Dienstag, 30. Juni 2009

Nichts gegen Yogi-Tee, aber:

Es ist Sommer da draußen, und zwar in seiner besten Form, nämlich als Sommerabend. Überall in der Stadt sitzen Leute zusammen im Freien, sie liegen auf Decken im Park, oder sie stecken die Füße in den Sand irgend eines Stadtstrandes. Und ich beneide sie. Nicht um die Chance, sich mit einem der letzten Rasta-Träger der Stadt zu unterhalten, auch nicht darum, dass ihre Schuhe, Handtasche und Gürtel aus dem gleichen Leder sind, nicht um ihr verchromtes Ferienhaus auf Sylt (hab ich das richtig verstanden?), von dem sie gerade so laut erzählen, und erst recht nicht darum, dass sie aussehen, als würde heute noch geknutscht. Das ist mir alles egal, vor allem die Knutscherei, ich hab schließlich L. Das können sie alles behalten. Worum ich sie beneide, ist die Chance, sich an einem lauen Sommerabend gepflegt die Kante zu geben. Es muss ja gar nicht viel sein! Nur eben mehr als nichts.

Böse Flora. Oberflächliche Flora. Falsche-Prioritäten-Flora.

Wer sich schneller entspannt, ist besser als jemand, der sich nicht so schnell entspannt

Da hat Peter Licht wieder mal vollkommen Recht!

Ein Glück hab ich L.
Nicht nur sowieso in jeder Hinsicht, sondern gerade jetzt vor allem deshalb, weil L. so dermaßen immun ist gegen Babygeschwärme.

L. ist extrem vorsichtig, wenn es daran geht, sich auszumalen, wie das alles werden könnte. Weil er von Anfang an gesagt hat, dass es gut sein kann, dass es überhaupt nicht klappt oder erst nach langer, langer Zeit. Er will nicht nur sich, sondern auch mir Tränen und Verzweiflung ersparen, indem er versucht, sich so lange wie möglich am Riemen zu reißen. Inzwischen hat er sogar schon ein paar Mal gesagt, dass auch nach einem positiven Test noch kein Grund zum Durchdrehen bestehen würde, sondern dass wir fein stille die ersten Monate abwarten sollen. Aber dann!

Ich bin heilfroh, dass er so ist. Denn wenn ich jetzt jemanden bei mir hätte, der genau so ein Fusselhirn ist wie ich, dann hätten wir uns zwar anfangs noch versichert, wir würden extrem lässig und unaufgeregt bleiben. Aber dann würden wir einbrechen, jeden Tag ein bisschen. Es würde vielleicht damit anfangen, dass wir irgendwas im Fernsehen sehen und plötzlich einer von uns sagt „niedlicher Name, oder?“
Einen Tag später wären wir in der Stadt und würden Kuhaugen machen vor der Scheibe eines Babyladens.
Dann würde einer von uns vielleicht das erste kleine Babyspielzeug in die Wohnung schleppen. Nur für den Fall!
Und über kurz oder lang hätten wir die „Eltern“ abonniert, dann die halbe Ausstattung angeschafft und uns am Ende Babysprache angewöhnt. Eigentlich bin ich nicht der Typ dafür, aber ich könnte auch nicht die Hand für mich ins Feuer legen!
Und dann käme der schwarze Tag, an dem uns klar würde, wie blöd und traurig das alles von uns war.

L. haut schon die Bremse rein, wenn ich einen Namen niedlich finde. Er weiß, dass ich so was ab und zu denke, da kann ich nicht gegen an. Und ich weiß, dass er so was ab und zu denkt und noch viel mehr, da kann er auch nicht gegen an. Aber wir sprechen nicht drüber, damit wir wenigstens eine kleine Chance haben, den Ball flach zu halten. (Und kommt mir jetzt nicht mit „Aber in einer GLÜCKLICHEN Beziehung redet man über ALLES!“ Macht ihr das so in euren glücklichen Beziehungen, ich mach das in meiner eben anders.)

Aber, liebes Internet, dir kann ich's erzählen. Ich weiß, du kannst ein Geheimnis für dich behalten. Oder? Wer, wenn nicht du, altes Haus?
Meine Temperatur hängt morgens bei 37,5.
Mir ist schlecht, gestern hätte ich fast vor einen alten Stammladen gespuckt, vor dem ich das sonst immer vermeiden konnte.

Aber nun bleiben wir bitte trotzdem ruhig. Denn das war letztes Mal auch so, und dann war doch alles nichts.

Also: fein pscht. Ja?

Montag, 29. Juni 2009

Eltern spielen

Macht euch auf eine Überraschung gefasst: das Baby lebt! Und gar nicht schlecht!

L. und ich sind allerdings gestern Abend, nachdem seine Eltern es abgeholt hatten, in einen Schlaf gefallen, der so tief war wie zuletzt nach dem Wandertag in den Zoo in der vierten Klasse. War das aufregend! Und war das anstrengend! Vier Stunden, die ich so schnell nicht vergessen werde. Genau so wenig werde ich leider vergessen, wie niedlich sich das anhört, wenn zwei Füße mit Schuhgröße 19 im Affenzahn und unter Windelgeknister durch unsere Wohnung flitzen. Hapüh. Aber jetzt wird nicht geheult, jetzt wird berichtet!

Also. Der Kleine wurde von seinem Vater gegen fünf gebracht, wir bekamen die dicke Babytasche und ihren Inhalt erklärt: Windeln, Gläschen, Wickelzeug, Bärchen, Spielzeug, Bücher. „Die Bücher mag er am liebsten, da könnt ihr ihm draus vorlesen und ihm erzählen, was man auf den Bildern sieht.“ (Später stellte sich heraus: die Bücher haben ihnen einen feuchten Dreck interessiert. Aber das hätten vermutlich alle Eltern gern, dass ihr Kind schon früh eine Leidenschaft für Bücher entwickelt.) Dann nutzte der Vater einen günstigen Moment, als der Kleine gerade hingerissen L. anstarrte, und machte sich davon. Keine Reaktion beim Kleinen. Irgendwann, eine halbe Stunde später, lief er einmal mit suchendem Gesichtsausdruck „mamamamamama?“ piepsend durch die Wohnung, aber keine Tränen und auch schnell Themawechsel.
Nachdem wir jedes einzelne Spielzeug aus der Babytasche ausprobiert hatten und er sich ein Bild von unserer Einrichtung gemacht hatte, beschlossen wir, mit ihm auf den Spielplatz im Park um die Ecke zu schieben. Und jetzt gab es die ersten Tränen: für fünf Sekunden Entsetzen, als sich das automatische Garagentor vor uns und dem Kinderwagen hob!
Gut. Auf dem Spielplatz angekommen haben wir folgende Beobachtungen machen können:
1.Der günstigste Zustand für ein Kleinkind auf einem Spielplatz ist totale Nacktheit, vor allem, wenn es auf diesem Spielplatz Matsch gibt. Zum Glück hatten wir ihm wenigstens Schuhe, Hose und Schlafanzug ausgezogen.
2.Es gibt Kleinkinder, die gehen dir gerade bis zum Knie und halten sich trotzdem klar für einen Achtjährigen. Entsprechend groß ist die Enttäuschung, wenn die anderen Achtjährigen es nicht beim Fußball dabeihaben wollen und die erhofften Pässe ausbleiben.
3.Auf der Rutsche gelten die Regeln der Straßenverkehrsordnung, mit einer Abweichung: Abwärts hat Vorfahrt.
4.Förmchen gehören immer irgendwem, und wenn sie noch so herrenlos aussehen.
5.Die Strecke, die ein Kleinkind pro Sekunde zurücklegen kann, ist direkt abhängig von der Richtung, in die die Aufsichtsperson gerade guckt und davon, wie beschäftigt sie gerade ist. Ich bin sicher, hätte ich auf dem Spielplatz Durchfall bekommen und kurz ins Gebüsch verschwinden müssen, hätte der Kleine den Weltrekord auf 100 Meter gebrochen.

Außerdem bin ich auf dem Spielplatz, glaube ich, in Führung vor L. gegangen. Während anfangs die kleine Zauberwurst noch unparteiisch mal L., mal mir irgendwelche Sachen zeigte („De!“ „Lampe.“ „De!“ „Gitarre.“ „De!“ „Motorsäge.“) und zu uns beiden gleich oft auf den Arm wollte, hat sie sich irgendwann für mich entschieden. Ich glaube, den Ausschlag hat gegeben, dass ich es war, die den Matsch ins Szenario eingeführt hat. Für eine halbe Stunde gab es nur noch Matsch. Matsch, Matsch, Matsch. Dann zogen Wolken auf, es sah nach Regen aus, und wir muckelten die klatschnasse Matschwurst in meine Jacke und verstauten sie wieder im Wagen. Die eigenen trockenen Kleider kamen nicht in Frage, immerhin musste er nach dem Ballett noch mit Eltern und Großeltern fein essen gehen und präsentabel bleiben. Zuhause angekommen haben wir ihn unter die Dusche gesteckt (fand er gut, wider Erwarten) und ich habe zum ersten Mal seit über 20 Jahren ein Kind gewickelt. Dann gab es Gläschen (Tempo und Wendigkeit. Darauf kommt es hier an.) und eine weitere geführte Tour durch die Wohnung. Inzwischen war die Wurst so müde, dass sie torkelte, aber trotzdem wild entschlossen, nicht zu schlafen. Ich robbte ihm also bis Zehn auf allen Vieren hinterher, hob ihn auf Wunsch hoch, hielt meine Hände unter alle wertvollen oder zerbrechlichen Gegenstände, die er inspizierte, knipste auf Wunsch Lampen an und aus und machte insgesamt den Kasper. L. war seit dem Spielplatz zweite Reihe und konnte dadurch ungestört sein Curry essen, den 20.15-Film gucken und die Idylle beobachten.

Und eine Idylle war es. Eltern spielen ist schön. Wir sind zwar in uns zusammengefallen wie zwei nasse Säcke, nachdem die echten Eltern den Kleinen abgeholt hatten, aber bis dahin war es toll. Wir können das, oder? Ich glaub schon.

Ach ja, und hier noch kurz der Status so untenrum:
Es zwickt mal links und mal rechts, mal bin ich dünn, mal bin ich dick, manchmal ist mir ein bisschen schlecht. Aber sonst: keine geheimnisvollen Anzeichen für eine Schwangerschaft. Wenn ich in ein Zimmer komme, fängt das Licht nicht an zu flackern, ich kann nicht mit Tieren sprechen und ich habe immer noch ein Spiegelbild. Ich muss also wohl abwarten bis zum 7. Und genau das tue ich hoffentlich. Letztes Mal waren Punktion, Rückübertragung und Test genau so gesetzt, Punktion am Montag, Übertragung am Donnerstag und Test am übernächsten Dienstag. Und letztes Mal hatte ich Freitag Abend die ersten Anzeichen dafür, dass ich meine Tage kriege. Das heißt, im ungünstigen Fall müsste ich wohl nur noch viereinhalb Tage warten. Das geht doch, oder?

Sonntag, 28. Juni 2009

Schwanger spielen

Gestern Abend Ausflug aufs Land in das Dorf, in dem wir im August heiraten. Es gab ein Dorffest. Dorffeste haben vor allem damit zu tun, viel zu trinken und dann zu Krachern wie "Komm hol das Lasso raus" zu tanzen. Das geht nicht ohne Alkohol oder ohne eine Selbstvergessenheit, die ich nie erreichen werde. Nachdem ich seit der Rückübertragung zweieinhalb Tage entweder auf dem Sofa oder in einem netten Café um die Ecke ohne Schanklizenz für Alkohol verbracht habe, war das der erste harte Moment. L. hatte ein paar sehr gut aussehende Mini-Biere aus niedlichen 0,2-Liter-Gläschen und die eine oder andere Fluppe mit seiner Mutter und ihren Freundinnen, ich hatte vier Wasser und eine Cola und einen Stock im Arsch. Mütterliche Blicke von den Frauen am Biertisch um mich herum. Dank der Punktion und den dicken Eiern bin ich immer noch ein Pipimädchen, und das Wasser wollte irgendwann raus. Als ich aus dem Toilettenwagen kletterte und mir den zwickenden Bauch rieb, kam mir unsere Pfarrerin entgegen und fragte mich mit vielsagendem Gesichtsausdruck: "Alles gut?"
Und später erzählte mir L.s Mutter, die Pfarrerin hätte sie gefragt, ob ihre Schwiegertochter eigentlich auch raucht. "Sonst ein bisschen, aber gerade nicht." "Aha."

Ich weiß, dass ich mal geschrieben habe, die Leute wären viel zu egozentrisch, um sich ständig den Kopf zu zerbrechen, ob man schwanger ist oder nicht. Das ist auch bestimmt so. Aber gestern war anders. Schon deshalb, weil L. als Kind jedes Wochenende und die Ferien in diesem 300-Einwohner-Dorf verbracht hat und die Leute, bei denen er früher vermutlich nackt durchs Plantschbecken gehüpft ist, jetzt wissen wollen, wen er da eigentlich heiratet. Und wenn eine Hochzeit ansteht, fragt sich die Hälfte der Leute immer, ob da wohl was unterwegs ist. Ich kann's verstehen, ich frag mich das doch gerade auch!

Heute morgen war ich verkatert. Von vier Gläsern Wasser und einer Cola.
Aha.

Die nächste große Sache steht heute Abend an: wir hüten ein Baby. In unserer Wohnung. Es kann schon laufen. Ziemlich schnell sogar. Und wenn wir's versauen, wissen die Eltern, wo sie uns finden. Ich hab Angst.

Samstag, 27. Juni 2009

Die Rückübertragung: Der schonungslose Tatsachenbericht

Zur Rückübertragung steht ja auch noch ein Bericht aus! Hier kommt er:
Das Auffälligste an der ganzen Sache ist, dass ich noch nie in meinem ganzen Leben so oft hintereinander meinen Namen und mein Geburtsdatum sagen musste.

1.Am Empfang, als ich ankam. Der Name stand zwar auf jedem einzelnen der Papiere, das ich der jungen Frau über den Tresen reichte, aber trotzdem musste ich noch mal sagen: also, ich bin Flora Eiertanz, und das ist mein Geburtstag.

2.Beim Vorgespräch mit einer netten Schwester, die mir erklärte, was ich tun und lassen muss bis zum Testtermin. Aber erst, nachdem ich meinen Namen und mein Geburtsdatum gesagt hatte.

3.Eine Treppe höher im OP-Bereich. Auch dort gibt es einen Empfangstresen, auch dort habe ich meine Papiere abgegeben, und auch dort musste ich noch mal sagen, dass ich auch ganz bestimmt Flora Eiertanz bin.

