Freitag, 31. Dezember 2010

Preview auf Silvester mit 70

Dieses Silvester wird anders als alle anderen, das steht jetzt schon fest. Erstens ist es das erste Silvester in der eigenen Hütte. Zweitens ist es das erste Silvester mit Lili. Drittens - und das ist fast das Wildeste daran - ist es das erste Silvester, das nur L. und ich zusammen feiern (na gut, und Lili). Außerdem steht jetzt schon fest, dass morgen der erste erste Januar seit ca. 20 Jahren sein wird, an dem ich vollkommen unverkatert und frisch wie ein Apfel aufwachen werde (bei mir fängt der Kater schon nach zwei Gläsern Wein an und steigert sich mit jedem weiteren Schluck zu sensationellen Rekordwerten) - abgesehen von der dicken Erkältung, mit der ich mich jetzt seit zwei Tagen durchs Bett wälze und die ein guter Grund ist, heute Abend außer einem zeremoniellen Gläschen alles stehen zu lassen, das kein Kräutertee ist. (Spätestens jetzt rächt es sich, dass ich mich noch nie für warme Getränke mit Alkohol begeistern konnte.) Das wird vermutlich dazu führen, dass meine Vorsätze dieses Jahr weder etwas mit Alkohol noch mit Zigaretten zu tun haben, ein ordentlicher Kater hat mich da oft zu etwas drastischen Beschlüssen verleitet.
Dieses Silvester wird so dermaßen ruhig sein, dass ich nicht dafür garantieren kann, um Mitternacht überhaupt noch wach zu sein. Und ich kann mir nicht helfen, ich find's gut. In den letzten Jahren habe ich so oft den ersten Januar damit verbracht, die Partyreste vom Vortag zusammenzukehren und mit acht Fuhren Altglas zum überquellenden Container zu schleppen, nur um hinterher festzustellen, dass doch viel weniger Chili übrig geblieben war als gehofft. Die Partys waren immer schön, und niemand hat mich mit Peitschen und glühenden Zangen gezwungen, sie zu veranstalten. Aber dieses Jahr bin ich so froh, dass ich mich nicht mit Wick Daymed in einen Zustand drogen muss, in dem ich imstande bin, die Handwerker-geschädigte Wohnung in Schuss zu bringen, noch viermal zu Edeka zu flitzen, Chili zu kochen und heute Abend acht Stunden lang in High Heels Getränkenachschub zu organisieren. Ich darf erkältet sein, mir auf dem Rechner Videos angucken, Krimis lesen, Tee trinken und mich mit einer Wolke aus benutzten Taschentüchern umgeben. Und nächstes Jahr dann wieder so wie immer.

Was gibt es sonst noch? Wir können wieder duschen. Das heißt nicht, dass das Bad fertig ist, oh nein! Das heißt nur, dass die Fliesen an den Wänden und auf dem Boden sind und die Dusche montiert ist. Im Moment haben wir davon abgesehen nur eins von zwei Waschbecken (das andere hat Lili kaputt gemacht, das süße kleine Fellbündelchen), und die gekauften Waschbeckenarmaturen sind Schrott und konnten so nicht angeschraubt werden. Und Spiegel, Handtuchhalter, Haken, Seifenschalen und Klorollenhalter sind auch noch nicht montiert, und ich trau mich nicht, an die nagelneuen Prachtfliesen die Bohrmaschine anzusetzen aus Angst, dass dann alles in sich zusammenfällt. Jetzt müssen also nächste Woche, wenn die Ersatzteile da sind, noch mal die Handwerker hier rein, aber mit Glück bin ich dann auf der Arbeit, und davon abgesehen will ich gar nicht meckern, denn es ist so ein großartiges Gefühl, in seinem eigenen Haus und umgeben von seinen eigenen Shampoos und Spülungen nackt unter warmem Wasser zu stehen und keine Angst zu haben, dass jede Sekunde ein fröhlicher Fliesenleger hereinkommt. Fast genau so schön ist das Gefühl, dass das nächste funktionierende Klo nur wenige Schritte vom Schlafzimmer entfernt ist und man dort bei über 5° seine Geschäfte erledigen kann. Allein schon dafür müssten wir eigentlich eine Wunderkerze anzünden, und genau das werden wir heute Abend wohl auch tun.

Freitag, 24. Dezember 2010

Dreißig Haselnusskekse für Hormonbrödel

Als ich gestern in der Bahn zu meinen Eltern saß, war ich umgeben von Menschen, die wild entschlossen waren, auf dieser Fahrt etwas zu erleben. Gut, am Ende hatten wir nach fünf Stunden Fahrt eine Stunde Verspätung, weil wir in jedem einzelnen Bahnhof mehrere ICEs durchlassen mussten. Aber davon abgesehen war die Fahrt so normal, wie man sich das nur vorstellen kann. Alle hatten Sitzplätze. Niemand wurde angebrüllt oder verletzt. Der Strom fiel nicht aus. Die Gleise waren nicht blockiert, die Oberleitungen nicht beschädigt, die Selbstmörder hatten sich entschlossen, noch einen Tag zu warten. Wir saßen warm, trocken und mit ausreichend Verpflegung und Lektüre in einem Zug, in dem jedes einzelne Klo für den Publikumsverkehr offen stand. Trotzdem wurde gekeift nach Leibeskräften. Neben mir saß eine Frau, die jedes Mal, wenn ich das Buch sinken ließ, sagte "Aaaaain Glück hab ich reserviert, das muss man sich mal vorstellen!" und sich vielsagend in dem Waggon, in dem es noch mindestens drei freie Plätze gab, umguckte. Auf der anderen Seite des Ganges saß ein Mädchen mit seinen Büchern und seinem Rechner, auf dem sie sich Filme ansah, und telefonierte. Sie telefonierte mit sieben verschiedenen Menschen, und jedem davon sagte sie, das hier wäre "echt ne Höllenfahrt". So ist das wohl, wenn man erwartet, dass es jetzt so richtig fies wird, dann empfindet man das, was kommt, auch als fies. Womit wir wieder mal beim Thema IVF wären.

Und schwupps, auch schon wieder davon weg.

Dieses Jahr feiere ich Heiligabend zum ersten Mal seit drei Jahren ohne L.
Schuld ist der Schnee. Es wäre bei diesen Wettervorhersagen einfach nur bescheuert gewesen, wenn wir uns mit Hund ins Auto oder in die Bahn gezwängt hätten (mit gezwängt meine ich gezwängt, wir fahren Zweisitzer, und der Hund wird zwischen meinen Füßen zu einem Fellwürfel gepresst), um uns auf die 650 km lange Fahrt zu meinen Eltern zu machen. Weil wir aber nun mal den Deal haben, Weihnachten abwechselnd bei L.s Familie und bei ihnen zu verbringen und dieses Jahr auch sonst alles ein bisschen anders ist, hätten wir nicht beide wegbleiben können. Also bin ich allein in die Bahn gestiegen, in der sicheren Gewissheit, dass L. das genau so meint, wenn er sagt, dass wir eben dieses Jahr Heiligabend am 25. feiern. Das ist eine seiner zahllosen guten Eigenschaften. Und so machen wir das jetzt. Heute sitze ich hier, hoffe, nicht den Moralischen zu kriegen, starre nach draußen in den Schnee und pule mir Haselnussstückchen aus den Zähnen. Den Baum haben wir auch schon geschmückt, meine Geschenke sind eingepackt, und mit Glück sind sogar die Kinderkostüme (Hai, Kroko und Tiger) für die Kinder meiner Cousinen angekommen.

Womit wir wieder bei IVF wären (nein, nicht meine Cousinen!). Und auch gleich wieder weg. Weihnachten ist meiner Meinung nach irgendwie nicht der Tag dafür.

Liebe Abkürzungsdamen, ich wünsche allen ein fabelhaftes Fest ohne zu viele kalte Stellen und blöde Fragen. Und wisst ihr, was das Tolle an diesem Hormonschlamassel ist, in das wir da geraten sind? Wir haben eine großartige Ausrede für jedes Speckröllchen. Die anderen sind einfach nur dick, aber wir haben ein Schicksal!

Genau. So sehe ich das ab sofort.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Wenn Enantone auch nur fünf Minuten Ruhe gibt, kommt Frau von der Leyen und trampelt meinen Advent kaputt

Ich gebe ja zu, diese Adventszeit entspricht nicht ganz dem, was ich und Walt Disney uns vorgestellt haben. Es fängt mit dem allmorgendlichen Kneippgang in der Küche an, dem Haarewaschen unter dem Wasserhahn der Spüle, bei dem ich immer an das Lied der Tödlichen Doris „7 Unfälle im Haushalt“ denken muss, in dem eine Frau sich den Schädel spaltet und Blut und Gehirnmasse durch die Küche spritzen, weil sie jemand beim Haarewaschen erschreckt. Während mein Atem so kalt ist, dass er eine Sprechblase vor meiner Nase bildet, träume ich von so einfachen Dingen wie Duschen oder einer geröllfreien Küche. Es geht weiter mit der Arbeit, der anderen Arbeit und der zusätzlichen Arbeit, die an und für sich gar nicht sooo schlimm wären, wenn ich nicht dank Enantone... aber dazu später. Dann ist da noch der Staub und die Unordnung, die überall im Haus so dermaßen die Macht an sich gerissen haben, dass ich mich kaum traue, irgendwo mit dem Aufräumen und Saubermachen auch nur anzufangen, und das mit Recht, denn selbst, wenn ich alles blitzeblank kriegen würde, wäre es ein paar Stunden später wieder wie in Beirut, weil dann die Handwerker wieder dagewesen wären. Ich hatte mal irgendwann im November Plätzchen gebacken, als Teil des großen Plans, den Dezember mit hochgelegten Füßen und nudeldick auf der Couch zu verbringen und die Finger höchstens zu rühren, um den Pizzaservice zu rufen oder mal Holz nachzulegen; aber diese Plätzchen haben den Dezember nie erlebt, und jetzt kann ich keine neuen mehr backen. Dann ist auch noch mein verdammtes Telefon weg und bleibt scheinbar auch weg, und ich muss sehen, wie ich es trotzdem schaffe, meine Gemeinschaftsgeschenke und Weihnachtsgrüße usw. loszuwerden.
Und das alles dann noch durch die dunkellila Brille betrachtet, die Enantone mir aufsetzt. Tagsüber geht es, aber morgens ist es schlimm. Genauer gesagt, ab morgens um vier. Dann wache ich nämlich auf und hadere mit allem. Nach drei Stunden Gehader müsste ich eigentlich die Füße aus dem Bett schwingen, aber so leid es mir tut, ich kann nicht. Schon gar nicht, um in meiner eigenen Küche zu kneippen.
Aber ich will mich ja nicht hängen lassen. Und deshalb habe ich gestern, als ich aus der Agentur kam und die Küche so dermaßen verschmuddelt und unordentlich war, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte, einfach trotzdem angefangen. Eine Stunde später saß ich müde mit meinem Schnittchen vor dem Fernseher und war ein bisschen stolz (und gleichzeitig ein bisschen deprimiert, dass ich nun schon stolz darauf bin, die Küche wieder lebensmitteltauglich gemacht zu haben). Ich hab sogar die Kerzen und den Kamin angemacht, und als L. den Cremant aufhatte und mir langsam warm wurde, fühlte es sich fast ein bisschen nach Advent an. Bis zu dem Moment, an dem ich in den Nachrichten sehen musste, dass Frau von der Leyen einen ganzen Sitzungssaal voller wichtiger Menschen mit selbstgebackenen – von IHR selbst gebackenen – Keksen bewirtet hat. Diese Frau mit der zweistelligen Kinderschar und dem zweifellos stressigen Job findet nicht nur täglich offensichtlich Zeit, sich die Haare zu waschen und zu föhnen, sie scheint auch noch zum Sport zu kommen, und dann stellt sie sich in ihre bestimmt geröllfreie Küche, in der alles blitzt und blinkt, und backt Plätzchen für einen Haufen Macher, nur damit auch die das Gefühl haben, langsam wird es zwischen all den Beschlüssen und Sitzungen und Presseerklärungen doch Weihnachten. Nett von ihr, aber mir hat sie damit dieses kleine schüchterne Gefühlchen sofort und gründlich ausgetrieben. So luschig, trantütig und rundum 4- habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt wie nach dieser Nachricht.

(Einziger Trost: besonders lecker sahen die Plätzchen nicht aus. Eher so wie diese mit getrocknetem Eigelb bestrichenen Dinger, die die Frauenunion vorm Einkaufszentrum verkauft.)

Samstag, 18. Dezember 2010

Und schwupps ins Minitief.

Eins Vorweg: der Kackwurst, die jetzt mein Telefon hat und es nicht ins Fundbüro bringt, wünsche ich die myombekränzte Krätze an den Hals. Im Grunde genommen muss ich noch eine Weile tüfteln, bis ich einen Fluch finde, der dem gleichkommt, ein paar Tage vor Weihnachten plötzlich keine einzige Telefonnummer mehr zur Hand zu haben und sich auch noch Sorgen machen, dass jede Sekunde irgendwelcher Scheiß mit meinem Bankkonto passieren könnte oder jemand wüste Beschimpfungen oder, schlimmer noch, schwülstige Liebeserklärungen an alle schickt, von denen ich jemals Emails bekommen habe. Es ist der Hass. Und ja, gesperrt habe ich alles schon, Enantone macht zwar müde, aber nicht blöd. Das Schlimme ist, ich bin mir vollkommen darüber im Klaren, wo ich es verloren habe: im Taxi nach Hause von der Weihnachtsfeier. Denn beim Abschied hatte ich es in meine Tasche gepackt, und zuhause war es weg. Ich habe auf dem Weg zum Taxi keinen Menschen getroffen, auf dem Weg aus dem Taxi auch nicht, es muss rausgeflutscht sein, als ich im Dunkeln mein Portemonnaie gesucht habe. Der Taxifahrer sagt, er hat nichts gefunden. Das Fundbüro sagt auch, es hat nichts gefunden. Und das mir. Ich hab im Leben schon so einiges in Taxen gefunden, unter anderem mehrere Portemonnaies, von denen eins so voller Geld war, dass der Scheinestapel ungefähr die Dicke eines schmalen Taschenbuchs hatte. Und alles, was ich da jemals gefunden habe, habe ich immer abgegeben. Einmal, als der Taxifahrer zwielichtig aussah, hab ich das Portemonnaie sogar mitgenommen und so lange herumgegoogelt, bis ich die Telefonnummer des Besitzers raushatte. Es sollte fairer zugehen in der Welt. Ich sollte nicht an einem Samstagmorgen vor Weihnachten in die Stadt müssen, um mir bei der Telekom ein paar neunmalkluge Ratschläge und ein fettiges Leihhandy abzuholen.

