Dienstag, 26. Mai 2009

Das Unterbewusstsein ist eine blöde Kuh

Es gab immer eine Standard-Szene bei der Modelshow, die mich wahnsinnig gemacht hat: die Stelle, an der das arme Mädchen vor der Jury steht und gesagt bekommt, dass die Jury das Gefühl hat, sie WILL das einfach nicht genug. Also irgendwie. Unbewusst halt. Dass da irgendwie... also irgendwie etwas mit ihrer Einstellung nicht stimmt. Klar, sie ist hübsch und hat eine tolle Figur und ganz viel Ausstrahlung und ist SUPERfotogen und alles, aber irgendwie... irgendwie nimmt man ihr nicht ab, dass sie das wirklich will.
An dieser Stelle fließen dann manchmal Tränen. (manchmal rollen die Mädchen auch die Augen oder keifen hinterher in der Garderobe trotzig rum, aber das sind dann die Mädchen, die es sowieso nicht mehr lange machen.) Aber die Tränen sind nicht schlimm, die Tränen sind gut, denn die Tränen zeigen: das Mädchen will nämlich DOCH, und die Jury hat ihr gerade auf den richtigen Weg geholfen. Dann muss das Mädchen manchmal noch sagen, dass sie an sich glaubt, dann muss sie das noch mal lauter sagen und noch mal, „wir können dich nicht hören“, und am Ende sind die Tränen getrocknet und nun kann doch noch alles gut werden.
Ich weiß nicht, was ihr tätet, aber ich wäre ganz sicher eine von denen, die die Augen rollen. Und deshalb ist es bestimmt gut und richtig, dass ich keine Kandidatin in einer Modelshow bin, sondern einen anderen Beruf habe (wenn auch nur noch vier Tage, hihi) und so schnell niemand zu beurteilen hat, ob ich meine Ziele auch doll genug erreichen will, ganz tief drinnen.

Dachte ich. Denn jetzt habe ich innerhalb weniger Tage erst gehört, dass ich das mit dem Baby vielleicht einfach zu doll will (dann kann es ja nichts werden!) und dann wieder, dass ich das mit dem Baby einfach nicht doll genug will (dann kann das ja nichts werden!). Ich bin nicht die erste, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzen muss (muss ich?), in den Blogs und Foren geht es oft darum, dass man sich entspannen/konzentrieren/befreien/darauf einschwingen/innerlich reinigen oder sonstwas muss, um auch nur die geringste Chance auf eine erfolgreiche In Vitro-Befruchtung zu haben.

Mich macht das sauer. Ja, kann ja sein, dass inzwischen längst erwiesen ist, wie viel die richtige Einstellung zur erfolgreichen Therapie beiträgt – aber wieso wird das immer dann plötzlich so unfassbar wichtig, wenn es um Frauen und ihre Krankheiten geht? Wenn ich mir das Bein breche, dann muss ein Arzt das vernünftig richten, ich muss mich eine Weile lang schonen und vermutlich auch genug Calcium essen oder irgendwas, und dann wird das wieder gut. Ich muss nicht den Gedanken loslassen, dass meine Knochen funktionieren müssen, ich muss mich nicht damit trösten, dass ich zwar gerade nicht so toll laufen kann, aber dafür sehr schön singen, und vor allem fragt sich niemand, ob ich das denn auch wirklich WILL, dass mein Schienbein wieder zusammenwächst. Oder ob ich das zu doll will und damit meine Knochen blockiere. Das hier sollte mehr Medizin sein und weniger Selbst-Hypnose. Geht das bitte?

Ach je. Vielleicht sehe ich mich und meinen Unterleib ja zu kalt und mechanistisch. („Und genau an dieser Sichtweise liegt es, dass du...“ Danke.) Aber ich fände es schön und erfrischend, wenn mir jemand sagen würde: nimm deine Medikamente pünktlich und wie angeordnet, iss weniger von den Sachen auf der roten Liste und mehr von denen auf der grünen Liste, schlaf tüchtig, und nach drei Runden klappt es, wirst schon sehen.

Drüben im Nachbarbüro niest eine Kollegin sich die Lunge aus dem Leib, sie hat Heuschnupfen. Tja. So geht es eben, wenn man es einfach nicht schafft, auch unterbewusst die Natur zu umarmen und nicht nur zu denken, sondern auch zu fühlen: Haselnüsse, Birken und Gräser, das sind alles Freunde, keine Feinde. Grrrrrrrr.

5 Kommentare:

  1. sehr schön! mir aus der seele gesprochen. danke!

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  2. Kann mich da nur anschließen. Bin vor ein paar Tagen zufällig auf dieses Blog (oder diesen?) gestoßen und bin total begeistert :-)

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  3. Bin auch mal wieder da!
    Sehr beliebt und ganz weit oben auf der Nerv-Liste ist auch die Geschichte von der Frau, die die Hoffnung aufgegeben, das Thema abgehakt hatte und dann - oh Wunder - schwanger wurde. Im Lauf der letzten Jahre bestimmt 20mal gehört (gefühlte 180mal...)
    Auch alle anderen beschriebenen Geschichten sind mir wohlbekannt. Eileiter verschlossen? Endometriose? Alles kein Grund für die Spezialisten, die einen allenthalben umgeben.
    Heutzutage herrscht ja ein unverwüstlicher Machbarkeitsglaube, gegen den ist kein Kraut gewachsen.
    Alles Gute!
    Leela

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    1. Oh, wie sehr mich das wuschig macht!
      GERADE als wir es aufgegeben hatten, hat es geklappt. Aha?!
      Wann denn? 2 Wochen oder 2 Monate oder 1 Jahr später? Wäre es nicht vielleicht sowieso dazu gekommen?
      Ach ja, und bitte immer schön entspannen...
      Soll ich jetzt aufgeben? Aber wofür dann wollen? Muss ich nicht, um auf einen Berg zu kommen, auch loslaufen?
      Ich entscheide mich gerade für weghören und weiterlesen :-D.

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  4. genial!!! wann gibt es Dein Buch? ! ICh kaufe es sofort!
    so gut geschrieben!

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