4.Im Vorzimmer zum OP. „Können sie mir noch mal deutlich ihren Namen und ihr Geburtsdatum sagen?“. Klar! Das kann ich gut, hab ich heute schon geübt!

5.Im OP, während ich auf den Stuhl kletterte. Inzwischen ging es mir schon schwer über die Lippen, ohne zu kichern.

6.Und dann stand mein Name noch mal auf dem Bildschirm, bevor die zwei Bläschen eingeblendet wurden.

Es war wie der sicherste Flughafen der Welt, an dem man alle zwanzig Sekunden durch eine Kontrolle muss!
Wenn ich also noch mal damit komme, dass mich kleine Schlampereien wie neulich die mit dem Rezept WAHNSINNIG nervös machen und ich sofort nachts davon träume, das falsche Ei eingesetzt zu bekommen: das ist Quatsch. Das kann nicht passieren. Es sei denn, da laufen am gleichen Tag zwei Flora Eiertänze auf, die auch noch am selben Tag Geburtstag haben. Die passen da wirklich ganz, ganz, GANZ gut auf.

Aber der Reihe nach. Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich einen Arzttermin zu einer Tageszeit, die selbst ich als vollkommen human bezeichne: die Rückübertragung war für elf angesetzt, also musste ich um Viertel nach zehn da sein. Nicht nüchtern, nur wieder, ohne Bodylotion oder Parfum benutzt zu haben. Das kriege ich hin, morgens muss ich nicht wie ein wildes, aufregendes Abenteuer oder wie ein lauer Sommerabend in Spanien riechen. Aber in letzter Sekunde der Schock: ich sollte schon wieder weiße Socken dabei haben! Das hatte ich überlesen! Was nun? Unter denen vom Montag klebten mehrere Kekskrümel. In meiner Not war mir jeder Anstand egal, und ich hab sie einfach auf links gekrempelt, so dass sie blitzsauber aussahen. Ich hoffe schwer, daran wird es nun nicht scheitern.
In der Klinik gab es nach dem Einchecken als erstes ein Gespräch mit einer netten älteren Schwester, in dem sie mir erklärte, was bis zum Test zu tun und zu lassen sein wird.

Do's:
- Weiter jeden Tag zweimal angerührtes Eiweißpulver trinken, um Zysten zu verhindern und den Eierstöcken dabei zu helfen, wieder auf Normalzustand zu kommen
- jeden Morgen ein Röhrchen Crinone einführen, auch dann, wenn ich zwischendurch anfange zu bluten – also auf jeden Fall bis zum Test
- Überhaupt viel Eiweiß essen, Fisch, Fleisch, Eier...
- Viel trinken, zwei bis drei Liter pro Tag („viel“ ist für mich was anderes, ich trinke sonst vier bis fünf Liter)
- alles ein bisschen langsamer als sonst

Don'ts:
- Verboten sind Alkohol, rohes Fleisch, roher Fisch, rohe Eier, Rohmilchkäse und auch sonst jede Sorte Essen, bei der ich mich kurz frage „darf ich das?“ Im Zweifel – nö.
- Kein Sport, überhaupt kein Sport bis zum Test. Schon gar keiner, der damit zu tun hat, dass ich mich schnell auf und ab bewege (wie Trampolinspringen, so ein PECH, keine Ahnung, wie ich mein Leben ohne Trampolin meistern soll), aber auch nicht Radfahren, denn dabei fährt man, ehe man dran denkt, über Bordsteine und Kopfsteinpflaster. (Von Hugh Laurie: keine Rede. Sind diese Menschen denn vollkommen verantwortungslos?)
- Nicht durchdrehen. (Sehe ich so aus?)
- Das Doxycyclin weiter nehmen, bis es aufgebraucht ist. Was übrigens heute morgen der Fall sein wird, endlich! Das ätzendste Antibiotikum meines Lebens, abgesehen von diesem knallpinken Saft, den wir als Kinder noch runterwürgen mussten. Bauchschmerzen, Beklemmung... böäch. Ich will Gonal zurück!
- Wenn was ist, anrufen.

Mit diesen Ratschlägen ausgerüstet, ging es in den OP-Bereich. Dort noch mal Empfang, noch eine freundliche Frau, aber was die zu mir gesagt hat, weiß ich kaum noch, ich war schon im Tunnel auf den Stuhl. Dann wieder in einen der blitzblanken Ruheräume, alles ausziehen, OP-Hemdchen an, weiße Socken (hähämm) an, Hausschuhe und Bademantel, dann noch mal fix auf Toilette und danach sofort einen halben Liter stilles Wasser trinken (das hat etwas damit zu tun, dass die Blase auf eine bestimmte Weise gefüllt sein muss, damit nachher die Gebärmutter optimal erreichbar und auf dem Ultraschall zu sehen ist), und dann warten auf L., der nachkommen wollte. Bei dieser Gelegenheit festgestellt: das Bett heute ist das gleiche Bett wie am Montag, und die GEO daneben auf dem Tischchen auch, und ich hab mir das nicht nur eingebildet, dass ich am Montag sofort die Narkose wieder los war, denn die GEO hätte ich auswendig runterbeten können: jaja, die Quallen in den Salzwasserseen von Palau... Wunderwelten tun sich da auf! Wunderwelten! (In der GEO geht es meistens um Wunderwelten, da ist man also auf der sicheren Seite.)

Dann kam auch schon L., wir durften ins Vorzimmer gehen und bekamen beide unser Häubchen für die Haare, er bekam außerdem Plastiktüten über die Schuhe und ein schickes OP-Hemd an, und dann ging es los. Ich auf den Stuhl, dann kam eine fröhliche junge Frau vom Labor und erzählte mir, wie es den Eizellen nun geht (zwei werden heute eingesetzt, eine Sechser und eine Achter – letztes Mal waren es eine Vierer und eine Sechser, also auch hier alles besser als letztes Mal!) und noch weitere fünf, die sehr gut aussehen, in der Tiefkühle. Dann bekam ich ein Tuch mit Loch über den Bauch gelegt, und durch dieses Loch bekam ich so ein spreizendes Dings eingeführt – das tat ein bisschen weh, aber wirklich nicht schlimm. Wirklich nicht. Inzwischen tat sich was auf einem Bildschirm neben uns: Da wurde noch mal mein Name und mein Geburtsdatum eingeblendet (Wie jetzt, nix Flora Eiertanz, ich bin doch.... Scheherz!), und dann war der Blick frei auf die zwei niedlichen...äh... Punkte. Vergrößert sahen sie dann aus wie zwei kleine Prilblümchen in einer Wasserschale, in der gleich jemand seine Hände badet. Die Blümchen wurden auf eine Pipette gesaugt, und mit der kam dann die Assistentin zu uns. Und mein Arzt schob dann die Pipette in mich rein und setzte die zwei ab, während wir uns das alles auf dem Ultraschall angucken konnten. Dann wurde noch die Pipette nebenan wieder unter der Kamera kurz durchgespült, um ganz sicher zu sein, dass sich keins der Beiden an ihr festgeklammert hatte, ich lag noch eine Minute so da, und dann wünschten uns der Bildschirm und alle anderen im Raum viel Glück. Ich durfte mich im Ruheraum wieder anziehen, noch ein paar Minuten liegenbleiben (auch wenn das angeblich unnötig ist). Dabei natürlich wieder der alte Tanz. Ich: „Boah, waren die niedlich!“ L.: „DIE sind erst mal gar nichts, wir freuen uns lieber nicht zu früh.“ Ich: „Aber das ist doch toll gelaufen!“ L.: „Jahaaa, aber das ist es letztes Mal auch, und letztes Mal ging es trotzdem schief.“ Ich: „Aber....“ L.: „Bababababa! Liegenbleiben, mal eine Minute still sein.“

Er hatte ja so Recht.

Außerdem wollte ich das hier schnell hinter mich bringen, meine ostdeutsche Trampolinlehrerin wartet nicht gerne.

Freitag, 26. Juni 2009

Hugh Laurie hat vielleicht mein Kind auf dem Gewissen

Am siebten Juli ist der Test. Jedenfalls dann, wenn ich nicht wieder vorher schon anfange, zu bluten. Das Dumme daran ist, dass heute erst der 26. ist. Das heißt, ich muss noch heute, dann den 27., 28., 29. und 30. Juni überstehen und dann den 1., 2., 3., 4., 5., 6. und den halben siebten Juli.
Einerseits. Andererseits: im Moment ist alles noch zu spannend, um zu nerven. Und es ist ja schließlich nicht die erste Wartezeit, die ich zu überstehen habe. Eigentlich ist ja gar nicht so viel anders wie bei den anderen Gelegenheiten, oder? Ob man nun auf seine Abiprüfung, aufs Christkind, auf die Ferien, auf Schulschluss, auf den Bus, auf den Pizzaservice, auf bessere Zeiten oder auf eine blöde SMS wartet, wir haben doch alle inzwischen gelernt, dass Warten besser geht, wenn man nicht wartet. Gut. Jetzt hat es vermutlich wenig Zweck, auf dem Sofa zu sitzen und sich zu sagen „So, und ich denke jetzt mal an was ganz anderes!“ Meine Methode ist deshalb, etwas anderes zu tun, dann trottelt das Denken schon von ganz alleine hinterher. Glück haben alle von uns, die einen Job haben. Jedenfalls die, die nicht als Platzhalter beim Film arbeiten, die nicht in der Fußgängerzone stehen und Burgergutscheine verteilen müssen und die sich nicht auf der Ersatzbank einer Fußballmannschaft den Hintern plattsitzen und das Hirn plattlangweilen. Also die, die bei ihrer Arbeit nicht nur körperlich anwesend sein müssen. Gut. Damit ist schon mal ein Großteil des wachen Tages totgeschlagen. Aber was tun nach Feierabend? Ich zum Beispiel habe gestern abend einen ca. 80 cm hohen Stapel alter Tageszeitungen durchgeforstet und getrennt nach Artikeln, die mich noch mal brennend interessieren könnten, und dem ganzen öden Rest. L. musste heute morgen schon mit einer IKEA-Tasche zum Altpapiercontainer (ich WÜRDE ja, aber ich DARF ja nicht, hähäm.) Ich gebe jetzt mal eine vorsichtige Prognose ab: in die Kiste mit den Zeitungsausschnitten werde ich in diesem Leben noch genau... Moment... null mal reingucken. Aber das war wieder ein Abend, an dem ich nicht die Wände hochgegangen bin.
Außerdem gab es gestern noch einen mittleren Ehekrach. Ich hatte mir die komplette Jeeves&Wooster-Serie mit Hugh Laurie und Stephen Fry im Netz bestellt. Gestern kam sie an. Während L. versucht hat, ein Nickerchen zu machen, habe ich mir die erste DVD angesehen und war nach fünf Minuten vollkommen hilflos vor Lachen. Nach sechs Minuten stand L. vor mir und war stinkwütend, dass ich heute, wo doch noch Ruhe geboten ist („gebremster Schaum“, wie die nette Frau aus der Klinik sagte), so dermaßen lache und so mein Zwerchfell strapaziere -> damit für Erschütterungen im Unterbauch sorge -> und damit jetzt schon vermutlich den beiden Zellhaufen das Licht ausgepustet habe.
Ich war ehrlich zerknirscht. Na klar kann sowas nicht gesund sein, aber ich konnte ja nicht ahnen, WIE lustig diese Filme sind, und als ich es gemerkt habe, war es schon zu spät. Aber andererseits habe ich mich auch gesträubt gegen solche Vorwürfe. Hab ich Crack geraucht oder was? Doch wohl kaum! (Jetzt ist aber auch wieder gut.)
Das kann ja heiter werden. Noch neun Monate.
Bzw. noch elf Tage. Elf Tage, plötzlich sieht das gar nicht mehr nach einer endlos langen Wartezeit aus, oder?

Donnerstag, 25. Juni 2009

Der Adler ist gelandet

Genauer gesagt, die Adler. Zwei großartige, kräftige Blubberbläschen sitzen jetzt in meinem Bauch und fünf (FÜNF!) weitere in einer Tiefkühltruhe (das hoffe ich jedenfalls), und sobald sich diese rätselhafte Müdigkeit verzogen hat, werde ich auch mehr dazu schreiben, wie das alles passiert ist. Aber dazwischen muss ich noch mal was sagen zu dem, was ich gestern Abend geschrieben habe.
Das war nämlich so: ich hatte einen im Tee. Gestern Abend war die definitiv letzte Chance, auf dem Balkon zu sitzen und das eine oder andere Gläschen Puffbrause zu trinken, und schlagt mich, aber ich habs getan. Und so kommt das dann, dass man plötzlich da sitzt und einen Eintrag schreibt, in dem allen Ernstes steht, man hätte gerade aber lieber was zu rauchen als ein Baby. Heute ist das natürlich nicht mehr wahr. Das ändert aber nichts daran, dass es gestern Abend wahr war. Und ich glaube, ich kann jetzt (komplett nüchtern, kann ich euch zu eurer Beruhigung sagen) schon sagen, dass es auch ohne die böse Puffbrause in den nächsten Wochen und, wenn es gut läuft, Monaten noch jede Menge Momente geben wird, in denen ich dieses ganze Baby-Business zum Teufel wünschen werde, nur für ein paar Minuten, in denen ich wahnsinnige Lust auf was zu Trinken, auf rohen Fisch, auf ein blutiges Steak, auf eine unvernünftige Sportart, auf eine Nacht auf dem Kiez, auf eine Hochzeit MIT dem Teufel Alkohol oder auf Pommes mit Mayo haben werde.

Der Trick wird nicht sein, so was nicht zu denken oder zu fühlen. Sondern der Trick wird sein, sich zusammen zu reißen und es trotzdem nicht zu tun. Ihr werdet mich hier auch noch jede Menge fluchen und jammern sehen, und ein paar werden sich denken, was will die eigentlich, nun hat sie doch, was sie wollte? Und da hättet ihr vollkommen Recht.

Aber wir sind doch immer noch Menschen, oder? Und keine heiligen Muttertiere, die ab sofort nur noch Rosenwasser pinkeln und nach Apfelkuchen riechen. (Naja, falls ich überhaupt ein Muttertier werde, wir wollen nicht übermütig werden.)

Bekloppt. Nun schreibe ich schon "wir" wie in "wir schwangeren Frauen". Bekloppt, bekloppt, bekloppt.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Lady Luck (vielleicht ab heute nur noch Songtitel als Überschriften?)

Wenn man Glück als eine Sache betrachtet, die mit Lotterien und Wahrscheinlichkeiten in Prozenten zu tun hat, hatte ich bisher nicht viel davon im Leben. Aber auch nicht wenig.