Ich sollte außerdem nicht jeden Morgen nackt meinem Fliesenleger gegenüberstehen, aber genau so kommt es, ich kann mich anstellen, wie ich will. Unser Bad wird gemacht. Seit Wochen. Bzw. hat L. vor Wochen damit angefangen, die Fliesen abzuschlagen, damit die Handwerkerrechnung hinterher wenigstens nur drei- statt vierseitig wird. Dann waren plötzlich die Fliesen nicht geliefert worden. Dann doch. Dann kam der Klempner nicht. Jetzt läuft es zwar, aber viel langsamer als gedacht. Wir sitzen jetzt also im klirrekalten Dezember in unserem Haus zwischen Eisblumen, und jeder Tag beginnt damit, dass ich mich bei Dunkelheit im Enantone-Tran aus dem Bett schäle und fast heulend vor Müdigkeit in die Küche schwanke, wo ich mich an der Spüle mit einem Waschlappen wasche. Seit neuestem ist auch noch das Wasser kalt. Und immer, wenn ich gerade denke, es kann jetzt wirklich nicht schlimmer kommen, dann geht die Tür auf, und der Fliesenleger will nur mal rasch nach dem Rechten sehen.

Und dann noch viel Arbeit, morgen auch. Und dann noch nur die Hälfte der Geschenke. Und dann noch der neue Stargast in meinem Bauch. Und dann sieht es auch noch bei uns aus wie Sau, von den Handwerkerarbeiten ist alles mit einer drei Milimeter dicken Staubschicht bedeckt. Alle Kekse, die ich im November gebacken hatte, sind längst aufgegessen.

Zwei Lichtblicke gibt es: L. hat gestern heimlich einen Baum gekauft. Unseren ersten in dieser Hütte. Und die liebe Schoko ist schwanger. Das Cadeautje zum Nikolaus hat sich ordentlich festgebissen und lässt ganz bestimmt so schnell nicht wieder los. Kein Wunder, wo sollte sich ein Nikolauskind wohler fühlen als bei einer Schokomutter?

Dienstag, 14. Dezember 2010

Schon wieder vorbei, das Minihoch.

Vor vier Wochen bin ich nach langer Zeit mal wieder im Geiste pfeifend aus einer Kinderwunschklinik spaziert. Meine Gebärmutter sah "glatt" aus (was auch immer das heißen mag, der Gesichtsausdruck meiner Ärztin zu dieser Nachricht war verheißungsvoll), zumindest ein Eierstock produzierte trotz ausdrücklichem Hormonverbot, was ebenfalls ein gutes Zeichen zu sein schien, und meine Ärztin war bester Dinge. Heute zeigte sich ein funkelnagelniegelneues Myom in meiner Gebärmutterwand, das da vor vier Wochen noch nicht war, die Gebärmutter war verschoben (hätte die Osteopathin danebengestanden, hätte sie gesagt "siehste, siehste"), und die Ärztin war schon nicht mehr ganz so euphorisch, sondern erklärte mir, genau solche Späße wären der Grund, warum sie gerne im Januar noch mal eine Bauchspiegelung mit mir machen lassen würde. Ja gut. Dann gab es noch ein neues Enantone-Rezept, und ich musste schnell-schnell zurück in die Agentur, in der ich heute gebucht war, denn für die übliche Nach-Klinik-Belohnungs-Mittagspause beim kleinen Italiener war leider keine Zeit. Statt Pasta und einem Achtel Rotwein gab es ein Bounty vom Kiosk. Aber damit war der Ärger noch nicht vorbei: in der Hormone-Speziale-Apotheke war Enantone aus, und in der anderen Apotheke gegenüber der Agentur händigte man mir kurz vor Schließung ein Päckchen aus, das dem vom letzten Mal so gar nicht ähnlich sah. Diesmal gab es keine patente Einmalspritze, sondern Spritze, zwei Nadeln und ein Fläschchen mit Pulver. Ich dachte natürlich, das kriege ich hin. Letzten Endes hab ich das auch hingekriegt, eben gerade, vor einer halben Stunde. Aber ich bin heilfroh, dass das nicht meine erste selbstverpasste Spritze war, denn dann würde ich jetzt mit den Zähnen klappernd in der einen Zimmerecke kauern, während die noch unerledigte Spritze in der anderen liegen und die Nadel bösartig im Tranfunzellicht funkeln würde. Die Krux war nicht die Tatsache, dass es wieder mal darum ging, sich eine Nadel in die eigene liebe Haut zu rammen, sondern die Gebrauchsanweisung, in der mindestens die Hälfte fehlte. Es war z.B. keine Rede davon, dass man sowohl von Pulvergefäß als auch von der Spritze noch einiges zu entfernen hatte, bevor es losgehen konnte, und die Zeichnungen sahen überhaupt nicht so aus wie die Bauteile des Hormonbastelsets. Dann war da noch in gefetteter Schrift die Rede davon, man sollte die Nadel unbedingt IM Uhrzeigersinn aufschrauben. Nach ein paar vergeblichen Versuchen war klar, gemeint war gegen den Uhrzeigersinn. Nachdem ich die Flüssigkeit aus der Spritze wie angewiesen in den Pulverflakon gespritzt und das ganze gut durchgeschüttelt hatte, war der Flakon voller Schaum und entsprechend schwierig zurück in die Spritze zu saugen. Fast genau so schwierig war es dementsprechend, die Luft aus der Spritze zu drücken (wovon in der Anweisung keine Rede war, genau so wenig wie davon, die Hautstelle mit Alkohol zu desinfizieren). Und dann die Nadeln: die eine war dazu da, die Flüssigkeit in das Pulver zu drücken und das Gemisch zurück in die Spritze zu saugen, dann sollte sie weg, und die andere sollte zum Injizieren aufgesetzt werden. Meine Intuition (sprich: meine alte Feindin Spritzenangst) sagte mir, dass zum Injizieren in jedem Fall die Kleinere genommen werden sollte. Falsch: laut Anweisung und Folie auf dem Rücken der Spritzenverpackungen war es die größere, obwohl die nun deutlich größer aussah als die Nadeln, die wir Hormondamen sonst von Selbermach-Spritzen gewohnt sind.
Das war alles nicht schön. Wäre es gerade um ein IKEA-Regal gegangen, hätte ich herzlich gelacht und das ganze in meiner Anekdoten-Sammlung für wirklich, wirklich langweilige Parties abgelegt. Aber das war kein IKEA-Regal, das war das Hantieren mit Kanülen, Hormonen, Luft, Haut und Ängsten.
Na gut. Die Spritze ist jetzt eine halbe Stunde her, hat zwar dank langer, langer Nadel mehr Überwindung gekostet als sonst, aber dafür nicht mehr gepiekst, ich habe bisher keinen Schlaganfall erlitten und werde morgen bestimmt munter (und mit frischer Bauchbeule) aufwachen. Aber, liebe Hersteller der Pulvervariante von Enantone: ich kenn da eine, die schreibt ausgezeichnete Texte zum Thema Medizin und Pharmazie, und die wäre bestimmt bereit, für einen vernünftigen Preis eine neue, fabelhafte Gebrauchsanweisung für euer vernünftiges, fabelhaftes Medikament zu schreiben.

Montag, 13. Dezember 2010

Mischpost, in dem es unter anderem um Katzen, Wien, Hormone und Mäuse geht

Es tut mir so leid. Ich würde gerne mehr schreiben, wirklich. Und auf Kommentare antworten. Und die im Buch versprochene Download-Abteilung ist auch noch in Abrahams Wurstkessel. Der Blog kümmert gerade vor sich hin. Meine einzige Entschuldigung - zum Glück eine ziemlich gute, finde ich - ist Zeit. Die Flaute hier herrscht nicht mangels Bock, das müsst ihr mir glauben. Wenn ich könnte, dann würde ich jeden Tag eine Stunde am Rechner sitzen, Löcher in die Luft starren, am heißen Tee oder am kalten Wein nippen und mich gemütlich über die Seite treiben lassen. Das wäre schön. Ich kann noch nicht mal behaupten, dass ich gar keine Zeit mehr hätte. Aber die Zeit, die früher Schreibezeit war, ist komplett aus meinem Leben gestrichen: das war die Zeit nach dem Aufwachen, als ich noch nicht hoch musste, sondern so lange ich wollte im Schlafanzug allein mit meinem Rechner im Bett herumlungern konnte (L. hält nach dem Aufwachen meistens nicht viel im Bett, so dass ich mir dazu auch noch seine Kissen ins Kreuz klemmen konnte) - diese Zeit hat jetzt an drei Tagen in der Woche die Agentur gefressen, an den anderen der Hund, der nur darauf lauert, dass ich blinzele, um in Fahrt zu kommen und mir vorzusingen, wie gerne er jetzt nach drauhauhaußen will. Und falls Agentur und Hund ein Häppchen Morgenschluffi übersehen sollten, kommen Handwerker dazwischen, die grundsätzlich alles um halb acht beginnen müssen (nur, um dann komischerweise um elf wieder damit aufzuhören, und zwar bis zum nächsten Morgen). Futschi also, meine Morgenzeit. Die andere Post-Zeit war der Abend. Der geht jetzt drauf für Arbeit, Erledigungen (die mich immer noch achtmal mehr stressen als Arbeit - darunter fallen z.B. Überweisungen, Emails, Dinge, an die man Haken machen muss, damit man keinen Ärger bekommt usw.), aufräumen, spülen, kochen und schlafen, denn Enantone haut mich spätestens um zehn ins Bett.
Morgen übrigens wieder, dann gibt es die nächste Spritze. Alles für euch, ihr lieben Kleinen! Im Austausch will ich von euch nicht viel. Nur ein klitzekleines Bisschen! Ich erwarte von euch lediglich, dass ihr Mutti später niemals, niemals mit irgend etwas behelligt, so lange sie einen Schlafanzug trägt und einen Rechner auf dem Schoß hat. Das kriegt ihr hin, oder? ("Sie spricht wieder mit Eizellen. Bitte kauf doch jemand der Frau eine Katze und sag ihr, sie soll das mal lassen mit den Hormonen und dieser ganzen Kinderwunschsache." Lustig, dass Sie das sagen, imaginärer Leser, denn der Hund hätte gerne eine Katze. Sie war gerade sechs Tage im Hundehotel auf dem Land, und zwar waren da viele andere Hunde, mit denen sie viel Spaß hatte, aber am liebsten mochte sie die Katzen. Beim ersten Zusammentreffen hat sie sich noch knurrend und mit gesträubtem Fell an sie rangerobbt, aber die Katzen waren das gewohnt und blieben lässig, und am Ende fiel der Abschied schwer. Jetzt ist die kleine Lili zwar wieder bei uns, aber schmollt, findet es langweilig hier und uns beide sowieso doof. Ich bin zwar kein Katzenfreund, aber für den Hund täte ich alles, nur bin ich gegen Katzen allergisch. Es hilft also nichts, wenn Lili Gesellschaft bekommen soll, muss ich welche gebären. Ende der Katzengeschichte. Und wenn jetzt irgend ein Kommentargenie schreibt, was mir denn einfällt, Kinder wären doch nicht dazu da, Hunden die Zeit zu vertreiben, dann kann ich ihm auch nicht helfen.)

Bevor mir die Hormone gleich die Augen zuklappen, noch schnell ein paar Erkenntnisse aus dem Wien-Urlaub: die Wienerin (wenigstens die Wienerin im ersten Bezirk) hat wirklich nicht das allerallerallerklitzekleinste Problem damit, einen Pelz zu tragen, und zwar einen richtigen Old-School-Pelz, nichts aus Kaninchen und auch sonst keinen Mantel aus den Fellen von Tieren, die man sowieso umbringt, um sie zu essen. Richtige, fast bodenlange Nerze, Zobel und was weiß ich was für Dinger. Man könnte ja jetzt denken, die sind an sich alles echte Tierschützer, haben aber den Mantel von ihrer Mutter geerbt, und wegwerfen muss man ihn ja wohl nicht. Das würde ich auch gerne denken, wären da nicht die perfekt darauf abgestimmten Betonfrisuren und das Make-up, das so geschickt hingeschminkt ist, dass es aussieht wie Permanent Make-up, ohne Permanent Make-up zu sein. Aber was soll's, wenn im Ausland alles genau so wäre wie hier, müsste man ja nicht hinfahren - also ruhig, ganz ruhig, auch wenn ich mit fünf Damen an der Fußgängerampel stehe, von denen fünf einen Pelzmantel tragen. Ich hab mein Plastikdaunending jedenfalls so stolz wie möglich getragen und mir gedacht, dass das sicher trotzdem nette, reizende Damen sind.

Dann ist mir noch aufgefallen, dass im Urlaub getrunkener Kaffee irgendwie nicht zählt. Das merke ich nicht zum ersten Mal. Wenn ich zuhause entweder mehr als eine Tasse trinke oder eine beliebige Menge nach zwölf Uhr mittags, kann ich die ganze Nacht nicht schlafen. In Wien war das wieder mal wumpe, wir haben den ganzen Tag lang abwechselnd Grünen Veltliner und Melange in uns reingeschüttet, und nichts davon hat irgend eine negative Wirkung gehabt. Schön, so ein Urlaub.

Und ich will ein Kaffeehaus. Es muss gar nicht so wahnsinnig traditionell sein. Aber darin muss rauchen erlaubt sein, die Bedienungen müssen Berufsbedienungen sein (bloß keine Studenten, bitte bitte nein), es muss einen normalen Kaffeehausnamen haben wie z.B. den Namen des Besitzers oder meinetwegen auch "zum grünen Zebra" oder so, nur nicht so einen blöden Berlin-Namen wie "Sowohl als auch" oder einen blöden Hamburger Namen wie "Drei Tageszeiten" oder irgendwas ironisches mit "Schmidt". Es muss Zeitungen geben und eine Speisekarte, auf der nur gute Sachen stehen und möglichst wenig mit Mozzarella. Ach, ich glaube, das erst zu beschreiben oder zu erfinden wäre zu umständlich, der Einfachheit halber wünsche ich mir, dass folgende Wiener Gastwirtschaften mit Mann und Maus nach Hamburg verpflanzt werden: Zum schwarzen Kameel, Café Prückel und das Café Engländer. (Das Café Landtmann dagegen kann bleiben, wo es ist, genau wie dieses sagenumwobene Hawelka.) Falls das aus irgend einem Grund nicht möglich sein sollte, muss ich eben so bald wie möglich mit Mann und Maus wieder dort hin. (Seit unserem Umzug bin ich weitere Reisen gewöhnt, um an einem Tisch zu sitzen und mir gegen Geld Essen und Getränke servieren zu lassen.)

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Postkarte aus Wien

Wir sitzen im Hotelzimmer und gucken uns eine italienische Schreishow an. Nur wird hier nicht geschrieen, sondern man macht sich seine Vorwürfe so gesittet wie möglich. Auch im Publikum sitzen nicht solche Knallköppe wie bei uns, sondern Herrschaften mit Krägelchen überm Pullover und Damen, die extra beim Friseur waren. Außerdem präsidiert ein Richter im Hintergrund, den die Moderatorin im Zweifel um Rat zu fragen hat, aber sobald er anfängt zu reden, strahlt ihr die Langeweile aus jeder Pore des überschminkten Gesichts. Der Richter trägt nicht nur eine Robe, sondern hat vor sich auch ein dickes Gesetzesbuch liegen und einen Holzhammer zur Hand. Außerdem hat er nicht nur eine Brille auf der Nase, sondern sicherheitshalber eine zweite in der Hand. Allein dafür hat sich diese Reise schon auf jeden Fall gelohnt!


