Sonntag, 19. April 2009

Der Feind auf meinem Balkon

Angeblich haben Menschen kein Gedächtnis für körperlichen Schmerz. Ich glaube, das stimmt. Bei mir reichen dreieinhalb Wochen jedes Mal locker, um zu vergessen, wie fürchterlich weh so eine Periode tun kann. Das Gute daran: vor lauter dumpfigen Krämpfen komme ich kaum dazu, traurig zu sein, dass diesmal die Tage noch aus anderen Gründen blöd sind als nur deshalb, weil ich mich krümme wie ein Engerling.

Obwohl die ganze Pleite gefühlt literweise und in Signalfarbe aus mir rausfließt und nicht zu übersehen ist, muss ich mir weiter jeden Tag ein weißes Plastikröhrchen voll Gel einführen und auch sonst so tun, als wäre der Plan immer noch in Kraft. Das hat mir die nette Arzthelferin aus der Fruchtbarkeitsklinik gestern am Telefon gesagt und dabei so einfühlsam und mitleidig geklungen, dass ich am liebsten aufgelegt hätte. Aber ich darf jetzt schon Montag zum Test kommen, und dann besprechen wir, wie es weiter geht. Muss ich jetzt wieder die Pille nehmen, damit ich keine neuen Zysten bekomme? Geht es sofort wieder mit dem Hormon-Nasenspray los? Warten wir lieber noch zwei Monate? Und gibt es irgend eine Erklärung dafür, wieso es diesmal nicht geklappt hat, die über „Pech gehabt“ hinausgeht?

Gestern Abend habe ich gegoogelt, ob meine neuen Balkonkräuter lieber in der Sonne oder im Schatten stehen und wie viel Wasser sie brauchen. Wenn ich schon kein Händchen für die Pflege von Eizellen habe, dann vielleicht ja wenigstens dafür, Basilikum, Schnittlauch, Thymian, Rosmarin, Estragon und Minze am Leben zu halten. Und da stand über Minze nicht nur, dass sie sonnig stehen soll, sondern da stand auch, dass schwangere Frauen um Minze einen Bogen machen sollten, denn sie würde frühzeitige Perioden auslösen. War es am Ende vielleicht das? Die Lammkeule mit Minze, die ich zu Ostern gemacht habe? Oder ist das nur blödes esoterisches Gewäsch? (Da stand übrigens auch, Estragon wäre krebserregend.)
Minze also. Sieht so harmlos, frisch und grün aus, ist aber ein Teufelszeug. Das passiert mir nicht nochmal. Ich habe seit der Einpflanzung vor zehn Tagen keinen Tropfen Alkohol getrunken, nur durchgebratenes Fleisch und keinen rohen Fisch gegessen, keinen Rohmilchkäse, keinen luftgetrockneten Schinken und bin noch nicht mal dem Bus hinterher gerannt. Aber von Minze hatte ich noch nie gehört. Was denn noch alles? Vielleicht ist es ja auch verboten, sich Tulpen ins Zimmer zu stellen, die Strokes zu hören oder Seide zu tragen. Und wenn das so sein sollte, kann ich es beim nächsten Mal bitte vorher wissen?

1 Kommentar:

  1. Liebe Flora,
    ich habe Deinen blog eben entdeckt, ich lese von hinten nach vorne und habe - trotz des anspruchsvollen Themas - Pippi in den Augen vor Lachen -
    Alles Liebe - Muss weiterlesen, Alice

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