Mein Vater hat in einer großen Fabrik gearbeitet. Einmal im Jahr gab es einen Tag der offenen Tür. Natürlich waren wir da, und natürlich hab ich mitgemacht, als wir mit Angeln einen Preis aus einem Plantschbecken fischen durften. Ich hab den Hauptgewinn gewonnen! Eine "Herrenquarzuhr". Sie war riesig, sie war aus gebürstetem Chrom, und ich dachte, hinter so was sind sicher die internationalen Geheimdienste her – immerhin hat sie eine Stoppuhr und einen Wecker! Auf jeden Fall war ich sehr aufgeregt über diesen Riesengewinn. Schon allein deshalb, weil ich gewonnen hatte. Ich hätte diese Uhr um meinen Oberschenkel schnallen können damals.

Ein anderes mal habe ich auf unserem Kleinstadtrummel an der Losbude eine riesige quietschrosa Plüschmaus gewonnen. Die musste dann mit mir Knutschtunnel (ohne Knutschpartner), Riesenrad und Kettenkarussel fahren. Es war peinlich, aber schön. Später hab ich sie weggeworfen.

Und wieder ein anderes Mal habe ich Lotto gespielt, zum ersten Mal in meinem Leben und nur unter Einfluss meines besten Freundes, und hatte plötzlich vier richtige und die Zusatzzahl. Im Geiste habe ich mir schon ein Notebook und ein Segelboot gekauft. Es waren dann 76 Mark.

Wenn ich mit Quoten konfrontiert werde, dann orientiere ich mich mehr an der Quotensorte Glück. Ich hab ein bisschen Ahnung von Stochastik, ich weiß, dass diese Zahlen, die in meiner Befruchtungstabelle stehen, nicht nur Zahlen sind, sondern etwas mit meinem richtigen Leben zu tun haben. Dass das nicht nur irgend eine Quote ist, mit der sich Versicherungen absichern oder mit der Wettbüros arbeiten, sondern Zahlen, die in der Realität verwurzelt sind. Und bei der Quotensorte Glück schneide ich oft nicht gut ab. Oder besser gesagt, selten gut.

Aber bei der Sorte Glück, die man nicht mit Quoten verbindet und für die der dusselige Focus keine Tabelle veröffentlicht, bei der bin ich gut. Ich hatte schon mehrere Verkehrsunfälle, bei denen ich eigentlich hätte draufgehen sollen, und an keinem war ich Schuld, und bei keinem habe ich auch nur einen blauen Fleck davongetragen. Ich bin (dank extremer Kurzsichtigkeit) schon oft mit dem Gesicht in irgendwelche Gestrüppe oder Hirschgeweihe reingerannt, ohne dass es mich ein Auge gekostet hätte. Ich bin schon auf dem Bauch wirklich mörderische und vereiste Pisten ungebremst mit dem Schlitten runtergerast, und wäre ich danach querschnittsgelähmt gewesen, hätten alle nur gesagt, seht ihr, so was kommt davon. Ich bin schon oft mitten in der Nacht von den berühmten Klippen und Krähnen in die berühmten unbekannten Gewässer geköppert, ohne dass ich mir mehr dabei geholt hätte als unwillkommene Anmachen und eine Blasenentzündung. Und ich habe es schon mal geschafft, bei einer Chance von 0,6 Prozent (laut einer Frauenkarrierezeitung - pervers eigentlich, dass es das überhaupt gibt) eine Karriere rauszuschinden, die mich sehr glücklich gemacht hat.

Meine Chance, bei diesem Versuch schwanger zu werden und tatsächlich ein Kind zu kriegen, liegt bei 27 Prozent.

Vielleicht sollte ich mich mehr an meinem quotenfreien Leben orientieren als an meinem Leben in Quoten.

27 % ist übrigens nicht schlecht.

Stellt euch vor, morgen würde eine Schlagzeile in der Bild erscheinen, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 27 Prozent in einer Woche ein Komet die Erde rammt. Würdet ihr Konservendosen kaufen und noch mal mit euren Eltern telefonieren? Würdet ihr, oder?

Ich kaufe noch keine Hipp-Gläschen. Aber ich gewöhne mich schon mal an den Gedanken, dass es so schnell nichts mehr zu rauchen gibt. So gut, wie das eben geht für ein Mädchen, das gerade hormonbedingt vier Wochen ohne Zigaretten hinter sich hat und deren größte Sehnsucht jetzt, in dieser Sekunde, so leid es mir tut, nicht ein gesundes Baby auf meinem Arm ist, sondern eine Schachtel gelbe American Spirits und ein sauberer Aschenbecher.

Wünscht mir Glück für Morgen früh.

Dienstag, 23. Juni 2009

Sieben

Ich friere gerne ein. Es geht dabei nur vordergründig um solche Dinge wie intelligente Vorratshaltung oder darum, wie praktisch es ist, blitzschnell etwas zu essen zu haben, ohne vorher stundenlang zu kochen. Ich tu es einfach gerne. Der Tiefkühlschrank ist sowas wie meine Modelleisenbahn. Manchmal mache ich die Klappe einfach so auf, um zu sehen, ob meine kleinen Tütchen mit Hühnerfond, übrig gebliebenem Weißwein (gut, kommt selten vor), geschnittenem Suppengrün usw. noch da sind. Etwas einzufrieren, gibt mir sofort das Gefühl, ein ordentliches Leben zu führen, und weil ich eigentlich ein sehr unordentliches Leben führe, habe ich das Gefühl nur selten und weiß es zu schätzen. Es macht mich glücklich, zu wissen, dass meine kleine Tiefkühltruhe gut gefüllt ist und auf mich wartet.

Und nun das!
Gerade der Anruf: von 15 Eizellen haben sich neun befruchtet, von denen aber zwei zu mickerig sind und es wohl nicht schaffen werden. Also sieben. Sieben Kinder, das ist ja wie bei Katholiken! Oder wie bei der Kelly Familiy (die natürlich auch katholisch ist, oder?) Sogar die Jacksons waren nur fünf!

Sieben. Ich sehe mich schon bei Wal Mart einkaufen und den Wagen mit hausgroßen Cornflakes-Packungen vollladen. Dann verstaue ich das alles in meinem Mini-Van und karre es nach Hause, wo Tick, Trick, Track, Dicky, Ducky und Dacky und die Nr.7 schon ganz aufgeregt auf mich warten. "Mami, Mami, hast du uns was mitgebracht?" "Schnauze."

Gut, die Phantasie mit den sieben Kindern scheint mir nicht so zu liegen. Aber trotzdem bin ich schrecklich froh und dankbar, dass es sieben sind und nicht eine. Oder null. Hoffentlich ist für meine zwei Zimmergenossinnen auch was übrig geblieben.

Mal sehen. Selbst bei vorsichtigster Prognose müssten bis übermorgen doch noch zwei zum Einsetzen übrig sein. Und vielleicht sogar eine zum Einfrieren! Läuft.

Was bisher geschah

Und jetzt noch mal in Ruhe und vor allem nicht im Liegen. Inzwischen darf ich nämlich wieder aufstehen. Und weil ich im Sitzen viel besser tippen kann, gibt es nun den ausführlichen Bericht, wie so was eigentlich läuft, so eine Punktion. Wobei ich ja bei den entscheidenden Ereignissen leider nicht dabei war. Aber alles andere erfahrt ihr jetzt.

Also. Sonntag Abend warf das Ganze schon seine Schatten voraus, denn man hat zu dieser OP nüchtern zu erscheinen. Meine letzte Malzeit gab es deshalb Sonntag am späten Nachmittag, und weil die Mädchen bis fünf Uhr früh die Haare geschüttelt hatten (da lagen ich und mein gewaltiger Bauch längst im Bett), bestand die Mahlzeit vor allem aus Käse und Mayo. Ich hatte einen Cheesie, 6er Nuggets mit Senfsauce, einen Fischmac, der jetzt blöder heißt und blöder schmeckt als früher, große Fritten und einen Salat. Also im Grunde einen Salat mit Garnitur. Im Nachhinein frage ich mich natürlich, ob ich nicht noch mehr auf das Mayo-Thema hätte eingehen sollen, immerhin könnte ab Donnerstag damit Schluss sein, wenn alles mit rohen Eiern drin verboten ist. Aber weiter, zur Sache, das wollen die Leute ja alles gar nicht wissen.

Nachdem wir alle vollkommen geplättet waren von dieser Bauarbeitermahlzeit, sind die Hamburger Mädchen ins Auto gestiegen und haben sich auf den Heimweg gemacht. Unterwegs habe ich festgestellt, dass ich auch im Sitzen Schwierigkeiten habe, an meinem Bauch vorbei auf meine Füße zu gucken. Eine kleine hormongesteuerte Schwangerschafts-Preview also, nur ohne Spucken und ohne dass dauernd alle meinen Bauch anfassen wollten. Drei zähe Stunden später war ich zuhause und musste mich komplett rasieren mit einem Rasierer, der nun seit bestimmt zehn Tagen im Gebrauch ist. Wenn nicht schon länger. Es zwickte zwar, aber am nächsten Tag war die Lage nicht so schlimm wie erwartet, ein Hoch auf die guten Venus-Klingen! (Vormerken für die nächste Liste mit goldenen Regeln: Rasierklingen kaufen. Weiße Socken kaufen. Als modebewusste junge Frau hat man ja heute gar nicht mehr unbedingt weiße Socken da, und meine Klinik besteht auf hellen Socken zur OP. Warum, weiß kein Mensch, vielleicht, damit sich das nicht beißt mit den Arztkitteln?) Um kurz vor elf war ich bettreif, dachte aber, ich tue die ganze Nacht kein Auge zu. Aber das denke ich schnell mal, ich habe geschlafen, als würde am nächsten Morgen ein Friseurtermin anstehen und keine Follikelpunktion.
Morgens dann nüchtern, hungrig, durstig, geduscht, ungeschminkt und in den weitesten Jogging-Klamotten der Welt abmarschbereit. Nur L. verstand die Eile nicht. „Um fünf Minuten wird es wohl nicht gehen, oder?“ Ich war kurz vorm Durchdrehen. Da dreht sich nun wochenlang mein ganzes Leben um diese blöden Spritzen und Sprays, und Monsieur sitzt vorm Frühstücksfernsehen und hat alle Zeit der Welt. Dann dachte ich aber, das sind ja tolle Aussichten für ihn, wenn ich in Zukunft bei jedem Krach mit meinen Spritzen ankomme und damit, was ich schon alles geleistet und getan hätte. Die große Krise konnten wir also zum Glück abwenden, indem ich kurz rausgegangen bin und dem Müllcontainer einen Tritt verpasst habe, und dann kam er auch schon, und genau zum abgemachten Termin standen wir zwei vor dem Empfangstresen. Und hatten diesmal tatsächlich alle Papiere dabei. Und Crinone. Und den Bademantel. Und auch sonst alles richtig gemacht. Von diesem Moment an breitete sich in mir ein großes, sanftes und unfassbar beruhigendes Gefühl aus, dass alles seine Ordnung hat. Wir durften uns noch kurz verabschieden, dann musste L. an seinen Teil des Jobs gehen, und ich durfte in mein OP-Hemdchen schlüpfen, das Häubchen anziehen und die weißen Socken zu ihrem ersten und vermutlich auch einzigen Auftritt in ihrem Leben überziehen. Dann noch kurz das Anästhesie-Gespräch (bin ich alter Hase drin, Vollnarkose Nr.7 in den letzten drei Jahren) und ab in den OP. Nettes Geplauder mit den Schwestern und Ärzten, aus dem ich mich dann irgendwann ausgeklinkt habe. Und das (für alle, die das noch nie erlebt haben) geht so: Kleiner Pieks mit großer Vorwarnung, dass es nun gleich echt weh tun kann, in der Armbeuge, dann wird eine große Spritze (so eine wie die, die wir als Kinder zum Spielen hatten) angesetzt, darin eine weiße Paste, und während die langsam reingedrückt wird, kribbelt erst der Arm und dann das Gesicht. Das ist ein bisschen fies, vor allem, weil man gleichzeitig den Geruch von Stinkwanzen in der Nase hat. Zwei Sekunden später ist man schon ganz tief in diesem Stinkwanzenland. Und wieder zwei Sekunden später liegt man plötzlich in seinem Bettchen und fragt sich, wieso man denn jetzt doch nicht operiert wurde, bis der Arzt reinkommt und einem erzählt, wie es lief.
Und es lief gut, damit hab ich ja gestern schon angegeben. Was ich aber noch nicht erzählt habe, ist, dass ich mich gestern fast ein bisschen geschämt habe für meine fette Beute, denn die anderen beiden Frauen im Zimmer hatten zwei und drei Eier und waren darüber sehr traurig. Da fühlte ich mich doch ein bisschen als Eierprotz, eine dezentere Zahl hätte es auch getan. Warum nicht gleich fünfhundert? Oder Milliarden?
Aber wir werden sehen, was davon heute noch da ist.

Jedenfalls lag ich dann noch zwei Stunden da, bekam drei Infusionen, irgendwann auch einen Tee und Kekse und freundliche Belehrungen, was nun erlaubt sein wird und was nicht.

Also. Ich muss...

- mir jeden Morgen ein Röhrchen Crinone einführen, wobei ich gespannt bin, ob es sich wieder zu Fensterkitt verklumpt und mir in kleinen Stückchen in die Unterhose rieselt

- jeden Morgen und jeden Abend 90 Minuten nach der Malzeit ein Antibiotikum schlucken, damit die kleinen Würste es auch sauber und ordentlich haben, wenn sie einziehen

- jeden Tag zwei Gläser angerührtes Sportler-Eiweiß-Pulver trinken, damit das alles gut verheilt und sich keine Zysten bilden

- Unmengen trinken, am besten Fenchel-Anis-Kümmel-Tee (hartes Los, ich hasse sowohl Fenchel als auch Anis)

- Komplett liegenbleiben für 24 Stunden, danach schonen

- heute Wache neben dem Telefon halten für den großen Moment, wenn der Anruf kommt

Ich darf nicht:
- heiß duschen oder mir heiße Wärmflaschen auf den Bauch packen

- Sachen essen, die mich aufpumpen, was in meinem Fall nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Bohnen und Kohl ausschließt, sondern auch Weizen und Milch

- Sport treiben, worauf ich aber im Moment eh nicht käme, denn der Bauch ist immer noch eine Wucht, ich bräuchte für ihn so eine Art Sport-BH

- schwer heben, wobei schwer laut Schwester gestern schon bei solchen Dingen wie einem Jutebeutel mit einem Paar Hausschuhe drin anfängt.

Das ist doch eine überschaubare Liste.
Den Tag gestern habe ich übrigens mit einem kleinen Nickerchen am Nachmittag und zwei (2!) Ibuprofen dufte überstanden. Das haben die alle ganz toll gemacht diesmal. Es drückt noch ein bisschen, und ich renne am Tag achtzehnmal aufs Klo, aber das ist doch nur Pipikram für jeden, der schon mal einen richtigen Schnupfen überlebt hat.