Zwischen all den Schnitzeln, Wienern und anderen Herzigkeiten ist mir gestern im Café Hawelka aufgegangen, dass diese Reise noch mehr von den letzten New York-Urlauben unterscheidet als der Mangel an Wolkenkratzern und Schaufensterdeko, die nicht singen kann. Diesmal ist es einfach nur ein Urlaub. Kein Trost, keine Entschädigung und auch nicht das Positive, an das man schließlich auch denken muss: ich denke diesmal nicht, dass es doch ein echter Vorteil unserer Kinderlosigkeit ist, dass wir hier einfach so zu zweit durch eine fremde Großstadt bummeln können, ohne Kinderwagen und Geplärre und Zwischenstops bei McDonald's. So weit weg ist der letzte Versuch nämlich schon: das war letzten Winter, wenn ich mich richtig erinnere. Obwohl es gerade doch eigentlich wieder losgeht mit all dem Hormonzirkus, sind wir gerade nicht L. und F., die leider noch kein Kind haben, sondern L. und F. Punkt.
(Sollte ich euch übrigens irgendwann in den nächsten Wochen hier erzählen, diese Teufelshormone hätten mir fünf Kilo auf die Hüften gepackt, dann glaubt mir kein Wort. Das waren nicht die Hormone, das waren Wien und Weihnachten, also mit anderen Worten, ich und meine Verfressenheit ganz allein.)

Freitag, 3. Dezember 2010

Die seltsamste Stunde, die ich je in einem Behandlungszimmer verbracht habe

Bis gestern war ich noch nie in meinem Leben zur Osteopathie gewesen. Vielleicht liegt es daran, dass bisher alle Leute, die mir das empfohlen hatten, im gleichen Satz irgend so etwas mitgeschoben hatten wie "die Schulmedizin macht dich ja im Zweifel nur kränker", und das ist der Moment, in dem ich grundsätzlich dicht mache. (Wenn mir also jemand z.B. ein gegrilltes Rippchen oder ein Glas Rotwein hinhalten und dazu sagen würde "nimm, die Schulmedizin macht dich im Zweifel ja nur kränker", dann würde ich dankend ablehnen.) Aber in den letzten Monaten sind wunderliche Dinge geschehen. Genauer kann ich das gar nicht beschreiben. Und so kam das, dass ich gestern meinen ersten Osteopathie-Termin im ganzen Leben hatte. Meine Klinik-Ärztin hatte mir beim vorletzten Mal vier Karteikärtchen von Osteopathen mitgegeben und gesagt, ich sollte da mal hingehen. Das könnte zwar vermutlich weder meine Endometriose "wegmachen" noch die Myome verhindern, aber es würde zumindest dafür sorgen, dass sich mein Bauch nach den vielen Operationen wieder ein bisschen beruhigt und "mein Beckenboden sich besser fühlt". Von den vier Karten habe ich die Praxis ausgesucht, die am nächsten an meiner U-Bahn-Linie liegt, denn wenn ich erst umsteigen muss, kriege ich schlechte Laune und gehe da doch nicht hin. Und als ich gestern mittag vor dem Haus stand, einem dieser weißen Hamburger Häuser, die aussehen wie aus Biskuitporzellan, dachte ich, ach schön, nun habe ich endlich einen Vorwand, mir eins dieser Häuser mal von Innen anzusehen, ohne dass die aufmerksamen Nachbarn den Notfallknopf drücken und der private Sicherheitsdienst anrückt. So ein feines Haus war das nämlich! Das Behandlungszimmer der Osteopathin ist so riesig, dass man darin die komplette Praxis meiner Stamm-Frauenärztin bequem unterbringen könnte. Unter der turmhohen Decke klebt makelloser Stuck, der scheinbar wöchentlich von einer auf der Leiter stehenden Fachkraft mit einer Straußenfeder gereinigt wird. Zwei Flügeltüren führen in andere, bestimmt noch größere Räume. Ich hatte befürchtet, dass Osteopathie teuer wäre. Und jetzt das: die Frau hat sich eine Stunde lang eingehend mit mir beschäftigt, und das Ganze kostet mich nun 75 Euro! Dabei war schon der Raum so prächtig, dass allein ein einstündiger Aufenthalt darin 75 Euro kosten könnte! Ich war begeistert. Lasst euch mal eine Stunde in stinkigsten, engsten und schmuddeligsten Taxi der Stadt durch trostlose Vororte fahren: auch das kostet mit Sicherheit 75 Euro, und für den Beckenboden tut es rein gar nichts!
Nach ein paar einleitenden Fragen ging es ziemlich flott los: ich lag ohne Hose und Schuhe auf einer Liege, wurde fürsorglich mit Wärme bestrahlt und mit einer Wolldecke eingemummelt, und die Osteopathin legte ihre Hände auf verschiedene Stellen meines Bauches. Dort ließ sie sie meistens eine ganze Weile liegen. Und liegen. Und liegen. Komischerweise wurde es unter ihren Fingern ziemlich schnell ziemlich warm. Ab und zu knetete sie auch mal hier und drückte da, aber nichts davon war in irgend einer Weise unangenehm, obwohl sie mich gewarnt hatte, es könnte ein bisschen weh tun - denn wie sie meinte, ist entweder meine Blase oder meine Gebärmutter zu weit links und sollte durch die Prozedur wieder mehr mittig landen. Ich lag also so da, und weil so extrem wenig vor sich ging, kamen wir ins Plaudern. Und es stellte sich heraus, dass auch die nette Osteopathin eine jahrelange Kinderwunschbehandlung hinter sich hatte. Langsam frage ich mich, wer eigentlich nicht (außer vielleicht Magda Goebbels und Boris Becker)? Während wir so plauschten, drückte und schob sie weiter sanft an mir herum, kugelte auch mal mit meinen Beinen nach hier und da und knetete meine Beckenknochen, und dann, als ich so dermaßen entspannt war, dass ich fast schon eingeschlafen wäre, war die Stunde vorbei, ich stieg wieder in meine Hose und fand mich ziemlich verblüfft zurück auf der Straße. Was war das denn?

Abgesehen davon, dass es wirklich, wirklich angenehm war und sich tatsächlich eindeutig so anfühlte, als würde gerade auf geheimnisvollen Wegen etwas Positives in meinem Bauch bewirkt - musste ich heute morgen zum ersten Mal seit Ewigkeiten nicht unmittelbar nach dem Aufstehen aufs Klo (obwohl ich über Nacht gute anderthalb Liter Wasser getrunken hatte), mein Bauch fühlt sich seltsam ruhig und entspannt an, und das, obwohl ich heute einen Muskelkater habe, als hätte ich gestern drei Stunden Bauch-Beine-Po hintereinander gemacht.

Da gehe ich wieder hin, das steht fest. Und zwar vermutlich im Januar, kurz vor meiner nächsten Bauchspiegelung.

So. Und dann ging es nach Hause, ich hatte noch zu tun (hatte ich schon mal erwähnt, dass aus meinen zwei freien Arbeitstagen bis jetzt kein einziges Mal etwas geworden ist?), der Hund wollte raus, und dann musste ich auch schon wieder in die Stadt zum Stammtisch. Zwar waren wir nur zu dritt, aber das war trotzdem ganz fabelhaft. Gute Damen, guter Wein, gute Pizza, guter Abend. Das nächste Mal vermutlich im Februar, und zwar diesmal wohl wirklich bei mir. Das wird die Organisation erheblich verkomplizieren, aber ich bin ganz sicher, wir kriegen das hin!

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Was bisher geschah: der Adventszeitraffer

Wer hätte gedacht, dass auch dieses Jahr die Adventszeit den ewigen, unerschütterlichen Gesetzen für Advente folgt? Dass ich auch dieses Jahr plötzlich feststelle, dass ab jetzt bis zum 24. nur noch gemusst und so gut wie gar nicht mehr gedurft wird, dass das alles viel zu wenig Zeit ist und dass allen jetzt noch irgend eine Möglichkeit einfällt, mich zu stressen bis an den Rand eines Zustandes, in dem wirklich gar nichts mehr geht, egal ob gemusst oder gedurft.

Keine Angst, den Stammtisch morgen schaffe ich trotzdem, und Wuzal, ich bitte tausendfach um Entschuldigung, aber inzwischen ist diese, äh, Sache unterwegs und hoffentlich morgen schon da. („Schon“. Der blanke Hohn.)

Und Posten geht schon gar nicht mehr. Dabei hätte ich so viel zu erzählen. Zum Beispiel, dass die Enantone-Spritze zwar jede Menge Nebenwirkungen mit sich bringt, aber sich das alles trotzdem nicht wie Hormonstress anfühlt, sondern wie normaler Stress. Dadurch, dass man diese Spritze einmal im Monat bekommt und sie dann 30 Tage lang still und heimlich und nur als kleiner Knubbel am Bauch fühlbar ihre Arbeit tut, geht eine Hormonnebenwirkung schon mal als Stress-Nebenwirkung durch. Gerade hatte ich z.B. tagelang Kopfweh und hab erst an Tag fünf überhaupt an Enantone gedacht. Auch die Massen von Wolle, die jeden Tag in meiner Haarbürste hängenbleiben, habe ich zwar allmorgendlich rausgepflückt und ins Klo geworfen, aber erst in der letzten Klinik-Sprechstunde fiel mir überhaupt ein, das gegenüber meiner Ärztin mal zu erwähnen. Jetzt bekomme ich ein Hormonhaarwasser, das in einer Flasche ist, die mich irgendwie an altägyptischen Kopfschmuck erinnert und an das ich bisher nur zwei mal überhaupt gedacht habe. Auf meinem Waschbeckenrand wird es vermutlich wenig für mich ausrichten können, aber wir wissen ja, wie viel der Glaube und die Einstellung bei allem bedeutet, was wir hier treiben... nein? Auch Migräne hatte ich mal wieder und musste deshalb einen schönen Abend mit Damenbesuch und leckerem Essen absagen, aber mach was. Und müde bin ich auch, aber wer ist das gerade nicht?
Außerdem habe ich morgen meinen ersten Termin bei der Osteopathin (inzwischen habe ich schon drei mal aus Versehen „Soziopathin“ gesagt, aber so lange sich das nicht auch schriftlich einschleicht, ist alles gut), und auch der nächste TCM-Termin für Anfang Februar ist schon mit Glitzerstift in meinen neuen Kalender eingetragen. (Nein, nicht ernsthaft mit Glitzerstift, so was hab ich leider gar nicht, aber wenn ich einen hätte, hätte ich ihn dafür benutzt. Stifte waren mir immer wichtig, ich hab vor ein paar Jahren mal ein altes Tagebuch aus der Zeit um die 13 rausgeholt, in dem stand: „Liebes Tagebuch. Viel ist passiert. Ich schreibe jetzt türkis.“). Und dann ist morgen auch noch Stammtisch. Muss ich noch schreiben, dass ich mich auf euch alle freue? Auf die, die ich schon kenne und vielleicht auch auf die eine oder andere Nase, die noch nicht? Hamburg, Gloriabar, 19:00. Ich bin die, die da sitzt, vielsagend guckt und im Sitzen auf und ab hüpft.

Donnerstag, 25. November 2010

Wobei mir gerade einfällt:

aus Rücksicht auf die gestressten Damen, hormonell bedingte Narkolepsie und den lange, dunklen Winterabend, der ja inzwischen schon kurz nach dem Aufstehen beginnt, können wir uns diesmal auch schon um sieben treffen. Wie wäre das?

Wie kam ich eigentlich auf 100.000?

Da hatte ich mich wohl verguckt. Also gut, dann eben Stammtisch zum 80.000 Klick. Bei der Einladung bleibt es aber, und wir treffen uns der Einfachheit halber auch gerne wieder im Gloria, es sei denn, jemand ist extrem dagegen.

Also schön:
Donnerstag, 2.12., 20:00, Gloria, Hamburg.

Drei Zusagen hab ich schon, ich rechne fest mit euch, ihr Damen! Und ich freue mich über jede Nase, die außerdem auftaucht! Tisch reserviere ich gerne auf Flora.

Mittwoch, 24. November 2010

Manchmal, aber nur manchmal

Ich war immer dafür, dass jede Frau selbst entscheiden kann, ob sie abtreiben will oder nicht, und finde, dass ihre Gründe niemanden etwas angehen. Ich glaube einfach nicht, dass sich irgend jemand diese Entscheidung wirklich so leicht macht, wie Abtreibungsgegner das gerne darstellen. An meiner Einstellung hat sich nichts geändert, weder als ich gehört habe, dass das bei mir mit den Kindern nicht so einfach wird, noch nach der Fehlgeburt. Aber gerade habe ich auf Schoko NLs Blog folgenden Link angeklickt. Der führt zu einem amerikanischen Blog, in dem ein Paar will, dass die Leser darüber abstimmen, ob die Frau - jetzt in der 15. Woche schwanger mit einem (so weit sie weiß) gesunden Kind - abtreiben lassen soll oder nicht. Sie selbst wissen es nicht, also los, sagt ihr doch mal.
Plötzlich fühle ich mich furchtbar. Und ich kann noch nicht mal genau sagen, wieso.

Jedenfalls, bis die Hormone gewinnen

und ich an meinem Schreibtisch sitze, wo ich eigentlich gerade Headlines für die Wurschtegal GmbH schreiben sollte. Was ich auch tue, schon seit Stunden und mit Feuereifer! Bis ich plötzlich merke, dass ich gerade ohne darüber nachzudenken ungefähr acht nette Vornamen auf einen Schmierzettel geschrieben habe. Peinlich ist so was. Ach, verflixt.

Dienstag, 23. November 2010

Schwer auseinanderzuhalten: Deadlines und Hormone.

