Montag, 2. November 2009

Quitt mit Estrifam

Eine Nebenwirkung, eine Nebenwirkung! Heute auf der Rückfahrt aus der Heide kommt mir eine Wimper ins Auge, ich klappe den Schminkspiegel auf und denke: was ist das denn? Hallöchen, kleines Mondgesicht. Ein bisschen uffjedunsen sehe ich schon aus nach zwei Tagen mit Estrifam, und das, obwohl ich mich ja wie angekündigt mit dem Teufel Alkohol zurückhalte.

Aber ich will nicht böse sein auf die kleinen blauen Pillchen. Denn wie sich heute zeigte, können sie sehr entgegenkommend sein. Seit Samstag nehme ich sie nun, und ich bilde mir ziemlich sicher ein, mein Arzt hatte mir gesagt, mit der Rückübertragung könnte ich so um den 10.-11. Tag nach der ersten Einnahme rechnen. Das wäre also Mittwoch oder Donnerstag nächste Woche. Darauf hatte ich feste gebaut und auch bauen müssen, denn am Wochenende drauf feiert meine Mutter am anderen Ende des Landes ihren Geburtstag mit der ganzen Familie und Riesenpomp, und da nicht hinzukönnen, weil ich für insgesamt 30 Minuten in meiner Klinik anwesend zu sein habe, das täte nicht nur mir sehr leid (es gibt Gänsebraten. Und das ist nur der Anfang.), sondern das könnte ich auch vor ihr nie wieder gut machen. Außerdem wäre es einfach nur albern. Im Moment, ich weiß nicht, ob ich das erwähnt hatte, strotzt mein Leben nicht gerade vor Terminen. Gewöhnlich komme ich auf zwei Fixpunkte pro Monat. Aber ich kann mich drauf verlassen, dass es rund um jeden dieser Fixpunkte irgend eine Art von Krampf gibt. Meistens geht es am Ende doch gut, aber immer nur mit viel Gerangel und Telefonaten und Schlafstörungen. Aber von allen Fixpunkten, die das Jahr seit August zu bieten hat, sind die Rückübertragung und der Geburtstag meiner Mutter die wichtigsten. Ich hatte es also mit einer dunklen kleinen Region meines Gehirns, die in letzter Zeit ein bisschen mehr zu tun hatte als sonst, schon geahnt. Und siehe da: als ich heute per Telefon an die Klinik durchgegeben habe, dass ich nun meine Tage seit Samstag habe und Estrifam schlucke (das macht man so bei Auftauzyklen. Nein, ich rufe sonst keine fremden Menschen an und erzähle ihnen, dass ich Blut in der Unterhose habe und wie viel.), meinte die freundliche Frau am anderen Ende, alles klar, am 11. hätte ich dann zum Ultraschall zu erscheinen, und dann würden sie festlegen, ob die Rückübertragung am Freitag oder Samstag sein sollte. Äh... Moment. Neinneinneinneinnein. Nein! Nach dem Auflegen tiefe Verzweiflung. L. sah uns schon für den Gegenwert einer Woche in New York abends hin- und morgens zurückfliegen. Also habe ich noch mal angerufen und wollte meinen Arzt sprechen. Diesmal hatte ich es mit einer anderen Empfangsfrau zu tun. Und fünf Minuten später rief sie zurück, und jetzt kommts: mit Estrifam lässt sich der Zeitpunkt der Rückübertragung "ganz flexibel hinauszögern". Entwarnung! Wir fahren! Zu Gänsebraten, reizender Verwandschaft, Rotwein (ja gut, nicht so viel, aber trotzdem! Ein bisschen muss ich außerdem trinken, sonst denken alle, ich bin schwanger, und ich werde in den nächsten Wochen nicht mehr froh vor lauter Neugieranrufen und unmotivierten Glückwünschen) und vor allem Geburtstagsmutti.

So offen, einsichtig und menschlich kenne ich meine IVF-Medikamente sonst nicht. Und deshalb darf Estrifam das mit dem Mondgesicht. Dafür dürfte es sogar noch viel mehr.

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