So. Und nun wisst ihr Bescheid.

Montag, 22. Juni 2009

15

Stell dir vor, du wünscht dir einen Wellensittich zu Weihnachten, und dann steht ein Pony unterm Weihnachtsbaum. 15 Eizellen! Kein Wunder hatte ich einen Bauch wie eine Jahrmarktsattraktion, es wurden sogar mehrere Fotos von ihm gemacht. Und auch sonst großer Glückstag heute. Die Narkose hat genau das gemacht, was sie sollte, und nichts sonst, keine Übelkeit, keine Müdigkeit, nichts. Und die Schmerzen sind mit bisher zwei Ibuprofen auch gut hinzukriegen. Jetzt liege ich im Bett, gucke mir BBC-Kostümfilme an, esse magenschonende Hühnersuppe und fühle mich wie zehn Ponys zum Geburtstag. L. sagt, ich soll den Ball flach halten und mich nicht zu früh freuen, und womit? Natürlich mit Recht! Es stimmt ja, dass wir auf jeden Fall den Anruf morgen mittag abwarten müssen, bis wir wissen, wie viele der kleinen Racker die Nacht und die Befruchtung überstanden haben. Und selbst wenn morgen noch viele gut aussehen, kann sich das alles noch ändern bis zur Rückübertragung oder bis zum Einfrieren.

Und ich würde gerne noch ausführlicher schreiben, wie das alles nun genau war, aber damit muss ich bis morgen warten, ich liege hier so komisch krumm beim Tippen, das ist bestimmt nicht gut. Im Moment halte ich lieber still, lasse mir den Wind durch die Balkontür um die Nase wehen und denke an die 15 kleinen Dinger, die im Moment irgendwo am anderen Ende der Stadt liegen. Noch nicht mal ein Embryo und schon auswärts übernachten. Um zehn seid ihr im Bett, esst nicht zu viel Chips, guckt keine schlimmen Filme und wehe, ihr macht Telefonstreiche!

Sonntag, 21. Juni 2009

Die Eier auf Abschiedstournee

Uffuff, vier knallvolle Tage ohne auch nur zehn Minuten Zeit für den Blog, aber dafür voller Ereignisse mit Hormonbezug. Und jetzt ist es auch schon wieder halb elf, und ich muss doch schlafen, denn die Nacht wird unruhig genug, und morgen früh muss ich unters Messer und und und...

Der Reihe nach, hilft ja nichts:
Der Ultraschall war – nuja. Der Arzt, der am Samstag früh zum Termin Dienst hatte, war mir fremd und schien es mir fast ein bisschen übel zu nehmen, dass da zwar jede Menge Eibläschen waren, aber die waren alle unterschiedlich groß. „Was ist das denn?“ Als hätte ich irgend eine Art von Quatsch gemacht. Und ich kann schwören, ich war manierlich! Jede Spritze hab ich mir auf den Punkt gesetzt, das Nasenspray sowieso, da kann man also mit mir nicht meckern. Gut. Wird wohl nicht so gemeint gewesen sein, und ich hätte auch keine Lust, meinen Samstag damit zu verbringen, einen Ultraschall-Stab in irgendwelche fremden Weiber zu stecken, der grimmige Ausdruck ist also verzeihlich. Jedenfalls bin ich gespannt, ob inzwischen die kleinen Mücker den Abstand zu den großen Brüdern aufgeholt haben. Ich hab das ganze Wochenende lang wie angewiesen Unmengen von dem scheußlichen Eiweiß-Sportler-Pulver zu mir genommen, man hilft ja gerne, wo man kann.

Nachmittags kam dann der Anruf. Da saß ich schon mitten in meinem Mädchenwochenende mit den anderen Hasen am Küchentisch in Berlin und hatte das Handy seit Stunden starr im Blick. Denn am Nachmittag sollten die Laborergebnisse vom Morgen da sein und damit mehr Informationen dazu, ob und wann es losgehen kann. Meine Spritzen und Synarela waren diesmal mit mir zusammen verreist und warteten im Berliner Kühlschrank zwischen ca. 80 Flaschen Prosecco Rosé auf ihren Einsatz. Die Frau am Telefon schien vollkommen einverstanden zu sein mit ihrem samstäglichen Einsatz, sie erklärte mir ganz nett und fröhlich, dass ich mir bitte um 18:30 das letzte Mal Synarela setzen sollte (hab ich dann auch getan), dass ich Gonal nicht mehr brauchen würde und dass ich mir bitte um 21:30 die Ovitrelle-Spritze geben sollte, die den Eisprung auslöst.

Und Montag früh um halb neun bin ich dran. Morgen also. Und L. hat auch zu tun morgen. Der Ärmste. Ich kann mir nicht helfen, aber ich hab das Gefühl, ich hab morgen den einfacheren Part.

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen. Wie viele Eizellen werden es sein? Wird mein Blutdruck wieder zicken während der Narkose wie letztes Mal? Muss ich hinterher spucken, oder wird das nur ein sehr, sehr müder Tag morgen? Werde ich es schaffen, den Rand zu halten, wenn die mich vom Stuhl losschnallen und in den Aufwachraum schieben? (Letztes Mal habe ich ihnen im Narkosen-Vollrausch eine ganz schöne Frikadelle ans Ohr geredet. Und dank Filmriss weiß ich nicht mehr so genau, worum es dabei ging, schäme mich aber trotzdem ein bisschen. Owei. Zum Glück hatte ich sonst alles richtig gemacht, war ohne Make-Up und Nagellack und mit sauberer Wäsche erschienen, hab meine Rechnung pünktlich bezahlt und nicht wieder versucht, den Ärzten ihren Job zu erklären.) Wann kommen die Bläschen zurück in den Bauch? Und werde ich eins von ihnen mal näher kennen lernen?

Mein Bauch ist so dick, dass ich meine Füße nicht sehen kann. Es wird wirklich eng da drinnen jetzt. Das Eiweißpulver sorgt auch nicht unbedingt für eine schmale Silhouette. Und beim angeordneten Rasieren fiel mir ein, dass ich ja eigentlich noch vorhatte, mir neue und schärfere Rasierklingen zu kaufen. Autsch. Und ich muss mich von Synarela und Gonal verabschieden. Bei Alf gab es eine Folge, in der die Großmutter zu Besuch ist und einfach nicht wieder fährt. Alf ist genervt. Er trägt ihr zu Ehren ein Gedicht vor: "Leb wohl, Großmama. Leb wohl, leb wohl, leb wohl. Leb wohl, Großmama. Leb wohl." Schade, gibt es nun schon, für Synarela und Gonal hätte das 1a gepasst. Wenn ich auch wieder mal sagen muss: es gibt wenig, was deinen Ruf als tapfere Person so sehr festigt, wie Spritzen, die du dir selbst setzen musst. Da kann man auf die Hasen einreden wie auf kranke Kühe, dass das nicht weh tut und auch sonst in keiner Weise schlimm ist. Sie überschütten einen nur um so mehr mit Komplimenten, wie toll man das alles macht. Dumme Hasen. Aber niedlich!

Donnerstag, 18. Juni 2009

Meine In Vitro-Angstliste

Wer sich schon mal gegen eine Phobie hat behandeln lassen, kennt das Prinzip: als Erstes brauchst du eine Angstliste. Eine Liste, die in aufsteigender Reihenfolge Situationen aufführt, die dir Angst machen. Hast du z.B. Angst vor Spinnen, dann wäre eine Situation am Anfang der Liste „Ich schlage eine Zeitschrift an einer zufälligen Stelle auf und habe plötzlich das Foto einer Spinne vor mir.“ In der Mitte der Liste steht „Ich muss in den Keller, wo gestern noch eine dicke Spinne war“. Und ganz weit unten auf der Liste könnte so etwas stehen wie „Eine Spinne läuft mir direkt über das Gesicht.“

Wenn ich so eine Liste für In Vitro aufstellen müsste, dann würde sie ungefähr so aussehen:

1.Ich bekomme zufällig mit, dass eine mir fremde Person es „mal mit künstlicher Befruchtung probiert“ hat, aber dass es nicht geklappt hat.

2.L. fragt sich laut, warum bei uns alles so kompliziert sein muss. (Das ist noch nie vorgekommen, aber mir ist auch noch nie eine Spinne übers Gesicht gelaufen.)

3.Ich googele so herum (ganz gegen meine Gewohnheit) und stoße z.B. auf einer großen Kinderwunsch-Seite zufällig auf die Artikelüberschrift „Krebs nach IVF“. Und sofort weiß ich wieder, warum ich normalerweise nicht so herumgoogele.

4.Ich liege nachts um drei hellwach im Bett und denke seit einer Stunde darüber nach, dass ich in vier Jahren 40 bin.

5.Ich habe mir gerade außer Haus im Waschraum ein Medikament verabreicht und plötzlich die fixe Idee, dass ich dabei einen Fehler gemacht oder etwas Wichtiges nicht beachtet habe. Und ich habe keine Chance, jetzt sofort in meinen Therapieplan oder auf den Beipackzettel zu gucken, um mich zu beruhigen, denn meine Papiere liegen ja zu Hause.

6.Ich habe mir gerade meine Spritze in den Bauch gegeben, und auf einmal laufen zwei durchsichtige Tröpfchen aus dem kleinen Loch, das die Spritze gemacht hat. Was ist DAS? Kommt jetzt das ganze Gonal wieder raus? Ist es jetzt zu wenig, um zu wirken? Soll ich nochmal? Große Aufregung.

7.Ich sitze im Wartezimmer meiner Klinik, sehe die anderen Patientinnen da sitzen, die meisten sehen furchtbar resigniert und fertig und mutlos aus, und auf einmal denke ich: ich bin eine von ihnen.

8.Eine fremde Person wie ein Arzt oder ein Krankenkassenmitarbeiter bezeichnet mich als „unfruchtbar“ oder „steril“ (wie in „natürlich erstatten wir ihnen die Kosten aufgrund ihrer Sterilität.“)

9.Ich habe ein Kind auf dem Arm, und es fängt an zu heulen. Können Kinder das riechen? So wie die Tiere fliehen, wenn ein Erdbeben kommt?

10.Die Klinik verschlampt etwas. Z.B. bekomme ich ein Rezept, auf dem die Hälfte fehlt, und nur weil das nicht mein erster Versuch ist, merke ich es rechtzeitig. Sofort fährt das Kopfkino auf Hochtouren. Was, wenn die noch viel mehr verschlampen, aber ich merke es nicht? Was, wenn die meinen Namen auf die Eizellen irgend einer Frau kleben? Was, wenn L.s Sperma gar nicht L.s Sperma ist? Was, wenn... ihr könnt es euch vorstellen.

11.Ich liege auf dem Stuhl, und einer der Ärzte steckt dieses Ultraschall-Ding in mich rein. Auf dem Schirm ist graues Gewusel zu sehen, und es vergehen mehrere Sekunden, bis der Arzt etwas sagt. WAS? SAGEN SIE ES MIR!

12.Ich spreche mit einem Arzt, und er runzelt die Stirn. WAS? SAGEN SIE ES MIR!

13.Ich spreche mit einem Arzt, und er lächelt mich besonders freundlich an. WAS? SAGEN SIE ES MIR!

14.Ich lese zufällig von einer Sache, die angeblich über Erfolg oder Pleite bei IVF entscheidet, und von der ich noch nie gehört habe.

Die Liste wird fortgesetzt.

Wo sehen Sie sich in zwei Monaten?

Vor zwei Monaten, als ich noch dachte, ich hätte nur vier Wochen bis zum nächsten Versuch, hab ich mir eine Liste geschrieben mit Sachen, die ich unbedingt bis dahin machen will. Dann hatte ich sogar acht Wochen Zeit, also standen die Chancen nicht schlecht, alles zu schaffen. Mal sehen:

1. Ich muss unbedingt Muscheln essen.

Hab ich, und zwar nicht nur ein mal. Da waren die Spaghetti Vongole beim Italiener mit den nettesten Kollegen der Welt. Dann waren da die Miesmuscheln als Vorspeise beim Franzosen. Die anderen Miesmuscheln und die zähen, aber leckeren Pfahlmuscheln in New York. Ach, Muscheln. Gute Tiere!

2. Ich will einen ganzen, langen Sonntag in der Sauna verbringen und meine Eizellen langsam durchschmoren ohne Angst vor erweiterten Adern, Blutungen, Pilzen oder sonstwas.

Hab ich nicht. Nun muss ich mich fragen, wieso. Hm. Einerseits waren die Perioden diesmal lang und schmerzhaft, und damit geh ich nicht in die Sauna. Andererseits hatte ich in den letzten Wochen zwar viel Zeit, aber auch jeden Tag einiges zu tun, und das alles so runterzureißen, dass ich mich dann einen ganzen Tag in die Saune verziehen kann, das hätte ich mich nicht getraut. Und als ich noch fest gearbeitet habe, waren die Wochenenden alle dicht. Nächstes Mal, versprochen!

3. Ich will überhaupt ganz viele Sachen essen, bevor sie wieder verboten sind. Steaks, Sushi, Mayonnaise, Krabben, Minze.

Ja, ja, ja, ja, ja und ja.

4. Achterbahn fahren, und das, obwohl es mir eigentlich gar nicht so viel Spaß macht. Aber ich will nicht schwanger sein, plötzlich fürchterliche Lust auf Achterbahn fahren haben und dann denken: hätte ich das mal gemacht, als es noch ging.

Hab ich, und zwar in ganz großem Stil: auf der uralten Holzachterbahn in Coney Island. Das ganze Ding erinnerte an diese Schienen im alten Bergwerk, auf denen Indiana Jones in diesem Kohlenkarren entkommt. Lustigerweise hängen in dieser Achterbahn Schilder, auf denen steht „Please remain seated“, als käme irgend jemand auf die Idee, zwischendurch aufzustehen und die Aussicht zu bewundern. Aber so muss es wohl gewesen sein, sonst würden die Schilder da nicht hängen. Jedenfalls: Punkt 4, Haken dahinter. Und zwar mit Schweinchen.

5. Eine Nacht mit den Mädchen. Erst auf die Schanze, dann auf den Kiez und nach Hause kommen zu einer Uhrzeit, um die es bei meinen Großeltern schon Mittagessen gab.

So Mittel. Zwar hatten wir mindestens eine lustige Nacht, aber niemand kam nach fünf Uhr früh nach Hause, jedenfalls nicht ich. Ach, ich werde wohl doch alt. Und man sollte sich nicht zu unrealistische Ziele setzen. Sagen wir nächstes Mal doch einfach: um eine Uhrzeit, um die meine Oma schon den Tisch fürs Mittagessen deckte.