Ich hasse Deadlines, ich fühle mich von ihnen unfair behandelt und reingelegt. Andere Leute können sich entspannen und ihre Arbeit einfach in letzter Minute erledigen. Die haben dann 48 miese Stunden ohne Schlaf, Kontakt zu anderen Menschen oder 30-Minuten-Haarkuren, aber vorher sind sie imstande, seelenruhig ins Kino zu gehen, herumzuliegen oder mit dem Hund durch den Wald zu spazieren. Wieder andere erledigen die Arbeit einfach, sobald sie ihnen vor die Flinte kommt, und bemerken die Deadline noch nicht mal wirklich, weil sie längst fertig sind, bevor sie auch nur am Horizont auftaucht. Ich kann weder das eine noch das andere richtig, ich schiebe alles auf und habe es trotzdem die ganze Zeit, jede Minute, im Kopf und in den Knochen. Ich schlafe abends mit dem Gefühl ein, die Haustür würde noch aufstehen, und wenn ich wirklich ins Kino gehe, dann bin ich so entspannt, als würde zuhause das Bügeleisen noch an sein, während der Hund am Kabel nagt. So läuft es zumindest, wenn ich mitten in einer ansonsten ruhigen, netten, unaufgeregten Zeit mit einer Deadline zu tun bekomme: selbst dann lässt mein Umgang mit ihr so ziemlich alles zu wünschen übrig.
Im Moment ist es schlimmer. Denn gerade kann kaum noch von einer Deadline die Rede sein, sondern vielmehr von einem Dead-Karomuster. Wohin man guckt, ständig tauchen neue Deadlines auf, und kaum hat man eine davon abgehakt, kommt sie entweder zurück von dem Ort, wohin abgehakte Deadlinezombies für immer verschwinden sollten, oder sie bringt sogar noch drei neue Kollegen mit. Ich lebe in einem Zustand ständiger... Gezerrtheit. Als würden acht quengelnde, verwöhnte kleine dumme Mädchen den ganzen Tag an mir ziehen, egal, wohin ich gehe. Es hört einfach nicht auf. Seit Monaten gab es keinen Tag mehr, an dem ich abends eingeschlafen bin und wusste: puh, geschafft. Alles, was du zu tun hattest, hast du jetzt getan. Genieß diesen Moment, wenn das Telefon jetzt klingelt, dann kann keiner dran sein, der dir was will.
Langsam fange ich selber an, mir zu wünschen, ich könnte jemanden anquengeln und zerren. Und nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen denke ich: das sind nicht die Hormone, die dich so müde und traurig und lustlos machen. Das sind die Deadlines. Die sind viel schlimmer, von denen bekommt man am Ende noch nicht mal Babies.

Die Sehnsucht nach dem nächsten Wochenende wächst ins Unermessliche, dann werde ich nämlich am Freitag Nachmittag mit zwei anderen Damen in ein Auto steigen und in die Heide fahren. Mein Handy werde ich in diesem Moment ausschalten und erst am Sonntag Abend nach dem Tatort wieder aktivieren.

Freitag, 19. November 2010

Der Stammtisch zum Hunderttausendsten Klick

wird übrigens komplett von mir bezahlt. Wenn das kein Anreiz für im Hamburger Umland wohnende Abkürzungsdamen ist, dann weiß ich es auch nicht.

Ich schlage einen Termin übernächste Woche vor. Wie wäre Donnerstag?

Überraschende Erkenntnis

Ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, wie viel Energie dieses Blogs dafür aufgewendet wird, sich bloß nicht unterkriegen zu lassen, nicht zu viel an den Kinderwunsch zu denken und überhaupt das Babythema komplett auszublenden?
Scheinbar jedem außer mir. Und ich merke gerade, wie die guten Nachrichten der letzten Woche sich langsam Bahn brechen - auf jeden Fall versuchen sie gerade, die Mauer aus Selbstschutz durch Spässken, Nichtzufrühfreuen und Glück-durch-Nur-nicht-zu-viel-hoffen zu durchbrechen. Ich denke an den Ultraschall und die vielen Follikel, die eigentlich gar nicht da sein dürften. Ich denke daran, dass meine Ärztin jetzt schon ca. fünfmal gesagt hat, ich hätte wirklich gute Chancen, und das, obwohl sie mich offensichtlich nicht melken will, sonst hätte sie mir noch eine IVF angedient. Ich denke an unseren Dachboden, den man zu allem möglichen umbauen kann (Denke: Bibliothek oder Sauna. Denke bloß nicht: Zimmer für die Zwillinge.) Und ich denke, wie verrückt wäre das, wenn es tatsächlich klappen würde? Ich hätte irgendwann in einem Jahr ein knisterndes Bündel im Arm, das nach Puuup riecht und seine klebrigen Seestern-Hände in mein Gesicht patscht?

Das könnte wirklich passieren, wenn wir nicht aufpassen.

Donnerstag, 18. November 2010

Und nein, ich bin kein Trekkie.

Nerd ja, Trekkie nein. Ich habe keine Handytasche am Gürtel (einen Gürtel hab ich auch nicht), ich habe auch kein Headset, ich lebe nicht von Tiefkühlpizza, ich habe keinen World-of-Warcraft-Avatar und mein Hund heißt nicht "Frau Sowieso" oder "Herr irgendwas".

Wenn ich in hundert Jahren wieder aufwache

aus meinem ewigen Enantoneschlaf, hat sich das Enantone-Thema vermutlich erledigt. Kennt jemand den Enterprise-Film, in dem sie in unserer Zeit landen und Scottie einer alten Frau auf dem Krankenhausflur, die auf ihre Dialyse wartet, mit entnervtem Augenrollen eine Pille zuwirft und kopfschüttelnd über unsere Steinzeitmethoden weiterläuft, und eine Minute später ruft die Frau "Mir ist eine neue Niere gewachsen! Mir ist eine neue Niere gewachsen!" So in etwa wird es laufen, wenn ich in hundert Jahren aus meinem Enantone-Schlaf erwache und meine Klinik anrufe, um zu erfahren, wann es weitergeht mit dem Hormonspaß.

Dienstag, 16. November 2010

Pieks Pieks Pieks, wir ham uns alle lieks

Wenn ein Film im Weltraum spielt, gucke ich ihn mir an. Ich habe nun mal eine Schwäche für das All. (Ein Filmgenre, das mir dagegen gar nichts zu geben hat, ist der Western. Und das, obwohl ich Indianer, Pferde und Baked Beans mag.) Vielleicht ist das der Grund dafür, warum die Enantone-Spritze heute wieder mal gar nicht schlimm war. Sie zündet nämlich in zwei Stufen, und während ich sie mir in die Bauchrolle (ganz eigenes Thema, dazu hier mehr) gedrückt habe, habe ich mit dem Mund Fauch- und Zisch-Geräusche gemacht wie Fünfjährige beim Weltraumspielen. Die Spritze hat mehrere Kammern, die nacheinander zünden. Erste Phase: Spritze wird aufrecht gehalten (wie eine Rakete! Ha!) bis zur blauen Markierung gedrückt. Dann wird die Spritze (ganz anders als eine Rakete) geschüttelt und dabei trotzdem aufrecht gehalten. Auf diese Art vermischen sich der Inhalt von Tank 1 und Tank 2, der gerade in Tank 1 gedrückt wurde. Zweite Phase: erst wird die Luft aus der Spritze gedrückt, bis ein kleines Tröpfchen aus der Nadel quillt, dann wird der jetzt trüb-milchige Spritzeninhalt in den Bauch gedrückt.

Das klingt nicht schön, war aber nicht schlimm. Und zwar, weil...
- die Nadel wirklich fein ist wie ein Mückenrüssel
- heute wesentlich weniger Flüssigkeit in der Spritze war als vor einem Monat, als das alles mit Ampullen usw. rangiert werden musste und gar nicht, aber auch GAR NICHT an den Weltraum erinnert hat, sondern nur an Spritzen oder vielleicht Güterzüge
- ich Raketengeräusche dazu machen konnte
- mich schon ungefähr 20 Gonal-Injektionen und zwei mal Ovitrelle darauf vorbereitet haben und ich gerade zwei mal einen Zugang in der Hand hatte, der ungefähr so dick war wie ein McDonald's-Strohhalm

Und jetzt habe ich wieder eine Beule am Bauch, wenn auch diesmal eine kleine, zarte. Die letzte Beule war so, als hätte ich einen Eishockey-Unfall gehabt. Die hier sieht eher nach Streit mit meinem kleinen Bruder aus.

Montag, 15. November 2010

Stunden später bin ich immer noch begeistert.

Jetzt noch mal in Ruhe. Heute war der Termin, an dem Ultraschall und zweite Enantone-Spritze fällig waren. Wobei die Enantone-Spritze, wir erinnern uns, im Rahmen des langen Protokolls eigentlich alle Aktivitäten meines Unterleibs (Follikelreifung, Bilden von jeder Menge Gebärmutterschleimhaut und Endometriose, Myomproduktion im ganz großen Stil) komplett unterdrücken sollte. Durch diese Spritze hätte da unten alles ratzekahl sein sollen: weder Schleimhaut, noch Myome, noch Endometriose, noch Zysten, noch Follikel. Aber auch heute hatte meine Quatschbauch eine Überraschung für mich, diesmal allerdings eine nette. Keine Myome, keine Zysten, keine Endometriose und auch sonst kein Mist. Stattdessen eine schöne, dicke Schleimhaut und sieben mit Macht reifende Follikel in einem Eierstock. Und darüber war die Ärztin während des ganzen, 15 Minuten dauernden Termins anhaltend begeistert. Denn diese Follikel sagen uns: mein Körper wäre gerne schwanger. Er legt sich ins Zeug, und wenn auch der komplette Hormonstoffwechsel dagegen ist. Mein Körper führt sich gerade in einer Weise auf, dass ich fast doch an Tropis glauben könnte, Kinder trotz Pille. (Wenn mir jemand so etwas erzählt, dann denke ich immer: jaja, mindestens dreimal Pille vergessen oder wieder ausgespuckt und es nur nicht zugeben wollen. Aber diese Spritze habe ich mir nicht selbst gegeben, das war eine Fachkraft, und die dicke Beule an meinem Bauch war der unübersehbare Beweis, dass in dieser Spritze etwas Spannendes war und nicht irgend eine vergessene Spüllösung. Hätte ich mir die Spritze gesetzt, dann würde ich mir jetzt einbilden, ich hätte das nur geträumt oder eine geteilte Persönlichkeit entwickelt, deren eine Hälfte die Spritze kichernd ins Moor geworfen hat, während die andere Hälfte Stein und Bein schwören würde, sie sich ehrlich echt und genau wie angewiesen in den Bauch gerammt zu haben.)

Und daraus hat sie den Schluss gezogen, mit der nächsten Spritze noch zu warten, bis sie meine Blutwerte von heute gedeutet hat. Und, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach den nächsten Zyklus zu Fuß probieren - mit minimaler Stimulation, und jedenfalls ohne IVF. Als sie mir das gesagt hat, hatte sie selbst vor Begeisterung so kleine Kiekser in der Stimme und hüpfte im Sitzen auf ihrem Stuhl auf und ab. Und ich freue mich. L. allerdings kann ich dazu noch nicht überreden. Der wittert hinter der nächsten Ecke eine neue Falle. Damit hat er bestimmt auf seine Art irgendwie Recht. Aber ich auf meine Art auch.

Damit zur Bilanz nach einem Monat Enantone. Diesmal gab es Nebenwirkungen. Und zwar in unsortierter Reihenfolge:
1. Stimmungsschwankungen, und wie. An einem Tag bin ich morgens so zerknirscht und hoffnungslos aufgewacht, dass L. Sorge hatte, mich zur Arbeit zu lassen, aus Angst, ich würde mich vor die Ubahn werfen. Ich bin dann trotzdem gegangen und habe mich nicht geworfen, aber ich hätte volles Verständnis für jeden meiner Mitwartenden auf dem Bahnsteig gehabt, der es getan hätte. Bäh, war das fürchterlich. Und aufschlussreich: seit diesen 48 Stunden sehe ich Depressionen mit anderen Augen, und die Tom Cruise dieser Welt, die meinen, sowas müsste auch ohne Medikamente gehen unter erwachsenen und psychisch optimierten Menschen, die haben tatsächlich keine Ahnung und sollten es mal mit Enantone probieren.

2. Haarausfall. Zwar habe ich eine Menge Haare, immer noch, aber es waren mal mehr. Jetzt muss ich wirklich jeden Abend meine Haarbürste grundreinigen, und mein Pferdeschwanzgummi muss ich so oft wie nie um den Pferdeschwanz wickeln. Die Ärztin hat mir Hormonhaarwasser aus der Apotheke empfohlen, und vielleicht probiere ich das, nur, um euch berichten zu können, wie das dann wieder ist.

3. Müdigkeit. Jeden Abend um acht gehen bei mir innerlich die Lichter aus. Ab dann arbeitet mein Gehirn bei Kerzenschein, und ich halte mich mühsam noch zwei-drei Stunden wach, bis auch Leute jenseits des Kindergartenalters in ihr Pölterchen schlüpfen und ins Bett kriechen können.

4. Ansonsten bisher für alle Klischee-Wechseljahresbeschwerden, mit denen ich fest gerechnet hatte, Fehlanzeige. Ich bin nicht dicker oder dünner, als ich nach Nahrungsaufnahme und Bewegung sein sollte, ich hab keine Hitzewallungen, und ich überlege nicht, mir eine Katze zu kaufen.

5. Dafür eine schöne, dicke Schleimhaut und sieben Follikel.

Irgendwann morgen klingelt mein Handy, und die Dame aus der Praxis sagt mir, wann ich mir meine Enantone-Spritze setzen soll, die hier vor mir auf dem Tisch liegt. Ich bin ein bisschen aufgeregt: endlich wieder eine Spritze. Und so wie es aussieht, für eine Weile vermutlich die letzte.

Nächstes mal nimmt die Freakshow Eintritt

Gerade auf dem Stuhl: nach einem Monat Enantone habe ich in einem Eierstock sieben Follikel. Meine Ärzrin war ganz aufgeregt, aber
ich gucke eigentlich inzwischen kaum noch hin. Was ist es diesmal? Eine Gebärmutter in Hello Kitty-Form? Sprechende Zysten? Die mit meinen Eileitern Seil springen?

Sieben. Hihihi.

Samstag, 13. November 2010

Kastrationsangst by Proxy

Der Hund hat seine Tage. Nur leider weiß sie das nicht. Wenn sie das wüsste, dann könnte sie sich vielleicht irgendwie erklären, warum ständig dieses Zeug aus ihr raustropft, wieso sie Bauchschmerzen hat und warum sie momentan die meiste Zeit des Tages mies drauf ist. Wenn sie nicht gerade frisst, einem Ball hinterherrennt oder fremde Hunde an ihrem Hintern herumschnuppern.

Wenn die Hitze vorbei ist, rufen wir bei der Tierärztin an und lassen sie kastrieren.

