieht sich zu um mich. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte niemand, den ich kannte, ein Kind. Natürlich gab es Chefs auf der Arbeit, Nachbarn oder Leute im Supermarkt mit Kind. Aber keine Freunde, niemand, der jünger war als ich oder gleichaltrig und in meiner Welt eine Rolle spielte. Das wird jetzt anders. Meine Cousinen haben zusammen drei Kinder, und dabei wird es nicht bleiben. In meinem Freundeskreis gibt es vier Kinder, in dem von L. noch viel mehr. Die Frau seines Cousins kriegt ihr zweites Kind voraussichtlich Mitte März. Mitte März, Mitte März, da war doch was? Da hätte ich auch mein Kind bekommen, wenn ich es nicht doch schon im August bekommen hätte. Nuja. Ich habe zauberhafte, kluge, lustige und bildhübsche Freundinnen, die aus Gründen, die kein Mensch verstehen kann, seit Jahren Single sind. Aber ich könnte mir sehr gut vorstellen und müsste mich dazu innerlich noch nicht mal besonders gemein stretchen, dass sie schon nächste Woche einen haben könnten und dann auch blitzschnell schwanger wären. Versteht mich nicht falsch, ich würde mich freuen, ehrlich, mit allem, was dazu gehört! Ich würde nach dem Freuen auch nicht nach Hause gehen und ganz privat noch ein bisschen vor mich hinwimmern, sondern mich auch allein weiterfreuen, unter der Dusche, auf dem Klo oder in der ersten Reihe im Kino. Meine kleine Schwester ist elf Jahre jünger als ich, und wenn wir zu Weihnachten mit Rotwein dasitzen und sie mir ihre Sicht der Welt erklärt, dann erzählt sie immer, dass sie auf gar keinen Fall Kinder will, bevor sie 30 ist. Das halte ich dann für sehr vernünftig und moderne-intelligente- Frauen-mäßig ok, gebe aber zu bedenken, dass sie, wenn es ganz, ganz blöd läuft, dann in die gleiche Klemme geraten könnte wie ich. (Nein, ich habe nicht absichtlich gewartet, bis ich 30 war, und dann in die Röhre geguckt. Ich war zwischen 24 und 27 Single, dann hatte ich einen Freund, der eine Vollkatastrophe war und niemals ein Kind gewollt hätte, gesetzt den Fall, dass ich den Verstand verloren und eins mit ihm gewollt hätte – dann war ich wieder Single, und dann nach einem kurzen Intermezzo noch mal fast vier Jahre. Das war keine Absicht und auch mit Sicherheit keine extreme Schnäkigkeit in Liebesdingen, das war einfach so.) Aber trotzdem denke ich in letzter Zeit manchmal darüber nach, was wäre, wenn jetzt das Telefon klingelt, meine Schwester ist dran und erzählt mir, dass sie schwanger ist, die Kleine? Ich habe keine Ahnung, wie ich mich dann fühlen würde. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass ich es demnächst herausfinden werde.

Je mehr Leute um mich herum schwanger werden, schwanger bleiben und Kinder kriegen, und je weniger ich diese Leute ignorieren kann, weil sie einfach zu wichtig für mich sind, um sie zu ignorieren, desto mehr und desto häufiger habe ich das Gefühl, der Rest der Welt kann fliegen und ich nicht. „Wie macht ihr das? Mit den Armen rudern oder was? Von vorne nach hinten oder mehr von oben nach unten? Nutzt ihr Aufwinde? Oder ernährt ihr euch einfach irre gesund, raucht nie, trinkt nie und verwendet keine Alufolie, ist es das?“ Bei Douglas Adams geht es ums Fliegenlernen, und nach langen Verwirrungen lernt man, dass der Trick folgender ist: hinfallen und im Fall vergessen, auf den Boden aufzuschlagen. Können wir daraus etwas für IVF lernen? Und wo kommt die Alufolie ins Spiel?

(Manchmal könnte man wirklich denken, eine bombensichere Therapie gegen ungewollte Kinderlosigkeit wäre eine feine Sache, aber noch viel, viel toller und segensreicher wäre eine Therapie gegen ungewolltes Selbstmitleid. Harrrgh.)

2 Kommentare:

  1. Hallo,
    ich kann das Gefühl sehr gut verstehen und halte das für kein unangebrachtes Selbstmitleid, sondern für völlig normal.Es ist einfach sehr schwer und bleibt schwer, man hat jedes Recht darüber immer wieder wütend und verzweifelt zu sein.
    Ich finde es schön, wenn zumindest ein Geschwister dann Kinder hat. Bei mir wird das leider nie der Fall sein, und wenn ich mal nicht mehr bin, ist dieser Familienzweig quasi ausgestorben. So hart das klingt, aber ich würde viel dafür geben, wenn es wenigstens Geschwister gäbe, in deren Kindern etwas von unserer Familie weiterexistiert. Diesen Gedanken hätte ich früher total verrückt gefunden, aber er hat mich in den letzten Jahren zunehmend belastet...
    Hoffe das war jetzt nicht zu düster (PMS macht sich diese Woche breit)
    Viele Glück weiterhin!
    Leela

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  2. Liebe Flora!

    ich glaube nicht, dass Du etwas gegen Dein Selbstmitleid tun musst. Es gibt bestimmt (oder hoffentlich??) keine Frau mit unerfülltem Kinderwunsch, die nicht zwischendurch von Selbstmitleid überwältigt wird. Solange Du Dich trotzdem noch mit Deinen Lieben freuen kannst, ist doch alles gut. Ich finde mich auf jeden Fall vollkommen in Deiner Beschreibung wieder.
    Ich weiß, Du hast bestimmt schon jede Menge gut gemeinte Tipps zu Deinem Myom-Problem bekommen. Eigentlich wollte ich mich da nicht einreihen, tue es jetzt aber trotzdem. In unserer Tageszeitung war ein Artikel über eine unblutige Behandlung in einer radiologischen Praxis in Bochum. Bochum ist von HH aus natürlich nicht mal eben um die Ecke, aber vielleicht gibts so was bei Euch ja auch. Hier der Link zu der Praxis:
    http://www.radiologie-bo.de/therapie-mrgfus.htm
    Ich drücke die Daumen, dass keine solche Behandlung notwendig wird, weil der nächste Kryo-Zyklus erfolgreich ist.
    Viel Glück!
    Anni

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