6. Einen vollkommen ungeplanten und sinnlosen Flug in irgendeine Stadt buchen. Einfach so, weil ich das darf.

Ungeplant und sinnlos? Nein. Aber geflogen bin ich, weil ich durfte. (Man muss sich ja auch nicht plötzlich aufführen wie diese Leute in Filmen, die wissen oder jedenfalls denken, dass sie nur noch vier Wochen zu leben haben. An der Fassade berühmter Wolkenkratzer herumbalancieren und so. Sich Wasserfälle herunterstürzen.)

7. Meine engste Jeans anziehen, die mir schon seit fünf Jahren nicht mehr passt, und so lange darin bleiben, bis meine Füße und mein Kopf blau anlaufen.

Leider nein. Das wäre beim jetzigen Stand der Dinge in die Kategorie "sich Wasserfälle herunterstürzen" gefallen. Hätte ich härter mit mir sein sollen? Mehr Reiscracker, weniger Reiswein?

8. Laufen gehen, und zwar so schnell, dass die Bäume um mich herum zu einem langen grünen Streifen verschwimmen.

Laufen war ich ein paar Mal, aber in ganz gemächlichem Mutti-tut-mal-was-für-die-Figur-Tempo. Verdammt. Haben die Hormone mir jedes bisschen Pfeffer genommen?

9. Am hellichten Tag Alkohol trinken, während andere Leute brav im Büro sitzen.

Ja nun.

10. Vom Dreier springen. Oder irgendwo schwimmen, wo Baden verboten ist.

Habt ihr in letzter Zeit mal den Wetterbericht gesehen? Irgendwie... nein. Nicht, so lange ich zuerst das Eis von der Badestelle hacken muss.

11. Auf dem Fahrrad die miesesten Kopfsteinpflasterstrecken der Stadt abfahren.

Ich kann nicht garantieren, dass es die miesesten Stellen waren, aber sie waren schon ordentlich mies. Also ja.

Gut. Bleibt die Frage, was ich mir für nächstes Mal vornehme. Natürlich das Gleiche noch mal. Aber zusätzlich hab ich mir überlegt, doch noch mal eine Woche zu fasten. Nein, ihr Mädchen, schreit mich nicht gleich wieder an: ich weiß, ich hab geschworen, das nie wieder zu tun, aber diesmal wird die Laune besser sein, denn ich muss ja nicht arbeiten! Und kann infolgedessen auch nicht gezwungen werden, mit einem schwarzen Loch im Bauch drei Stunden Meeting vor einer riesigen Platte Franzbrötchen zu verbringen oder den ganzen Nachmittag im Mittagessensdunst meiner Kollegen zu sitzen. Auf die Art werde ich den Hormonmüll los und den Hormonspeck hoffentlich gleich mit.

Und was noch? Eins ist klar: Im August wird geheiratet. Und entweder, ich bin dann schwanger und sehr glücklich darüber und werde mich den ganzen Abend mit dem köstlichen Erdinger Alkoholfrei trösten, bis mir die Vitamine zu den Ohren wieder rausschäumen, oder ich werde einfach heiraten und tun, was man bei dieser Gelegenheit eben so tut.

Und falls nun jemand denkt: das klingt fast so, als würde sie sich über ein negatives Ergebnis freuen, die will das ja gar nicht richtig – doch, will sie, aber ich hab auch keine Lust, ohne Baby in eins dieser sagenhaften tiefen Löcher zu fallen. Und wenn das doch passieren sollte, ist es doch schön, wenn es da unten im tiefen Loch etwas gibt, womit man sich die Zeit vertreiben kann, bis es wieder los geht.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Blumen waren aus

Gestern hatte L. Geburtstag, und zur Feier des Tages durfte er alles bestimmen. Und weil er nicht zu mir gesagt hat „Los, alte Socke, setz Dich hin und schreib einen neuen Blogeintrag, aber zack-zack“ gab es gestern ausnahmsweise keinen Eintrag. Dafür will ich heute die Feierlichkeiten fortsetzen mit einem Eintrag zu Ehren von L.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch Leute kennen würde, die manchmal das Falsche sagen oder fragen. Nicht meine Freunde, aber eben irgendwelche Leute. Und aus deren Mund kommen dann manchmal solche Sätze wie „tja, mit XY (Name eines Ex-Freundes einfügen) wäre es vielleicht noch gegangen, hmmm?“
Und die Antwort darauf muss immer lauten: 1. weiß ich nicht, keine Ahnung, wie lange ich schon empfängnisbehindert bin, und 2. nein, weil darum.

Dieses „darum“ besteht aus all den Gründen, wieso ein Kind mit L. toll wäre und mit den anderen eben nicht. (Übrigens nicht nur ein Kind, sondern auch so ziemlich alles andere.)

Da war z.B. N.
Müsste ich sagen, was an N. anders war als an L., dann würde ich morgen noch hier sitzen, deshalb will ich versuchen, mich auf die wichtigsten Unterschiede zu beschränken. Unter anderem hat L. verglichen mit N. folgende nervtötenden Eigenschaften nicht: Er ist nicht geizig, er ist nicht zerfressen von chronischem und unstillbarem Misstrauen, er hat nicht diese merkwürdige und zum Glück seltene Charakter-Kombi aus Verschlossenheit und Indiskretion. Obwohl L. sehr intelligent ist, hält er im Gegensatz zu N. nicht grundsätzlich alle anderen Leute für Idioten, es sei denn, Diplome und staatliche Ehrungen beweisen das Gegenteil (und selbst dann... heutzutage kann ja jeder Idiot...), er ist nicht vollkommen besessen von einem Ehrgeiz, der sich auch auf Leute aus seiner Umgebung erstreckt (das Prinzip Hockey-Mum) und der dafür sorgen würde, dass für unsere Kinder die Schulzeit und das Studium die Hölle wäre, er zieht sich nicht an wie ein Rentner, er sagt, was er denkt, und was er denkt, will ich gerne hören. Er vermutet nicht hinter allem eine Intrige, die sich gegen ihn richtet, er müllt einen nicht zu mit sinnlosen Aufgaben und jammert dann herum, wenn man sie nicht „planmäßig“ erledigt, überhaupt nimmt „Planmäßigkeit“ in L.s Leben zum Glück einen sehr geringen Raum ein. Er nimmt auf der Straße meine Hand. Er trinkt Wein und guckt mich nicht an wie einen Junkie, wenn ich auch welchen trinke. Er verkneift sich und anderen nicht dauernd alles, was schön ist. Er hat keine Arbeit-für-fünf-Psychiater-Probleme mit seiner Kindheit. Er hat Freunde.

Dann war da O.
O. war im Gegensatz zu N. kein offensichtlicher Freak, sondern ein fröhlicher, lustiger, schlauer und wirklich sehr hübscher Kerl. Warum der sich in mich verguckt hat, habe ich nie verstanden, ich hätte nicht gedacht, dass ich sein Typ bin, und er dann wohl irgendwann auch nicht mehr. Die Gründe, warum ich mit L. besser dran bin als mit O., sind nicht ganz so offensichtlich wie bei N. Damit will ich sagen, die Gründe sind nicht mit Neonfarbe angestrichen, haben keine heulende Sirene auf dem Dach, sind nicht 20 Meter hoch und werden nicht von riesigen Scheinwerfern angestrahlt. Aber sie sind immer noch sehr gut erkennbar. L. hat zum Beispiel im Gegensatz zu O. nicht nur Fotos in seiner Wohnung hängen, auf denen er selbst zu sehen ist und möglichst gut aussieht. Er WILL im Gegensatz zu O. Kinder (die offensichtlichen Unterschiede darf man nicht vergessen). Er verschwindet nicht einfach wochenlang und geht nicht mehr ans Telefon. Er hat keine merkwürdigen wunden Punkte in seiner Vergangenheit, die er erst düster andeutet und über die er dann auf gar keinen Fall reden will. Er ist kein Kettenraucher. Er ist nicht süchtig danach, sich alle paar Wochen neu zu verlieben. Wenn ein müder Kneipenbesitzer ihm morgens um vier sagen würde, dass jetzt Feierabend ist, würde er nicht mit ihm diskutieren und ihn „Spießer“ nennen. Überhaupt neigt er nicht dazu, Leute als Spießer zu bezeichnen, weil sie irgendwas anders sehen als er. L. liebt es, Pläne zu machen für eine Zukunft, die weiter weg ist als 24 Stunden. L. bekommt keine Existenzkrise, weil eine 20jährige ihn gesiezt hat. L. wäre bereit, einen Raum in seiner Wohnung für ein Kind herzugeben (was bei O. schon allein deshalb schwierig wäre, weil das eventuell bedeuten könnte, dass er in diesem Raum in Zukunft keine sensiblen Portraitfotos von sich selbst mehr aufhängen kann). L. hat einen Führerschein. L. ist im Gegensatz zu O. nicht dann am liebevollsten, wenn er die meisten Bierchen hatte.

Dann war da noch J.
J. war eigentlich ganz toll. Aber da waren wir beide noch zu klein. So lange man es noch für nötig hält, seine verhassten Schul-Leitz-Ordner aufzubewahren („wer weiß, wozu?“), ist man noch zu klein für Kinder. So lange man sich noch mit seinen Eltern streitet, ob man Motorrad fahren darf oder nicht, ist man auch noch zu klein. So lange man noch zusammen zuckt, wenn die Dosenbiergang in der Fußgängerunterführung rumlungert. So lange man noch Schminktipps aus der Brigitte Young Miss ausprobiert. Und so lange man noch in jeden französischen Autorenfilm rennt, vermutlich auch. Aber obwohl J. so toll war und der beste erste Freund, den man sich wünschen kann, außerdem der einzige meiner Ex-Freunde, den ich heute noch wirklich gerne sehe, gibt es doch noch eine Menge Gründe außer dem Alter, warum ich jetzt mit L. hoffe, dass die Hamsterspritzen wirken, und mit J. gehofft habe, dass die Pille danach gewirkt hat. Zum Beispiel hat L. mich noch nie betrogen. Wenn er mir was erzählt, schalte ich fast nie auf Durchzug, und ich schalte schnell auf Durchzug. (Ich bin sogar imstande, während einer Gehaltsverhandlung auf Durchzug zu schalten.) L. jammert nicht wochenlang herum, wenn irgend was nicht so klappt, wie er denkt. L. hat noch nie schlechte Laune als Druckmittel benutzt, er hat mich noch nie in eine Lage gebracht, in der ich mich zwischen meinen Freunden und ihm entscheiden musste, und ich habe nie das Gefühl, irgend etwas wurschtegales unbedingt tun oder lassen zu müssen, weil es ihm sonst ganz, ganz doll schlimm weh tut. L. hat keine Platten von Cat Stevens und spielt GOTT SEI DANK! nicht in einer Band mit, in deren Repertoire Gitarrensoli eine große Rolle spielen und deren Mitglieder sich hassen. Und er nimmt nicht Mix-Kassetten für irgendwelche Mädchen auf. Seine Verwandtschaft wohnt nicht direkt nebenan und fragt alle zwei Tage nach Enkelkindern. Er ist nicht ständig pleite und kann deshalb mit mir essen gehen, einkaufen oder verreisen, ohne dauernd über die Preise zu jammern.

Ich merke gerade, dass das alles 1a Gründe dafür sind, mit L. zusammen zu sein. Mit Kindern zu tun haben viele davon für euch vielleicht nicht so viel. Für mich aber doch. Denn ich glaube ganz fest, dass das Zusammensein zu zweit auf jeden Fall grobe Anhaltspunkte dafür liefert, wie das Zusammensein zu dritt oder viert oder fünft sein kann.

Und was das betrifft, wollte ich heute nur mal sagen, auch wenn er das nie lesen wird*: Also, das Zusammensein zu zweit, das kann L. richtig gut. Und das schreibe ich bestimmt nicht nur, weil er Geburtstag hat.

Er ist vielleicht ein Geburtstagskind, aber ich bin ein Glückskind.

* Doch doch, L. weiß, was ich hier tue, und ich habe ihm schon oft gesagt, dass er das auch lesen darf. Aber er will nicht. Ich kann euch nicht sagen wieso, aber ich finde, das ist ein weiterer Pluspunkt. Einer von ungefähr acht Millionen.

Montag, 15. Juni 2009

Dicke Eier

Gerade habe ich mir Spritze Nr.5 gesetzt, und jetzt laufe ich hier rum und mache einen auf dicke Hose. Von meinen fünf Jeans passen mir nur noch die großen zwei, die ich von L. geerbt habe (Gott segne und behüte den Boyfriend Look, wär ich auf Röhren angewiesen, müsste ich nackt gehen). Über mein neues Gewicht halte ich fein die Klappe, das werdet ihr sicher verstehen. Es fühlt sich an, als würden da unten gewaltige Mengen heranwachsen. Werden es wieder elf? Kann ich mir gut vorstellen, vielleicht auch mehr. Zum Glück habe ich hier zu Hause kein Ultraschall herumstehen, sonst würde ich täglich dreimal nachsehen. (Eine Frau in einem Blog war durch In Vitro schwanger geworden und hat sich so ein Gerät gekauft, mit dem man Babys Herztöne ständig kontrollieren kann. Das wäre mein Ende. Wer sowas auf den Markt wirft, hat jedenfalls keine Aktien in Restaurants, Kinos und anderen Dingen, für die man das Haus und den Herztonüberwacher für ein paar Stunden verlassen muss. Wehe, jemand kommt auf die Idee, mir sowas zu kaufen.) Nun gibt es in diesem Haushalt also zwei Menschen mit dicken Eiern. Bisher aber keine heftigen Zusammenstöße und Revierkämpfe. Zum Glück für mich hält sich das Gerücht ja hartnäckig, das wäre nun die Zeit, in der wir armen zarten Frauen für unser Verhalten und unsere Laune nicht zur Verantwortung zu ziehen sind. Ich genieße hormonelle Immunität. Bis Abends im Schlafanzug auf dem Sofa liegen und Mädchenserien glotzen? Stundenlang weinen und schmollen, weil L. den falschen Käse gekauft hat? Mit den Füßen stampfen, weil mir niemand den Rücken massiert? Hab ich bisher noch nicht gemacht, aber ich wiege mich in dem Gefühl, wenn ich wollte, könnte ich, und L. würde mir dafür nur gerührt über den Kopf streicheln.