Es ist schrecklich. Und es geht mir durch und durch, das nur hinzuschreiben. Ich dachte schon, ich stünde allein damit da, bis mir neulich eine Frau auf der Wiese erzählt hat, sie hätte es nicht fertig gebracht, ihren Hund kastrieren zu lassen, so lange sie selbst schwanger war. Also mussten sie noch zwei Hitzen abwarten - medizinisch völlig unvernünftig, denn einer der Hauptgründe, eine Hündin kastrieren zu lassen - Krebsvorsorge - funktioniert nur dann, wenn man es nach der ersten Hitze tut. Aber sie konnte einfach nicht. Und ich weiß noch nicht, wie ich die Unordnung in meinem Kopf beseitigen soll, die dadurch entsteht, dass meinem Hund die Eierstöcke entfernt werden, während ich Himmel und Hormone in Bewegung setze, um selbst ein Kind zu bekommen.
Ich weiß ja, das ist Quatsch. Eigentlich weiß ich das sogar genau. Wir sind keine Züchter, der Hund hat keine Papiere, und wenn sie jemals Junge bekommen sollte, dann würden wir da stehen mit acht kleinen Hündchen (oder elf oder dreizehn), die vermutlich niemand haben wollte und die wir nicht alle behalten könnten. Dann käme der Tag nach vielen, vielen Telefonaten und Emails mit Interessenten, die am Ende niemals auftauchen und schon gar nicht einen der Hunde wirklich mitnehmen würden, an dem wir sie ins Tierheim bringen müssten. Und das wäre vermutlich sogar dann so, wenn Lili zufällig mit einem anderen Airedale ins Gebüsch verschwinden würde, denn sie hat ja - wie erwähnt - keine Papiere, und wir sind - wie erwähnt - keine Züchter, und komischerweise scheinen viele angehende Hundefreunde auf so was Wert zu legen. Wollten wir das verhindern, dann würde das bedeuten, dass Lili mindestens zwei mal im Jahr für drei Wochen nicht von der Leine darf und keine Minute unbeaufsichtigt spielen kann. Wenn sie älter werden würde, würden die Hitzen vermutlich häufiger kommen und länger bleiben. Und irgendwann würde sie dann mit ziemlicher Sicherheit irgend eine Art von Hundekrebs bekommen, das bekommen sie leider fast alle, wenn sie keine Jungen bekommen und nicht kastriert sind. (Böse Gedanken. Böse Gedanken. Schert euch weg und vermurkst mir nicht meinen Samstagmorgen.)
Es könnte außerdem passieren, dass sie durch die Kastration ein bisschen ruhiger würde - kein Schaden, überhaupt kein Schaden in meinen Augen. Der Hund hat so viel Energie, dass es für acht Hunde reichen würde. Ich müsste in Zukunft nicht mehr beim Betreten des Parks wildfremde Hundebesitzer aus zweihundert Metern Entfernung anbrüllen "Rüüüdeee? Kastriiiiert?" und nicht mehr mit ansehen müssen, wie die angeblich kastrierten Rüden unter den wohlwollenden Blicken ihrer Herrchen versuchen, von allen Seiten meinen Hund zu besteigen.

Alles wäre besser, wenn sie kastriert ist. Und ich werde es ja auch machen lassen, komisches Gefühl hin oder her.

Aber irgendwie... versteht mich hier irgendwer?

Donnerstag, 11. November 2010

Ich will ja nicht meckern.

Ich bin mit Hamburg wirklich, wirklich glücklich. Die Stadt kann gerne genau so bleiben, wie sie ist. Bis auf zwei klitzekleine Dinge, die gerade angesichts der ansonsten perfekten Stadt hervorstechen wie zwei Warzen mit Haaren dran in einem wunderschönen Gesicht: Das eine ist der Kartoffelsalat. Das andere sind die Martinsumzüge. Gibt es das irgendwo sonst? Ein SPIELMANNSZUG zum Martinsumzug? Was soll das sein, eine Parade? Oder Karneval?
Wo ich herkomme, gibt es zum Martinsumzug ein Pferd mit einem dicken Mitglied des Reitvereins auf dem Rücken, das den Martin spielt. Es gibt einen Bettler, der stundenlang frierend im Gebüsch sitzt und auf seinen Auftritt wartet. Es gibt echte Kerzen in den Laternen, so dass alle paar Meter ein Kind anfängt zu heulen, weil seine Laterne Feuer gefangen hat. Am Ende, wenn alle so richtig durchgefroren sind, gibt es ein riesiges Feuer, Glühwein für die Eltern, Kinderpunsch für die Kinder, und einen Stutenkerl mit einer Tonpfeife im Mund. Aber vor allem gibt es einen Bläserchor. Keine Pfeifchen, Flötchen oder Glockenspielchen, sondern ernste Bläser, die auch keine Märsche spielen, sondern Martinslieder. Und jeder, der das einmal erlebt hat, weiß: so und nicht anders muss es sein.

Mittwoch, 10. November 2010

Weiß jemand, ob man durch Stromstoß sterben kann, wenn einem die Nase beim Schreiben eines Posts auf die Tastatur tropft?

Immerhin hätte dann diese Erkältung endlich ein Ende. Andererseits hat sie auch ihr Gutes: ich präge mir jetzt jede Sekunde davon gut ein. Und wenn ich das nächste Mal ein Nebenwirkungsstresschen wegen Hormönchen habe, dann gehe ich in mich und krame nach dieser Erkältungserinnerung, und dann lache ich das Stresschen aus. Hat mich jemals ein Hormon SO aussehen lassen? Hab ich jemals wegen einem Hormon die ganze Nacht nicht geschlafen (Äh, ja... da war so was...)? War ich jemals wegen eines Hormons kaum imstande, zur Arbeit zu gehen? (Denk an letzte Woche, Dummerchen.)

Ach je. Jede Malaisse ist immer gerade die schlimmste aller Zeiten. Jetzt eben diese. Und mit diesem infernalischen Lutschtablettengeschmack im Mund hab ich noch nicht mal Lust auf ein tröstendes Glas Rotwein.

Und morgen muss ich wirklich, wirklich zu Gravis und dieses Desinfektions-Zeug für den Rechner kaufen.

Samstag, 6. November 2010

Beneidenswertes Beschwerverhalten

Ich bin nicht gut darin, mich zu beschweren. Gar nicht gut. Noch nie gewesen. Dabei ist es nicht so, dass ich meine Beschwerden einfach runterschlucke und restlos verdaue, also vergesse. Ich kann mich noch Tage, sogar Wochen oder Jahre später über Dinge aufregen, die irgend jemand falsch gemacht hat, ohne dass diese Person jemals davon erfährt, mir überhaupt irgendwie quergekommen zu sein. Ich weiß, dass das nicht richtig ist, manchmal erinnere ich mich sogar an die Ziege im Märchen, die sich hinterher beklagt "wovon sollte ich satt sein? Ich sprang nur über Gräbelein usw.". Dabei bin ich vermutlich sogar zu streng mit mir, ganz so ist es nicht, jedenfalls nicht viel schlimmer als bei vielen anderen auch. Ich würde niemandem erzählen, dass sein Benehmen, sein Aussehen oder sein Körpergeruch hervorragend und 1a seien und im nächsten Moment über Benehmen, Aussehen oder Körpergeruch einen Tobsuchtsanfall bekommen/einen wütenden Leserbrief schreiben/mein Tagebuch vollquengeln. Aber im Beschweren bin ich nicht gut. Es muss wirklich viel passieren, damit ich auch nur ein Widerwort gebe oder jemanden bitte, irgend etwas zu lassen. Das kann dem Rest der Welt egal sein, aber für mich ist das schrecklich. Ich kann vor jedem Flug nur hoffen, dass ich nicht neben jemandem sitze, der sich breit macht. Macht sich jemand breit, dann schmolle ich und ärgere mich, aber sage ich deshalb "nehmen sie bitte ihren Ellenbogen aus meinem Magen"? Nein. Ich gucke wütend. Ich raschele aggressiv mit meiner Zeitung. Ich nutze die erste Gelegenheit, bei der er seinen blöden, ätzenden Arm ein Stück zur Seite nimmt, und mache mich so breit, dass er mich boxen müsste, um wieder in meinem Magen zu landen. Ich finde mich schrecklich, aber bisher habe ich es nur selten geschafft, dieses feige, wieselhafte und charakterlose Verhalten zu durchbrechen. (Wenn doch, bin ich tagelang stolz und beschließe, dass es ab sofort immer so laufen wird.) Man könnte sagen, ich bin ein Mollusk. Man könnte auch sagen, ich bin schüchtern.

Neulich, als ich mit heißem Hund und Mutter durch Hamburg lief, bekamen wir irgendwo beim Klosterstern Gesellschaft. Auf einmal war da ein kleines, schwarz-weißes Köterchen, das aufgeregt um Lili herumsprang. Wir guckten uns um, weit und breit war niemand zu sehen, zu dem Köterchen hätte gehören können. Also gingen wir weiter. Nach ein paar Metern machten wir zaghafte Versuche, Köterchen zu verscheuchen, und guckten uns wieder um. Immer noch war niemand in Sicht, der einen langen Hals machte, eine köterlose Hundeleine in der Hand hatte oder laut einen Namen rief. Also gingen wir noch ein Stückchen weiter, und ich erklärte meiner Mutter, dass das hier ja immerhin einer dieser Hunde sein könnte, die alleine spazieren gehen. An der nächsten Kreuzung blieben wir stehen und warteten, dass grün wird. Auf einmal tauchte neben uns ein dicker Herr in blauem Mantel und schwarzen Hosen auf und blaffte mich an: "Meine Dame! Es wäre nett gewesen, wenn sie mich rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht hätten, dass ihre Hündin läufig ist. So ist es allgemein üblich!" Ich war baff, aber antwortete "aber sie waren nirgendwo zu sehen. Bei welcher Gelegenheit hätte ich ihnen das sagen...." "Einerlei, das macht man nicht. Mein Hund hört ta-del-los, aber das ist die Natur, da kann man nicht gegen an. Jetzt musste ich wegen ihrer Unachtsamkeit den ganzen Weg zurücklaufen. UND ich muss bis 13.00 bei der Deutschen Bank sein." Ich war noch baffer. Und ich war ziemlich neidisch. Das muss man erst mal bringen: in hässlicher Klamotte, mit roter, großporiger Säufernase und einem räudigen Köterchen, das nicht gehorcht, so eine Welle machen in einer Situation, in der Recht und Unrecht alles andere als klar sind. Das ist wirklich die hohe Beschwerschule! Davon hätte ich gerne ein bisschen was abbekommen.

Mittwoch, 3. November 2010

Der Enantoneflunsch

Und dann hat es mich doch noch erwischt. Gerade, als ich dachte, ich komme mit allem davon. Mit Synarela, Gonal, Estrifam, einfach mit allem, ohne die klitzekleinste Nebenwirkung – und wenn doch, dann nur Nebenwirkungen, die irgendwie drollig sind; Sachen wie dicke rote Beulen oder kleine lila Punkte, mit denen man auch noch herumprotzen kann.

Und gerade schleppe ich mich durch ein paar Tage, an denen ich jederzeit bestätigen kann: wenn Enantone auf seinen Beipackzettel schreibt, Depressionen und Stimmungsschwankungen gehören zu den sehr, sehr häufigen Nebenwirkungen, dann ist das wohl so.
Ich wache morgens auf und könnte heulen. Einfach so. Oder fluchen. Egal, was von beidem, eins könnte ich jedenfalls nicht: aufstehen. Und es liegt nicht am Wetter, ich MAG Herbst. Ich liege da und wünsche mir, dass das alles zum Teufel geht: das Haus, der Job, alle. Ich denke mir: das war ein schwerer Fehler, diesen Job anzunehmen. Ein schwerer, schwerer Fehler. Du schaffst das nicht, das wächst dir alles über den Kopf, alle wollen immer was, und du hast seit Wochen und Monaten nicht mehr auch nur einen Tag gehabt, an dem du von morgens bis abends frei warst und machen konntest, was du wolltest. Du kannst ja noch nicht mal nach einer Operation, auf die du dich genau aus diesem Grund sogar gefreut hast, auch nur ein paar Tage unbehelligt zuhause bleiben und dich erholen. Noch nicht mal das. Und wenn ich damit durch bin, mit dem Job zu hadern, dann kommt das Haus dran. Schlimmer Fehler, das Haus. Ganz schlimmer Fehler. Unser Badezimmer ist ein Trümmerhaufen, an allen Ecken liegen Staub und Gesteinsbrocken, und es gibt nur ein paar Inseln, wo alles in Ordnung ist. Sobald man sich links und rechts von den Inseln bewegt, versinkt wieder alles in Unordnung und Chaos und Zerstörung. Ich wohne jetzt am Ende der Stadt, wo ich nie sein wollte, und wenn ich Glück habe, werde ich hier fünfmal im Jahr Besuch bekommen. Ich bin in diesem Stadtteil umgeben von Menschen, die in Hausschuhen und mit Bierflasche in der Hand einkaufen gehen, und so, wie ich mich jetzt fühle, werde ich es bald genau so machen. Ich zahle jetzt jeden Monat 1000 Euro Miete, ganz zu schweigen von all dem Geld, das noch auf uns zukommt für Lampen, Krempel, Handwerkerkrempel. Noch vor Kurzem war ich mitten in der Stadt, genau da, wo ich immer sein wollte, habe ÜBERHAUPT KEINE Miete gezahlt, weshalb es nicht schlimm war, wenn ich mal eine Weile nicht so viel gearbeitet und verdient habe, und irgendwie war fast jeder Tag ein Tag, an dem ich machen konnte, was ich wollte. Jedenfalls bilde ich mir das jetzt so ein, dass das damals alles toll war – jetzt, wo ich hier so liege und will, dass das alles aufhört, und zwar jetzt sofort und egal wie. Und mit egal wie meine ich egal wie. In diesem ganzen Saustall irgendwie unbehaglicher, ungewollter und negativer Gefühle ist die Oberwutz im Moment das Gefühl „Ich kann nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr.“
Ich weiß, da draußen sind viele Tausend, Millionen oder sogar Milliarden Menschen, die haben dieses Gefühl jeden Tag. Ich weiß nicht, wie die damit fertig werden, aber sie haben meine tiefste Bewunderung dafür, dass sie trotzdem jeden Tag das Haus verlassen, in die Ubahn steigen und zur Arbeit fahren. Ich habe jetzt noch sechs Wochen davon vor mir, bis auch die zweite Enantone verpufft ist, und ich weiß noch nicht, wie ich es auch nur bis sagen wir mal nächsten Samstag schaffen soll, ohne meinen Mann zu vergrätzen, meine Kollegen anzubrüllen oder einfach spontan zu kündigen. Alles. Job, Auftrag, Behandlung, Handyvertrag, alles.

So sieht’s aus. Und morgen hoffentlich wieder besser.

Dienstag, 2. November 2010

Fragt einfach nicht.

Jeden Morgen rausche ich in die Stadt zur Arbeit, habe dort gute neun Stunden zu tun und rausche dann wieder zurück. Jetzt ist es gleich acht, und in diesem Moment beginnt mein zweiter Arbeitstag. Ich kann nicht mehr. Ich würde im Nachhinein sonstwas dafür geben, wenn das großartige Damenwochenende nicht ausgerechnet jetzt gewesen wäre, sondern ein andermal, wenn ich nicht eine ganze Lawine aus Arbeit vor mir herschieben muss. Aber so war es nun mal, und es war schön, und jetzt hab ich den Salat. Damit zurück in den Steinbruch.

Freitag, 29. Oktober 2010

Nüsschen im Ofen, Schisschen im Hirn

Mein Koffer ist gepackt, der Mitbringkuchen ist im Ofen, und ich könnte mich jetzt eigentlich voll und ganz der Aufgabe widmen, vor Vorfreude zu explodieren, dass gleich, ganz ganz bald, der Startschuss fällt für das Mädchenwochenende in Berlin. Becci ist umgezogen, hat jetzt eine fabelhafte Wohnung unterm Dach, sie hat den Kühlschrank vollgepackt, und die nächsten zwei Tage werden großartig. Das einzige, das mich im Moment daran hindert, das glücklichste Abkürzungsfräulein der Welt zu sein, ist mein Auftrag. Ich habe nämlich einen unfassbar dicken Auftrag. Und eigentlich habe ich den schon ziemlich lange. Gestern Abend habe ich einen wichtigen Teil davon fertig geschrieben und rausgeschickt zusammen mit der Bitte, mit doch mal zu sagen, wann der Rest spätestens fertig sein muss. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort. Das ist ein ganz gutes Beispiel dafür, wie dämlich ich bin: andere würden sich sagen, na gut, dann wohl jedenfalls nicht heute oder morgen. Ich dagegen klicke alle zehn Minuten auf den Email-Empfangen-Knopf und bin mir sicher, dass in dem Moment, in dem ich zur Tür rauswill, die Email erscheint, in der steht, bis heute 19 Uhr muss das alles fix und fertig sein. Das würde natürlich nicht dazu führen, dass ich zuhause bleibe. Aber es würde bedeuten, dass ich während diesen ganzen großartigen Wochenendes alle zwanzig Minuten denke "Au backe, der Auftrag, blöde Flora, schlampige Flora, zu Recht demnächst wieder joblose Flora".

So. Und nun atmen wir mal tief durch und sprechen uns selbst nach: es ist Freitag, der Arbeitstag hat vor sechs Stunden begonnen, wenn irgend eine Art von Notstand ausgebrochen wäre, dann wüsstest du das inzwischen. Dieses Wochenende wird großartig, viel zu großartig, um sich auch nur eine Sekunde davon mit Jobscheiß zu vermiesen. (Es reicht nämlich gerade, dass ich tatsächlich JETZT meine Tage habe. Und das, wo ich sie zuletzt... Moment... im Januar hatte, so weit ich mich erinnere, und es in diesem Jahr nur wenige Gelegenheiten gegeben hätte, wo sie so ungelegen gekommen wären. Aber gut.)

Ich wünsche allen Abkürzungsdamen ein fabelhaftes Wochenende, auch wenn ich leider sagen muss, so fabelhaft wie meins wird es auf gar keinen Fall werden. Kann gar nicht.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Statt eines Kastanientiers bastele ich mir einen Kastanienpost

Auf jedem Spaziergang kommen Lili und ich über einen großen, schönen Platz. Um den Platz herum stehen rote Klinkerhäuschen mit weißen Sprossenfenstern, und auf dem Platz stehen Bäume, die so alt sind wie die Häuser - also sehr alt. Viele davon sind Kastanien. Lili liebt Kastanien. Sie findet Bälle jeder Art großartig, und Kastanien gehen als Bälle durch, vor allem, seit ich sie werfe. Ich mag Kastanien auch gern und hole jedes Jahr im März aus den Taschen meiner Wolljacken ihre verschrumpelten Leichen. ("Ersetzen Sie im vorangegangenen Satz das Wort "Kastanien" durch das Wort "Kaninchen", und plötzlich wird dieser Blog ganz, ganz gruselig.") Ich mag sie so gern, dass ich sie ständig befühle und mir dabei von Herzen wünsche, es gäbe Möbel, die sich so schön anfühlen und so aussehen wie eine frisch vom Baum gefallene Kastanie. Lili nimmt Kastanien furchtbar gerne in den Mund, und wenn ich eine Kastanien drei- vier mal für sie geworfen habe, zerbeißt sie sie. Es macht gar nichts, wenn Lili an einem sonnigen Herbsttag auf diese Art 80 Kastanien zerbeißt, denn erstens sind die Bäume groß und fruchtbar, und zweitens scheint sich außer Lili und mir niemand für die Kastanien zu interessieren. Niemand schleppt tütenweise Kastanien nach Hause, um sie auf sein Fensterbrett zu legen oder mit Zahnstochern lustige Tiere daraus zu basteln.

Die Wahrheit ist, es gibt wenig Kinder in dieser Siedlung.

Dabei wäre sie perfekt für Kinder. Wenig Autos, und die paar, die fahren, fahren langsam. Nette Häuschen mit großen, verwunschen Gärten. Dazwischen Parks mit Spielplätzen, die nie überfüllt sind. Parkplätze für die Kombis, die man als Kinderbesitzer zu brauchen scheint. Aber die meisten unserer Nachbarn sind aus dem Kinderalter raus; falls sie Kinder haben, dann kommen die drei mal im Jahr zu Besuch und basteln auch bei dieser Gelegenheit nichts aus Kastanien. Während hier 70jährige durch ihre 250-Quadratmeter-Häuser schluffen und alles plötzlich so still ist, wohnen die Leute mit Kindern in Eimsbüttel und wissen nicht so richtig, wie lange das noch gut geht zu dritt oder viert auf 60 Quadratmetern mit winzigem Balkon, gruseln sich aber auch zu Recht davor, für die gleiche Miete 100 Quadratmeter in Steilshoop zu beziehen.
Herbst ist bei mir immer die Jahreszeit, sich mal Gedanken zu machen über alles und überhaupt. Und das führt dazu, dass ich mir gerade einerseits denke: vielleicht haben wir zwei, L. und ich, ein Kapitel übersprungen, und dann doch wieder nicht so richtig. Obwohl wir das alles - Kinderkriegen - hoffentlich noch vor uns haben, rentnern wir hier so vor uns hin. (Falls man von rentnern sprechen kann, wo ich gerade in Arbeit ertrinke.) Andererseits ist es doch auch eine schöne Aufgabe, eigenhändig dafür zu sorgen, dass in diesem Viertel demnächst der Altersdurchschnitt vielleicht ein bisschen sinkt.

Flora ist von der Pille weg, und ich hab noch nicht meine Tage. Für jede Minute bin ich dankbar, die ohne diesen Terz vergeht. Gleichzeitig bin ich gespannt, ob jetzt, endometriosebefreit, das alles nicht sowieso nicht mehr so schlimm ist. Und weil ich meiner Meinung nach einen gut habe bei der Endometriose (immerhin: anderthalb Fehlgeburten? Bisher drei Bauchspiegelungen? Hallo?) wünsche ich mir, dass die days of wine and roses noch bis Montag auf sich warten lassen, weil ich dieses Wochenende endlich mal wieder zu einem Damenwochenende nach Berlin fahre und in den Hauptstadtclubs jedenfalls nicht ausgerechnet dadurch Aufmerksamkeit erregen will, dass meine dicke Binde (Tampons darf ich ja nicht) so knistert wie eine Windel.

Montag, 25. Oktober 2010

Zum achtzigsten Mal betritt Howard Carpendale ein letztes Mal die Bühne

Heute Abend nehme ich meine letzte Pille. Sie ist hellgrün, heißt Valett (Vallette? Valet? Wie auch immer), ab Donnerstag kann ich mich auf Krämpfe und ruinierte Hosen freuen (und ja, ich kenne diese Dinger, die man sich in die Unterhose klebt, aber trotzdem...), und dann kommt der ganze Rest. Der Plan mit den Medikamenten, die Termine in der Klinik, irgendwann ein Bluttest und noch zehn hinterher, ein Ultraschall, wenn's gut läuft. Vielleicht, ganz vielleicht ist das also heute Abend die letzte Vorstellung der Abschiedstournee meiner Pille. Vielleicht hat sich das alles in acht Wochen schon wieder erledigt, und wir fiebern hin auf die nächste Abschiedstournee.

Wisst ihr was, ich nehm sie jetzt einfach.

Eine buchförmige Erscheinung liegt vor mir auf dem Tisch.

Es existiert nicht nur theoretisch irgendwo da draußen, es ist auch wirklich da. Zumindest ist die Illusion so überzeugend, dass ich es anfassen, dran riechen, dran lecken und drin blättern kann. Simone, die Liebe, Gute, Kompetente und rundum Zauberhafte, hat es mir geschickt, nachdem das Päckchen verschütt gegangen ist. Ich könnte mir jetzt also einen rauschenden Abend machen. Ich könnte seit zwei Stunden mutterseelenallein in der Thai-Oase stehen und den Kellnern Karaoke vorsingen. Oder ich könnte im Silbersack mein Autorenhonorar in der Musikbox versenken. Ich könnte eimerweise Hühnchenteile aus Kentucky Fried Chicken für die Penner vor der Haspa rausschleppen, mit meiner ersten halben Schachtel Fluppen durch sein und längst jenseits von Gut und Böse. Aber stattdessen sitze ich hier und bringe eine verdammte Broschüre für einen hochrespektablen Kunden zu Ende, um nicht millionenschwere Folgeaufträge in den Wind zu schießen.

Am Wochenende wird allerdings in den Wind geschossen. Dann bin ich in Berlin, wo mich sowieso keiner kennt bis auf die, denen das nichts ausmacht, wenn ich irgendwas in den Wind schieße, und die nicht die Nase rümpfen, sondern mir gerührt übers strubbelige Haar streichen, wenn ich das Buch irgendwann aus meiner Tasche ziehe und glücklich brabbele "guck mal, weißt du noch, wie wir mal ein Buch geschrieben hatten?"

Ganz schön dick ist es übrigens, das Buch. Muss an den vielen Hormonen liegen.

Freitag, 22. Oktober 2010

Die ausgleichende Gerechtigkeit für das Freie-Eileiter-Wunder wird präsentiert von Ihrer Post.

Es ist immer noch nicht da. Gestern Abend habe ich die Karte der DHL aus dem Briefkasten meiner alten Wohnung gefischt. Heute bin ich im strömenden, eiskalten Regen zur Bahn gelaufen, 20 Minuten neben einer Frau gefahren, die sich mit ihren angeklebten Fingernägeln am Kopf gekratzt und dann DAS GEGESSEN HAT, was sie unter ihren Schaufeln gefunden hat, bin dann noch mal zehn Minuten durch mieses Wetter gelaufen, um auf der Post hilflos miterleben zu müssen, wie drei Beamten mit vereinten Bemühungen auch nach zwanzig Minuten mein Paket, mein Buchpaket mit meinen 20 Belegexemplaren, nicht finden können. Jetzt gibt es eine Suchmeldung, und ich habe immer noch kein Buch. Ich würde ja eins bei amazon bestellen, aber da sind im Moment 10 Tage Lieferzeit.

Hab ich das nur geträumt? Sagt die Wahrheit: kann mir irgendwer versichern, dass es dieses Buch wirklich gibt?

Willkommen in der Twilight-Zone.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

After Work-Tea-Party

Inzwischen weiß ich auch nicht mehr, warum ich nicht sofort Hurra geschrieen und ja gesagt habe, als die mich gefragt haben, ob ich ab sofort - ganz unverbindlich, auf keinen Fall exklusiv und überhaupt ganz nach meinen Regeln - drei Tage in der Woche für einen wirklich netten Laden arbeiten will. So dass von jeder Woche theoretisch vier Tage bleiben, an denen ich treiben kann, was ich will: mich anderswo buchen lassen, Kurzreisen machen, auf dem Rücken liegen und schmollen, mir ein Hobby suchen, vor Kalorien funkelnde Mahlzeiten kochen und essen oder posten. Dank dieser Regelung habe ich gestern Abend um sechs mein festes Soll schon erfüllt und hätte jetzt Wochenende, wenn ich nicht sekündlich mit dem Anruf eines anderen Auftraggebers rechnen würde, der sich heute früh melden wollte, um mich unter einem Haufen Arbeit zu begraben. Aber wir werden sehen, ob das wirklich alles so monströs viel ist.

So sieht's also aus: ich sitze mit nassen Haaren am Esstisch, trinke mein zweites Tässchen Tee des Tages, habe das Telefon in Griffweite und fühle mich ansonsten als rundum freier Mensch. Wenn ich an mir runtersehe, dann sehe ich vor allem meinen roten Wollpulli, unter dem man den Enantone-Ballon nicht mehr sehen kann. Jedenfalls nicht durch den Pulli. Ohne Pulli sehe ich ein kleines gelblich verfärbtes Böllchen, in etwa so, als ob man von einem Tischtennisball das obere Drittel abgeschnitten und mir unter die Haut geschoben hätte. So fühlt sich das auch an. Draufdrücken ist nicht so gut, aber ich muss ja schließlich auch nicht dauernd auf meinen Bauch drücken. Ganz so anschaulich hatte ich mir das Depot bei diesem Depotmedikament nicht vorgestellt: ich dachte nicht, dass ich jetzt eine kleine Kugel neben dem Nabel hätte, von der sich mein Körper jeden Tag ein kleines Stück abknuspert. (Als ich noch klein war, haben mir meine Großeltern mal einen Tiroler Speck aus dem Skiurlaub mitgebracht. Ich war schon damals mehr für sowas zu haben als für Schokolade. Der Speck hing im Vorratskeller, und jeden Tag bin ich da runtergeschlichen und habe mir ein winziges Stückchen abgeschnitten, bis er irgendwann ganz verschwunden war. So in etwa stelle ich mir das mit Enantone jetzt vor. Ob die mich beim nächsten Mal ein bisschen probieren lassen?) Nebenwirkungen: einen Tag lang habe ich fürchterlich geschwitzt, aber das lag vielleicht auch an dem sehr, sehr preiswerten Wollkleid, in dem ich an diesem einen Tag unterwegs war. Seitdem nichts. Enantone: wieder etwas, wovor man keine Angst haben muss.

Oben hämmert und flucht L., der sich daran gemacht hat, schon mal so viel zu unserem Badezimmerumbau beizutragen, wie er nur kann. Der erste Handwerker, der vor zehn Tagen da war, hat selbstbewußt etwas von 35.000 Euro gesagt. Da haben wir herzlich gelacht und nachgedacht, jetzt müssen wir also selbst ran, vor allem L. Seit dem ersten Handwerker waren inzwischen vier andere da, und wieder mal ist zu beobachten, dass IVF nicht der Ausnahmezustand ist, den man nach ein paar Minuten in einem Forum zum Thema erwarten würde. Eigentlich ist so ziemlich alles, was man schon kennt, auch wie IVF. Die Handwerker z.B.: jeder einzelne, den man fragt, sagt, dass all seine Vorgänger Blödsinn erzählt haben und es in Wirklichkeit genau anders gemacht werden muss, wittert aber dafür ein neues Problem, das unbedingt behoben werden muss. Und wenn nicht, dann... Sie werden schon sehen, wie das wird, Duschen ohne Fußboden. Bzw. Wohnen ohne Wände. Bzw. Leben in einer Ruine. Was lernen wir daraus? Wir lassen sie reden, sagen an irgend einer Stelle "Stop!", und der, der dann gerade in unserem Bad steht und unkt, kriegt den Auftrag, woraufhin wir mit Wänden und Fußboden duschen, uns waschen und uns Kuren in die Haare schmieren bis an unser glückliches Ende.