Sonntag, 14. Juni 2009

Das Fenster zum Hof

Gerade habe ich mir wieder eine Spritze verpasst. Und während ich so dastehe, mein Kleid zwischen den Zähnen, den Bauch zur bewährten Wurst gepresst und die Spritze im Anschlag, sehe ich, wie auf einem Balkon gegenüber eine vollkommen entgeisterte alte Frau zu mir rüber guckt, dann entrüstet das Gesicht verzieht, in ihre Wohnung verschwindet, die Balkontür hinter sich zuknallt und die Gardine zureißt. Hätte sie noch Holzfensterläden gehabt, hätte sie die sicher auch zugehauen. Was hat die wohl gedacht, dass ich hier an einem Sonntagabend in meinem Blümchenkleid stehe und mir den Tatort nachher mit einem Schuss Heroin versüßen will? (Kommt überhaupt ein Tatort oder nur so ein blöder Polizeiruf? Und wenn Tatort, ist es ein guter oder etwa einer aus Ludwigshafen? Niemand soll sagen, In Vitro würde die üblichen Alltagsfragen außer Kraft setzen.) Denkt die jetzt, die Drogenszene ist in ihrem Viertel angekommen? Oder hat sie auf die Entfernung die Spritze gar nicht sehen können, sondern mein nackter weißer Bauch war schon schlimm genug? Soo dick ist der ja wohl nicht! (Ich hab leider grundsätzlich das Problem, mich immer gegen jeden noch so bekloppten Vorwurf verteidigen zu müssen. Ich bin kurz davor, ein Schild zu malen und ihr hinzuhalten, auf dem so was steht wie „Habe Endometriose – deshalb verstopfte Eileiter – trotzdem sehnlicher Kinderwunsch – daher In Vitro und damit verbundene Spritzen! Bin CLEAN!“ Aber nach dem Gesichtsausdruck eben ist fraglich, ob sie so schnell wieder auf ihren Balkon kommt.)

Die Laune ist übrigens wieder besser. Vielleicht nur eins dieser Umstellungsprobleme. Oder einfach ein schlechter Tag. Das muss ja auch mal drin sein. Gerade eben lag ich so da mit meiner Zeitung und kam ins Überlegen und dachte mir, eigentlich ist das gar nicht sooo unwahrscheinlich, wie du immer tust, dass du in einem Jahr ein Kind hast. Oder wenigstens einen sehr dicken Bauch. Wie dann wohl das Wochenende wäre? Wären wir solche Eltern, die am Wochenende in den Zoo gehen oder in ein Hallenbad? Hätten wir im Auto immer einen Fresskorb dabei? Würde ich von vorne geschälte Gurkenstücke und Kabanossi und Butterkekse durchreichen, wie meine Mutter das gemacht hat? Hätten wir ein Ins-Bett-Bring-Ritual? Ich denke daran, wie früher die Wochenenden für meine Eltern waren. Um sieben wurde die Nacht beendet durch das Geräusch von einem Playmobil- und einem Lego-Eimer, die nacheinander umgeschüttet wurden. Kurze Zeit später die erste Heulattacke meines Bruders, der aber auch genau dieses eine Playmo-Teil will. Dann Umzug ins Wohnzimmer. Die ersten Takte der Titelmelodie vom Räuber Hotzenplotz dröhnen in erschütternder Lautstärke aus den Boxen, weil einer von uns wieder mal den Plattenteller-Knopf mit dem Lautstärkeregler verwechselt hat. Nun kriegt mein Bruder Hunger, und ich beschließe, ihm schnell eine Kleinigkeit auf meinem echt funktionierenden Puppenherd zuzubereiten. Minuten später beißende Rauchschwaden, Flüche, wieder Tränen. Dann Stille. Meine Eltern sind gerade wieder eingeschlafen, als ich (verkleidet mit Mamas weißem Spitzen-Morgenrock) mit geschlossenen Augen ins Schlafzimmer komme, mich zum Bett durchtaste und meine Eltern frage: „Dürfte ich auch noch eure Tochter sein, wenn ich blind wäre?“ Dahinter glücklich kichernd mein Bruder.

Also, ich wäre so weit.

Hat da drüben gerade eine Gardine gewackelt? Schnell, wo ist mein Edding und ein großes Blatt Papier?

Samstag, 13. Juni 2009

Wie Paprika, nur aus Hamstern

Wenn ich Paprika esse, deprimiert mich das. Bis ich das rausbekommen habe, hat es eine Weile gedauert. Darauf kommt man ja auch nicht so ohne weiteres, wenn man sich bei Essen normalerweise nur überlegt "Bio oder nicht" und "wenn ich das jetzt esse, kriege ich heute Abend meine Jeans noch zu?" und nicht "Wie verändert das meine Laune?"

Deprimiert ist eigentlich der falsche Ausdruck, ich kriege einfach eine fürchterliche Laune. Ich bin traurig, aber vor allem bin ich reizbar und entsetzlich pessimistisch, wenn ich Paprika esse. Eigentlich ein leckeres Gemüse, angeblich voller Vitamine und anderer guter Dinge. Aber es wehrt sich mit allem, was es hat, dagegen, von mir verdaut zu werden.

So. Und nun die Hamstersekrete. An der Vitaminfront vermutlich zappenduster, auch keine Ballaststoffe, dafür andere märchenhafte Qualitäten. Aber die Laune. Ich hoffe ja schwer, das wird in den nächsten paar Tagen noch besser, denn ich habe noch mindestens eine Woche Gonal vor mir. Blöder Mist. Ich bin es nicht gewohnt, schlecht gelaunt zu sein. Was macht man denn jetzt, heulen?

Ich versuch es mal mit Dorothy Parker. Tut jetzt sicher gut, etwas von jemandem zu lesen, der schlechter drauf ist.

Wie bin ich denn drauf?

Ich dachte ja nicht, dass mir das noch mal passiert. Aber ich fürchte, jetzt ist es so weit. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine medikamentenbedingte Stimmungsschwankung. Und zwar von jetzt auf gleich. Vor zwei Stunden stand ich noch in der Küche und war sehr fröhlich, was auch kein Wunder war, denn Kochen ist eine Sache, die mich auch aus dem tiefsten Tief rausreißen könnte. Ich hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, gemütlich mit dem Rad von Lädchen zu Lädchen zu bummeln und hier ein paar Zwiebeln, da ein Huhn und da ein bisschen Speck zu kaufen. Dann hatte ich meine Schätze nach Hause gebracht und hatte den ganzen Rest des Nachmittags Zeit zum Kochen. Ich stand also da, brutzelte Hühnchenteile für Coq au vin, schnibbelte Zwiebeln und Speck und war so gut drauf, dass ich sogar die Black Eyed Peas aus dem Radio ertragen habe, ohne mit den Zähnen zu knirschen. Und jetzt ist mir, ich weiß auch nicht wie. Ich fühle mich heulig und hab keine Ahnung, wieso. Als wäre jemand sehr, sehr unfair und gemein zu mir gewesen. Oder als hätte ich mir irgendetwas vermasselt. Oder als hätte ich Geburtstag, und alle sagen ab. Und ich schwöre, es gibt keinen Grund dafür. Die Sonne scheint, der Wind rauscht ganz herrlich durch die Bäume, nebenan liegt L. quietschgesund und liest die Zeitung, zwischendurch erzählt er mir von dem, was er gerade liest, das Essen war gut, heute Abend bin ich auf einer Party eingeladen, gespült hab ich auch schon wieder, und niemand will mir was Böses. So sehr ich auch nach einer anderen Erklärung suche, als Ursache kommt nur Gonal in Frage.

Verflixt. Und ich dachte, ich wäre immun gegen so etwas.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Gonal: Der schonungslose Tatsachenbericht

Als wir in der Schule zur Abschreckung „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ durchgenommen haben, dachte ich: Kann mir nicht passieren. Schon wegen der Spritzen.
Als ich mit zehn vom Mäuerchen vorm Freibad gefallen bin und mir das Knie so aufgeschlagen habe, dass der Knochen rausguckte, war meine Hauptsorge: bitte bitte bitte keine Spritze, sonst drehe ich durch, niiiiehiiiiiemals könnte ich eine Spritze ertragen.
Als ein Junge aus meiner Klasse am Blinddarm operiert werden musste, sah ich mir das Klassenfoto vom letzten Jahr an, betrachtete sein Bild und dachte mitleidig: Jaja, da hattest du noch keine Ahnung, dass es in deiner nahen Zukunft eine Spritze geben würde.
Und als eine Freundin vor ein paar Jahren operiert worden war und die Wahl hatte, sich entweder selbst täglich eine Thrombosespritze zu geben oder dafür ins Krankenhaus am anderen Ende der Stadt zu fahren, war für mich völlig klar, was ich gemacht hätte: ich hätte ein Taxi genommen, aber nicht zum Krankenhaus, sondern mit Vollgas zum Flughafen, ich wäre nämlich ausgebüchst, nur weg von diesen Spritzen.

Ich glaube, es ist klar geworden, dass ich immer Angst vor Spritzen hatte.

Bis zu diesem Tag im April, an dem ich mir meine erste Gonal setzen musste. Ein Präparat, das übrigens weder aus Bademeisterhaaren noch aus Igeln gemacht wird, wie ich gestern noch dachte, sondern aus Sekreten chinesischer Hamster. (Wer wohl auf die Idee gekommen ist, DAS auszuprobieren? Denn dass hinter dieser Entwicklung auch so ein Zufall steckt wie bei Penicillin, kann ich mir nicht vorstellen. Es sei denn... da war dieser Junge, der einen Hamster hatte. Den er heiß und innig liebte! Eines Tages sprach die Großmutter zu ihm.... nein, es hilft nichts, ich schaffe es nicht, mir eine Geschichte auszudenken, bei der die Hamstersuppe im Bauch einer Frau mit Kinderwunsch landet.)

Zurück zur Sache. Ich hatte Angst vor Spritzen, dann kam Gonal. Gonal ist für Spritzenphobiker das, was unser Königspudel für Hundephobiker war: innerhalb von fünf Minuten haben sie gurrende Laute ausgestoßen und ihm den Bauch gekrault. Das mit meiner Gonal-Erweckung ist zwei Monate her, und damals hatte ich dieses Blog noch nicht. Jetzt habe ich es, und deshalb habe ich die Chance, euch diesmal LIVE dabeisein zu lassen, wenn es hier gleich rund geht.

Jetzt werden hier nämlich Babys gemacht.

Also. Ich nehme den Karton, reiße ihn auf und sehe ein Plastikdings mit zwei Höhlungen. In einer liegen die Nadeln in ihren Plastikhüllen, in der anderen der Pen. Der Pen heißt Pen, weil diese Spritze aussieht wie ein dicker, hässlicher Kuli. Die Sorte Werbekuli, die ein mittelständischer Maschinenteilzulieferer aus dem Schwäbischen sich aussuchen würde.

Bevor ich nun aber frisch drauflosspritzen darf, muss der Pen vorbereitet werden. Ich lese nochmal die Anleitung (nur zum Vorbild für euch, denn natürlich weiß ich noch HAARgenau, wie das ging beim letzten Mal!), dann lese ich sie nochmal. Es ist eine gute Anleitung. Jeder versteht, was er zu tun hat. Und was ich zu tun habe, ist folgendes:
1.Kappe vom Pen abnehmen
2.Folie von einer Nadel abnehmen
3.Nadel mitsamt Schutzhütchen vorne auf den Pen schrauben bis zum Anschlag
4.Hinten am Pen das Ding, mit dem man bei einem Kuli rumklickern würde, auf die 37,5-Einstellung drehen
5.Das Klickerding so weit herausziehen, wie es nur irgend geht
6.Das erste Schutzhütchen von der Nadel abziehen, dann das zweite – Huch, jetzt nicht in Ohnmacht fallen, da ist sie: die NAHAHAADEL!
7.An den nadelaufwärts gehaltenen Pen klopfen, wie man das aus der Schwarzwaldklinik kennt, damit etwaige Luftbläschen nach oben in die Nähe der Nadel steigen
8.Das Klickerdings bis zum Anschlag reindrücken. Wenn jetzt keine Tröpfchen aus der Nadel quellen, Schritt 5 bis 8 wiederholen.
9.Die Hütchen wieder auf die Nadel setzen, die Nadel mitsamt den Hütchen abschrauben und wegwerfen.

Das war die Trockenübung. Nun zur Sache. Ich geh mir erst mal die Hände waschen. Ein Glück habe ich heute morgen noch die Tastatur dieses Rechners gereinigt. (Ein weiteres Beispiel für Nestbautrieb durch Hormone. So was würde ich sonst nie tun, es sei denn, ich habe Angst davor, dass meine Freunde anfangen, mich hinter meinem Rücken „Stinki“ zu nennen.)

So. Die Hände sind gewaschen. Der Küchentisch blitzt mitsamt dem darauf stehenden Rechner. Auch zwei adrett verpackte kleine Alkoholtupfer habe ich dazugelegt. (Die kriegt ihr auf Nachfrage in der Apotheke dazu, bei solchen Gold-Kunden wie uns wollen sie da mal nicht so sein.)
Ich nehme einen der Tupfer aus seiner Folie, klemme mir mein Top zwischen die Zähne, so dass ich bauchfrei dastehe, und tupfe die Gegend neben meinem Bauchnabel mit dem Alkohol ab. Bevor ihr die Nadel einstecht, sollte der Alkohol verdunstet sein, sonst kann es ein bisschen ziepen. Die paar Sekunden, bis es so weit ist, überbrücke ich, indem ich eine neue Nadel mitsamt Hütchen auf den Pen schraube und meine Dosis (steht auf dem Therapieplan) hinten am Pen einstelle. 150 sind das bei mir. Wir fangen fett an und lassen dann langsam nach.

Und nun kommts: Ist der Bauch trocken? Dann erst dickes Hütchen, dann dünnes Hütchen abziehen. Und wieder sehen wir eine Nahaaaadel, diesmal ist sie nicht für die Luft, sondern für uns. Aber wir holen keinen Pantoffel und dreschen auf sie ein. Wir suchen kein Glas und eine Postkarte, stülpen das Glas über die Spritze und schieben dann die Postkarte drunter. Wir klettern auch nicht auf einen Stuhl und kreischen. Und wir holen auch keinen Staubsauger, saugen die Spritze ein, tragen den Staubsauger in den Keller und verriegeln hinter ihm die Tür. Wir tun etwas Klügeres. Wir halten die Spritze in einer Hand und klemmen mit der anderen zwischen Daumen und Zeigefinger eine appetitliche kleine Wurst in der desinfizierten Stelle unseres Bauches ab. Je fester wir quetschen, desto weniger merken wir gleich von der Nadel.

Gut, jetzt ist die Vorbereitung abgeschlossen. Zur Sache, Spritzchen. Ich weiß noch, beim ersten Mal dachte ich, ich zähle jetzt bis drei, dann rein damit. Und irgendwie hatte ich es schon bei zwei bis zum Anschlag in mir drin und davon noch nichts gespürt. Ich habe also das große Glück, heute schon keine Angst mehr zu haben, ganz anders als ihr kleinen Heulsusen. Die gute Nachricht für euch ist: schon in fünfzehn Sekunden könnt auch ihr für immer in der anderen Mannschaft mitspielen, in der nämlich, die sich nicht mehr fürchtet.
Setzt die Nadel steil an, möglichst nah an rechtwinklig zum Bauch. Und dann lasst sie einfach in die Wurst gleiten, die ihr immer noch fest gedrückt haltet.

Das war es? Das war es fast. Jetzt müsst ihr hinten am Pen das Klickerdings bis zum Anschlag reindrücken. Um das zu tun und nicht die Wurstfalte loszulassen, müsst ihr euch eventuell jetzt mit der Hand hinten am Pen hocharbeiten, falls ihr versteht, was ich meine. Und selbst das – der Pen bewegt sich IN EUCH DRIN – werdet ihr nicht spüren. Ihr könntet jetzt übermütig werden wie Leute, die beweisen wollen, dass sie keine Angst vorm Aufzug haben und auf und ab hüpfen. Aber stattdessen macht ihr es wie ich und drückt einfach das Klickerdings rein. Und jetzt müsst ihr die Nadel noch zehn Sekunden lang in euch drinlassen und dabei das Klickerdings gedrückt halten.

Dann raus damit. Schraubt die beiden Hütchen wieder drauf, setzt die Kappe auf den Pen, werft die verbrauchte Nadel samt Hütchen weg, und falls sich ein bisschen Blut zeigt (tut es so gut wie nie), tupft ihr das mit dem Alkoholtupfer ab. Pflaster braucht ihr keins. Jetzt könnt ihr eure Freunde anrufen und erzählen, wie easy-peasy das war oder (je nach Charakter) wie unfassbar HART und SCHMERZHAFT das war, aber dass ihr es trotzdem verdammt noch mal durchgezogen habt.

Ich bin kein Arzt und auch sonst keine Gesundheitsautorität, aber ich würde jetzt zur Feier des ersten Mals ein Glas Wein trinken. Für meinen Geschmack passt ein schöner Cremant oder Prosecco auch sehr gut zu Hamstersekreten.

Und morgen nehmt ihr die andere Seite vom Bauchnabel.

Mittwoch, 10. Juni 2009

Loch im Bauch

Unterbrechungen sind eine feine Sache. Sechs Wochen Sommerferien, und ich stehe aufgeregt im Schreibwarenladen, kaufe mir von meinem ganzen Taschengeld neue Buntstifte, einen Tintenkiller, neue Hefte und einen neuen Radiergummi, und wenn das Geld noch reicht, auch ein Wackelbild-Snoopy-Lineal. Und ich freue mich darauf, sie zu benutzen, und wie! Fünf Jahre nicht gesehen, und ich bin ganz wild auf mein Abitreffen, wo ich dann Nudelsalat mit Leuten esse, vor denen ich mich früher größtenteils entweder gefürchtet habe oder die ich nicht leiden konnte. Elf Monate Unterbrechung, und ich bin glücklich, wenn ich „Last Christmas“ im Radio höre. Sechs Monate nicht zuhause, und ich könnte heulen vor Rührung, dass meine Eltern die Dusche im Kinderbad immer noch nicht repariert haben. Und fast zwei Monate Pause, und ich freue mich wie Bolle, dass ich mir morgen eine Spritze mit einer Flüssigkeit setzen darf, die vermutlich aus dem Urin von syphilitischen Igeln oder aus den Haaren alternder Bademeister gemacht wird. Irgendsowas halt. Ich hab schon vergessen, was es genau war, aber es war eklig, und ich habe es lieber schnell vergessen und NICHT WEITERGEGOOGELT, auch wenn ich auf meinen Händen sitzen musste, um mich zu beherrschen.

Ich freu mir ein Loch in den Bauch, dass ich mir morgen ein Loch in den Bauch mache.
Gonal, alte Suppe, du hast mir gefehlt! Und morgen kommt dann der Bericht, der auch den Ängstlichsten unter Euch klar macht, dass ihr euch nicht fürchten müsst. Jedenfalls nicht davor.

Zweihundertneunundneunzigneunzig

„Sieht super aus da unten. Tolle Schleimhaut, keine Zysten, sehr schön.“

Komplimente, die man selten bekommt. Aber das sind ja oft die schönsten. Jedenfalls hat der ganze Termin zehn Minuten gedauert, und ich habe mal wieder gemerkt, dass ich normalerweise eher mit miesen Nachrichten rechne als mit guten.
Nach zwei Minuten zackigen Hantierens mit dem Ultraschall-Zauberstab sagte mein braun gebrannter Vertretungsarzt den oben zitierten Satz und ging zur Tagesordnung über, als wäre es ganz selbstverständlich, dass ich zystenfrei bin. Mir fiel das ein bisschen schwerer. Vor lauter Verwirrung darüber, dass ich mich NICHT auf eine neue Bauchspiegelung einstellen muss und einfach weiter im Plan bleiben darf wie andere Leute auch, habe ich erst meinen Behandlungsplan fallen gelassen, dann vergessen, mir Blut abnehmen zu lassen (erst an der nächsten Straßenecke fiel es mir wieder ein) und erst in der Apotheke bemerkt, dass ja diesmal viel weniger Medikamente auf dem Rezept standen als letztes Mal. 299,90? 299,90? Erdnüsse! Und wieso passt diese Medikamententüte in meine Handtasche, da stimmt doch was nicht?
Nein, da stimmt wirklich was nicht: die aufgeschriebenen Spritzen reichen nicht bis zur OP, und Crinone fehlt auch. Aber das klären wir morgen oder übermorgen oder irgendwann. Fest steht: ich bin zystenfrei, die Eizellen haben NOCH alle Karrierechancen der Welt, und mein nächster Termin ist nächste Woche Samstag um neun. (Woher die Ärzte in dieser Klinik die Zeit und Gelegenheit nehmen, braun zu werden, ist mir ein Rätsel. Entweder diese Praxisbeleuchtung kann mehr, als man denkt, oder Selbstbräuner?) Wenn dann die Eizellen ordentlich gewachsen sind und immer noch keine Zysten auftauchen, dann gibt es grünes Licht für die Punktion.
Uff. Wieder eine Hürde weniger. Ich würde sagen, darauf gibt es ein Piccolöchen. Und morgen Abend gibt es die erste Spritze.

Dienstag, 9. Juni 2009

Liebe Eizellen,

morgen wird ein großer Tag für euch. Morgen geht es rund, jedenfalls dann, wenn alles so läuft, wie ich mir das denke. Dann bekommt ihr morgen Abend eine kräftige Dosis Hormone, und wie es euch dabei gehen wird – da überfragt ihr mich leider. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es nicht leicht ist, plötzlich zehn mal so schnell wachsen zu müssen wie sonst, und dann wird es da drin immer enger und enger, weil die anderen es auch plötzlich so eilig haben – wieder mal bin ich froh, dass nicht ich in eurer Haut stecke, sondern umgekehrt.

Ich schreibe euch heute aber, weil ich nicht möchte, dass ihr einen falschen Eindruck von mir bekommt. Das bleibt nicht so mit diesen Gewaltmärschen, keine Angst! Falls wir uns später noch mal in anderer Form wiedertreffen als ihr auf einer Camelia und ich fluchend über euch, kann ich euch heute schon sagen: Ich werde keine von den Müttern werden, die immer eine 1 vorm Komma sehen will und euch durch eure ganze Kindheit immer nur vor sich hertreibt. Versprochen!

Aber wo ich gerade dabei bin, will ich euch noch mehr versprechen:

Bevor ihr euch lange überlegt, wie ihr mich rumkriegt: müsst ihr nicht, habt ihr schon. Ja, ihr dürft bei den Nachbarn im Garten zelten. Und Papas Taschenlampe dürft ihr auch mitnehmen.

Wenn euch eines Tages die Lust anwandelt, euch mit meinem Nagellack, meinem Lippenstift und meinem Edding zu verschönern, nur zu! Man kann gar nicht früh genug lernen, dass wasserfeste Wimperntusche nicht nur Vorteile hat.

Mama kann nicht besonders gut vorlesen. Sie wird es trotzdem tun. Und wenn euch eines Tages „Hanni und Nanni spielen einen Streich“ mehr interessiert als Harry Potter, werde ich nicht enttäuscht sein und auch nicht mit Absicht alle Rollen gleich lesen.

Mama kann auch nicht besonders gut singen. Aber ich verspreche euch heute schon, dass ich euch nur dann etwas vorsingen werde, wenn ihr sehr, sehr böse wart.

Mama mag keinen Rosenkohl. Ihr müsst also auch keinen mögen. Und es kommt noch besser: Mama hasst lauwarme Milch, Formfleischschnitzel, Wirsinggemüse und wabbelige Hühnerhaut. Ihr werdet ein wabbelige-Hühnerhaut-freies Leben führen.

Ich war weder gut in Physik, noch in Chemie, und schon gar nicht in Sport. Wenn ich jemals was anderes behaupte, dann ist das eine dreckige Lüge, und die Wahl der Strafe dafür liegt in eurer Hand.

Auch ich war mal in eine Zeichentrickfigur namens Captain Future verliebt. Rosenkohl könnte also eine Strafe sein, auf die ich verfalle, Fernsehverbot dagegen nicht.

A propos Fernsehen: Ich verspreche euch, dass ihr euren Kindern viel zu erzählen haben werdet über eure Kindheit. Und das meiste davon wird nicht im Fernsehen passiert sein.

Ich verspreche euch Kuchen mit Kerzen zum Geburtstag, Kekse zu Weihnachten, einen richtigen Weihnachtsbaum mit richtigen Kerzen, so lange ich irgend was zu sagen habe, und ich verspreche, dass ihr an Silvester euer eigenes Feuerwerk mit Knallfröschen bekommt. Ich verspreche euch Matratzenlager, Ferien auf dem Bauernhof, dass ihr einen Hund haben dürft, und dass ich noch lernen werde, wie man Zauberäpfel schnitzt, und wenn es mich einen Finger kostet.

Übrigens verspreche ich auch, dass ich den Termin morgen nicht verschlafe.

Montag, 8. Juni 2009

Hü hott hü hott hü hott

Gerade lese ich die letzten Einträge noch mal, und da fange ich an, mir zu überlegen, ja wie denn nu? Mal finde ich, das ist doch alles halb so wild, dann wird es wieder zur fixen Idee. Es gibt Tage, da fühle ich mich wie die Königin der Lässigen, die nichts so schnell umhaut und die diese ganze Sache wegsteckt wie andere einen Schnupfen. Das fühlt sich gut an, da muss ich dann schnell einen Eintrag draus machen. Dann habe ich wieder eine komische zergrübelte Nacht, und auch daraus wird ein Eintrag. Mal war ich froh über meinen Job und all das, was ich dank ihm nicht denken und tun konnte, und dann war er wieder eine Falle, in der ich dank meiner unklaren Familienplanung feststeckte. Mal denke ich dies, dann fühle ich wieder das. Zum Glück bin ich keine Partei, die sich auf ein Programm festlegen muss und das dann zwei Jahre bis zur Wahl möglichst eisern durchziehen muss, sondern das hier ist mein Blog, und ich schreibe, was auch immer mir gerade durch den Kopf schießt, egal, ob es sich mit dem großen Flora-Plan verträgt oder nicht. Der Plan ändert sich auch notfalls gerne mal. Es ist ein ziemlicher Schlingerkurs. Und ich bin froh, dass ihr da hinten auf den Rücksitzen dran bleibt und mitfahrt auf dieser merkwürdigen Reise. Aber wenn euch schlecht wird von dem Geschlinger, sagt rechtzeitig Bescheid, ja? Nicht, dass was auf die Polster kommt.

Nachtgedanken einer In Vitro-Patientin in ungeordneter Reihenfolge

1.Was, wenn ich das mit den Spritzen verbammele und mir aus Versehen eine riesige Luftblase ZACK direkt in die Blutbahn spritze? Dann gucke ich aber dumm!

2.Was, wenn L. eines Tages realisiert, dass das Leben so einfach und unbeschwert sein kann, wenn man sich eine 25jährige Fruchtbarkeitskönigin angelt?

3.Was, wenn ich nach drei erfolglosen Versuchen irgendwann in der Zeitung lesen muss, dass die Belegschaft meiner Klinik aus einer Bande von als Ärzte verkleideten Aushilfskellnern bestand und jetzt aufgeflogen ist, und ich hatte nie eine Chance, und nun muss ich auch noch jeden weiteren Versuch selbst zahlen?

4.Was, wenn die Zysten bisher sich gerade erst warmgelaufen hatten und der große Angriff erst noch kommt, sobald ich mal kurz nicht hingucke?

5.Was, wenn irgendwann alle Kinder haben, selbst der Papst schiebt irgend so einen Bugaboo durch die Gegend, nur ich nicht?

6.Was, wenn ich angesichts der Kinderlosigkeit werde wie mein Hass-Onkel und meine Hass-Tante, die einzigen kinderlosen Menschen, die ich als Kind kannte, und gleichzeitig mit wenigen Ausnahmen die unsympathischsten?

7.Was, wenn ich so werde wie diese arme Seele, die ihren Buggy mit drei als Babys verkleideten Pinschern immer durch die Innenstadt schiebt?

8.Was, wenn es zwar klappt, aber das Kind wird ein kleiner Kotzbrocken, der mich von nun an jede Minute meines Lebens nerven wird und mich meinen Kinderwunsch noch verfluchen lassen wird (wie in dieser Horrogeschichte von der Affenpfote: Die Affenpfote erfüllt Wünsche. Aber sie erfüllt sie anders, als du denkst! Du wünscht dir, reich zu sein, und die Affenpfote erfüllt dir diesen Wunsch, indem sie deinen Sohn verunglücken lässt, und du wirst zur Entschädigung mit Geld überschüttet. Du wünschst dir, zehn Kilo abzunehmen, und die Affenpfote sorgt dafür, dass du ein Bein verlierst – und bist zehn Kilo leichter. Ihr versteht das Schema.)

9.Was, wenn es klappt, und ich stelle hinterher fest, dass ich nicht der mütterliche Typ bin und nur die Not, in den nächsten drei Jahren zu Potte zu kommen oder nie, dafür gesorgt hat, dass ich mir die Sehnsucht nach einem Baby so dermaßen überzeugend einrede, dass ich mir für die Erfüllung meines Kinderwunsches sogar Medikamente in den Bauch spritze, die aus Dingen gewonnen werden, die ich sonst noch nicht mal anfassen wollte?

10.Was, wenn ich das alles hinter mir habe, und dann stellt ein Arzt fest: super, dass es geklappt hat, aber eigentlich wäre nur ein bisschen mehr Magnesium/Sonne/Vitamin B notwendig gewesen?