(Ich habe ziemlich gute Laune. Nicht nur, weil für mich ab heute theoretisch Wochenende ist, sondern weil ich die Zeit seit heute wieder mögen darf. Sie hat nämlich auf dem Titel einen richtig vernünftigen Mini-Artikel über PID gebracht, der nicht vom ethisch blasierten Jens Jessen geschrieben ist.)

Und dann das Buch. Tja. Was soll ich sagen: seid nicht traurig, wenn es noch nicht da ist; vielleicht tröstet es euch ja, dass ich auch bisher noch keins in den Fingern hatte und mich ab und zu frage, ob ich das alles nur im Hormonnebel geträumt habe oder es dieses Buch wirklich gibt.

Dienstag, 19. Oktober 2010

Enantone heißt die Wunderspritze.

Und zwei Minuten zwischen-zwei-Jobs-Recherche haben ergeben, dass Enantone genau das Gleiche macht wie früher Synarela, nur eben mit einem ZACK Einstich statt mit 31 mal Sidolin-Sprühnebel. Also kenne ich das alles schon und muss auch nicht mehr auf monströse Nebenwirkungen abgesehen von der Bowlingkugel vor meinem Bauch warten.
Vorübergehende Wechseljahre: LAAAANGweilig!

Eindeutig Rundregulation, würde ich sagen

Es ist 5 Uhr 17, und Flora schreibt einen Post. Gestern WAR aber auch ein Tag! Nach einer Nacht, in der ich übern Daumen drei Stunden geschlafen habe - einfach so, eine flippige Laune meiner Nerven - habe ich mich morgens ächzend, fluchend und Haare raufend aus dem Bett gepellt und bin zur Arbeit gefahren. Die Arbeit hat sich in diesem Fall schon seit ein paar Tagen wieder langsam gemuckst, obwohl doch gestern eigentlich erster Arbeitstag sein sollte. Wer will es der Arbeit verdenken? Heute ist ein wichtiger Präsentationstermin, die Hälfte der Belegschaft ist entweder krank oder sitzt auf fremden Kontinenten fest, und da dachten sie, sie rufen mal an. Von Bett und Sofa aus hab ich getan, was ich konnte, aber trotzdem war gestern schon in dem Moment, in dem ich aus winzigen knallroten Augen in den Spiegel gestarrt habe und das alles nicht fassen konnte, vollkommen klar, dass dieser Arbeitstag ein knallvoller, anstrengender und langer werden würde.
Wodurch fast ein bisschen in den Hintergrund geriet, dass gestern außer einem dicken fiesen Arbeitstag auch der große Tag war. Der Tag, an dem unser Buch endlich erscheint. Eigentlich - ganz eigentlich - hätte das danach verlangt, dass ich mich in den Zug setze, meine Coautorin von ihren sicher auch unaufschiebbaren Jobs abhalte und wir den ganzen Tag lang Luftschlangen pusten und sprudelnde Getränke trinken. Auch, wenn ich leider bis jetzt noch keins der Bücher gesehen habe, der Verlag hat fest versprochen, heute ist es so weit.
Zwar hatte ich gestern also Stress und noch kein Buch, aber auch einen Arzttermin: Nachsorge und Wie-gehts-weiter in der Klinik. Um die Mittagszeit habe ich also trotz sich durchbiegendem Schreibtisch irgend etwas gemurmelt, meine Tasche geschnappt und mich auf den Weg zur S-Bahn gemacht, so schnell das mit meinen aus irgend einem Grund täglich größer und ausgelatschter werdenden Mittelpumps ging. Schlupp-Schlupp. (Ein bisschen wie Clogs mit Socken. Aber ich schweife ab.) Es stellte sich heraus, dass Frau Doktor mich weder auf dem Stuhl noch ohne Hose sehen wollte, "da gibt's jetzt nichts zu sehen, das wäre Quatsch." Stattdessen las sie mit mir zusammen noch mal den OP-Bericht, in dem nichts wirklich Neues stand: schlimme, schlimme Endometriose, große Wundfläche, lange Heilungszeit, dringend empfohlene Hormonbehandlung. Im Krankenhaus hatte der Arzt das noch als "Hormonkur, die Sie vorübergehend in die Wechseljahre versetzt" bezeichnet, das klang nicht so verlockend. Frau Doktor nahm in dem Zusammenhang gestern zum ersten Mal die Worte "langes Protokoll" in den Mund, und in dem Moment war klar: Aaaah, ist doch gar nicht so schlimm, ist doch langes Protokoll. Wie eine extended Version des kurzen Protokolls? So in etwa, und eigentlich nicht besonders kompliziert. In ungefähr zwei Monaten darf dann das Krankenhaus noch mal in meinen Bauch gucken, und danach entscheiden wir, ob wir nur stimulieren oder meine dritte IVF starten. Außerdem ist der Chinamann erst mal draußen, zu viel Hormone für seinen Geschmack, stattdessen soll ich nun zur Osteopathin. Mit Rezept wurde ich in die Apotheke geschickt, wo ich erfrischenderweise nur zehn Euro zu zahlen hatte und ein kleines Päckchen mit meiner Spritze bekam (wie die hieß, weiß ich gerade nicht mehr, und wenn ich jetzt ins Schlafzimmer und an meine Hose schleiche, um den Beipackzettel zu suchen, wacht L. auf - also morgen). Mit Spritze kam ich zurück in die Klinik, musste noch kurz warten und dann Blut lassen und mir die Spritze in den Bauch geben lassen. Wobei mir erklärt wurde: eigentlich darf ich das auch selbst, aber von diesen Spritzen brauche ich nur alle vier Wochen eine, und das Anmischen (Spritze in Ampulle stechen, Spritzeninhalt in die Ampulle drücken, alles gut schütteln, Ampulleninhalt zurück in die Spritze ziehen, alte Nadel ab, neue Nadel drauf, Luft raus und dann ca. ein Schnapsglas voll milchiger Brühe in den Bauch) ist ein bisschen komplizierter als Gonal - deshalb haben sie mir das gerne abgenommen. Während die Arzthelferin drückte, rettete ich den Beipackzettel aus dem Müll als Lektüre für die S-Bahn-Rückfahrt ins Büro. Und wieder mal machte ich die Beobachtung: egal, wie viel Kummer, Grübeleien, Wut und Verwirrung in meinem Kopf vorher geherrscht hat angesichts unklarer Aussichten, was das jetzt alles schon wieder werden soll mit noch mehr OPs und noch mehr Medikamenten, ein kurzer Besuch in der Klinik (das war bei der alten meist auch so) reicht, und plötzlich ist doch eigentlich alles gar nicht so schlimm. Wir downregulieren mich jetzt, genau! In vier Wochen bekomme ich noch eine Spritze, und auch der Rest des Plans klingt auf einmal ganz vernünftig und so, als wäre es genau das Richtige. Fein, fein.
Leider hatte ich die Zeit, die ich eigentlich beim Schnellitaliener in der Herbstsonne mit Pasta und einem Gläschen Rotwein zur Feier des Tages verbringen wollte, im Wartezimmer mit der Bunten verbummelt und musste mit meinen Schlabberschuhen zurück zur Bahn. Auf dem Weg dahin piepte mein Handy zum ersten Mal: L. hysterisch auf der Mailbox, er war gerade beim Friseur, und das Buch ist auf Seite vier der Bild. Fieberhafte SMSen mit Coautorin, Mädchen, dazwischen Telefonate mit L., für den das alles fast so toll war, als hätten wir auf Seite vier im Kicker gestanden. Dann zurück in die Firma und schon beim ersten Schritt ins Büro beinahe erschlagen von einer Arbeitslawine. Keine Zeit für aufgeregte Emails, Kontrollklicks bei amazon oder sogar Blogposts. Bis mir irgendwann in der ganzen Hektik auffiel: Diese Wölbung da unter deinem Pulli, die gehört da eigentlich nicht hin. Schnell mit Beipackzettel aufs Firmenklo: mein Bauchnabel steht jetzt, wie es in einem amerikanischen Film heißen würde, auf halb drei. Da, wo er eigentlich mal war, ist eine dicke, knallrote und ziemlich empfindliche Kugel, gefüllt, könnte ich mir denken, mit einem Schnapsglas voll milchiger Flüssigkeit.
Wieder mal zeigt sich: es ist auch nicht immer nur schlimm, so verfressen zu sein wie ich! Die Gazellen aus dem Nachbarbüro z.B. könnten nicht mit so einer Kugel rumlaufen, ohne alle zwei Minuten gefragt zu werden, was das denn bitte sein soll. Ich dagegen komme mit sowas durch (vielleicht ja auch, weil ich inzwischen auf die 40 zugehe und man dann nicht mehr ganz so nassforsch fragt, wenn sich plötzlich etwas Unschönes an der Figur tut...). Ein Blick auf den Beipackzettel zeigte, ich kann in den nächsten Tagen mit Durchfall, Verstopfung, Stimmungsschwankungen, Hautunreinheiten, Brustvergrößerungen und -Verkleinerungen und noch einigem anderen rechnen. Hormonkur! Yeiiiih!

So. 5:45. Hab ich irgend etwas vergessen? Arbeitsstress, Erscheinungstermin, Bildzeitung, Spritze, Kugelbauch. Damit zurück ins Bett.

Freitag, 15. Oktober 2010

Noch drei.

Tage bis Buch. Ich bin ziemlich gespannt. Was werden die Mädchen sagen? Und L. (der sich immer noch standhaft weigert, den Blog zu lesen, aber der das Buch lesen wird, so wahr ich hier in meinem Snoopy-Schlafanzug liege und mir die hervorragende neue Belle&Sebastian-Platte anhöre)? Und meine Eltern? Ich wette, meine Eltern hätten sich das alles anders vorgesetellt. Aber so ist es nun mal, ich kann ja schließlich auch nichts dafür. Wann wird es zum ersten Mal passieren, dass ich feststelle, dass jemand das Buch (und den Blog) gelesen hat, der das auf gar keinen Fall tun sollte, und bei dem ich mich fühle, als hätte mein ekliger Lateinlehrer in meinem Tagebuch geschnüffelt? Und wenn das irgendwann zum achten Mal passiert, wird die Welt ein Einsehen haben und es wird mir eines Tages nicht mehr so viel ausmachen, wie ich mir das jetzt ausmale? (A propos Lateinlehrer, ich bin gottfroh, so alt zu sein, dass all meine Lehrer inzwischen aus dem Kinderwunsch-Alter raus sind und darum keinen Grund haben, zufällig über das Buch zu stolpern. Andererseits, wenn ich nicht so alt wäre, hätte vielleicht nie ein Anlass bestanden, ein Kinderwunschbuch zu schreiben. Heieieiei, vielleicht sind solche Überlegungen jetzt die psychischen Komplikationen der Behandlung, von denen ich so viel gehört habe?)

Noch zwei siebenachtel.

Dienstag, 12. Oktober 2010

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Guckt mal guckt mal guckt mal!
Inzwischen sind es nur noch sechs Tage bis zum Erscheinungstermin, amazon hat sich letzten Endes doch noch überzeugen lassen, die Texte auszutauschen, und wer will, kann das Buch jetzt vorbestellen.
Ich muss der Kommentatorin vom letzten Post übrigens ein bisschen Recht geben. Natürlich kennt von Euch bisher noch niemand Simone, meine Co-Autorin und die Mutter der Idee zu diesem Buch. Aber ich würde mich freuen, wenn Ihr Euch ab sofort nicht nur auf "mein" Buch freut, sondern auf unser Buch. Sie hat sich nämlich genau so die Finger wundgeschrieben (wenn nicht noch mehr, schließlich hatte sie nicht ein ganzes Jahr, in dem sie schon mal so drauflosgepuzzelt hat, ohne die geringste Ahnung, was mal daraus werden sollte - nein, sie ist direkt mit einer Deadline und einem Riesenhaufen Arbeit in diese Gemeinschaftsproduktion gestartet).
Yippieh!

An einem Vormittag im Oktober

Herbst war immer schon meine Lieblingsjahreszeit. Gut für mich, jetzt, wo es so aussieht, als würden in Zukunft ca. acht Monate des Jahres aus Herbst bestehen! Besonders richtig schöne, sonnige, diesige Herbsttage mit knallblauem Himmel und diesem leichten Gärgeruch in der Luft waren für mich immer schon Sehnsuchtstage, über denen eine melancholische Note hing. Es fühlt sich an wie Heimweh (wenn ich zu Heimweh neigen würde, denn glaubt mir, nichts und niemand könnte mich dazu bringen, jemals wieder in meine Kindheitsstadt zu ziehen - niemals niemals NIEmals!), wenn ich auch nicht weiß, wonach. Nach Apfelkuchen? Fernreisen? Großer Stadt und moosiger Lichtung? Keine Ahnung. In den letzten zwei Jahren ist zu all der diffusen Sehnsucht auch die etwas weniger diffuse Sehnsucht nach Kindern gekommen. Und auch, wenn mir die Ärzte in letzter Zeit immer wieder versichert haben, alles, was wir hier treiben, wäre immer ein Schritt auf dieses große Ziel zu, weiß ich manchmal nicht... also, ich weiß nicht.
Während ich letzte Woche Mittwoch im Krankenhaus lag und mich vom schlimmsten Narkosekater aller Zeiten erholt habe, bekam ein Stockwerk tiefer eine Frau ein Kind. Jedenfalls waren die Geräusche ziemlich eindeutig, erst Frauengebrüll, dann Geschnaufe, dann wieder Gebrüll, und dann irgendwann Rabäää, Rabäää. Und wieder mal wurde mir klar, wie... naja... viel bei mir zu tun ist, bis es mal so weit sein könnte, und dass zwischen dieser Frau und mir mehr liegt als ein Stockwerk. Für andere ist die Geburt der Knackpunkt und das große Angstthema, für mich ist schon Empfängnis eine fast unüberwindliche Hürde, so wie es aussieht. Es ist, als hätte ich beschlossen, nicht nur die Sahara zu durchqueren, sondern das zu Fuß zu tun, in High Heels und mit einem Nostalgie-Koffer-Set ohne Rollen im Gepäck. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass ich nicht irgendwann doch ankomme (hab ich schon mal erwähnt, dass ich gut in High Heels klarkomme?) Aber andere setzen sich in ihren Landrover und geben Gas.
Lili versteht eine Menge von dem, was in Frauchen vor sich geht. Und sie tut, was sie kann. Woher weiß sie z.B., dass ich im Herbst immer die Taschen voller Kastanien habe? Und bevor auch nur ein weinerlicher Quengelgedanke aufkommen kann, wer denn bitte in meinem Haushalt jemals daraus Kastanientiere basteln soll, hat sie meine Taschen leer geräumt und die Kastanien unter den Möbeln versteckt. Braves Tier. Ähnlich umsichtig geht sie mit der Familien-Beilage der Zeitung, einem Foto meines Großneffen und meinem alten Bummi-Buch um.