11.Was, wenn wir es probieren und probieren und probieren und gar nicht merken, dass wir trotz aller guten Vorsätze langsam verrückt geworden sind?

12.Was, wenn wir es probieren, es klappt, das Kind ist gesund und schön und wunderbar, und dann passiert etwas Schreckliches?

13.Was, wenn ich nicht gleich einschlafe und morgen den Tag mit zwei Stunden Schlaf überstehen muss? Und das, wo doch viel Schlaf so wichtig ist jetzt?

14. Was, wenn ich durch die vielen Medikamente eine Stoffwechselkrankheit bekomme und 150 Kilo wiege, so wie meine Lehrerin damals, die gerade noch Tennismeisterin war und plötzlich ein Wal?

15. Was, wenn sich meine Zehen in kleine Biester mit großen Zähnen verwandeln und anfangen, mich von unten her aufzufressen?

So in etwa denke ich vor mich hin. So in etwa jede zweite Nacht.
Aber das hat nichts mit In Vitro zu tun, nein nein.
Wenn es nicht In Vitro wäre, dann wäre es etwas anderes.
Und das Schöne an In Vitro-Nachtgedanken ist, dass es dafür wenigstens eine große Hasengemeinschaft hier gibt.

Eier schaukeln

Warten auf den Zyklus mit festem Job geht ungefähr so: Wecker piept, aufstehen, duschen, anziehen, zur Arbeit, Meeting, Meeting, Meeting, Mittagspause, Meeting, Meeting, arbeiten, Meeting, arbeiten. Dann nach Hause, auf dem Heimweg einkaufen und dabei versuchen, möglichst viele Sachen zu kaufen, die in ein paar Wochen wieder verboten sein werden*, zu Hause kochen, essen, sich den Kopf zerbrechen, was um Himmels willen man ohne Hormone in sein Blog schreiben soll, und das ist häufig auch der erste Zeitpunkt des Tages, an dem man über die Kinder- und IVF-Sache nachdenkt. Dann die Frage: Rot, Weiß oder Bierchen? Und es folgt der typische Paar-Feierabend mit Sofa, Zeitungen, Bett, Buch und Glotze. Boahhh, bin ich müde, war ein Ätz-Tag im Job. Und ehe man sich's versieht, schläft man wie ein Steinchen, ein weiterer Tag ist vorbei, und man ist wieder 24 Stunden näher am nächsten Befruchtungsversuch.

Warten auf den Zyklus ohne festen Job geht anders, ganz anders sogar. Zwar bin ich den ganzen Tag lang beschäftigt und lebe trotzdem in dem unbehaglichen Gefühl, eigentlich müsste ich noch viel mehr tun. Aber irgendwie schaffe ich es trotzdem, dabei ständig an IVF zu denken. Vielleicht liegt es daran, dass ich fast den ganzen Tag meine Wohnung und L. um mich habe. Ich komme täglich 15 mal an meinem Nasenspray vorbei, ich komme ins Arbeitszimmer und denke darüber nach, ob das hier bis in alle Zeiten das Mahnmal zu Ehren der Ungelesenen Zeitung bleibt oder ob sich hier mal Mobiles mit Disney-Figuren drehen werden, und ich sehe den zukünftigen Vielleicht-wenn-wir-Glück-haben-Vater-meiner-Kinder, wenn ich nur zwei Zentimeter an meinem Computerbildschirm vorbeigucke. Er sieht eigentlich ganz entspannt und fröhlich aus. Aber wer weiß schon, was in so einem Kerl vor sich geht? Tut er nur tapfer, um mich nicht zusätzlich zu stressen?

Höchste Zeit, dass die Vorbereitungszeit vorbei ist und es wieder richtig los geht. Im Job, meine ich jetzt.
Denn dass es im Hormonzirkus wieder losgeht, das ist klar. Jedenfalls dann, wenn übermorgen früh keine Zyste auf dem Radar erscheint.

* perfekt wäre z.B. ein Abendessen aus Mayonnaise, Muscheln, rohem Fisch, rohem Steak, altem Brie, Minze und Whiskey. Klingt eklig, findet ihr? Ich gebe euch eine Woche nach der Rückübertragung, dann kann das plötzlich sehr verlockend klingen, glaubt mir!

Sonntag, 7. Juni 2009

Aktion nasenspraysichere Wohnung

Wir kommen gerade aus dem Haus von L.s Cousin und seiner Frau. Außer von den beiden wird dieses Haus im Moment noch bevölkert von 220 noch nicht ausgepackten Umzugskartons und ihrem Sohn, knapp anderthalb. Von außen ist es ein niedliches, hellgelb gestrichenes Siedlungshäuschen mit Buntglasfenstern in einer netten Gegend, von innen ist es die Hölle. Noch. Sie müssen mit Bindfäden Gitter an die Treppe binden, damit der Kleine nicht rauf- oder runterklettert und das alles mit Tatütata endet. Sie müssen einen Zaun um den Gartenteich bauen, sie müssen jeden seiner Schritte verfolgen, denn im Moment wissen sie noch nicht mal, wo sich ihre Socken befinden, und dementsprechend natürlich auch nicht, wo gerade Messer, Gabel, Scher' und Licht sind. Der Kleine muss gehütet werden wie ein Selbstzerstörungsmechanismus auf zwei Beinen. Zurück in unserer zwei-Erwachsene-plus-niemand-sonst-Wohnung, frage ich mich unwillkürlich, was man tun müsste, um die Bude babyklar zu machen. Aus seinem Zimmer müsste das Kinderzimmer werden, denn ich habe kein Zimmer. Mein Zimmer wäre am ehesten noch die Küche, aber in der Küche kann man kein Baby aufziehen (oder doch?). Wie auch immer, ich wäre jedenfalls nur schwer bereit, mich vom Kühlschrank oder dem Herd zu trennen, um an dieser Stelle den Wickeltisch hinzustellen. Also sein Zimmer, sein „Arbeitszimmer“. Ihr denkt jetzt an einen Schreibtisch, Bücherregale, einen Computer mit Drucker. Da habt ihr Recht. Aber nun denkt euch jeden dieser Gegenstände vollkommen bedeckt mit Papieren, Zeitungsausrissen, alten Spexen, Kontoauszügen, Platten und sonstwas. Arbeitszimmer, jaja. Dieses Zimmer aufzulösen, würde ich für eine gute Idee halten. Bis mir einfällt, dass das auch für mich bedeuten würde, mich tagelang mit dem Auseinandersortieren dieses ganzen Krams zu befassen. (In der Psychologie gibt es ein Phänomen, das „Broken Window“ genannt wird. Wenn irgendwo ein Gebäude leersteht, vergehen oft Jahre, bis jemand eine Scheibe einschmeißt. Aber ist die erste Scheibe erst mal eingeworfen, dann gibt es kein Halten mehr. Dieses Phänomen kann vollständig erklären, warum sein Arbeitszimmer so aussieht, wie es aussieht, und leider hat das Phänomen auch mich in seinen verhängnisvollen Bann gesogen.)
Dann müsten wir noch die Wände streichen, Babymöbel kaufen und so, das wäre vermutlich der lustigste Teil der Umrüstung unserer Wohnung.
Die Steckdosen. Früher hatten wir da solche drehbaren Plastikchips drin. Die hatten sicher ihren Sinn. Die sollten wir also haben. Ein Gang zu Obi würde also anstehen, und auf dem Weg dorthin könnten wir auch gleich zu Toom oder in ein Gartencenter und uns neue Balkonpflanzen kaufen (die alten hab ich getötet, leider. Aber wie heißt es so schön: Pech mit Balkonpflanzen, Glück mit In Vitro.). Egal, ich schweife schon wieder ab, und unser Baby quetscht sich inzwischen die Finger in zuknallenden Türen! Wir bräuchten also auch diese Gummiklötze, die man oben auf die Tür setzt, um das zu verhindern. Außerdem müsste die schicke Hausbar vom 50er-Servierwagen auf das oberste Bord des Bücherregals umgelagert werden. Sehr gut, erst auf einen Stuhl klettern zu müssen, bevor es was zu trinken gibt, setzt dem Konsum von hartem Sprit eine natürliche Grenze.
Was noch? Wenn man mit offenen Augen durch die Bude geht, kriegt man es wirklich mit der Angst zu tun! Baby könnte den Kopf in die Gitarre stecken, Baby könnte von den umkippenden Boxen zermalmt werden, Baby könnte überhaupt jedes Bücherregal von der Wand auf sich drauf kippen (mit der Hausbar, das hätten wir dann davon), Baby könnte alle Töpfe vom Herd reißen, Müll essen, in die Spülmaschine krabbeln und natürlich vom Balkon fallen, zum Glück nicht besonders tief. Das Auto müssten wir verkaufen, ein alter SL ist keine Familienkutsche. Besser, ich gehe jetzt rüber und sag das L. Und das mit den Steckdosen und der Hausbar gleich mit. Wozu haben wir einen voll ausgestatteten Werkzeugkasten? Warum bin ich denn eine Frau im Besitz einer Schlagbohrmaschine? Ich glaube, die Regale andübeln schaff ich heute noch. Man kann nicht früh genug vorsichtig genug sein. Ich nehme ja nun seit einer Woche Synarela, das Baby ist also quasi schon auf dem Weg, und bei besonders mütterlichen Frauen reicht so ein kleiner Pfi-Pfü in jedes Nasenloch, um den Nestbautrieb voll in Fahrt zu bringen.

Kopfkino, Kopfkino, und wohin führst du mich morgen?

Freitag, 5. Juni 2009

Verfehle ich das Thema?

Eigentlich sollte und wollte ich doch über Hormone schreiben und das, was sie gerade mit meinem Körperchen anstellen. Ich würde euch so gerne jeden Tag ein wahres Feuerwerk an nützlichen Informationen und Einblicken zum Thema In Vitro liefern. Stattdessen müsst ihr hier zum wiederholten Mal irgendwelchen Kram über das Wetter, das Nachtleben oder sonstwas lesen.

Woran liegt das? Ist In Vitro am Ende so uninteressant? Das glaube ich gar nicht mal, ich könnte mich bestimmt mehrere Stunden täglich in Foren und auf Blogs beschäftigen (wenn auch nicht hier, bisher hab ich noch nicht so viele deutsche In Vitro-Blogs aufgetan, aber die Amerikanerinnen sind beim Eierbloggen unfassbar umtriebig – wenn aber jemand einen guten Blogtipp aus Deutschland hat, nur her damit!). Ich könnte Medikamente und Ärzte googeln und mich nach und nach zur Expertin entwickeln. Das Problem ist nur, das will ich gar nicht. Denn erstens kriegt man es im Netz innerhalb kürzester Zeit mit der Angst zu tun, wenn man Gesundheitsthemen googelt, und zweitens will ich auch gar nicht, dass dieses Thema nun wirklich zu doll Überhand nimmt in meinem Leben, denn dann käme ich ja sonst zu nichts mehr.

Womit wir gleich beim zweiten Grund dafür sind, warum hier trotz so vieler Versprechen, mich zu bessern, leider oft so wenig von In Vitro die Rede ist: Das hier ist mein In Vitro-Tagebuch, und in meinen In Vitro-Tagen spielen scheinbar andere Dinge eine Rolle, als ich erwartet hatte. Ich hatte wirklich mal gedacht, es würde ein Ausnahmezustand herrschen, und die Hormone würden diesen Wochen und Monaten (und mit Pech auch Jahren) so ein ganz besonderes Aroma mitgeben, das durch jeden Tag weht und sich überall bemerkbar macht. So dass aus Einkaufen In Vitro-Einkaufen wird, aus Urlaub In Vitro-Urlaub, aus Planung In Vitro-Planung usw.
Und das ist nicht immer so. Und in der zweiten Zyklusschleife sogar noch weniger als in der ersten. In Wahrheit stehe ich morgens auf und denke an hundert Dinge, aber nicht daran, ob es denn wohl diesmal klappt und ob dieser Pickel da etwas mit Hormonen zu tun hat. In Wahrheit vergehen oft acht Stunden an einem Streifen, ohne dass ich auch nur einen Gedanken an Kinder, Kinderlosigkeit, die näher rückende OP oder meine Medikamente verschwende. Und wenn das eben für mich so ist, dann ist das so, und deshalb ist es doch nicht weniger mein In Vitro-Tagebuch, wenn für mich In Vitro nun mal so läuft.
(In letzter Zeit ist es zwei mal vorgekommen, dass mich jemand angerufen hat und ganz bedeutungsschwanger gefragt hat, wie es denn jetzt weitergeht? Und ich hab in beiden Fällen gedacht, die meinen die Selbständigkeit und nicht die Spritzen.)

Ich weiß auch nicht, ob das die Ausnahme ist oder ob sich das jede früher oder später mal denkt – müsste das nicht dramatischer sein? Vielleicht kommt das Drama ja auch noch, wenn die Monate vergehen und immer noch kein Baby in Sicht ist. Ein Blick in die Gesichter der anderen Patienten in meiner Klinik legt nahe, dass einem mit der Zeit das Lachen schon vergehen kann.
Vielleicht liegt es auch nur daran, dass sich gerade so viele Dinge tun, die mich von meinen Eiern ablenken. Ich kann euch sagen, sich selbständig zu machen, ist eine 1a Methode, um Hormonblues zu vermeiden.
Und ich weiß nicht, ob das viele Witzeln und Frotzeln und Wer-weiß-wie distanziert tun nur meine Methode ist, zu viel Enttäuschung und Kummer zu vermeiden, ob ich mir was vormache und es nachher nur um so dicker kommt, und ob mir das alles irgendwann noch mal im Hals stecken bleiben wird. Aber das ist nun mal die einzige Methode, die ich habe, um mit solchen wirren Zeiten umzugehen und den Kopf über Wasser zu behalten.

p.s. Es ist ja auch schließlich so: Wenn ich mich nur auf In Vitro beschränken würde, dann würde dieser Blog in etwa aussehen:
Montag
Heute morgen Nasenspray. Puh, fieser Geschmack! Wird das ein Pickel da neben meiner Nase?
Abends Nasenspray. Pickel unverändert.
Dienstag
Morgens Nasenspray, aber fast hätte ichs vergessen! Puh! Heute zwei Kilo mehr auf der Waage als noch vor einer Woche. Bin sicher, L. wird mich trotzdem weiterhin lieben und begehren, der Süße.
Abends Nasenspray.
Mittwoch
Der Tag beginnt mit Nasenspray. Mittags auf einem 15 Minuten langen Spaziergang vier Zwillingskinderwagen gesehen. We are family! Abends Nasenspray. Pickel verschwunden.

usw., das kann doch keiner wollen?