Ach ja: ich habe eine Bitte. Seit meiner Fehlgeburt vor über einem Jahr habe ich so ca. zwölfmal den Eltern.de Newsletter abbestellt. "Sie wollen diesen Newsletter nicht mehr bekommen? Klicken Sie einfach auf diesen Link!" Also habe ich geklickt und geklickt und geklickt, aber trotzdem bekomme ich Woche für Woche Informationen über Muttermilch (ein Thema, das mich jetzt schon nervt), schadstoff-freie Kinderbettchen und Kitaplätze. Informationen, die ich nicht will, weil sie mich Woche für Woche daran erinnern, dass ich keine Verwendung dafür habe. Ist hier irgend eine, der es genau so geht, und die weiß, was man da machen kann? Oder sollte es längst geklappt haben, und der ewige Newsletter ist einfach so was wie Endometriose und Babys, die einen haben es, die anderen nicht?

Samstag, 9. Oktober 2010

Stell Dir vor, Du bist 37 und musst immer noch bei den Bundesjugendspielen ran.

Irgendwann vor ewigen Zeiten, als ich schwanger war und ständig noch mal, noch ein letztes Mal, in meiner alten Klinik anrücken musste zum Blut abnehmen, hat mich das an die Bundesjugendspiele erinnert. Als ich noch zur Schule gegangen bin, haben sie uns jedes Jahr versichert, das wäre jetzt das letzte Mal, dass wir uns bei Gluthitze einen Tag auf dem Sportplatz um die Ohren hauen müssen, um der Welt erneut zu beweisen, dass Kugelstoßen, Weitsprung und Werfen nicht unsere Stärken sind, während Sportlehrer zu Hochform auflaufen und sich von ihrer miesesten, trillerpfeifigsten Seite zeigen. Wirklich, nur noch dieses Jahr, jetzt kommt schon! Nächstes Jahr seid ihr ja dann schon junge Damen und müsst nicht mehr.
Als ob.
Jetzt ist es genau so. Ich weiß nicht, wie viele letzte Operationen vor der glücklichen Schwangerschaft ich inzwischen hatte. Eigentlich stand schon meine vorletzte Bauchspiegelung unter diesem Stern - das war, glaube ich, Dezember 2008. Zweimal hintereinander stand jetzt ein Arzt an meinem Bett, nachdem ich aus der Narkose wieder aufgewacht bin, und hat mir eröffnet, im Grunde wäre alles fabelhaft, aber ich müsste trotzdem noch mal ran. Seit ca. drei Jahren kann ich keinen Urlaub mehr planen, weil immer, wirklich immer mein Scheißbauch dazwischen kommt. Die kommende Woche - genauer gesagt, die Woche ab heute - sollte mit Herbstlaub, Sonnenschein, freundschaftlichem Geschnatter, Gekraxel, Rucksäcken voller Schinkenbrötchen und Kohlrabi und Quellwasser vergehen. Stattdessen liege ich hier mit derzeit fünf langsam zuwachsenden Löchern im Bauch und der Aussicht auf mehr davon, sobald sich mein Unterleib so weit erholt hat, dass ich theoretisch mal wieder Sport treiben, Schwimmen gehen, in die Sauna gehen oder - haha - einen Urlaub planen könnte. Und auch diesmal ist die Begründung: wir müssen das noch machen, denn sonst stehen die Chancen für eine Schwangerschaft ganz, ganz schlecht. Das Positive daran: auch ohne nur ein kleines Fitzeleinlinchen schwanger zu sein, bekomme ich so eine authentische Preview darauf, wie ein neugeborenes Baby das Leben der Eltern in Geiselhaft nimmt.
Ich bin stinksauer. Merkt man kaum, oder? Nicht auf die Ärzte, ich hab wirklich das Gefühl, in meiner neuen Kinderwunschklinik und auch in dem Krankenhaus, in dem ich jetzt zum zweiten Mal lag, in besten Händen zu sein. Aber bei meinem Bauch hab ich langsam einen gut. Wie wäre es z.B. mit spontan vier Kilo weniger? Das wäre ein schöner Anfang. Und nein, ich meine damit nicht vier Kilo relativ unkompliziert entnehmbare Endometriose.

Freitag, 8. Oktober 2010

Ich bin dafür, dass Endometriose verboten wird

Ich bin wieder draußen. Das ist schön. Weniger schön ist, dass ich demnächst wieder drin sein werde. Schon wieder.
Der Arzt hat gesagt, dass das ein ziemlich übler Fall von Endometriose ist, dass er sich nicht sicher ist, alles erwischt zu haben, dass er darum dringend eine Hormonkur vorschlägt, die mich vorübergehend in die Wechseljahre versetzt (Das Wort "Wechseljahre" verwenden wir bitte nicht vor L., gell?), und dass er danach gerne noch mal eine Bauchspiegelung machen würde, um sich zu überzeugen, dass nun auch wirklich alles klar ist für eine Schwangerschaft. Bis das so weit sein könnte, bin ich 38. Oh Mann.

Jedenfalls, ich bin wieder draußen. Ich liege im Bett, der Airedale liegt neben mir und zerkaut das Stück Biomöhrchen, das ich ihm abgegeben habe, ich soll noch ein paar Tage liegen und danach ganz langsam wieder durch die Gegend staksen. Meinen Wanderurlaub kann ich mir in die Haare schmieren, und ich habe fürchterliches Heimweh nach Wald, Hütte, altem Freund, Spätzle, Rehgulasch, unserem Geschnatter und all den Herrlichkeiten, die ich mir für diese Woche ausgemalt hatte.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Kann sich mein Telefon bitte in einen Cheeseburger verwandeln?

Also, ich wäre so weit. Heute früh um sechs bin ich aufgestanden, um meinem freien Auftrag den letzten Schliff zu verpassen. Seit neun bin ich hier. Gestern um eins habe ich zum letzten Mal was gegessen, und jetzt habe ich einen derartigen Knaster, dass ich sogar auf das nach Hundefutter riechende Essen meiner greisen Zimmergenossinnen neidisch bin. Aber es hilft nichts, die OP ist jetzt erst um halb vier.

Als ich vorhin meine nagelneuen, bei Thomas i-Punkt gekauften todschicken pinkfarbenen Birkenstock-Filzhausschuhe vor dem Bett platziert habe, hat die eine alte Frau gesagt: "aha. Lila. Die letzte Hoffnung, nüing?" Die anderehat gehässig gmekichert. Ich mag die zwei!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Und was muss ich gerade lesen?

Der Papst beschwert sich über den Medizin-Nobelpreis für IVF-Erfinder Dr. Robert G. Edwards. So weit, so langweilig, schnurzpiepegal und erwartbar. Aber dann lese ich die Begründung, und jetzt hat das alte Ethik-Rumpelstielzchen mich doch überrascht und eiskalt erwischt: der Papst findet IVF doof, weil dabei kein Sex im Spiel ist!

Zeitmaschine, mach mal morgen bitte

Wieder letzter Tag vor der OP, aber unter verschärften Bedingungen: heute wird der Arbeitstag auf keinen Fall vor Mitternacht enden, und wenn ich ganz großes Pech und eine Konzentrationskrise habe, auch noch deutlich später. Außerdem muss ich in der Mittagspause in einen ziemlich weit entfernten Stadtteil kommen, um dort meine Einweisung ins Krankenhaus abzuholen, die ich bei der Nachsorge leider noch nicht mitnehmen konnte, weil das ein ganz anderes Quartal war, ich Dummerchen. Diesen Trip werde ich mir zwar versüßen mit meiner Henkers-Pasta-und-Rotwein-Mahlzeit beim netten Italiener um die Ecke (Ich sage nur: in Zukunft Glücksbolo statt Glückscheesie, wollen wir doch mal sehen, ob wir diesem Unfruchtbarkeitsmist nicht die Hölle heiß machen), aber trotzdem hängt dieser kleine Ärztewandertag an meinen sowieso schon knallvollen Arbeitstag noch ein Stündchen hinten dran. Mit viel, viel Glück habe ich morgen nicht um sieben da anzutanzen, sondern erst um elf. Das wäre himmlisch. Mit Pech sinke ich um zwei ins Bett, habe seit vielen Stunden nichts mehr gegessen, kann dann trotzdem nicht schlafen, weil ich das Gefühl habe, mit meiner Arbeit nicht fertig zu sein und völlig überstresst bin, und um halb sechs klingelt der Wecker.

Brrrr. Eklige Vorstellung. Schnell weg damit, und zur Ablenkung lasse konzentriere ich mich lieber darauf, dass das zwar ein widerlicher Arbeitstag wird, rundum widerlich, Iiiiih Iiiiiih Iiiiiih, aber der NÄCHSTE Arbeitstag danach - der, wenn Krankenhaus mit Bauchspiegelung und Endometriosemassaker, kurze Erholung und Schwarzwaldwanderwoche vorbei sind - ist der Tag, an dem das Buch erscheint. (bitte bitte bitte, liebe amazons usw., bitte, schafft es bis dahin, alle diesen merkwürdigen Text auszutauschen. Bitte!!!!)

Donnerstag, 30. September 2010

Wie war das noch mal mit Stress und Fruchtbarkeit?

Ich hoffe ja, der Zusammenhang zwischen viel Arbeit und Hektik und wenig Babys ist wieder einer dieser Mythen, die sich einfach nur deshalb so lange und hartnäckig trotz sehr, sehr unzureichender Zahlen und Beweise halten, weil sie so einleuchtend klingen (und weil bei uns Frauen ja alles irgendwie, räusper, psychisch ist. Letzten Endes. Sowieso. Nein?)

Das wäre schön. Denn gerade steuere ich schon wieder auf hektische Zeiten zu.
Aber der Reihe nach.
Heute war ein großer Tag: nicht nur, weil Freundin Klärchen heute nach langer, langer, langer, manche würden sogar sagen: viel zu langer Zeit ihren alten Job aufgegeben hat und nun unterwegs zu neuen, blühenden Ufern mit kilometerlangen Sandstränden ist, sondern auch, weil ich heute per Handschlag eingewilligt habe, aus meiner Dauerbuchung ein halbfestes Arbeitsverhältnis zu machen. In Zukunft werde ich an drei Tagen pro Woche wissen, wo ich hingehe und mein Geld verdiene. Dafür werde ich zwar nicht ganz so üppig bezahlt wie sonst, aber für diesen kleinen Unterschied erkaufe ich mir auch ein bisschen mehr Sicherheit, nicht ganz unwichtig, wo doch hier demnächst so viele Handwerkerrechnungen (und Hamsterhormonrechnungen) anfallen werden. Das heißt zwar, an drei Tagen pro Woche gebe ich meine heißgeliebte Freiheit auf. Aber zum Glück bleiben damit noch vier Tage davon übrig. Blöd nur, dass gerade mein anderer Dauerbucher zwei Projekte angeschoben hat, für dich ich so großzügig bezahlt werde, dass ich bekloppt wäre, sie abzulehnen. Zwar kann ich mir bei diesen Projekten die Zeit frei einteilen, aber für Prokrastinatoren wie mich bedeutet das eher mehr Stress als weniger.

Gut.

Mittendrin nun noch der OP-Termin nächste Woche Mittwoch und der idyllische Kurzurlaub im Schwarzwald mit meinem ältesten Freund.
Zum Glück hat das Essen in Süddeutschland ja so eine irre beruhigende, einschläfernde Wirkung (nur so kann ich mir die Erfolge von CDU und CSU in dieser Gegend erklären), und ich werde diesen Effekt für mich nutzen, so gut ich kann. Nichts hilft so sehr dabei, die innere Mitte zu finden, wie wenn die innere Mitte vollkommen mit Spätzle und Rehgulasch ausgekleidet ist. Es ist wie Ayurveda, nur irgendwie... besser. Das wird ein Spaß. Aber vorher und hinterher wird das ein Stress.

Außerdem muss ich zum Buch sagen: bei amazon ist immer noch alles beim Alten. Langsam wird es peinlich. Und ziemlich ungeschickt, denn nicht nur haben wir längst einen fabelhaften Text für diesen Anlass geschrieben, sondern dank meiner Coautorin haben wir jetzt sogar eine Empfehlung, für die andere sich einen Eileiter durchtrennen würden: der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin höchstpersönlich findet, das Buch ist eine gute Idee, und das dürfen wir sogar auf amazon schreiben. Nur steht da immer noch irgend welcher Quatsch über zu alte Frauen. Harrrrgh. Ich hoffe, das sorgt dafür, dass wir wenigstens nicht hinter Gordon Brown zurückfallen. (Gordon Brown, Britischer Ex-Premier, hat im April ein Buch mit seinen Reden herausgebracht. Im August hatte er 32 Exemplare verkauft. Und wenn ich selbst 33 Exemplare vom Eiertanz kaufen müsste, ich würde es tun.)

Dienstag, 28. September 2010

Und täglich grüßt die Folsäuretablette

Da ist sie wieder, die weiße Klickerklackerbox mit den vielen kleinen Tablettchen, die sich (zwar scheinbar nur bei mir, aber nichtsdestotrotz) bei der kleinsten Erschütterung in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Jeden Tag zum Mittagessen nehme ich eine davon. Meistens tue ich es heimlich, denn ich arbeite wieder, und nichts sagt so deutlich "seht her, ich wäre gerne Mutti - oder wer weiß, bin vielleicht sogar schon schwanger?" wie Folsäure in der Hand von Frauen im gebärfähigen Alter.
Mit der Folsäure erobern andere alte Bekannte ihren Platz in meinem Leben zurück. Meine letzte Kinderwunschbehandlung war im Frühling, seitdem war eine lange Atempause, aber nun ist es Herbst, und alles ist wieder da. Gestern Abend hat L. mich gefragt, ob wir vor Weihnachten noch mal für ein paar Tage wegfliegen wollen. Wie gerne würde ich das! Aber hab ich eine Ahnung, was mein Zyklus dazu sagt? Ich weiß ja noch nicht mal, worin genau so eine Stimulationsbehandlung besteht, wie oft und wann ich dafür in der Klinik zu erscheinen habe, und egal, wie aufwendig die Behandlung ist - wenn es dabei auch nur einen einzigen unaufschiebbaren Termin geben sollte, dann weiß ich jetzt schon, der wird genau dann sein, wenn wir weit, weit weg sind. Am Samstag, das gebe ich zu, habe ich bei der Sause mit Mädchen ein paar Zigaretten geraucht (wenn auch nur die leichten Ökofluppen und auch nicht so viele wie sonst), aber jetzt frage ich mich schon wieder, was das mit meinen Erfolgsaussichten macht. Und die Rennerei geht auch langsam wieder los: Einweisungen, Überweisungen, Krankenkasse... ach ja. Man könnte nostalgisch werden. Das Gefühl, dass ich mich bisher immer gefreut habe, wenn es wieder los geht, ist mir noch nicht abhanden gekommen.